L 2 U 188/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 5022/01 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 188/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 12. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1959 geborene Kläger zeigte am 08.02.2000 der Beklagten eine Berufskrankheit, nämlich einen Schaden an der Lendenwirbelsäule, an. Er habe seit April 1997 Beschwerden.

Der Orthopäde Dr.T. auer stellte am 14.07.1992 die Diagnosen: Rezidivierendes BWS- und LWS-Syndrom bei Haltungsschwäche und Skoliose. Der Kläger hatte angegeben, er müsse beruflich viel Auto fahren, außerdem habe er nebenberuflich noch eine Landwirtschaft. Der Neurologe Dr.P. berichtete am 07. und 14.09.1993 über eine chronifizierte Cervicocephalgie. CTs vom 20.05.1997 und 28.07.1997 zeigten eine kleine Bandscheibenprotrusion L4/5 und einen deutlichen Prolaps L5/S1, spondylophytäre Ausziehungen bei C3/4 und C4/5 sowie eine auffällige Streckhaltung der oberen Halswirbelsäule. Vom 27.05. 1997 bis 08.07.1997 befand sich der Kläger in der Klinik B. wegen Lumboischialgie L5/S1 rechts mit angedeuteter Großzehenheberschwäche, einem cervicocephalen Syndrom, depressiver Verstimmung und Tinnitus mit Hypakusis und Otitis media. Der Neurologe Dr.W. erwähnte am 28.07.1997 ischialgieforme Schmerzsymptomatik bei nachgewiesenem Vorfall. Der Orthopäde Dr.L. diagnostizierte am 05.08.1997 einen Bandscheibenvorfall L5/S1 rechts und Lumboischialgie. Der Neurologe Dr.S. beschrieb am 13.11.1997 eine Zwangsneurose mit zunehmender Konversions- bzw. psychosomatischer Erkankungstendenz. Im Rahmen einer Doppelbeschäftigung sei es zu einer zunehmenden psychischen Erkrankung mit Rückenschmerzen, Cephalgien, diffusen sonstigen Körperbeschwerden gekommen. Im Gutachten des MDK vom 09.01.1998 wurden die Diagnosen gestellt: Chronisches LWS-Syndrom mit Schmerzfehlverarbeitungsstörung bei Bandscheibenprolaps L5/S1, erhebliche psychosomatische Überlagerung bei Zwangsstörungen. Die Allgemeinärzte Dr.E. und L. stellten am 30.01.1998 die Diagnosen: Zwangsneurose mit zunehmender Konversions- bzw. psychosomatischer Erkrankungstendenz, Lumboischialgie L5/S1 rechts mit angedeuteter Großzehenheberschwäche rechts nach mediolateralem Bandscheibenprolaps L5/S1 rechts mit Abdrängung der Wurzel S1, außerdem cervicocephales Syndrom und Tinnitus mit Hypakusis bei Zustand nach Otitis media.

Im Gutachten für die Landwirtschaftliche Alterskasse Schwaben führte der Neurologe Dr.D. am 25.02.1998 aus, beim Kläger seien eine larvierte Depression mit Panikattacken, rechtsseitige S1-betonte Lumboischialgien bei Bandscheibenvorfall L5/S1, zurzeit ohne spezifisches radikuläres Defizit, und Tinnitus festzustellen. Vom 11.08. bis 22.09.1998 wurde ein Heilverfahren in der Psychosomatischen Klinik B. der LVA Schwaben durchgeführt. Die Entlassungsdiagosen lauteten: Zwanghafte Persönlichkeit, Zwangsneurose, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und somatoforme autonome Funktionsstörung, Verdacht auf Morbus Parkinson. Der Allgemeinarzt Dr.E. berichtete am 24.03.2000, der Kläger sei von 1990 bis 1998 bei ihm in Behandlung gewesen wegen ischialgieformer Beschwerden rechts. Der Orthopäde Dr.L. , der den Kläger seit 28.07.1997 behandelte, berichtete am 03.05.2000 über seit 1997 immer wieder auftretende Schmerzen an der Lendenwirbelsäule.

