L 16 RJ 469/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 Ar 431/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 469/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 30.03.2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist das Bestehen eines Erstattungsanspruchs wegen der Kosten der Unterbringung des Beigeladenen im sozialtherapeutischen Übergangswohnheim in F. vom 11.08.1994 bis 07.06.1995.

Mit Bescheid vom 27.01.1994 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen eine stationäre Heilbehandlung zur Alkoholentwöhnung in der Fachklinik W., die bis 11.08.1984 verlängert wurde.

Der leitende Arzt der Klinik, der Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr.S. beantragte am 12.07.1994 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die Unterbringung des Beigeladenen im sozialtherapeutischen Übergangswohnheim in F. nach der vorgesehenen Entlassung. Er begründete dies mit der notwendigen Lösung von der Mutter, der fehlenden Eigeninitiative und dem Suchtdruck. Wegen des Suchtdrucks würde der Beigeladene bei einer Entlassung in eine eigene Wohnung zum gegenwärtigen Zeitpunkt voraussichtlich wieder rückfällig werden. Der Kostenübernahmeantrag ging gleichzeitig an den Kläger.

Die Beklagte antwortete der Fachklinik am 01.08.1994, die Kosten würden nicht übernommen, weil die Einrichtung für die Durchführung von Nachsorgemaßnahmen im Sinne der Rentenversicherung nicht anerkannt sei. Ein Abdruck hiervon ging an den Kläger. Dieser schrieb der Beklagten am 01.09.1994, zur Sicherstellung des Therapieerfolgs sei eine Phase der Adaption erforderlich. Da die Beklagte keine geeignete Einrichtung aufzeigte, sei der Versicherte zur Sicherstellung des Therapieerfolgs am 11.08.1994 in das sozialtherapeutische Übergangswohnheim verlegt worden. Der Kläger bat um Übernahme der Kosten durch die Beklagte in eigener Zuständigkeit gemäß der Verfahrensregelung der Bayerischen Landesversicherungsanstalten über die Erbringung von Leistungen im Rahmen der Rehabilitation Abhängigkeitskranker in Bayern vom 03.05.1994. Dem Kostenübernahmeantrag schloss sich der Träger des sozialtherapeutischen Übergangswohnheims an und übersandte die Haus- und Therapieordnung.

Die Beklagte lehnte dem Kläger gegenüber die Kostenübernahme am 22.09.1994 mit der Begründung ab, die Einrichtung befinde sich außerhalb Bayerns, so dass die Verfahrensregelung der Bayerischen Landesversicherungsanstalten vom 03.05.1994 nicht angewandt werde.

Daraufhin gewährte der Kläger dem Versicherten mit Bescheid vom 14.10.1994 vorläufig "Eingliederungshilfe" gemäß §§ 27, 39, 40, 43, 44 und 100 BSHG durch Übernahme der strittigen Unterbringungskosten ab 11.08.1994 bis zunächst 28.02.1995. Bei der Beklagten meldete er seinen Kostenerstattungsanspruch am 24.10. 1994 an und berief sich auf § 44 BSHG i.V.m. § 104 SGB X. Er argumentierte unter Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung, die Beklagte hätte rechtzeitig für zügige Maßnahmen sorgen müssen, da der Antrag rechtzeitig gestellt worden sei.

Nach Eingang einer ablehnenden Mitteilung der Beklagten am 08.12.1994 erhob der Kläger am 13.06.1996 Klage. Bei der Unterbringung handele es sich um medizinische Reha, für die die Beklagte gemäß § 15 SGB VI sachlich zuständig gewesen sei. Den Verlängerungsantrag vom 06.03.1995 hatte das Wohnheim durch einen Diplom-Pädagogen damit begründet, der Versicherte sei noch nicht in der Lage, allein trocken zu leben, und benötige unbedingt die sozialtherapeutische Betreuung. Daraufhin hatte der Kläger die Kosten der Unterbringung bis 30.06.1995 übernommen. Der Aufenthalt wurde am 07.06.1995 wegen psychotischer Erscheimungen abgebrochen. Ausgehend vom Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit am 17.05.1995 gewährte die Beklagte am 27.01. 1998 ab 01.03.1996 Erwerbsunfähigkeitsrente.

