L 9 AL 41/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 35 AL 553/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 41/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. November 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist neben der teilweisen Aufhebung der Unterhaltsgeld (Uhg)-Bewilligung im Zeitraum 03.04.1995 mit 19.12.1996 die Erstattung der eingetretenen Überzahlung streitig.

I.

Die am 1964 geborene verheiratete Klägerin, auf deren Lohnsteuerkarte 1993 die Steuerklasse III sowie drei berücksichtigungsfähige Kinder eingetragen waren, stand seit 02.02.1993 im Leistungsbezug der Beklagten und erhielt laut Bescheid vom 13.05.1993 bis zur Erschöpfung am 31.01.1994 Arbeitslosengeld (Alg) in Höhe von DM 194,40 wöchentlich (Bemessungsentgelt (BE) DM 350,-; Leistungssatz 68 v.H.; Leistungsgruppe C/1). Seither bezog sie Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Alhi) in Höhe von DM 183,60 wöchentlich (BE DM 400,-; Leistungssatz 57 v.H.; Leistungsgruppe C/1, Bescheid vom 03.06.1994).

Die Änderung der Steuerklasse von III auf V mit Wirkung vom 01.05.1994, die vorgenommen wurde, weil der Ehemann der Klägerin in der bis dahin als Selbständiger geführten Gaststätte im Angestelltenverhältnis beschäftigt wurde und eine Lohnsteuerkarte mit der Steuerklasse III erhielt, wurde dem Arbeitsamt nicht mitgeteilt.

Am 03.03.1995 beantragte die Klägerin die Förderung der Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme "zur staatlich geprüften Familienpflegerin". Unter Ziff.2 des Antrages gab sie lediglich an, über eine Lohnsteuerkarte für das Jahr des Maßnahmebeginns (1995) zu verfügen. Diese Karte enthalte eine Eintragung für das am längsten zu berücksichtigende Kind Peter (geboren 06.05.1991). Die Frage:" Haben sie als Verheiratete die Steuerklassenkombination (III/V, V/IV, V/III) seit Jahresbeginn gewechselt?" wurde mit "Nein" beantwortet, desgleichen die Frage unter Ziff.3 nach einer Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (z.B. Einkommen) seit der letzten Antragstellung/ Veränderungsmitteilung. Am Ende des Formblatts versicherte die Klägerin, dass die vorstehenden Angaben zuträfen. Ihr sei bekannt, dass sie dem Arbeitsamt unverzüglich alle Änderungen mitzuteilen habe, die Auswirkungen auf ihren Leistungsanspruch haben könnten. Das Merkblatt 6 "berufliche Fortbildung und Umschulung", in dem auf die Mitteilungspflichten im Einzelnen hingewiesen sei, habe sie erhalten und von dessen Inhalt Kenntnis genommen.

Durch Bescheid vom 06.04.1995 gewährte die Beklagte daraufhin vorläufig Unterhaltsgeld gemäß § 147 AFG. Aus technischen Gründen sollte zusätzlich ein durch die EDV erstellter Bescheid ergehen, aus dem sich die Höhe und die Dauer der Leistung ergäben. Beide Bescheide zusammen sollten ausdrücklich eine vorläufige Entscheidung erhalten. Insoweit erging Bescheid vom 11.04. 1995, demzufolge der Klägerin ab 03.04.1995 mit 31.12.1996 Uhg in Höhe von DM 247,80 wöchentlich gewährt wurde (BE DM 460,-; Leistungssatz 67 v.H.; Leistungsgruppe C/1).

Nach Abschluss der Maßnahme teilte die Klägerin telefonisch mit, bereits seit 01.01.1996 in der Steuerklasse V zu sein. Mit Schreiben vom 23.01. und 07.04.1997 forderte die Beklagte die Klägerin auf, die Steuerkarte 1996 vorzulegen. Letztere erklärte insoweit, ihre Karte in der Zeit der Umschulung nicht geändert zu haben, eine Änderung sei erst zum 01.04.1997 erfolgt, als sie bereits in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Eine Kopie der Steuerkarte 1996 könne erst zu einem späteren Zeitpunkt übersandt werden, da diese im Steuerbüro liege. Wenn ihr weniger Geld zugestanden hätte, hätte ihr höheres Wohngeld, Pflegegeld etc. gewährt werden müssen.

