L 6 RJ 270/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 2 RJ 1278/96 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 270/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11. März 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, hilfsweise (ab 01.01.2001) auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger, der am 1948 geboren und Staatsangehöriger der Republik Kroatien ist, hat in seinem Herkunftsland u.a. vom 25.11.1981 bis 30.04.1995 ohne Unterbrechungen Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. In der Bundesrepublik Deutschland hat er vom 17.11.1969 bis 19.05. 1981 versicherungspflichtig gearbeitet. In der früheren Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien hat er den Beruf eines Metalldrehers erlernt (Prüfungszeugnis vom 27.06.1966). In Deutschland ist er immer in seinem Ausbildungsberuf beschäftigt gewesen. Seit 06.02.1995 bezieht der Kläger in seiner Heimat Invalidenrente.

Mit Bescheid vom 19.03.1996 und Widerspruchsbescheid vom 06.09. 1996 lehnte die Beklagte den am 05.01.1995 gestellten Antrag des Klägers auf Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit ab. Die Beklagte legte ihrer Entscheidung folgende Unterlagen zugrunde: ein in Zagreb erstattetes Rentengutachten vom 21.09.1995 und weitere medizinischen Unterlagen aus der Heimat des Klägers; das Gutachten des Internisten/Sozialmedizin Dr.S. vom 04.03.1996, das auf einer dreitägigen stationären Untersuchung des Klägers in der Ärztlichen Gutachterstelle Regensburg beruhte; außerdem eine Auskunft des letzten deutschen Arbeitgebers des Klägers, der Firma D. GmbH (Fa.D.), vom 26.04.1996, in der es hieß, es seien für den fraglichen Zeitraum keine Unterlagen mehr vorhanden.

Mit der am 11.10.1996 zum Sozialgericht (SG) Landshut erhobenen Klage verfolgte der Kläger seinen Rentenanspruch weiter. Er begehre aufgrund seines Antrags vom 05.01.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Zum Nachweis seines mangelnden beruflichen Leistungsvermögens legte er medizinische Unterlagen vor.

Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten bei und erholte eine Auskunft von der Firma T. AG (Fa.T.) vom (Eingang beim SG) 08.04.1997, bei der der Kläger vor seiner Arbeitsaufnahme bei der Fa.D. ab 1969 ständig beschäftigt gewesen war. Sodann holte das SG medizinische Sachverständigengutachten ein von dem Neurologen und Psychiater Dr.Dr.W. (Gutachten vom 09.03.1998) und von der Ärztin/ Sozialmedizin Dr. T. (Gutachten vom 09./10.03. 1998). Letztere kam zusammenfassend zum Ergebnis, daß der Kläger leichtere bis mittelschwere Arbeiten noch vollschichtig verrichten könne, jedoch als Dreher nicht mehr einsetzbar sei.

Mit Urteil vom 11.03.1998 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente, da er nicht wenigstens berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei. Als Facharbeiter könne der Kläger nämlich zur Abwendung von Berufsunfähigkeit auf Kontrolltätigkeiten in der Metallindustrie verwiesen werden. Erst recht sei der Kläger damit nicht erwerbsunfähig im Sinne der noch strengeren Vorschrift des § 44 Abs. 2 SGB VI.

Am 25.05.1998 ging die Berufung des Klägers gegen dieses ihm am 04.05.1998 zugestellte Urteil beim Bayer. Landessozialgericht ein. Zum Nachweis seiner fehlenden beruflichen Leistungsfähigkeit legte er erneut ärztliche Unterlagen vor.

Der Senat zog die Klageakten des SG Landshut sowie die Verwaltungsakten der Beklagten bei, erholte Auskünfte von der Fa.T. (vom 21.01.1999 und vom 23.03.1999) und von der Fa.D. (vom 07.10.1998, vom 25.11.1998 und vom 23.03.1999) und befragte den Zeugen L. M. zur Berufstätigkeit des Klägers bei der Fa.T. (schriftliche Zeugenerklärung vom 06.05.1999) sowie den Zeugen P. S. zur Berufstätigkeit des Klägers bei der Fa.D. (schriftliche Zeugenerklärung vom 15.12.1998).

