L 5 RJ 255/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 477/98 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 255/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit an die Klägerin.

Die am 1941 geborene Klägerin ist kroatische Staatsangehörige und lebt in K. , Kroatien. In Deutschland war die Klägerin vom 19. Mai 1969 bis 29. August 1984 als Bandarbeiterin in einer Uhrenfabrik und in einer Elektrogerätefabrik versicherungspflichtig beschäftigt. Für sie wurden für 146 Monate Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Da die Klägerin keine rentenrechtlichen Zeiten in Kroatien zurückgelegt hat, ist ein Versicherungsfall nach kroatischem Recht nicht eingetreten, die Klägerin bezieht auch keine kroatische Rente.

Ihren Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit vom 4. Januar 1996 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 4. Oktober 1996 ab mit der Begründung, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen lägen bei einem Eintritt der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht vor. Eine Prüfung, ob Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit vorliege, sei deshalb nicht erfolgt. Falls die Klägerin der Ansicht sei, dass die Erwerbsminderung bereits zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten sei, zu dem die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen noch erfüllt waren, werde der Bescheid erneut überprüft. Hierzu sei es jedoch erforderlich, ärztliche Unterlagen aus dieser Zeit vorzulegen, soweit dies möglich sei.

Ihren dagegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin vor allem damit, dass sie kein Geld gehabt habe, um nach ihrer Rückkehr nach Kroatien weiterhin Beiträge zu entrichten. Nach ihrer Rückkehr in die Heimat habe sie wegen der noch minderjährigen Kinder große Schwierigkeiten gehabt mit der Anpassung an die neue Umgebung und habe nicht arbeiten können. Sie sei dennoch stets beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet gewesen, habe aber keine Arbeit vermittelt bekommen. So sei sie als Hausfrau zu Hause geblieben. Ihr Mann habe eine eigene Firma besessen, die aber inzwischen nicht mehr bestehe. Wegen der finanziellen Probleme sei auch ihre Ehe auseinandergegangen, ihr Mann habe sie wegen einer anderen Frau verlassen. Da sie sich gesundheitlich sehr schlecht fühle, habe sie im letzten Jahr (1995) ärztliche Hilfe suchen müssen. Sie habe bereits einmal 1979 wegen psychischer Beschwerden ärztliche Hilfe in Deutschland gesucht, ihr Mann habe ihr aber damals nicht erlaubt, dass sie sich behandeln lasse, und sie habe auch keine Zeit dafür gehabt. Sie sei jedenfalls derzeit nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und könne sich nicht einmal einen grundlegenden Gesundheitsschutz leisten. Ihre psychische Krankheit sei nicht von heute auf morgen eingetreten. Die Klägerin legte ihrem Widerspruch radiologische Befunde und Krankenhausberichte einer psychiatrischen Klinik aus den Jahren 1995/96 bei. Der Sozialmedizinische Dienst der Beklagten, Dr.D., kam nach Durchsicht der Unterlagen zu dem Ergebnis, dass eine Untersuchung der Klägerin in Kroatien erforderlich sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 1997 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Unter Berücksichtigung ihres Vortrages im Widerspruchsverfahren werde jedoch die bisher fehlende Feststellung, ob und seit wann eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vorliege, nachgeholt. Auf Veranlassung der Beklagten wurde die Klägerin am 4. Juli 1997 in Jugoslawien untersucht. Der jugoslawische Gutachter kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Klägerin in dem bisher hauptsächlich ausgeübten Beruf als Fabrikarbeiterin nicht mehr tätig sein könne. Für den Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten wertete Dr.D. das jugoslawische Gutachten aus und kam ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Klägerin die bisher ausgeübte Tätigkeit als Bandarbeiterin nicht mehr, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt dagegen noch leichte Arbeiten ohne besonderen Zeitdruck, ohne erhebliche Verletzungsgefahr und nicht auf Leitern und Gerüsten vollschichtig ausüben könne.

