L 20 RJ 1/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 9 RJ 940/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 RJ 1/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 26.10.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Halbwaisenrente an den Kläger über das 18. Lebensjahr hinaus.

Der am ...1969 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Die Beklagte gewährte ihm mit Bescheid vom 30.08.1977 ab 09.07.1976 Halbwaisenrente aus der Versicherung seines am 06.05.1941 geborenen und am 09.07.1976 verstorbenen Vaters Ismail Celebi. Mit Schreiben vom 26.04.1987 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass für ihn wegen Vollendung des 18. Lebensjahres ab 01.07.1987 kein Anspruch mehr auf Halbwaisenrente bestehe. Am 26.05.1987 teilte die Mutter des Klägers der Beklagten mit, dass sich ihr Sohn nicht in einer Schulausbildung befinde.

Am 11.04.1995 beantragte die Mutter des Klägers sinngemäß die Weitergewährung der Halbwaisenrente an den Kläger. Nach einem im Verwaltungsverfahren vom türkischen Sozialversicherungsträger Social Sigortalar Kurumu (SSK) beigezogenen ausführlichen ärztlichen Bericht, der auf einer Untersuchung des Klägers vom 05.07.1995 beruhte, leidet dieser an Asthma bronchiale und sei in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die gleiche Diagnose wurde im ausführlichen ärztlichen Bericht der SSK vom 18.11.1996 gestellt. Nachdem auch Frau Dr.D ... vom Ärztlichen Prüfdienst der Beklagten in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.01.1997 davon ausgegangen war, beim Kläger bestehe keine Behinderung, die ihn außer Stande setze, sich selbst zu unterhalten, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10.02.1997 die Gewährung der Halbwaisenrente an den Kläger über das 18. Lebensjahr hinaus ab.

Den hiergegen am 07.04.1997 eingelegten Widerspruch hat die Beklagte mit Bescheid vom 28.08.1997 zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 26.09.1997 sinngemäß Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.10.1999 abgewiesen. Der Kläger befinde sich weder in Schul- oder Berufsausbildung noch sei er aufgrund einer Behinderung außer Stande, sich selbst zu unterhalten. Obwohl er unter einem Asthma bronchiale leide, könne er leichte Arbeiten ohne Staub- und Geruchseinwirkungen noch ganztags verrichten, sodass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weitergewährung der Halbwaisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus nicht vorlägen.

Gegen den ihm am 03.12.1999 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit seiner am 10.12.1999 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.

Er sei arbeitsunfähig krank und bitte um nochmalige Überprüfung der Entscheidung des SG.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid vom 26.10.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10.02.1997 idF des Widerspruchsbescheides vom 28.08.1997 aufzuheben und ihm Halbwaisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 26.10.1999 zurückzuweisen.

Beim Kläger liege keine Behinderung im Sinne des § 48 Abs 4 Nr 2 b Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) vor. Es komme insbesondere nicht darauf an, ob er das bei ihm vorhandene Leistungsvermögen noch in konkretes Erwerbseinkommen umsetzen könne.

Das BayLSG hat einen Befundbericht des türkischen Arztes Dr.D ... vom 09.06.2000 beigezogen, der den Kläger am 30.05.2000 untersucht und dabei eine Hämographie, ein EKG, einen Lungenfunktionstest, biochemische Untersuchungen und eine PA-Lungen-Graphik durchgeführt hatte. Danach leidet der Kläger weiterhin an einem Asthma bronchiale; er könne deshalb nicht an schweren und gefährlichen Arbeitsplätzen sowie nicht in staubiger, rauchiger und atemreizender Umgebung arbeiten.

In seinem nach Aktenlage erstatteten Gutachten vom 20.07.2000 hat der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Internist und Sozialmediziner Dr.T ... ausgeführt, eine quantitative Leistungseinschränkung könne beim Kläger aus den vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht abgeleitet werden; dieser sei vielmehr (wie bisher) weiterhin in der Lage leichte (zeitweise auch mittelschwere) Arbeiten ganztägig zu verrichten, wenn dabei Tätigkeiten mit schwerem Heben und Tragen, gehäuftem Bücken, Einwirkungen von atemreizenden Gasen, Dämpfen, Stäuben, Kälte und Nässe vermieden werden könnten. Ortsübliche Anmarschwege bzw Anfahrtswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Fahrzeugen könne der Kläger zurücklegen; arbeitsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Dieses Leistungsbild bestehe bereits seit dem 01.01.1995.

Auf die beigezogenen Akten der Beklagten, des SG und des BayLSG wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 des Sozialgerichtsgesetzes = SGG) und auch im Übrigen zulässig (§§ 105 Abs 3, 144 SGG).

Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache nicht begründet, denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil dem Kläger über das 18. Lebensjahr hinaus kein Anspruch auf Gewährung von Halbwaisenrente zusteht.

Gemäß § 48 Abs 1 SGB VI haben Kinder nach dem Tode eines Elternteiles grundsätzlich Anspruch auf Halbwaisenrente. Nach Abs 4 dieser Vorschrift besteht der Anspruch längstens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres dagegen nur dann, wenn sich die Waise in Schul- oder Berufsausbildung befindet oder ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Gesetzes zur Förderung eines freiwilligen ökologischen Jahres leistet oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderungen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Er befindet sich ausweislich der Angaben seiner Mutter im Schreiben vom 26.05.1987, die im sozialgerichtlichen Verfahren nicht bestritten wurden, nicht in einer Schul- oder Berufsausbildung.

Der Kläger ist auch nicht wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung außer Stande, sich selbst zu unterhalten. Bei ihm liegt nach den am 30.05.2000 von Dr.D ... erhobenen Untersuchungsbefunden sowie den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr.T ... im Gutachten vom 28.07.2000 lediglich eine leichtgradige, allenfalls mittelgradige Lungenfunktionseinschränkung vor. Die entsprechenden Lungenfunktionsparameter sind weniger als 1/3 unter den Normwert erniedrigt; lediglich der Peak-Flow zeigt eine stärkere Erniedrigung. Im EKG konnten weder Hinweiszeichen auf eine Rechtsherzbelastung noch relevante Veränderungen im Blutbild des Klägers gefunden werden. Die Transaminasewerte deuten lediglich auf das Vorliegen einer toxisch-nutritiven Leberschädigung im Sinne einer biochemisch gering aktiven Fettleber bei hochgradigem Übergewicht sowie auf eine Hypertriglyceridämie hin. Dadurch wird die Fähigkeit des Klägers zur Verrichtung leichter (und zeitweise auch mittelschwerer) Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes jedoch ebensowenig beeinträchtigt, wie durch die bei ihm häufig auftretende rezidivierende Nasen-Nebenhöhlenentzündung. Da der Kläger nach den Auführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr.T ... im Gutachten vom 28.07.2000, dem sich der Senat anschließt, seit dem 01.01.1995 (ein früherer Leistungsbeginn kommt wegen der verspäteten Antragstellung auf Wiedergewährung der Waisenrente ohnehin nicht in Betracht) öffentliche Verkehrsmittel sowie Motorfahrzeuge benutzen und ortsübliche Fußanmarschwege zur Arbeitsstelle zurücklegen konnte, ist er nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten bzw seinen notwendigen Unterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu bestreiten. Er hat deshalb keinen Anspruch auf Weitergewährung der bis 30.06.1987 bezogenen Halbwaisenrente über das 18. Lebensjahr hinaus, mithin auch nicht für den Zeitraum vom 01.04.1995 (Beginn des Antragsmonats) bis 30.06.1996 (Ablauf des Monats der Vollendung des 27. Lebensjahres).

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 26.10.1999 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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