L 11 AL 336/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AL 287/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 336/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 208/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.06.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Aufhebung einer Arbeitslosenhilfe (Alhi)-Bewilligung vom 31.08.1998 bis 11.10.1998 und 14.03.1999 bis 30.08.1999 sowie die Rückforderung überzahlter Leistungen einschließlich Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 8.324,- DM.

Der am 1960 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 11.08.1998 die Gewährung von Alhi. Im Antrag gab er an über ein Bankvermögen in Höhe von 3.387,16 DM sowie eine Kapitalslebensversicherung mit einem eingezahlten Guthaben von 24.514,- DM zu verfügen. In seinem Eigenheim wohnten zusammen mit ihm mietfrei seine Mutter und seine Schwester D ...

Mit Bescheid vom 20.10.1998 bewilligte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß vom 31.08.1998 Alhi bis 11.10.1998 und auf seinen Fortzahlungsantrag vom 14.12.1998 erneut mit Bescheid vom 10.03.1999 Alhi vom 14.03.1999 bis 30.08.1999.

Anläßlich seines Weiterbewilligungsantrages auf Alhi ab dem 31.08.1999 gab der Kläger erstmals an, einen Freistellungsantrag auf Kapitalerträge bei der Kreissparkasse H. erteilt zu haben. Ermittlungen der Beklagten ergaben, dass der Kläger am 20.07.1998 20.000,- DM in bar und am 30.08.1998 einen Bausparvertrag mit einem Gutachten von 12.995,- DM an seine Mutter, am 04.08.1998 ein Sparkonto mit einem Guthaben von 33.784,- DM an seine Schwester D. sowie am 26.08.1998 ein Wertpapierdepot mit einem Nennwert von 70.000,- DM an seine Nichte M. übertragen hatte.

Als Grund hierfür gab der Kläger am 22.12.1999 gegenüber der Beklagten an, es hätte beim Bezug von Alhi kein Vermögen über 8.000,- DM vorhanden sein dürfen. Er habe deshalb die noch bestehenden Schulden bei Familienangehörigen aus der Zeit des Hausbaus im Jahre 1982 beglichen. Schriftliche Verträge über gewährte Darlehen bestünden nicht, da dies in der Familie unüblich sei und ein gegenseitiges Vertrauen bestehe.

Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 20.04.2000 hob die Beklagte daraufhin die Gewährung von Alhi an den Kläger vom 31.08.1998 bis 11.10.1998 und vom 14.03.1999 bis 30.08.1999 auf. Auch ab dem 31.08.1999 habe er keinen Anspruch auf Alhi mehr. Er habe vor Beginn der Alhi-Gewährung über ein Kapital- vermögen von insgesamt 145.262,- DM verfügen können. Nach Abzug eines Freibetrages von 8.000,- DM ergebe sich ein Restbetrag von 137.262,08 DM, der bei der Alhi-Bewilligung ab dem 31.08.1998 zu berücksichtigen gewesen sei. Geteilt durch das wöchentliche Bemessungsentgelt, das der Alhi-Gewährung zugrunde liege (560,- DM) sei der Kläger für 245 Wochen nicht bedürftig iS des Gesetzes gewesen. Die von ihm dargelegten Gründe für den Vermögensverbrauch (Darlehenstilgungen bei Mutter und Schwester) seien nicht schlüssig und nachvollziehbar. Für die von der Rückzahlung betroffene Zeit sei ein Betrag von 6.265,64 DM und Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 2.034,60 DM von ihm zu erstatten.

Der hiergegen vom Kläger am 03.05.2000 erhobene Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18.05.2000).

Dagegen hat der Kläger am 07.06.2000 Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 04.06.2002 hat der Kläger erklärt, während seiner Arbeitslosigkeit sei der Lebensunterhalt durch seine Mutter sichergestellt worden. Sie habe die Wäsche erledigt und für ihn gekocht. Sie und seine Schwester wohnten mit ihm im Haus.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom gleichen Tag abgewiesen. Die Gewährung von Alhi setze gemäß § 190 Abs 1 Nr 5 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) eine Bedürftigkeit voraus. Zwar habe der Kläger im Zeitpunkt der Alhi-Bewilligung nicht mehr über Vermögen verfügt. Gemäß § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) könne jedoch bei einer Schenkung der Schenker von dem Beschenkten die Herausgabe des Geschenke nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung fordern, soweit er außer Stande sei, seinen angemessenen Unterhalt zu bestreiten. Die Beklagte habe deshalb zu Recht die vom Kläger vorgenommenen Übertragungen von Kapitalvermögen an seine Verwandtschaft für unbeachtlich gehalten und das übertragene Vermögen in die Bedürftigkeitsprüfung nach § 193 Abs 2 SGB III einbezogen. Der Kläger habe offenbar durch die Vermögensübertragungen an seine Mutter, Schwester und Nichte versucht, sein Kapitalvermögen unter den Freibetrag von 8.000,- DM zu mindern. Dieses Verhalten könne von der Rechtsgemeinschaft nicht anerkannt werden. Gemäß § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X iVm § 330 Abs 2 SGB III seien deshalb die ihm gewährten Alhi-Leistungen vom Kläger zu erstatten, ohne dass der Beklagten ein Ermessen eingeräumt sei. Die Verpflichtung zur Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ergebe sich aus § 335 Abs 1 SGB III.