Der Orthopäde Dr.G. führte in den Stellungnahmen vom 02.06. und 06.07.2000 aus, es sei mechanisch nicht vorstellbar, dass nur das unterste Segment von der Belastung betroffen worden sei und die darüber liegenden Segmente ausgespart geblieben seien. Die auf dem Röntgenbild nachweisbaren angedeuteten Verschmälerungen der letzten beiden Bandscheibenräume überschritten nicht das altersdurchschnittlich zu erwartende Maß. Eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule sei daher nicht wahrscheinlich zu machen.

Der Gewerbearzt Dr.S. wies am 10.08.2000 darauf hin, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen im LWS-Bereich vorlägen. Sie würden jedoch zunehmend durch psychische Störungen überlagert. Zu klären sei, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen gegeben seien.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten erstellte am 13.12.2000 eine Arbeitsplatzanalyse. Dabei wurde ein Wert ermittelt, der als nicht belastend eingeschätzt wurde.

Mit Bescheid vom 21.12.2000 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankungen der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit ab. Bei den umfangreichen Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes seien die berufliche Tätigkeit in der Land- und Forstwirtschaft seit 1973 und die in dieser Zeit bewirtschafteten Flächen, die Größe der Viehhaltung, die Betriebsstruktur, die maschinelle Ausstattung sowie die dadurch bedingte Art, Dauer und Häufigkeit der körperlich besonders belastenden Verrichtungen berücksichtigt worden. Zur Feststellung der beruflichen Gesamtbelastung seien die Tage, an denen die Tagesdosis durch Heben und Tragen schwerer Lasten und Ganzkörpervibrationen erreicht oder überschritten worden sei, zu einer Gesamtbelastungsdosis über die gesamte Beschäftigungsdauer zusammengefasst worden. Die Auswertung dieser Arbeitsplatzuntersuchung habe eine Gesamtbelastungsdosis ergeben, die 43 % des Wertes betrage, der einen beruflichen Ursachenzusammenhang vermuten lasse. Eine berufliche Verursachung der Wirbelsäulenerkrankung sei demnach nicht anzunehmen. Im Übrigen sei das festgestellte Krankheitsbild nicht ausgeprägter als bei sehr vielen Menschen gleichen Alters auch ohne entsprechende berufliche Belastung. Ein dem Alter vorauseilender Bandscheibenschaden als Hinweis für eine eventuelle Schädigung durch berufliche Belastungen liege nicht vor. Nach Einschätzung des Orthopäden Dr.G. sei nicht vorstellbar, dass durch körperliche Belastungen nur die beiden unteren Abschnitte der Lendenwirbelsäule geschädigt worden und die übrigen Abschnitte weitgehend ausgespart geblieben seien. Die Voraussetzungen zur Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit seien somit nicht erfüllt.

Den Widerspruch des Klägers vom 15.01.2001, mit dem er geltend machte, die Ermittlungen seien nur sehr eingeschränkt und nicht den betrieblichen Verhältnissen angepasst durchgeführt worden, außerdem habe Dr.G. ihn nicht untersucht, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2001 zurück. Dass die Ermittlungen nicht korrekt durchgeführt worden seien, könne nicht nachvollzogen werden. Der Kläger selbst habe alle Angaben gegenüber dem Technischen Aufsichtsbeamten gemacht.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren hat der Orthopäde Dr.L. im Befundbericht vom 09.01.2002 die Diagnosen gestellt: Bandscheibenvorfall L5/S1, Lumboischialgie mit Wurzelreiz S1, Unterschenkelvenenthrombose links, Lumboischialgie links, Cervicobrachialsyndrom rechts, Patelladysplasie Typ III, Chondropathia patellae.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12.04. 2002 abgewiesen. Nach der Arbeitsplatzanalyse, die am 27.09. 2000 von dem TAD der Beklagten durchgeführt worden sei, lägen die Belastungen für die Tätigkeiten des Klägers in Land- und Forstwirtschaft bei insgesamt 43 %. Die Arbeitsplatzanalyse habe u.a. auch den Maisanbau, das Entmisten und die Fahrten mit einem Schlepper berücksichtigt. Die Arbeitsplatzanalyse erscheine umfassend und zutreffend. Damit seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach den Ziffern 2108 und 2110 nicht gegeben.

Zur Begründung der Berufung vom 15.05.2002 führte der Kläger aus, nicht berücksichtigt worden seien die genauen betrieblichen Verhältnisse auf seinem Hof, z.B. die Wegestrecken, die Lagerung des Futters, das Tragen der Milchkannen. Es fehlten die Werte über den Tieflaufstall, die Entmistung und Lagerung des Mistes. Die Ausbringung des Düngers sei nicht bewertet, ebenso nicht Getreideeinlagerung und -auslagerung, Zukauf von Futtermitteln und deren Einlagerung. Es fehle die Berücksichtigung von Heu- und Strohbergung, deren Ein- und Auslagerung bis zur Einstreuung. Nicht berechnet seien die Silomaisernte-Einlagerung und -auslagerung, außerdem Futterrübenanbau, Einlagerung und Auslagerung, sowie Blattbergung und Verfütterung, weiter Ein- und Auslagerung der Kartoffeln, Verfütterung, außerdem der Heißwassertransport. Im Rahmen der Forstwirtschaft sei die Arbeit mit dem Schichtholz nicht zutreffend berücksichtigt. Außerdem habe er verschiedene Bau- und Umbaumaßnahmen persönlich durchgeführt, die unberücksichtigt geblieben seien.

Die Beklagte übersandte hierzu eine Stellungnahme vom 18.07. 2002. Der Technische Aufsichtsbeamte S. führte darin aus, er habe am 27.09.2000 eine Arbeitsplatzanalyse beim Kläger durchgeführt. Gemeinsam mit dem Kläger seien die betrieblichen Verhältnisse von 1973 bis 1998 rekonstruiert worden. Am 06.12. 2000 habe er dem Kläger die vollständige Eingabedatei zugeschickt mit der Bitte, sie auf Vollständigkeit hin zu überprüfen. Der Kläger habe den prozentual geleisteten Arbeitseinsatz geringfügig korrigiert und den Erfassungsbogen zurückgeschickt. Die Änderungen seien bei der Berechnung berücksichtigt worden. Bezüglich der zurückzulegenden Wegstrecken seien die betrieblichen Verhältnisse bekannt gewesen und berücksichtigt worden. Bewertet seien auch der Tieflaufstall, die Arbeit mit dem Mist, die Ausbringung des Düngers, Getreideein- und auslagerung, das Tragen von zugekauften Säcken, der Ballentransport von Heu und Stroh, auch der Zukauf, die Kartoffelernte und das Versorgen der Tiere; ebenso die Arbeit mit dem Schichtholz im Forst. Die Ein- und Auslagerung der Silomaisernte von Hand finde bei Männern aufgrund der relativ geringen Belastung keine Berücksichtigung, fließe aber im Rahmen der Fütterung in die Berechnung ein. Die Ein- und Auslagerung von Futterrüben sowie die Blattbergung würden ebenfalls wegen der geringen Belastung nicht berücksichtigt, ebenso nicht der Transport der ofengroßen Holzscheite. Der Technische Aufsichtsbeamte hat weiterhin darauf hingewiesen, dass die vom Kläger angegebenen landwirtschaftlichen Baumaßnahmen nicht berücksichtigt worden seien. Die Einschätzung würde aber in keinem Fall die grenzwertige Belastung von 100 % erreichen.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 12.04. 2002 sowie den Bescheid vom 21.12.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Erkrankung seiner Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit im Sinne der Nrn.2108/2110 der Anlage zur BKV anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie die Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, dass die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen durch die Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten vom 18.07.2002 widerlegt sind. Die im land- und fortwirtschaftlichen Betrieb des Klägers durchzuführenden Arbeiten sind in der Arbeitsplatzanalyse vom 13.12.2000 in vollem Umfang berücksichtigt. Auch wenn es sich bei den Bau- und Umbaumaßnahmen, die der Kläger nach seinen Angaben durchgeführt hat, um laufende Ausbesserungen gehandelt hätte, die versichert wären, so würden sie, wie der Technische Aufsichtsbeamte überzeugend erläutert hat, die bisherige Belastungseinschätzung von 43 % nur geringfügig erhöhen können und einen grenzwertigen Belastungswert auf keinen Fall erreichen. Insofern sind weitere Ermittlungen nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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