Mit Bescheid vom 8. Oktober 1997 lehnte daraufhin die Beklagte den Rentenantrag der Klägerin vom 4. Januar 1996 ab, weil weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege. Mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen könne die Klägerin mindestens die Hälfte des für sie vergleichsweise heranzuziehenden Arbeitseinkommens einer gesunden Vergleichsperson erzielen. Zur Begründung ihres dagegen eingelegten Widerspruches übersandte die Klägerin einen neuen Befund eines Neurologen/Psychiaters. Sie sei nicht mehr in der Lage, in ihrem Gesundheitszustand Arbeiten zu verrichten, mit denen sie Geld verdienen könne. Bei den neu übersandten Befunden handle es sich um einen Bericht der Neurologischen und Psychiatrischen Ambulanz in K. vom August und Oktober 1997. In einer Stellungnahme hierzu kam Dr.D. im November 1997 zu dem Ergebnis, dass eine Änderung der Beurteilung nicht veranlasst sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 1998 wies daraufhin die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 27. Januar 1998 zugestellt.

Die dagegen erhobene Klage ist am 26. März 1998 beim Sozialgericht Landshut eingegangen. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, ihr Gesundheitszustand habe sich in der Zwischenzeit wesentlich verschlechtert, wie aus einem ärztlichen Befundbericht der Neurologischen und Psychiatrischen Ambulanz K. vom 3. März 1998 hervorgehe. Das Gericht forderte sodann die Klägerin auf, eventuell vorhandene medizinische Unterlagen aus der Zeit von etwa 1984 bis 1988 vorzulegen. Nach der Ladung zum Termin am 27. Oktober 1999 teilte die Klägerin mit, dass sie aus gesundheitlichen und finanziellen Gründen nicht zur mündlichen Verhandlung erscheinen könne. Sie übersandte ein weiteres ärztliches Attest über ihre Gesundheitslage vom 9. September 1999.

Mit Urteil vom 27. Oktober 1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Bei den von der Klägerin ausschließlich in Deutschland zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestünde nach den deutschen gesetzlichen Regelungen und dem deutsch-kroatischen Sozialversicherungsabkommen ein Anspruch auf die beantragte Rente nur dann, wenn vor dem 1. Oktober 1986 Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eingetreten wäre. Dies sei nach Überzeugung der Kammer nicht der Fall, nachdem die Klägerin erste Wirbelsäulenbeschwerden erst für die Zeit ab etwa 1990 angebe und eine dauernde neurologisch-psychiatrische Behandlung erst seit 1994 stattfinde. Bei dieser Sach- und Rechtslage habe der Klage - unabhängig davon, ob später noch verminderte Erwerbsfähigkeit eingetreten sei - der Erfolg versagt bleiben müssen. Das Urteil wurde der Klägerin am 17. März 2000 zugestellt.

Die von der Klägerin dagegen eingelegte Berufung ist am 8. Mai 2000 beim Bayer. Landessozialgericht eingegangen. Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin geltend, aus ihrer Krankheitsgeschichte könne man erkennen, dass sie psychisch unfähig zu einer Erwerbstätigkeit sei. Inzwischen sei sie von ihrem Ehemann wegen ihrer Krankheit geschieden. Dieser zahle ihr keinen Unterhalt, weil er selbst arbeitslos sei. Sie bitte um erneute Überprüfung ihres Falles. Bei den übersandten Unterlagen handelt es sich erneut um die Krankengeschichte des Neurologisch-Psychiatrischen Krankenhauses vom 23. Januar 1996 bis einschließlich 14. April 2000. In einer Stellungnahme hierzu führte die Nervenärztin Dr.L. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten aus, ähnlich lautende Berichte wie die nun vorgelegten hätten bereits der ursprünglichen Beurteilung zugrunde gelegen. Für die Frage, ob vor dem 1. Oktober 1986 Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eingetreten sei, erbrächten die überreichten Unterlagen keine neuen Aspekte. Wie aus dem jugoslawischen Gutachten aus dem Jahr 1997 hervorgehe, sei frühestens 1994 eine relevante psychische Problematik bei der Klägerin aufgetreten, seit diesem Zeitpunkt werde sie von einem Neuropsychiater in Jugoslawien behandelt. Die Frage der derzeitigen aktuellen Leistungsfähigkeit der Klägerin könne allenfalls erst nach einer neuropsychiatrischen Begutachtung in Deutschland beurteilt werden. Allein aus den vorgelegten Unterlagen lasse sich eine abschließende Beurteilung der momentanen Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht treffen.