Gegen das ihm am 06.08.2002 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 30.08.2002 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.

Er habe das Geld ausschließlich zur Tilgung der ihm von Famlienmitgliedern gewährten Darlehen verwendet und habe sich damit nicht bedürftig machen wollen. Da es sich hierbei nicht um Schenkungen gehandelt habe, sei § 528 BGB nicht anwendbar.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2000 idF des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 04.06.2002 als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes vom 26.06.2003 hat der Kläger ergänzend erklärt, dass seine Mutter in das Haus Ringstraße am 20.03.1995 und seine Schwester D. im Jahr 1996 eingezogen seien. Seine Mutter habe den gemeinsamen Lebensunterhalt bestritten und die Kosten für Lebensmittel, Heizung, Telefon und Kleidung von ihrer Rente bestritten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung de Berufungsverfahrens durch den Berichterstatter ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG). Die Entscheidung konnte durch den Berichterstatter anstelle des Senats ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen, da die Beteiligten zuvor ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 155 Abs 3 und 4, 124 Abs 2 SGG).

In der Sache erweist sich die Berufung jedoch als unbegründet, denn das SG hat im Ergebnis zu Recht im angefochtenen Urteil vom 04.06.2002 die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2000 idG des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2000 abgewiesen.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligungsbescheide vom 20.10.1998 bzw 10.03.1999 bildet § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2, Abs 4 SGB X iVm § 330 Abs 2 SGB III. Danach darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet - wie die Bewilligungsbescheide vom 20.10.1998 und 10.03.1999 - auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mW für die Vergangenheit zurückgenommen werden, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Rechtswidrig waren die Bewilligungsbescheide vom 30.10.1998 und 10.03.1999, weil der Kläger in den fraglichen Zeiträumen keinen Anspruch auf Alhi hatte. Nach § 190 Abs 1 Nr 5 SGB III setzt der Anspruch auf Alhi das Vorliegen einer Bedürftigkeit iS des § 193 SGB III voraus. Nach § 193 Abs 1 SGB III ist bedürftig nur ein Arbeitsloser, der seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht. Einkommen iS der Vorschriften über die Alhi sind nach § 194 Abs 2 SGB III u.a. alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können. Zu diesen Einnahmen gehören die Unterhaltsleistungen der Mutter des Klägers, die diese von ihrer monatlichen Rente dem Kläger gewährte. Als Verwandte ersten Grades (§ 1589 BGB) war sie dem Kläger gegenüber gemäß § 1601 BGB iVm § 1612 Abs 1 Satz 1 BGB zum Unterhalt verpflichtet. Bei dem dem Kläger von seiner Mutter gewährten Unterhalt handelt es sich auch nicht um Einkommen, das im Rahmen des § 194 Abs 3 SGB III nicht als Einkommen gilt, denn darunter fallen nach § 194 Abs 3 Nr 11 SGB III nur Unterhaltsansprüche gegen Verwandte zweiten und entfernteren Grades, nicht jedoch Unterhaltsansprüche - wie hier - gegen die eigene Mutter als Verwandte ersten Grades. Mit der Bestimmung des § 194 Abs 2 SGB III sollte sichergestellt werden, dass Ansprüche auf Leistungen, insbesondere bestehende Unterhaltsansprüche, zum Einkommen gehören (vgl Bundestagsdrucksache 12/5502 S 36; Brand in Niesel, Kommentar zum SGB III, 2.Aufl, § 194 RdNr 32).

Da der Kläger somit im Zeitraum vom 31.08.1998 bis 11.10.1998 und 14.03.1999 bis 30.08.1999 seinen Lebensunterhalt nach seinen eigenen Angaben im sozialgerichtlichen und Berufungsverfahren durch die Unterhaltsleistungen seiner Mutter bestritt, war er nicht bedürftig iS des § 193 Abs 1 SGB III. Es kann hier deshalb dahinstehen, inwieweit das Vermögen des Klägers nach § 193 Abs 2 SGB III zu berücksichtigen war.

Da die Bewilligungsbescheide vom 20.10.1998 und 10.03.1999 auf Angaben beruhten, die der Begünstigte (= der Kläger) zumindest grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig gemacht hat, indem er die Frage 8 im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung zu wiederkehrenden Einnahmen verneinte, konnten die Bewilligungsbescheide vom 20.10.1998 und 10.03.1999 nach § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 iVm Abs 4 Satz 1 SGB X mW für die Vergangenheit zurückgenommen werden, ohne dass der Beklagten dabei nach § 330 Abs 2 SGB III ein Ermessen eingeräumt war. Der Rückforderungsbetrag wurde von der Beklagten rechnerisch richtig festgestellt und die Frist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X beachtet. Die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung der für ihn in dem fraglichen Zeitraum entrichteten Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung ergibt sich aus § 335 Abs 1 SGB III.

Die Berufung konnte deshalb keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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