Sodann holte der Senat von dem Hauptgeschäftsführer der Werkzeugmacher- und Dreher-Innung München/Oberbayern K. A. über die Kenntnisse und Fertigkeiten des Klägers als Dreher bezogen auf den Zeitpunkt unmittelbar vor seinem Ausscheiden aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung ein schriftliches Sachverständigengutachten ein (vom 25.10.1999). Der berufskundliche Sachverständige beurteilte den Kläger als Dreher-Facharbeiter.

Bezüglich des Gesundheitszustands des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers erholte der Senat medizinische Sachverständigengutachten von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. (Gutachten vom 31.3.2000), von dem Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr.L. (Gutachten vom 31.03.2000) und von dem Internisten Dr.E. (Gutachten vom 04.05.2000).

Folgende Gesundheitsstörungen wurden beim Kläger hierbei festgestellt:

- Zustand nach Alkoholkrankheit mit glaubhafter kompletter Ab- stinenz seit 1993.

- Zustand nach Anpassungsstörung mit reaktiv-depressiver Symptomatik und jetzt noch bestehenden geringfügigen neurasthenischen Störungen (differentialdiagnostisch leichte Dysthymie).

- Mittlerweile nahezu vollkommen remittierte Polyneuropathie als Ausdruck einer Sekundärkomplikation der behobenen chronischen Alkoholkrankheit.

- Chronisches Halswirbelsäulen-, Schulter-Arm- und Lendenwirbelsäulensyndrom leichter Prägung mit sich daraus ergebender Funktionseinschränkung.

- Leichtgradige Bandlaxizität beider Kniegelenke mit Rechts- betonung bei Chondropathia patellae ohne gravierende Geh- und Stehbehinderung.

- Senk-Spreiz-Füße beidseits.

- Arterieller Hypertonus ohne Nachweis von Organkomplikationen.

- Verdacht auf Schilddrüsenunterfunktion.

- Adipositas Grad II, grenzwertige Hypertriglyceridämie.

- Beginnende allgemeine Gefäßsklerose.

- Nebenbefundlich: geringe Fettleber, unklare Eosinophilie, Verdacht auf Magenentleerungsstörungen.

Die Sachverständigen hielten den Kläger zusammengefaßt für fähig, unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit eines gelegentlichen Positionswechsels vollschichtig zu verrichten; hierbei sei Arbeiten in Zwangshaltungen ebensowenig zumutbar wie Arbeiten mit Gefährdung durch Kontakt mit Alkohol, Arbeiten überwiegend in Kälte, Nässe oder Hitze, ständige Arbeit im Freien, Heben oder Tragen von Lasten über 15 Kilogramm, sehr häufiges Treppensteigen, häufiges Besteigen von Leitern oder Gerüsten, häufiges Bücken, Arbeiten im Hocken oder Knien, Tätigkeiten ausschließlich an Maschinen oder am Fließband. Der Kläger könne Fußwege von mehr als 500 Meter an einem Stück in angemessener Geschwindigkeit (höchstens 15 Minuten für 500 Meter) zurücklegen, um die Entfernungen zwischen Wohnung, öffentlichem Verkehrsmittel und Arbeitsplatz vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende zu überwinden. Er könne sich auch noch auf eine neue Berufstätigkeit umstellen, die nicht von einfachster Art sei, sondern eine Einarbeitung bzw. betriebliche Anlernung erfordere und durchschnittliche Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit stelle.

Die Beklagte verwies den Kläger nunmehr zur Abwendung von Berufsunfähigkeit auf die Berufstätigkeit eines Hausmeisters mit handwerklichen Fähigkeiten.

Unter dem 03.04.2001 erteilte die Bundesanstalt für Arbeit (BA) dem Senat eine Auskunft über die Anforderungen, die dieser Beruf an den Arbeitnehmer stellt.