Unter Bezugnahme auf das Merkblatt für Arbeitslose Seite 50/51 wies die Beklagte darauf hin, dass die Hinterlegung der Steuerkarte gemäß § 150 b AFG die Klägerin nicht von der Verpflichtung entbinde, einen Wechsel der Steuerklasse anzuzeigen. Am 26.07.1997 legte die Klägerin nach mehrfacher Aufforderung Kopien der Steuerkarten 1996 und 1994 sowie den Einkommensteuerbescheid für 1995 vor. Daraus ist ersichtlich, dass die am 20.09. 1993 ausgestellte Lohnsteuerkarte 1994 am 28.04.1994 mit Wirkung vom 01.05.1994 von III auf V geändert worden ist. Die am 20.09.1995 ausgestellte Steuerkarte 1996 enthielt unverändert die Steuerklasse V. Daraufhin wurde die Klägerin hinsichtlich der beabsichtigten teilweisen Aufhebung der Uhg Bewilligung für den Zeitraum 03.04.1995 mit 19.12.1996 und der Erstattung der damit korrespondierenden Überzahlung in Höhe von DM 7.827,60 angehört. Auf die Berechnung der Überzahlung wird Bezug genommen. Die Klägerin trug vor, die Steuerkarten bereits vorgelegt zu haben. Hieraus sei der Wechsel der Steuerklassen ersichtlich gewesen. Sie habe nicht wissen können, dass weiterhin Leistungen nach Steuerklasse III gewährt worden seien. Schließlich habe sie selbst den Fehler aufgedeckt.

Schließlich hob die Beklagte durch Bescheid vom 18.09.1997 die Bewilligung für den Zeitraum 03.04.1995 mit 19.12.1996 teilweise in Höhe der Differenz zwischen Leistungsgruppe C und D von DM 7.827,60 gemäß § 48 SGB X auf, da die Änderungen in den Verhältnissen, die für den Leistungsanspruch wesentlich seien, nicht unverzüglich mitgeteilt worden seien, obwohl die Klägerin insoweit durch den Leistungsantrag und das ausgehändigte Merkblatt ausdrücklich belehrt worden sei. Eine Übersendung der Steuerkarte zur Hinterlegung reiche insoweit nicht aus. Die Erstattungsforderung wurde auf § 50 SGB X gestützt. Der hiergegen ohne Begründung eingelegte Rechtsbehelf blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.04.1998. Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Bewilligung sei § 45 SGB X.

Maßgebend für die Höhe des Uhg sei die zu Jahresbeginn auf der Steuerkarte der Arbeitslosen eingetragene Steuerklasse. Das sei zu Beginn des Kalenderjahres 1995 die Steuerklasse V gewesen, so dass die Bewilligung von Anfang an unrechtmäßig gewesen sei. Die Klägerin könne sich auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der ursprünglichen Bewilligung nicht berufen, denn der Verwaltungsakt beruhe auf Angaben, die sie zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Hinsicht unrichtig oder unvollständig gemacht habe, und sie habe die Rechtswidrigkeit des Bescheides zumindest grob fahrlässig nicht erkannt. Für sie sei nämlich ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Leistungsgruppe C nur für Leistungsempfänger zutreffe, auf deren Lohnsteuerkarte die Steuerklasse III eingetragen worden sei. Das Merkblatt enthalte auch eine für Laien leicht verständliche Übersicht über die Zuordnung der Leistungsgruppen zu den Steuerklassen. Zur erforderlichen Sorgfalt der Empfänger von Leistungen gehöre es, Bewilligungsbescheide wenigstens kurz auf solche Fehler zu überprüfen, die mit der Gewährung der Leistung unmittelbar zusammenhingen und die für die Leistungsempfängerin aufgrund ihrer eigenen Kenntnisse sowie aufgrund der einschlägigen Information in dem Merkblatt erkennbar seien. Nach Aktenlage bestehe kein Anlass zu der Annahme, dass es der Klägerin für eine solche Erkenntnis an der nötigen Urteils- und Kritikfähigkeit gemangelt hätte.