Mit Schreiben vom 15. Mai 2001 wurde die Klägerin gebeten mitzuteilen, ob und gegebenenfalls bei welchen Ärzten sie während ihres Aufenthaltes in Deutschland in Behandlung gewesen sei. Sie wurde aufgefordert, ärztliche Unterlagen aus der Zeit vor 1994 vorzulegen, sofern sie noch solche besitze. Es sei nicht ausreichend, wenn sie jetzt bzw. zur Zeit der Antragstellung erwerbsunfähig sei. Aus versicherungsrechtlichen Gründen hätte der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit vor dem Oktober 1986 eingetreten sein müssen. Diese Anfrage wurde an die Klägerin in kroatischer Sprache gestellt. Hierzu hat sich die Klägerin nicht geäußert.

Auf Anforderung übersandte die AOK Baden-Württemberg die bei ihr vorhandenen Mitglieds- und Krankheitszeiten. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin während der Zeit ihrer Mitgliedschaft, bei der AOK in der Zeit von 1976 bis 29. August 1984 nur wenige einzelne AU-Zeiten hatte und ein Krankengeldbezug zumeist für Zeiträume erfolgte, in denen sie ihre kranken Kinder betreute. Im Jahr 1984 hatte die Klägerin einen AU-Tag im Januar 1984 und dann nochmals die Zeit vom 24. Februar 1984 bis 9. März 1984. Weitere Behandlungsunterlagen aus der damaligen Zeit liegen nicht vor. Eine Auskunft der LVA Württemberg ergab, dass dort kein Vorgang bzw. keine Unterlagen aufliegen.

Sinngemäß beantragt die Klägerin,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27. Oktober 1999 sowie die Bescheide der Beklagten vom 4. Oktober 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1992 und vom 8. Oktober 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab Januar 1996 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27. Oktober 1999 zurückzuweisen.

Dem Senat liegen zur Entscheidung die Verwaltungsunterlagen der Beklagten sowie die Klageakte S 12 RJ 477/98 A und L 5 RJ 255/00 vor.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte (§§ 151 Abs.1, 153 Abs.1, 87 Abs.1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) sowie ohne Zulassung statthafte (§ 144 Abs.1 Satz 2 SGG) Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.

Das angefochtene Urteil des SG Landshut vom 27. Oktober 1999 ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften des SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (§ 300 Abs.1, Abs.3 SGB VI). Rechtsgrundlage sind die §§ 43, 44 SGB VI (a.F.). Nach diesen Vorschriften erhalten Versicherte, die berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn die allgemeine Wartezeit erfüllt ist und die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen. Die Klägerin hat zwar die allgemeine Wartezeit des § 50 Abs.1 Nr.2 SGB VI erfüllt, und sie ist wohl - derzeit - erwerbsunfähig bzw. berufsunfähig im Sinne der §§ 44 bzw. 43 SGB VI; dies kann jedoch dahingestellt bleiben, denn zur Überzeugung des Senates kann der Versicherungsfall der Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit frühestens im Jahre 1994 eingetreten sein. Damit scheitert ein Rentenanspruch der Klägerin aber an den fehlenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente. Diese sind erfüllt, a) wenn der Leistungsfall spätestens im Jahr 1984 eingetreten wäre (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder b) wenn die Zeit ab 1. Januar 1984 bis zum etwaigen Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt ist oder noch belegbar wäre (§ 240 Abs.2 SGB VI) oder c) wenn die letzten fünf Jahre vor Eintritt einer Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens drei Jahren Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (§§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, 44 Abs.1 Nr.2, Abs.4 SGB VI) oder d) wenn die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (§§ 53, 43 Abs.4, 44 Abs.4 SGB VI).