Aufgrund der Ausführungen der BA kamen Dr.E. unter dem 07.05.2001 und Dr.L. unter dem 28.05.2001 zum Ergebnis, daß der Kläger ohne Schaden für seine Restgesundheit den Beruf eines Hausmeisters ausüben könne.

Der in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Landshut vom 11.03.1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19.03.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm aufgrund seines Antrags vom 05.01.1995 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise eine Rente wegen Erwerbsminderung zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 11.03.1998 ist nicht zu beanstanden, weil der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit und auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit ist wegen der Antragstellung vor dem 31.03.2001 an den Vorschriften des SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) zu messen, da geltend gemacht ist, daß dieser Anspruch bereits seit einem Zeitpunkt vor dem 01.01.2001 besteht, vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI. Für den Anspruch des Klägers sind aber auch die Vorschriften des SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung (n.F.) maßgebend, soweit sinngemäß auch (hilfsweise) vorgetragen ist, daß jedenfalls ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung seit einem Zeitpunkt nach dem 31.12.2000 gegeben sei, vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI a.F., da er ab dem Zeitpunkt des Rentenantrags vom 5.1.1995 bis jetzt nicht im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift berufsunfähig ist. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI a.F. sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit liegen beim Kläger nicht vor.

Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen des Klägers ist bereits eingeschränkt. Er kann aber unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbes. ohne zusätzliche Pausen) mittelschwere Arbeiten mit der Möglichkeit eines gelegentlichen Positionswechsels vollschichtig verrichten; hierbei sind Arbeiten in Zwangshaltungen ebensowenig zumutbar wie Arbeiten mit Gefährdung durch Kontakt mit Alkohol, Arbeiten überwiegend in Kälte, Nässe oder Hitze, ständige Arbeit im Freien, Heben oder Tragen von Lasten über 15 Kilogramm, sehr häufiges Treppensteigen, häufiges Besteigen von Leitern oder Gerüsten, häufiges Bücken, Arbeiten im Hocken oder Knien, Tätigkeiten ausschließlich an Maschinen oder am Fließband. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte liegen nicht vor, da der Kläger die durchschnittlich erforderlichen Fußwege zurücklegen kann (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 1247 RVO Nr. 10). Er kann sich auch noch auf eine neue Berufstätigkeit umstellen, die nicht von einfachster Art ist, sondern eine Einarbeitung bzw. betriebliche Anlernung erfordert und durchschnittliche Anforderungen an die geistige und psychische Belastbarkeit stellt.

Dieses berufliche Leistungsvermögen des Klägers ergibt sich vor allem aus den im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. , des Arztes für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr.L. und des Internisten Dr.E ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieser schlüssigen und überzeugenden Gutachten an.

Beim Kläger liegen folgende wesentlichen Gesundheitsstörungen vor:

- Zustand nach Alkoholkrankheit mit glaubhafter kompletter Ab- stinenz seit 1993.

- Zustand nach Anpassungsstörung mit reaktiv-depressiver Symptomatik und jetzt noch bestehenden geringfügigen neurasthenischen Störungen (differentialdiagnostisch leichte Dysthymie).

- Mittlerweile nahezu vollkommen remittierte Polyneuropathie als Ausdruck einer Sekundärkomplikation der behobenen chronischen Alkoholkrankheit.

- Chronisches Halswirbelsäulen-, Schulter-Arm- und Lendenwirbelsäulensyndrom leichter Prägung mit sich daraus ergebender Funktionseinschränkung.

- Leichtgradige Bandlaxizität beider Kniegelenke mit Rechts- betonung bei Chondropathia patellae ohne gravierende Geh- und Stehbehinderung.

- Senk-Spreiz-Füße beidseits.

- Arterieller Hypertonus ohne Nachweis von Organkomplikationen.

- Verdacht auf Schilddrüsenunterfunktion.