Ein Überprüfungsantrag vom 26.10.1998 wurde durch Bescheid vom 01.02.1999 abgelehnt, der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 25.03.1999).

II.

Mit der zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage wandte die Klägerin ein, im Mai 1994 die Lohnsteuerkarte abgeholt zu haben, um die Steuerklasse zu wechseln. Es sei ihr unerklärlich, wenn behauptet werde, sie habe den Wechsel nicht bekannt gegeben. Im Januar 1997 habe sie selbst das Amt auf den Fehler hingewiesen. Die 35. Kammer wies die Klage aufgrund mündlicher Verhandlung unter Bezugnahme auf die angefochtenen Bescheide ab (Urteil vom 24.11.2000).

III.

In der zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung beruft sich die Klägerin auf ein schutzwürdiges Vertrauen infolge Verbrauchs der Leistungen. Sie habe auf dem Antrag vom März 1995 bei der Steuerklasse eine Lücke gelassen, weil ihre Lohnsteuerkarte zu Hause gelegen sei, während sie auf dem Flur des Arbeitsamtes das Formular ausgefüllt habe. Sie selbst habe sich nie mit steuerrechtlichen Fragen beschäftigt, der Wechsel im Herbst 1994 sei vom Ehemann vollzogen worden, in dessen Betrieb sie beschäftigt gewesen sei. Das Merkblatt habe sie nicht gelesen, und sie hätte dessen Inhalt auch nicht verstehen können, da sie nicht gewusst habe, ob sie der Steuerklasse III oder V angehörte. Infolgedessen habe sie auch nicht zuordnen können, aus welcher Leistungsgruppe ihr Leistungen zustehen. Außerdem könne sie nicht sicher sein, ob das Amt die Zuordnung richtig vorgenommen habe. Die Beklagte hätte auf die Lücke reagieren müssen. Offensichtliche Unvollständigkeiten, die von der Behörde zu klären seien, reichten für eine Annahme der groben Fahrlässigkeit nicht aus. Im Übrigen sei sie seit Anfang der 90iger Jahre schwer krank gewesen, ihr Mann habe ihr daher alle Behördengänge abgenommen, er habe auch die Steuerkarte zum Arbeitsamt gebracht.

Nachdem sie und ihr Ehemann öfters die Steuerklasse gewechselt hätten, sei sie sich zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht sicher gewesen, welche Steuerklasse aktuell zugetroffen habe. Die Richtigkeit hätte sie auch nicht überprüfen können, da die Karte beim Arbeitsamt gelegen hätte. Aus diesem Grund habe sie die Steuerklasse gerade offen gelassen, um keine unrichtigen Angaben zu machen. Demgegenüber hätte die Behörde auf die ihr vorliegenden Unterlagen zurückgreifen können. Jedenfalls habe sie darauf vertrauen dürfen, dass das Amt die Steuerklasse richtig eintragen würde. Demgegenüber verweist die Beklagte darauf, die Klägerin sei sich bewusst gewesen, die Steuerklasse nicht eingetragen zu haben, deren Bedeutung für die Leistungsgruppe aus dem Merkblatt deutlich hervorgegangen sei. Auch im Fall einer schweren Krankheit stelle sich die Beurteilung nicht anders dar. Ein etwaiges Handeln des Ehemannes müsse der Klägerin zugerechnet werden. Der Senat hat neben der Leistungsakte des Arbeitsamtes die Streitakte des ersten Rechtszuges beigezogen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des SG München vom 24.11.2000 sowie den Bescheid vom 18.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.1998 aufzuheben.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 24.11.2000 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Streitakten beider Rechtszüge sowie der Leistungsakten des Arbeitsamtes Erding Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 27.02.2003.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, im Übrigen form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung der Klägerin, §§ 143 ff. SGG, erweist sich in der Sache als nicht begründet.