Im anhängigen Klageverfahren hielt die Beklagte die Klage zunächst angesichts des fehlenden Vorverfahrens für unzulässig und berief sich schließlich auf eine Stellungnahme des Nervenarztes Dr.L. vom 24.10.1996, die in ihrem Auftrag erstellt worden war. Danach war die Rehabilitation entsprechend dem HV-Bericht der Fachklinik W. erfolgreich. Aus dem Abschlussbericht sei nicht ersichtlich, dass weitere Reha-Maßnahmen notwendig waren. Die Entlassung in die therapeutische Wohngemeinschaft sei erfolgt, weil, so verstehe er den Abschlussbericht, sich der Kläger zum Zeitpunkt der Entlassung nicht zugetraut habe, alleine zu leben.

Das Sozialgericht Regensburg verurteilte die Beklagte am 30.03.2000 zur Kostenerstattung für das betreute Wohnen vom 11.08.1994 bis 07.06.1995 gemäß § 104 Abs.3 SGB X. Die Unterbringung sei eine Leistung im Sinne des § 31 SGB VI gewesen, die wegen bestehenden Suchtdrucks notwendig gewesen sei. Die Beklagte hätte die Unterbringung bewilligen müssen bzw. eine angemessene anderweitige Maßnahme ergreifen müssen.

Gegen das am 31.07.2000 zugestellte Urteil legte die Beklagte am 21.08.2000 Berufung ein. Sie trug vor, die Klinik habe keine Reha-Nachsorge vorgeschlagen, der Versicherte sei als sofort arbeitsfähig entlassen worden und Erwerbsunfähigkeit liege erst ab Mai 1995 vor. Für die Unterbringung seien auschließlich persönliche und familiäre Gründe ausschlaggebend gewesen. Bei der Unterbringung habe es sich um keine Reha gehandelt, da es an ärztlicher Präsenz, wissenschaftlich anerkanntem Therapiekonzept und fachlich therapeutischer Besetzung fehle.

Demgegenüber vertrat der Kläger die Ansicht, das Antragschreiben der Klinik von Juli 1994 sei ein deutlicher Beleg für die medizinische Notwendigkeit einer Adaption, die gemäß § 15 Abs.2 SGB VI ohne ständige ärztliche Präsenz erfolgen könne. Weil sich die Erstattungspflicht nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften gemäß § 102 SGB X richte, erscheine die wörtliche Anwendung der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 21.01.1993 (Az.: 13 RJ 53/91) zu hart. Auch über den 28.02.1995 hinaus sei die Heimunterbringung zweckmäßig gewesen. Die Beklagte wandte ein, eine generelle Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers für Maßnahmen bis zur Arbeitsplatzvermittlung sei nicht gegeben. Sie übersandte die Vergleichsvereinbarung zwischen den Bayerischen Bezirken und den Rentenversicherungsträgern vom 14.12.1994 und verwies auf die Verfahrensregelung derselben Sozialleistungsträger vom 03.05.1994, wonach sich Streitigkeiten der anhängigen Art mittels Pauschalabgeltung erledigten. Dementsprechend bot sie 2.000,- DM als Abgeltungsbetrag an.

Der Kläger lehnte einen Vergleich ab, nachdem die zitierte Vergleichsvereinbarung nur für vor 03.05.1994 entstandene Aufwendungen gelte und die Anwendung der Verfahrensregelung vom 03.05.1994 von der Beklagten mit Schriftsatz vom 22.09.1994 abgelehnt worden sei.

Laut Ansicht der Beklagten ist Adaption im Sinne des § 2 der Verfahrensregelung vom 03.05.1994 ein Restbedarf an Therapie, der vorliegend nicht gegeben sei, weil das Übergangswohnheim keine Adaptionseinrichtung, sondern eine Einrichtung des betreuten Wohnens im Sinn von § 4 der Verfahrensregelung darstelle.

Auf Anfrage teilte Dr.S. mit, sich an den strittigen Fall nicht erinnern zu können und unter einem anamnestischen Syndrom zu leiden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 30.03.2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Klägerakten, der Akten des Sozialgerichts Regensburg sowie der von den Beteiligten im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 30.03.2000 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist verpflichtet, die Kosten für die Unterbringung des Beigeladenen im Übergangswohnheim vom 11.08.1994 bis 07.06.1995 im Wert von 33.570,65 DM zu übernehmen.