- Adipositas Grad II, grenzwertige Hypertriglyceridämie.

- Beginnende allgemeine Gefäßsklerose.

- Nebenbefundlich: geringe Fettleber, unklare Eosinophilie, Verdacht auf Magenentleerungsstörungen.

Die Erkrankungen des internistischen Fachgebiets bewirken nur eine geringgradige Leistungseinschränkung. Das seit Jahren bekannte Hochdruckleiden hat noch zu keinen Komplikationen geführt. Somit sind hierdurch nur schwere körperliche Tätigkeiten ausgeschlossen. Da seit 1993 der Alkoholkonsum glaubhaft eingestellt ist, sind sozialmedizinisch relevante Leberschädigungen nicht mehr nachzuweisen. Es besteht lediglich eine geringgradige Fettleber bei völlig normalem Enzymmuster. Zwar liegen noch eine Reihe von Gefäßrisikofaktoren vor, die zu geringgradigen Gefäßveränderungen geführt haben. Sie haben aber noch keine Schädigungen in dem Ausmaß bewirkt, daß funktionelle Einbußen zu berücksichtigen wären. Sollte sich der Verdacht auf eine Schilddrüsenunterfunktion bewahrheiten, dann ließe sich diese medikamentös gut ausgleichen. Nicht unerheblich könnte die Diagnose einer Schilddrüsenunterfunktion deshalb sein, da Schilddrüsenunterfunktionen durchaus auch zu Depressionen führen können.

Ähnlich wie auf dem internistischen ergeben sich auch auf chirurgisch-orthopädischem Fachgebiet nur geringe Leistungseinschränkungen. Die in früheren Befunden beschriebenen Deformierungen der Wirbelkörper können nicht bestätigt werden.

Zweifelsohne betrifft die vom Kläger geschilderte Symptomatik schwerpunktmäßig das nervenärztliche Fachgebiet. Die in den früheren Befunden, zuletzt auch im Gutachten Dr.Dr.W. , bestätigte Polyneuropathie läßt sich lediglich noch im Sinne eines Restzustands nachweisen. Aus klinischer Sicht kann das Vorliegen einer sensiblen Polyneuropathie nicht sicher ausgeschlossen werden, motorische Ausfälle bestehen aber nicht. Dies entspricht letztendlich auch der klinischen Erfahrung. So bilden sich in der Regel bei einer toxisch bedingten Polyneuropathie nach Wegfall der schädigenden Ursache die Symptome mit der Zeit wieder zurück. Hirnorganische Defizite liegen beim Kläger nicht vor. Die angegebene Vergeßlichkeit widerspricht zum einen den im Rahmen der nervenärztlichen Untersuchung gemachten Feststellungen, zum anderen hätte der Kläger bei Vorliegen entsprechender Ausfälle die berufskundliche Überprüfung nicht mit einer guten Leistung bestehen können. Auffällig sind die Angaben, daß er im letzten halben Jahr Stimmen höre. Dies lenkt den Verdacht auf eine beginnende Psychose. Allerdings bestehen hierfür keinerlei Hinweise. Darüber hinaus waren im Rahmen der Untersuchung durch Dr.K. nur ein geringer Leidensdruck und eine relative Emotionslosigkeit erkennbar. Außerdem mußten bei der Überprüfung der Sensibilität gewisse Verdeutlichungstendenzen festgestellt werden, so daß die vom Kläger gemachten Angaben durchaus manipulativ erscheinen. Insgesamt ist die berufliche Leistungsfähigkeit durch die nervenärztlichen Erkrankungen nur gering beeinträchtigt.

Die vom Kläger nach Abschluß des Gutachtens Dr.K. vorgelegten medizinischen Unterlagen wiederholen die bereits bekannten Diagnosen und die ebenso bekannten Auffassungen der kroatischen Ärzte. Die medizinische Kontroverse ist vom nervenärztlichen Sachverständigen des Senats eingehend dargestellt worden; neue Gesichtspunkte ergeben sich nicht.