Zu Recht hat das SG die gegen den Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 18.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.04.1998 gerichtete Anfechtungsklage abgewiesen.

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme der Uhg-Bewilligungen für den streitgegenständlichen Zeitraum ist § 45 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs.3 AFG. Aufgrund der im Antrag vom 03.03.1995 zumindest grob fahrlässig gemachten, in wesentlicher Beziehung unrichtigen Angaben ist ein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Bescheide vom 11.04.1995, 19.05.1995, 10.08.1995, 12.01.1996 und 09.08.1996 nicht gegeben. Diese Bewilligungen waren von Anfang an rechtswidrig, da die Beklagte entsprechend den unvollständigen Angaben in Ziff.2 in Verbindung mit der Erklärung in Ziffer 3 des Uhg-Antrages vom 03.03.1995, seit der letzten Antragstellung sei eine Veränderung in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (z.B. Einkommen) nicht gegeben, von der bisher für Alg/Alhi maßgebenden Steuerklasse/Leistungsgruppe ausgegangen ist, deren Änderung die Klägerin ab 01.05.1994 dem Arbeitsamt nicht ausdrücklich mitgeteilt hat.

Wenn die Klägerin im Berufungsverfahren vortragen lässt, sie habe diese Lücke in Ziffer 2 bewusst offen gelassen, muss ihr nicht nur aufgrund der einschlägigen Merkblätter für Arbeitslose (Stand April 1993, Nr.4 Seite 13/14, Nr.7 Seite 19, Seite 20, Ziffer 10, Nr.8 Seite 21) einerseits sowie für Umschulung (Stand Mai 1994, Nr.2 Seite 15/16, Nr.10 Seite 30, 32, 33) andererseits die Abhängigkeit der Leistungsgruppe von der Steuerklasse bewusst gewesen sein, denn sonst hätte sie sich nicht gescheut, eine konkrete Angabe zu machen. Hinzu kommt, dass sie bereits während des Alhi-Bezuges den notwendigerweise zu meldenden Steuerklassenwechsel ab 01.05.1994 nicht mitgeteilt hat.

Vorwerfbarkeit im Sinne einer mindestens groben Fahrlässigkeit ist bei tatsächlicher Kenntnisnahme mit dem BSG ohne weiteres gegeben, zumal angesichts der in sämtlichen Akten dokumentier- ten Gewandtheit der Klägerin und ihrer Fähigkeit, ihre Interessen nachdrücklich und sachgerecht zu vertreten, Gründe für ein Absehen von diesem Schuldvorwurf nicht erkennbar sind, vgl. BSG SozR 5870 Nr.1 zu § 13 KGG u.a.

Dasselbe gilt, wenn die Klägerin die entsprechenden Hinweise im Merkblatt nicht gelesen hat, vgl. BSG vom 17.03.1981, 7 RAr 20/80. Schließlich sind die Handlungsfristen der §§ 48 Abs.4, 45 Abs.3, 4 SGB X erkennbar eingehalten worden.