In Übereinstimmung mit der Auffassung des Klägers sieht der Senat, anders als das Sozialgericht, die Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens nicht in § 104, sondern in § 102 Abs.1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches, wonach der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig ist, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Leistungen erbracht hat. Denn mit dem Bescheid vom 14.10.1994 erbrachte der Kläger wegen der Leistungsverweigerung der Beklagten ausdrücklich nur vorläufige Leistungen gemäß § 44 BSHG. Dies eröffnet den Anwendungsbereich des § 102 SGB X, was durch das BSHG-Reformgesetz 1996 mit der Einfügung des Abs.2 in § 44 BSHG klargestellt worden ist, nachdem diese Rechtslage durch abweichende Rechtsprechung problematisiert worden war (BSGE vom 14.09.1994 in SozR 3-2500 § 33 Nr.11). Mit der Einfügung des Abs.2 ab 01.08.1996 ist angesichts des klaren und eindeutigen Wortlauts des § 102 SGB X keine neue Rechtslage geschaffen, sondern lediglich die gegebene Rechtslage klargelegt worden (Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Auflage, § 44 Rdnrn.13 und 16 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien). Zwar sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit für Erstattungsansprüche der Träger der Sozialhilfe nach § 102 SGB X grundsätzlich nicht zuständig (§ 114 SGB X). Dies ist jedoch vom Senat gemäß § 17a Abs.5 GVG nicht mehr zu prüfen, nachdem das Sozialgericht seine Zuständigkeit bejaht hat und die fehlende Zuständigkeit von keinem Beteiligten gerügt worden ist. Nicht wiederholt hat die Beklagte im Berufungsverfahren den im Klageverfahren erhobenen Einwand des fehlenden Vorverfahrens. Es handelt sich um eine echte Leistungsklage im Sinn des § 54 Abs.5 SGG, die in keinerlei Verbindung mit einem Verwaltungs- akt steht. Sind Erstattungsansprüche zwischen zwei juristischen Personen des öffentlichen Rechts streitig, hat kein Verwaltungsakt zu ergehen, weil sich die Beteiligten im Gleichordnungsverhältnis befinden (herrschende Ansicht z.B. in Jens Meyer-Ladewig, SGG, § 54 Rz.41). Die Beklagte besitzt keine gesetzliche Regelungsmacht zur Festlegung des endgültig zuständigen Leistungsträgers, wie sie jetzt streitig ist. Die Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs sind für den gesamten Bewilligungszeitraum erfüllt. Der Kläger meldete den Erstattungsanspruch am 24.10.1994 (Eingangsdatum bei der Beklagten) und damit vor Ablauf der einjährigen Ausschlussfrist des § 111 SGB X bei der Beklagten an. Dass von diesem Schreiben § 104 SGB X als Rechtsgrundlage angeführt wurde, ist für eine rechtswirksame Anmeldung unschädlich. Maßgeblich ist, dass der Kläger deutlich gemacht hat, als vorläufig leistender Leistungsträger verlange er von der Beklagten Erstattung. Die Beklagte kann im vorliegenden Fall auf keinen rechtskräftigen Bescheid gegenüber dem beigeladenen Leistungsberechtigten verweisen. Der ablehnende Bescheid gegenüber dem Beigeladenen in der Form der Übersendung eines Abdrucks des an den Kläger gerichteten ablehnenden Schreibens vom 22.09.1994 an das Übergangswohnheim war nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen, so dass der Kläger innerhalb eines Jahres wirksam Widerspruch erheben konnte (gemäß § 91a BSHG, § 66 Abs.2 SGG). Dies hat der Kläger auch getan, als er bei der Anmeldung des Ersatzanspruchs am 24.10.1994 deutlich machte, dass mit der vorläufigen Leistung keine endgültige Regelung verbunden sein sollte. Unter Berücksichtigung des damit verfolgten Zwecks ist dieses Schreiben gleichzeitig als Widerspruch zu werten, über den bislang nicht befunden ist. Die formlose Mitteilung der Beklagten vom 08.12.1994 ist jedenfalls kein förmlicher Widerspruchsbescheid. Hat ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht, ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig (§ 102 Abs.1 SGB X). Gemäß § 44 BSHG war der Kläger als Träger der Sozialhilfe verpflichtet, die notwendige Hilfe unverzüglich zu leisten, da nach der endgültigen Leistungsverweigerung durch die Beklagte am 22.09.1994 zu befürchten war, dass der Beigeladene in Ermangelung eines Kostenträgers den Aufenthalt im Übergangswohnheim werde abbrechen müssen. Die Verpflichtung zur vorläufigen Leistungserbringung umfasste die in § 40 Abs.1 BSHG geregelten Maßnahmen der Eingliederungshilfe, die als erweiterte Hilfe gemäß § 43 BSHG auch die Unterbringung in einem Heim umfasst. Zu solchen Einrichtungen zählen auch sozialtherapeutische Übergangswohnheime. Eigentlich war die Beklagte zur Gewährung der streitigen Leistung an den Beigeladenen verpflichtet. Zutreffend hat das Sozialgericht § 31 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI als Rechtsgrundlage genannt. Danach können als sonstige Leistungen zur Rehabilitation Leistungen zur Eingliederung von Versicherten in das Erwerbsleben, insbesondere nachgehende Leistungen zur Sicherung des Rehabilitationserfolges erbracht werden. Anders als unter Geltung der RVO, die sowohl für die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23.04.1992 (Az.: 13 RJ 25/91 in SGb 6, 1993 S.281) als auch in der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16.06.1994 (Az.: 13 RJ 49/93 in SozR 3-2200 § 1237 Nr.4) maßgebend gewesen ist, kann angesichts des Wortlauts von § 31 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI nicht mehr zweifelhaft sein, dass eine Maßnahme der strittigen Art zum Leistungskatalog des Rentenversicherungsträgers gehört. Nach dem Therapiekonzept des sozialtherapeutischen Übergangswohnheims war die Unterbringung darauf ausgerichtet, den suchtkranken Beigeladenen zu stabilisieren und seine Erwerbsfähigkeit zu bessern. Dass die stationäre Entwöhnung Alkoholabhängiger in Einzelfällen auch eine Phase der Adaption umfasst, ist in § 1 der Verfahrensregelung der bayerischen Landesversicherungsanstalten und der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte über die Erbringung von Leistungen im Rahmen der Rehabilitation Abhängigkeitskranker in Bayern vom 03.05.1994 ausdrücklich geregelt. Inhalt der Adaption ist danach die aktive Auseinandersetzung des Abhängigen mit der Alltags- und Arbeitsrealität, die Erprobung und Bestätigung der im Rahmen der stationären Behandlung erreichten Therapiefortschritte und die Zurücknahme therapeutischer Elemente zugunsten einer nur noch fallweise erforderlichen unterstützenden therapeutischen Begleitung hin zu einer Verstärkung von Selbständigkeit und Selbstbewusstsein. Diese Ziele verfolgte ebenso das sozialtherapeutische Übergangswohnheim. Darüber hinaus ist betreutes Wohnen in § 4 der genannten Verfahrensregelung als zusätzliche Maßnahme des Rentenversicherungsträgers ausdrücklich genannt. Dass die Verfahrensregelung wegen des Sitzes des Übergangswohnheims in Hessen nicht unmittelbar anwendbar war, ändert nichts an der Zuständigkeit der Beklagten für die Rehabilitation des bei ihr versicherten Beigeladenen, die sie mit Erlass des Bescheids vom 27.01.1994 grundsätzlich bejaht hat. Aus dem Gesetz ergibt sich deutlich, dass stets dann, wenn ein Antrag zur Durchführung der Rehabilitation vorliegt, der Rehabilitationsträger von sich aus rechtzeitig durch Planung und Sicherung von Rückmeldungen für eine zügige und lückenlose Durchführung bis zum Erreichen des Rehabilitationsziels sorgen muss (BSG vom 16.06.1994 a.a.O. unter Hinweis auf die gemäß § 2 Reha-Angleichungsgesetz anwendbaren § 5 Abs.1 bis 3 Reha-Angleichungsgesetz). Dementsprechend hat der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 01.09.1994 gebeten, die Kosten der Unterbringung in eigener Zuständigkeit gemäß der bayerischen Verfahrensregelung zu übernehmen und gegebenenfalls eine Verlegung des Beigeladenen zu veranlassen. Dass die Beklagte ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen ist, kann keinesfalls dazu führen, dass sie dann von der Leistungsverpflichtung frei wird. Vielmehr hat es im konkreten Fall zur Folge, dass sie sich wegen § 102 SGB X nicht auf eine Beschränkung ihrer Leistungsverpflichtung entsprechend der Verfahrensregelung berufen kann, wie dies noch darzustellen sein wird. Mit ihrer generellen Ablehnung am 22.09.1994 hat sich die Beklagte auch ihres Einflusses auf die Auswahl der Einrichtung begeben. Nachdem der Kläger die Beklagte zur Verlegung des Beigeladenen in eine anerkannte Einrichtung aufgefordert hat, kann die Beklagte im Nachhinein nicht mehr einwenden, bei der Einrichtung außerhalb Bayerns habe es sich um keine solche Einrichtung gehandelt, die für die Durchführung von Nachsorgemaßnahmen im Sinne der Rentenversicherung anerkannt sei. Richtig ist, dass die Unterbringung in einer Nachsorgeeinrichtung gemäß § 31 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI die Erfüllung der persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfordert (§ 31 Abs.2 Satz 1 SGB VI). Die Beklagte bestreitet das Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen, wenn sie bezweifelt, dass nach der Entlassung aus der Entwöhnungsfachklinik noch ein Restbedarf an Therapie vorhanden war. Diese persönlichen Voraussetzungen sind jedoch gegeben. Für Leistungen zur Rehabilitation haben Versicherte die persönlichen Voraussetzungen erfüllt, 1. deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist und 2. bei denen voraussichtlich durch die Leistungen a) bei erheblicher Gefährdung der Erwerbsfähigkeit eine Minderung der Erwerbsfähigkeit abgewendet werden kann, b) bei geminderter Erwerbsfähigkeit diese wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden kann oder der Eintritt von Erwerbsunfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder im Bergbau verminderter Berufsfähigkeit abgewendet werden kann (§ 10 SGB VI). Auch wenn es im Entlassungsbericht der Fachklinik W. vom 30.08.1994 heißt, dass der Beigeladene zum Schluss der stationären Entwöhnungsbehandlung leistungsfähig entlassen werden konnte, so heißt es doch im gleichen Entlassungsbericht, dass der Beigeladene immer wieder Suchtdruck verspüre und innerlich noch nahe am Alkohol sei, so dass er nahtlos in eine Übergangseinrichtung entlassen wurde. Noch deutlicher formulierte der damalige Leitende Arzt der Klinik den Kostenübernahmeantrag vom 12.07.1994, wonach die Unterbringung in einer Übergangseinrichtung für unbedingt erforderlich gehalten werde, da ansonsten bei einer Entlassung in eine eigene Wohnung der Beigeladene wieder rückfällig werde. Damit wird eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit beschrieben, die durch die gleichzeitig von der Klinik festgestellte Arbeitsfähigkeit bzw. Erwerbsfähigkeit nicht widerlegt ist. Weshalb im Reha-Entlassungsbericht als notwendige weitere Maßnahme lediglich Einzeltherapie angekreuzt ist und nicht Reha-Nachsorge, mag damit zusammenhängen, dass darunter nur Reha-Sport und besondere Therapie zu verstehen sind. Gewissheit konnte diesbezüglich nicht gewonnen werden, nachdem die gesundheitliche Verfassung Dr.S. keine zuverlässige Aufklärung mehr erlaubt. Jedenfalls erscheint der im Entlassungsbericht beschriebene Suchtdruck in Verbindung mit der Antragsbegründung des Arztes vom 12.07.1994 ausreichend, die in § 10 SGB VI geforderte erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit zu begründen. Nicht gefolgt werden kann der Ansicht Dr.L. , die Unterbringung in der Übergangseinrichtung sei ausschließlich aus familiären und persönlichen Gründen erfolgt. Richtig ist, dass der Beigeladene eine räumliche Distanz zu seinem früheren Wohngebiet für erforderlich hielt, da er beim Zusammentreffen mit früheren Saufkumpanen und Familienangehörigen in alte Gewohnheiten zurückzufallen befürchtete. Er traute sich daher ein eigenständiges, trockenes Leben in einer eigenen Wohnung noch nicht zu und hoffte, durch den Übergang in eine therapeutische Wohngemeinschaft mehr Stabilität zu gewinnen. Ohne die Unterbringung in einem Übergangswohnheim hätte unmittelbar eine erhebliche Rückfallgefahr bestanden. Diese zu minimieren bzw. zu beseitigen war das Ziel der Wohngemeinschaft. Die Maßnahme war also ihrer Art nach bestimmt, das Leiden eines Menschen zu beeinflussen. Dass die Maßnahme zugleich auch Zwecke der beruflichen und sozialen Integration verfolgte, beeinflusst die Zuständigkeit des Rentenversicherungsträgers nicht (BSGE vom 16.06.1994 a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Der Umfang der Erstattungspflicht der Beklagten beschränkt sich nicht auf die von ihr angebotenen 2.000,00 DM. Mit ihrem Vergleichsangebot lässt die Beklagte offensichtlich ihre Berufung auf die Vergleichsvereinbarung vom 14.12.1994 fallen. Tatsächlich galt diese nur für Aufwendungen aus Kostenübernahmeerklärungen der Bezirke, die vor dem 03.05.1994 abgegeben wurden, sowie aus Kostenübernahmeerklärungen, die nach dem 03.05.1994 abgegeben wurden für Aufwendungen, die vor dem 03.05.1994 entstanden sind. Die strittigen Aufwendungen sind aber danach entstanden. Wenn sich die Beklagte jetzt auf die Verfahrensregelung der bayerischen Bezirke vom 03.05.1994 beruft, so muss dies angesichts der anders lautenden Einlassung am 22.09.1994, zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen, als diese noch minimiert hätten werden können, als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Darüber hinaus richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nicht wie bei § 104 Abs.3 SGB X nach dem für den vorrangig verpflichteten Träger geltenden, sondern nach den für den vorleistenden Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Dies ist damit zu erklären, dass der vorleistende Träger keine finanziellen Einbußen erleiden soll und somit den Ersatz der vollen Aufwendungen erhalten soll (Schröder-Printzen, Engelmann, Schmalz, Wiesner, von Wulffen, SGB X, § 102, Anm.14). Die Beklagte hat daher dem Kläger die tatsächlich entstandenen notwendigen Kosten zu erstatten.

Dazu zählen auch die Kosten der Unterbringung des Beigeladenen über den 28.02.1995 hinaus.

Zwar ist nach Eingang des Verlängerungsantrags am 06.03.1995 vom Kläger keine medizinische Prüfung der Notwendigkeit veranlasst worden. Der Verlängerungsantrag war lediglich von einem Diplom-Pädagogen und nicht von einem Arzt unterzeichnet. Die Begründung bot jedoch keinen Anlass, an der nach wie vor unverändert bestehenden Zweckrichtung der Maßnahme zu zweifeln. Ziel der Verlängerung war die zu erlangende Fähigkeit, allein trocken zu leben, und die Stabilisierung der Erwerbsfähigkeit. Der Charakter der Maßnahme ist also gleich geblieben, so dass die Verpflichtung des Rehabiltationsträgers weiter bestand. Im Übrigen können die Anforderungen des Bundessozialgerichts an die Prüfungspflicht des Sozialhilfeträgers, wie sie im Urteil vom 21.01.1993 (Az.: 13 RJ 53/91) formuliert sind, nicht auf den anhängigen Fall übertragen werden, nachdem im dortigen Streitfall § 104 SGB X die Anspruchsgrundlage war. Es widerspräche der Intention des § 102 SGB X, wollte man an den vorleistenden Träger ebenso strenge Maßstäbe anlegen wie der verpflichtete Träger dies üblicherweise praktiziert. Der Erstattungsanspruch des § 102 SGB X ist im Vergleich zu den übrigen Tatbeständen der §§ 103 ff. besonders privilegiert, so dass der Regelung durchaus Sanktionscharakter zugesprochen wird (BSGE Band 57, 218). Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, dass der Kläger die Kosten erstattet erhält, die er aus seiner Sicht rechtmäßig bewilligt hat.

Eine Kostenentscheidung erübrigt sich (§ 193 Abs.4 SGG).

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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