Keine dieser Voraussetzungen wird von der Klägerin erfüllt, wobei der in Buchstabe d) genannte Tatbestand der vorzeitigen Wartezeiterfüllung bei der Klägerin konkret nicht in Betracht gezogen werden kann. Auch die Voraussetzungen der Buchstaben a) bis c) liegen nicht vor.

Nach den §§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 letzter Halbsatz SGB VI sind keine besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erforderlich, wenn der Leistungsfall bis spätestens Dezember 1984 eingetreten ist. Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall gewesen.

Die Klägerin war bis zum 29. August 1984 in Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Für die Zeit vom 20. August 1979 bis 29. August 1984 wurden dabei für die Klägerin durchgehend Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Die bei der AOK Baden-Württemberg eingeholten Auskünfte über AU-Zeiten während der letzten versicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin in der Zeit von 1976 bis 29. August 1984 sprechen jedenfalls dafür, dass die Klägerin bei Aufgabe ihrer versicherungspflichtigen Beschäftigungen in Deutschland nicht erwerbsgemindert war. Sie hat in diesem Zeitraum nur wenige einzelne AU-Zeiten und ein Krankengeldbezug erfolgte zumeist für Zeiträume, in denen sie ihre kranken Kinder betreute. Im Jahr 1984 hatte die Klägerin einen AU-Tag im Januar 1984 und dann nochmals die Zeit vom 24. Februar 1984 bis 9. März 1984. Weitere Behandlungsunterlagen aus der damaligen Zeit liegen nicht vor. Auch eine Auskunft der LVA Württemberg ergab, dass dort kein Vorgang bzw. keine Unterlagen aufliegen. Die Klägerin selbst ist auch nicht in der Lage, für die Zeit vor 1994 eine ärztliche Behandlung nachzuweisen oder sonstige Unterlagen vorzulegen, aus der eine Minderung ihrer Erwerbsfähigkeit hervorgeht. Sie hat vielmehr selbst angegeben, dass sie in Kroatien als Hausfrau mit der Erziehung ihrer Kinder beschäftigt war und ihr Ehemann eine selbständige Tätigkeit ausübte. Nach ihren Ausführungen führten offensichtlich finanzielle Schwierigkeiten und eheliche Probleme zu den psychischen Belastungen, die möglicherweise derzeit eine geminderte Erwerbsfähigkeit der Klägerin bedingen. Aus den vom jugoslawischen Versicherungsträger für die Klägerin übersandten medizinischen Unterlagen aus dem Jahre 1997 geht hervor, dass frühestens 1994 eine relevante psychische Problematik bei der Klägerin aufgetreten ist, seit diesem Zeitpunkt wird sie - so diese jugoslawischen Unterlagen - von einem Neuropsychiater behandelt. Damit steht fest, dass eine rentenrechtlich relevante Leistungseinschränkung frühestens ab 1994 nachzuweisen wäre. Für die Zeit zwischen 1984 und 1994 ist davon auszugehen, dass die Klägerin noch in der Lage war, ganztags einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Bei diesem Leistungsvermögen lag in der Zeit bis 1994 weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit nach den §§ 43, 44 SGB VI vor. Die Klägerin wäre zu diesem Zeitraum auch in der Lage gewesen, den Beruf einer Fabrikarbeiterin (Bandarbeiterin in einer Uhrenfabrik oder in einer Elektrogerätefabrik) vollschichtig auszuführen. Qualitative und quantitative Leistungseinschränkungen sind für diese Tätigkeit und den Zeitraum vor 1994 nicht ersichtlich. Damit war ihre Erwerbsfähigkeit nicht unter die Hälfte einer vergleichbaren gesunden Versicherten gesunken. Berufsunfähigkeit nach § 43 Abs.2 SGB VI lag damit nicht vor. Das Fehlen von Berufsunfähigkeit schließt auch die Annahme von Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI zwingend aus.