Aufgrund der erstmaligen Bewilligung von Uhg ab 03.04.1995 liegt, da die Steuerkarte 1995 seit Jahresbeginn unverändert die Steuerklasse V ausgewiesen hat, kein Wechsel im Sinne des § 113 Abs.2 AFG vor, so dass auf die Zweckmäßigkeit nicht abgestellt zu werden braucht, vgl. BSG vom 26.09.1999, SozR 4100 § 113 AFG Nr.10. Die Steuerklasse, die auf der Lohnsteuerkarte zu Beginn des Kalenderjahres eingetragen war, in dem der Anspruch auf Uhg entstanden ist, hier am 01.01.1995, ist für die Höhe der Lohnersatzleistung auch dann maßgebend, wenn die auf den Steuerkarten der Ehegatten zu Beginn des Kalenderjahres eingetragenen Steuerklassen offensichtlich nicht dem Verhältnis der monatlichen Arbeitslöhne zueinander entsprochen haben, vgl. BSG vom 25.08.1987, SozR 4100 § 113 AFG Nr.6. Die Klägerin hat in wesentlicher Beziehung im Uhg-Antrag unvollständige Angaben im Sinne des § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.2 SGB X gemacht. Sie hat nämlich die ausdrückliche Frage nach der Lohnsteuerklasse unbeantwortet gelassen. Diese Angaben sind wesentlich gewesen, weil die Steuerklasse für die Leistungshöhe erheblich ist. Ihr ist insoweit auch grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Wird eine Antragstellerin im Formular nach bestimmten Angaben gefragt, muss sie nämlich davon ausgehen, dass diese Bedeutung haben. Unterlässt sie diese, ist die Lücke offensichtlich, insbesondere deswegen, weil sie Alg/Alhi auf der Grundlage der Steuerklasse III bezogen und einen Wechsel der Steuerklasse verneint hat. Am Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ändert sich nichts dadurch, dass die Antragsannehmer nicht auf dem lückenlosen Ausfüllen bestanden haben. Die Klägerin hat den Antrag unterschrieben und diesen damit in der abgegebenen lückenhaften Form gebilligt. Das ist ihr zuzurechnen. Die unvollständigen Angaben sind auch kausal für die rechtswidrige Bewilligung gewesen. Hätte sie die Steuerklasse V angegeben, hätte das Arbeitsamt ab 03.04.1995 Uhg in zutreffender Höhe gezahlt, vgl. LSG Baden-Württemberg vom 25.04.2002, L 12 Al 4941/01 in Juris Nr.KSRE 05 92 40 505.

Ob daneben, wie von der Beklagten angenommen, auf § 45 Abs.2 Satz 3 Nr.3 SGB zurückgegriffen werden kann, ist im Ergebnis zu bejahen. Mit dem BSG, Urteil vom 08.02.2001, B 11 AL 21/ 2000 R, SozR 3-1300 § 45 SGB X, ist nämlich insbesondere bei unzutreffenden und damit auch nicht vollständigen Angaben im zugrunde liegenden Bewilligungsantrag eine Verpflichtung der Klägerin anzunehmen, die Bewilligungsbescheide des Näheren auf ihre Richtigkeit zu überprüfen, da sie infolge ihrer unvollständigen und wohl auch irreführenden Angaben gerade nicht davon ausgehen konnte, dass letztere zutreffend umgesetzt würden. Die Klägerin war vielmehr gehalten, die Bewilligungsbescheide zum Anlass für Richtigkeitsüberlegungen und Vorstellungen oder Hinweisen gegenüber der Behörde zu nehmen. Sie wird sich angesichts des wiederholten Wechsels der Steuerklassen fragen lassen müssen, aus welchem Grunde diese erfolgt sind und weshalb sie trotz der Belehrung in den Merkblättern keine Veranlassung zu einer Beratung durch die Beklagte gesehen hat. Zumal sie offensichtlich nach Zugang des Bescheides vom 10.01.1997, mit dem ihr Leistungen ab 01.01.1997 in geringerer Höhe als vorher gewährt worden sind, Veranlassung gesehen hat, die Beklagte auf die angeblich seit 01.01.1996 geänderte Steuerklasse hinzuweisen.