Seinen Beruf als Dreher kann der Kläger nach seinem oben dargestellten beruflichen Leistungsvermögen (wohl unstreitig) nicht mehr ausüben, weil damit - dies ist allgemeinkundig - ständige Zwangshaltungen verbunden sind. Dennoch ist der Kläger nicht berufsunfähig. Für die Annahme von Berufsunfähigkeit reicht es nämlich nicht aus, wenn Versicherte ihren bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann; vielmehr sind - wie sich aus § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI a.F. ergibt - Versicherte nur dann berufsunfähig, wenn ihnen auch die Verweisung auf andere Berufstätigkeiten aus gesundheitlichen Gründen oder sozial nicht mehr zumutbar ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. u.a. SozR 2200 1246 RVO Nr.138).

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit beurteilt sich nach der sozialen Wertigkeit des bisherigen Berufs. Um diese zu beurteilen, hat das BSG die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch den Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion bzw. des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbi1dungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als 2 Jahren), des ange1ernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu 2 Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr. 138 und 140). Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt aber nicht auschließ1ich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbi1dung. Ausschlaggebend hierfür ist vielmehr allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs.2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (vgl. z.B. BSG SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.27 und 33). Grundsätzlich darf der Versicherte im Vergleich zu seinem bisherigen Beruf auf die nächstniedrigere Gruppe verwiesen werden (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 RVO Nr.143 m.w.N.; SozR 3-2200 § 1246 RVO Nr.5).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger der Gruppe mit dem Leitberuf des Facharbeiters (der zweithöchsten Stufe) zuzuordnen; dies ergibt sich aus den Auskünften seiner deutschen Arbeitgeber und vor allem aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen A. , der festgestellt hat, daß der Kläger zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung über die Kenntnisse und Fertigkeiten eines Drehers-Facharbeiters verfügt hat. Als Facharbeiter ist der nur auf Arbeiten verweisbar, die in ihrer sozialen Wertigkeit angelernten Arbeiten entsprechen (vgl. KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 105 ff.).

Der von der Beklagten benannte (zur Benennungsobliegenheit der Beklagten vgl. BSG SozR 3-2600 § 43 SGB VI Nr. 13 - S. 28 Mitte -) Beruf eines Hausmeisters mit handwerklichen Fähigkeiten ist eine solche dem Kläger sozial sowie physisch und psychisch zumutbare Berufstätigkeit. Dies ergibt sich aus der Auskunft der BA vom 03.04.2001 und aus den Stellungnahmen hierzu, die die Dres. E. und L. unter dem 07.05.2001 bzw. 28.05.2001 abgegeben haben. Der fragliche Beruf ist der Facharbeiter- oder der qualifizierten Angelerntenebene zuzuordnen; eine Einarbeitungszeit von drei Monaten reicht dem Kläger aufgrund seiner Vorbildung aus. Den körperlichen und geistigen Belastungen ist er gewachsen.

Der Kläger ist somit nicht berufsunfähig; er hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit. Erst recht hat er keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI (gültig bis 31.12.2000), weil er die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie der Kläger - (irgend)eine Berufstätigkeit noch vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach den §§ 43, 240 SGB VI n.F. hat der Kläger keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, da hiernach - wie bisher - ein Rentenanspruch jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn ein Versicherter - wie der Kläger - einen zumutbaren anderen Beruf als den bisherigen vollschichtig ausüben kann.

Daß der Kläger nach dem Recht seines Herkunftslandes Anspruch auf Invalidenrente hat, führt nicht zwingend dazu, daß er auch in der Bundesrepublik Deutschland Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. Rente wegen Erwerbsminderung beanspruchen könnte. Der Anspruch auf eine deutsche Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung ist nämlich unabhängig davon allein nach den deutschen Rechtsvorschriften und entsprechend den hiesigen sozialmedizinischen Grundsätzen festzustellen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Landshut vom 11.3.1998 war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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