Bei einem Leistungsfall im Jahre 1994 (oder später) ist die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (vgl. oben Buchstaben b) und c)) erforderlich. Diese liegen nicht vor.

Nach den §§ 241 Abs.2, 240 Abs.2 SGB VI sind Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (vgl. §§ 43 Abs.1 Nr.2, Abs.3, § 44 Abs.1 Nr.2, Abs.4 SGB VI) nicht erforderlich, wenn jeder Kalendermonat vom 1. Januar 1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Dies ist bei der Klägerin eindeutig nicht der Fall. Nach dem 1. Januar 1984 liegen Pflichtbeiträge bis zum 29. August 1984 vor. Weitere Beitragszeiten (freiwillige oder Pflichtbeiträge) sind nicht gegeben und werden auch nicht geltend gemacht. Bei dieser Sachlage kann eindeutig eine lückenlose Belegung der Zeit ab 1. Januar 1984 mit Beiträgen oder Anwartschaftserhaltungszeiten nicht angenommen werden.

Die Lücke kann auch nicht durch die nachträgliche Entrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit ab 1. Januar 1984 geschlossen werden, da die Fristen des § 1418 Abs.1 Reichsversicherungsordnung - RVO - bzw. § 197 Abs.2 SGB VI abgelaufen sind. Entsprechend der im Jahre 1984 geltenden Regelung des § 140 Abs.1 RVO waren freiwillige Beiträge bis zum Ablauf des Jahres, für das sie gelten sollten, zu entrichten. Diese Frist war bei der Antragstellung im Januar 1996 bereits abgelaufen.

Ein Recht der Klägerin, nachträglich Beiträge für die seit 1984 bestehenden Lücken im Versicherungsverlauf zu leisten, kann auch nicht mit Hilfe eines sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet werden. Dieser besagt, dass der Versicherungsträger verpflichtet ist, die Versicherten bei konkretem Anlass auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die jeder vernünftige Versicherte nützen würde (vgl. unter anderem BSG in SozR 3-1200 Nrn.8 und 9 zu § 14). Laut Aktenlage bestand für die Beklagten 1984 kein konkreter Anlass, die Klägerin auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, da zu diesem Zeitpunkt ein Kontakt zwischen der Klägerin und einem Versicherungsträger nicht bestand. Die Voraussetzungen der §§ 241 Abs.2 Satz 1 1. Alternative, 240 Abs.2 SGB VI sind damit nicht erfüllt.

Dasselbe gilt für die Regelung der §§ 43 Satz 1 Nr.2, 44 Abs.1 Nr.2, Abs.4 SGB VI. Danach setzt die Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit voraus, dass die Versicherten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit um die in Absatz 3 des § 43 SGB VI genannten Anwartschaftserhaltungszeiten verlängert. Bei der Klägerin kann ein Leistungsfall nach den vorgelegten medizinischen Unterlagen frühestens im Jahr 1994 angenommen werden. In der Zeit vom 1. September 1984 bis 1994 liegen keinerlei rentenrechtliche Zeiten vor. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bei Eintritt eines Versicherungsfalles vor dem 1. Oktober 1986 erfüllt gewesen wären. Da die Klägerin ernstere Wirbelsäulen-Beschwerden erst für die Zeit ab etwa 1990 angibt und eine dauernde neurologisch-psychiatrische Behandlung erst seit 1994 stattfindet (Bl.12 und 16 des Gutachtensheftes mit Übersetzung), kann ein Versicherungsfall vor den 1. Oktober 1986 nicht angenommen werden.

Die Klägerin hat demnach keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, da ein Versicherungsfall der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit vor 1990 nicht festgestellt werden kann. Es waren deshalb keine weiteren Ermittlungen durchzuführen, ob die Klägerin derzeit erwerbs- bzw. berufsunfähig ist, da für einen Versicherungsfall nach dem 1. Oktober 1986 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr gegeben sind.

Die Berufung der Klägerin war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten gemäß § 193 SGG beruht auf der Erwägung, dass die Berufung der Klägerin ohne Erfolg blieb.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved