L 5 RJ 601/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 5 RJ 1059/97 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 601/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 268/01 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 28. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1949 geborene Kläger ist kroatischer Staatsbürger. In seiner Heimat hat er nach eigenen Angaben den Beruf eines Lebkuchenbäckers erlernt und im elterlichen und später eigenen Betrieb ausgeübt. In Deutschland hatte er vom 04.09.1970 bis zum 31.07.1981 bei zahlreichen verschiedenen Arbeitgebern zumeist kurzzeitig Beschäftigungen, die von Zeiten der Arbeitslosigkeit und Arbeitsunfähigkeit unterbrochen waren. Während seines längsten Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma E. vom Juni 1971 bis Mai 1974 war der Kläger ausweislich der auf den vorliegenden Aufrechnungsbescheinigungen eingetragenen Kennziffer ungelernter Metallarbeiter. Zuletzt hat er von Februar 1981 bis Juli 1981 als ungelernter Kunststoffverarbeiter gearbeitet. Die Zeit vom 15.10.1981 bis 14.06.1994 ist durchgehend mit kroatischen Versicherungszeiten belegt. Seitdem bezieht er dort Invalidenrente.

Ein erster Rentenantrag vom 28.09.1992 bzw. 22.03.1993 wurde nach Untersuchung in der Gutachterstelle Regensburg von der Beklagten mit Bescheid vom 30.08.1993/Widerspruchsbescheid vom 13.12.1993 abgelehnt, weil der Kläger noch leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Am 05.02.1996 hat der Kläger den nunmehr streitgegenständlichen Antrag gestellt. Während die Invalidenkommission bei ihrer Untersuchung am 22.05.1996 zu der Auffassung gelangte, der Kläger könne nur mehr zwei Stunden bis unter halbschichtig arbeiten, kamen die ärztlichen Sachverständigen bei neuerlicher Untersuchung in der Gutachterstelle Regensburg vom 17.03. bis 19.03. 1997 zu dem Ergebnis, die Leistungsfähigkeit des damals 47-jährigen Rentenantragstellers habe sich im Vergleich zu der in Regensburg durchgeführten Vorbegutachtung von 1993 nicht wesentlich verschlechtert. Er könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten vollschichtig ausüben. Es müsse sich um Tätigkeiten ohne Absturzgefahr, Akkord, Schicht- bzw. Nachtdienst handeln, die nicht an gefährlichen Maschinen oder am offenen Feuer sowie ohne dauerndes Gehen und Stehen ausgeübt werden müssten. Gestützt auf diese Untersuchung lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 28.04.1997 und Widerspruchsbescheid vom 06.08.1997 ab.

Im anschließenden Klageverrfahren vor dem Sozialgericht Landshut (SG) eingeholten Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem (Dr.G.) und allgemeinärztlichem Gebiet (Dr.Z.) bestätigten im Wesentlichen die Auffassung der Beklagten. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28.10.1999, gestützt auf diese Gutachten, abgewiesen.

Im Berufungsverfahren griff der Kläger die vom SG gehörten Gutachter, vor allem Dr.G. , an und legte, wie bereits im Klageverfahren eine große Anzahl von ärztlichen Unterlagen vor. Der Senat hat ihn im April 2001 im Harlachinger Krankenhaus auf orthopädisch-chirurgischem (Dr.L.), neurologisch-psychiatrischem (Dr.V.) und internem Fachgebiet (Dr.P.) umfassend untersuchen lassen. Dabei wurden zusammenfassend folgende Diagnosen gestellt: 1. Seit 1986 bekannter, seit 1993 insulinpflichtiger, nicht optimal eingestellter Diabetes mellitus Typ II, allerdings ohne gravierendes diabetisches Spätsyndrom; vorbeschriebene leicht sensible symmetrische distal betonte diabetische Polyneuropathie und diabetische Retinopathie Grad I. 2. Mäßige Adipositas, kombinierte Lipoproteinämie. 3. Chronische Reizmagensymptomatik und bekannte gastrooesophageale Refluxkrankheit bei achsialer Hiatushernie; Zustand nach Ulkus duodeni in den 70-er Jahren. 4. Leichter diffuser toxisch-nutritiver Leberparenchymschaden; Zustand nach Cholezystektomie wegen Gallenstein 1998. 5. Beginnende periphere arterielle Verschlusskrankheit Stadium I rechtes Bein. 6. Chronisches Halswirbelsäulensyndrom. 7. Senk-Spreizfüße. 8. Positiver Rheumafaktor-Nachweis ohne Anhalt für primär-chronische Polyarthritis. 9. Anamnestisch angegebene anfallsartige Bewusstlosigkeiten ohne sicheren Hinweis auf das Vorliegen einer Epilepsie.

Der Gesundheitszustand habe sich seit den Vorgutachten in den Jahren 1993, 1997 und 1998 insgesamt nicht nennenswert verschlechtert. Dem Kläger seien ausschließlich mittelschwere und schwere körperliche Arbeiten nicht mehr vollschichtig zumutbar. Nicht zumutbar seien auch ausschließlich gehende, stehende oder sitzende Tätigkeiten, Arbeiten ausschließlich im Freien, ferner Tätigkeiten mit Nacht- und Wechselschicht, im Akkord und mit erhöhten Anforderungen an die Stresstoleranz. Darüber hinaus kämen Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und mit häufigem Bücken ebenso wenig in Betracht, wie Arbeiten mit Absturzgefahr, auf Leitern und Gerüsten, an offenem Wasser und Feuer, mit Starkstrom und an ungeschützten Maschinen sowie mit Überwachungs- und Steuertätigkeiten und möglicher Gefährdung anderer Personen. Auch hohe Anforderungen an das Sehvermögen müssten entfallen. Hinsichtlich des Anmarschweges bestünden keine Einschränkungen, wohl aber hinsichtlich der Leistungswilligkeit. Eine leichte berufliche Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes könne der Kläger mit den genannten Einschränkungen auf jeden Fall noch vollschichtig, acht Stunden täglich, ausüben.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut vom 28.10.1999 sowie des Bescheides vom 28.04.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.08.1997 zu verurteilen, ihm ab Antragstellung Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 28.10.1999 zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des SG Landshut zum Verfahren beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der deutschen Rentenversicherung.

Nach §§ 43 Abs.1, 44 Abs.1 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI), in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung (a.F.) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit, wenn sie berufs- bzw. erwerbsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit/Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Berufsunfähig sind gemäß § 43 Abs.2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder wegen Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs oder der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Gemäß § 44 Abs.2 SGB VI sind erwerbsunfähig Versicherte, die wegen Krankheit oder wegen Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgrenze bzw. (ab 01.04.1999) 630,00 DM pro Monat übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Der Kläger ist weder berufs- noch erwerbsunfähig. Er genießt keinen Berufsschutz gemäß § 43 Abs.2 SGB VI. Zwar hat er nach eigenen Angaben in seiner Heimat den Beruf eines Lebkuchenbäckers erlernt und nach seiner Rückkehr nach Kroatien auch mehrere Jahre lang, zumeist selbständig, ausgeübt. Maßgeblich für die Frage des Berufsschutzes ist aber, welche Tätigkeiten versicherungspflichtig in Deutschland ausgeübt wurden. Hier bietet sich ein sehr uneinheitliches Bild. Der Kläger hat in Deutschland über zehn Jahre lang bei zahlreichen verschiedenen Firmen gearbeitet. Dabei handelte es sich zumeist um kurzzeitige Beschäftigungen. Während des längsten zusammenhängenden Beschäftigungsverhältnisses bei der Firma E. KG (6/71 - 5/74) war der Kläger Metallarbeiter, also in einem Beruf tätig, den er nicht gelernt hatte. Er wurde vom Arbeitgeber als Hilfsarbeiter geführt (Schlüsselziffer 11 im Versicherungsnachweis). Danach kam es nicht mehr zu annähernd gleich langen Beschäftigungsverhältnissen. Zuletzt war der Kläger von Februar bis Juli 1981 als ungelernter Arbeiter in einem kunststoffverarbeitenden Betrieb beschäftigt. Damit steht fest, dass er sich nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten mehrstufigen Wertigkeitsschema der Berufe auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zumutbar verweisen lassen muss. Hier kann er nach einhelliger Auffassung aller im Verwaltungsverfahren sowie im sozialgerichtlichen und im berufungsgerichtlichen Verfahren gehörten Gutachter noch leichte und zum Teil auch mittelschwere Arbeiten mit gewissen qualitativen Einschränkungen vollschichtig verrichten und damit mehr als die Hälfte eines vergleichbaren gesunden Versicherten verdienen. Eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nach § 43 SGB VI a.F. kommt demnach nicht in Betracht.

Zwar hat der Kläger im Zuge des gerichtlichen Verfahrens immer wieder in großer Anzahl Arztberichte und Atteste - zum Teil dieselben mehrfach - dem Gericht vorgelegt. Diese sind jedoch nicht geeignet, die überzeugend begründeten Diagnosen und die Leistungsbeurteilung der gerichtsärztlichen Sachverständigen zu widerlegen. Im Vordergrund steht ein Diabetes mellitus Typ II, der offenbar nicht optimal eingestellt ist. Allerdings resultieren daraus bislang keine sehr gravierenden Leistungseinschränkungen. Vielmehr kann der Kläger sogar noch gelegentlich mittelschwere Arbeiten verrichten. Lediglich schwere und andauernd mittelschwere Arbeiten haben auszuscheiden. Aus orthopädischen Gründen sind außerdem auch Arbeiten zu vermeiden, die ausschließlich gehend, stehend oder sitzend zu verrichten sind, d.h. ein gelegentlicher Wechsel der Arbeitsposition ist erforderlich. Ferner haben Tätigkeiten mit erhöhtem Stress, wie etwa Nacht- und Wechselschicht, Akkordarbeiten zu unterbleiben. Die vom Kläger behaupteten epileptiformen Anfälle konnten bei keiner der Untersuchungen bestätigt werden. Vielmehr spricht vieles dafür, dass es sich bei den gelegentlichen Bewusstseinstrübungen um Auswirkungen der Zuckerkrankheit (Unterzucker) handelt. Gleichwohl verbieten sich aus Sicherheitsgründen Arbeiten mit Absturzgefahr, an offenem Feuer oder Wasser, mit Starkstrom und an ungeschützten Maschinen, ferner Arbeiten, bei denen andere Personen gefährdet werden könnten. Zusammenfassend sind die Einschränkungen eher geringfügig, so dass ein weites Feld von möglichen Beschäftigungen des allgemeinen Arbeitsmarktes offen steht, wobei konkrete Verweisungstätigkeiten nicht genannt zu werden brauchen (vgl. Kasseler Kommentar, SGB VI § 213 Rdnr.123 m.w.N.).

Bei dem verbliebenen Leistungsvermögen besteht erst recht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Von einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes kann nicht ausgegangen werden, da der Kläger noch vollschichtig einsatzfähig ist.

Auch durch die gesetzliche Neuregelung ab 01.01.2001 ergibt sich für den Kläger kein Rentenanspruch, da nach § 43 Abs.1 SGB VI in der neuen Fassung eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nur in Betracht kommt, wenn das Arbeitsvermögen auf unter sechs Stunden abgesunken ist. Für eine Vollrente müsste es sogar auf unter drei Stunden abgesunken sein. Dies ist nach dem oben dargelegten Ergebnis der gerichtsärztlichen Untersuchungen nicht der Fall.

Nach alllem steht dem Kläger ein Anspruch auf Rente aus der deutschen Rentenversicherung derzeit nicht zu. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG Landshut vom 28.10.1999 konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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