Das BSG sieht lediglich bei tatsächlich zutreffenden Angaben im Antrag von einer Verpflichtung der Begünstigten ab, die Bewilligungsbescheide zu überprüfen, es sei denn, die Fehler springen bei den subjektiven Erkenntnismöglichkeiten der Betroffenen aus anderen Gründen geradezu ins Auge. Wie das LSG Baden-Württemberg in der oben angeführten Entscheidung ausführt, stellt das Merkblatt ebenso wie der Uhg-Bescheid in anschaulicher Weise die Abhängigkeit der Bewilligung und der Leistungshöhe von der Leistungsgruppe sowie der ihr zugrunde liegenden Steuerklasse dar. Das dort gezeigte Schema ist so eindeutig und einleuchtend, dass auch eine unbedarfte Arbeitslose dessen Inhalt verstehen kann. Das gilt umso mehr für die Klägerin, die gezeigt hat, dass sie das erforderliche Wissen und die erforderliche Kenntnis besitzt, selbst wenn sie die Änderung der Steuerklassen im Zusammenwirken mit ihrem Ehemann vorgenommen hat, und zwar mehrfach hintereinander, wie sie sich im Berufungsverfahren einlässt. Darüber hinaus ist auf der Rückseite der Bewilligungsbescheide das im Merkblatt enthaltene Schema über die Abhängigkeit der Leistungen von der Steuerklasse nochmals abgedruckt. Das hat der Klägerin den Inhalt des Merkblattes und die Abhängigkeit der Leistungsgewährung von der Steuerklasse nochmals ins Gedächtnis gerufen. Da sich aus der Rückseite des Bewilligungsbescheides eindeutig ergeben hat, dass im Fall der Klägerin die Leistungsgruppe D zugrunde zu legen gewesen wäre, hingegen auf der Vorderseite die Leistungsgruppe C ausgewiesen war, führte es nach Auffassung des Senats zur Annahme einer besonders schweren Sorgfaltsverletzung, weil die Klägerin hiervor die Augen verschlossen hat, und das nach der Antragstellung gleich wiederholt. Das gilt umso mehr, wenn sie gemeint hat, eine wesentliche Änderung durch die verschlossene Abgabe der Lohnsteuerkarte mitgeteilt zu haben, die zu erwartende Änderung der Leistungsgruppe jedoch nicht erfolgt ist.

Hinsichtlich des vom BSG verlangten subjektiven Schuldvorwurfs ist angesichts des nicht ungeschickten Vorbringens der Klägerin im Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X im erstinstanziellen Verfahren kein Anhaltspunkt für ein eingeschränktes Einsichtsvermögen zu erkennen.

Nach dem in den Akten ersichtlichen Lebenslauf hat die Klägerin nach Absolvierung einer Lehre als Damenschneiderin, als Verkäuferin und als Miedernäherin gearbeitet, ehe sie als mithelfende Familienangehörige im Freizeitcenter ihres Ehemannes in P. mitgearbeitet hat. Hinsichtlich der Anhörung vor Erlass des Rücknahmebescheides hat die Beklagte zwar die einschlägigen Vorschriften nicht angegeben, der Aufhebungsbescheid wurde auf § 48 SGB X gestützt, während erst der Widerspruchsbescheid auf die zutreffende Vorschrift des § 45 SGB X abgestellt hat, die Klägerin war jedoch angesichts des bereits erörterten Zusammenhangs der falschen Leistungshöhe aufgrund einer zu Unrecht zugrunde gelegten Steuerklasse unabhängig davon in der Lage, sich sachgerecht einzulassen und ihre Rechte wahrzunehmen.

Eine Ermessensentscheidung war nicht zu treffen, § 152 Abs.3 AFG. Die übrigen Voraussetzungen sind offensichtlich eingehalten, insbesondere die erforderlichen Handlungsfristen. Aufgrund der rückwirkenden Rücknahme der Bewilligungen im streitgegenständlichen Zeitraum folgt die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen aus § 50 Abs.1 SGB X. Insoweit sind rechnerische Unrichtigkeiten weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Insgesamt ist das erstinstanzielle Urteil ebenso wenig zu beanstanden wie die streitgegenständlichen Bescheide, so dass dem Rechtsmittel der Klägerin der Erfolg versagt bleiben muss.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte die Beklagte, welche für das Berufungsverfahren keine Veranlassung gegeben hat, nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet werden, die der Klägerin zu ihrer Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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