L 6 RJ 634/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 481/99 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 634/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 9. August 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am ...1935 geborene Klägerin ist Staatsangehörige der Bundesrepublik Jugoslawien. Sie hat vom 01.07.1972 bis 31.01.1977 - am Anfang ihres Versicherungslebens - in der Bundesrepublik Deutschland 55 Monate rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt; sie ist nach ihren Angaben als Packerin beschäftigt gewesen (zuletzt bei der Firma St ... KG in L ..., die im Telefonverzeichnis von L ... der Deutschen Telecom nicht mehr auffindbar ist). In ihrer Heimat hat sie vom 01.01.1986 bis 27.02.1995 als Landwirtin Pflichtbeitragszeiten erworben. Seit 28.02.1995 bezieht sie vom jugoslawischen Versicherungsträger Alterspension; mit Bescheid vom 13.07.2000 hat ihr die Beklagte Regelaltersrente ab 01.03.2000 zuerkannt.

Am 30.03.1995 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.09.1996 und Widerspruchsbescheid vom 03.09.1997 bestandskräftig ab, da die Versicherte leichte Arbeiten noch vollschichtig verrichten könne. Gesundheitszustand und berufliches Leistungsvermögen entnahm die Beklagte im wesentlichen einem Rentengutachten, das im Auftrag des jugoslawischen Versicherungsträgers unter dem 14.11.1995 erstellt worden war und in dem es heißt, die Versicherte sei nicht mehr in der Lage, ihrer Berufstätigkeit als Landwirtin nachzugehen, sie könne aber leichte Arbeiten im Sitzen verrichten.

Den am 25.05.1998 gestellten Antrag auf Überprüfung dieser Bescheide lehnte die Beklagte formlos mit Schreiben vom 02.07.1998 ab. Den hiergegen sinngemäß am 28.07.1998 eingelegten Widerspruch behandelte die Beklagte als Neuantrag, den sie mit Bescheid vom 03.12.1998 und Widerspruchsbescheid vom 22.01.1999 gleichfalls ablehnte. Es liege seit 03.09.1998 zumindest Berufsunfähigkeit vor; ein Rentenanspruch bestehe jedoch aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht. Im Widerspruchsbescheid machte die Beklagte dann auch Ausführungen zum Antrag vom 25.05.1998 und § 44 SGB X.

Am 13.02.1999 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht (SG) Landshut mit dem Begehren, die Beklagte zur Zahlung von Rente wegen Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit zu verpflichten.

Das SG zog die Verwaltungsakten der Beklagten bei und erholte zum bis spätestens März 1997 vorliegenden Gesundheitszustand und beruflichem Leistungsvermögen der Klägerin von dem Internisten und Radiologen Dr.R ... ein medizinisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage (vom 03.08.1999).

Dr.R ... stellte folgende im Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bei der Klägerin vorliegende Gesundheitsstörungen fest: 1. Bluthochdruck mit Linksherzbelastung. 2. Rezidivierende Entzündungen der Bauchspeicheldrüse nach Gallensteinoperation. 3. Traumatische Erblindung des rechten Auges bei normalem Sehvermögen links. 4. Neigung zu depressiven Verstimmungen. 5. Gesichtsnervenlähmung links. Das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin sei seit der erstmaligen Feststellung des Bluthochdrucks mit Linksherzbelastung am 03.09.1998 auf unter vollschichtig abgesunken. Bis dahin habe die Klägerin bei Berücksichtigung der damals vorliegenden Gesundheitsstörungen (oben Nummer 2 bis 5) unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbesondere ohne zusätzliche Pausen) leichte Arbeiten im Sitzen ohne nervliche Belastung und ohne Kraftaufwand noch vollschichtig verrichten können. Bis September 1998 habe sich die Klägerin auch noch auf leichte Anlerntätigkeiten umstellen können; Einschränkungen bezüglich des Anmarschwegs zur Arbeitsstätte hätten nicht bestanden. Weitere medizinische Fachgutachten ließen keine zusätzliche Aufklärung des medizinischen Sachverhalts erwarten.

Zum Beweis dafür, daß sie bereits 1995 nicht mehr leistungsfähig gewesen sei, legte die Klägerin eine Aufstellung ihrer stationären und ambulanten Behandlungen bis Januar 1995 vor.

Mit Urteil vom 09.08.2000 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente, da sie vor September 1998 nicht wenigstens berufsunfähig im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI gewesen sei. Sie habe nämlich nach dem Ergebnis der medizinischen Sachaufklärung bis dahin noch vollschichtig arbeiten können. Daß ihr ihre zuletzt in Deutschland ausgeübte Berufstätigkeit als Packerin nicht mehr habe zugemutet werden können, sei ohne rechtliche Auswirkung, da sie als ungelernte Arbeiterin zu beurteilen und somit auf alle Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar gewesen sei. Beim Eintritt der Erwerbsminderung im September 1998 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente nicht mehr erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar gewesen.

Am 27.10.2000 ging die Berufung der Klägerin gegen dieses ihr in ihrer Heimat zugestellte Urteil beim SG Landshut ein. Zur Begründung trug sie sinngemäß vor, sie begehre Rente ab 01.10.1998 aufgrund der im September 1998 eingetretenen Erwerbsminderung. Aufgrund des laufenden Verfahrens sei der Rahmenzeitraum von fünf Jahren verlängert, so daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien.

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende und auch nicht vertretene Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Landshut vom 09.08.2000 sowie die Bescheide der Beklagten vom 02.07.1998 sowie 03.12.1998, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.1999, aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 01.10.1998 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 09.08.2000 zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen und zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen auf den Inhalt der beigezogenen Akten (Verwaltungsakten der Beklagten; Klageakte des SG Landshut) und der Akte des Bayer. Landessozialgerichts (insbesondere auf das den Beteiligten zur Kenntnis gebrachte Rechtsgutachten des Rechtsanwalts P ... vom 24.09.1998 zu Fragen des jugoslawischen Rentenrechts in der Berufungssache L 6 RJ 626/97) sowie auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Urteil des SG Landshut vom 09.08.2000 ist nicht zu beanstanden, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit hat. Vor September 1998 ist die Klägerin nämlich weder berufs- noch erwerbsunfähig gewesen; als dann im September 1998 bei ihr Erwerbsunfähigkeit eingetreten ist, sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nicht mehr erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar gewesen.

Die Rechtslage beurteilt sich gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI noch nach den Vorschriften des SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung, da ein Leistungsbeginn vor dem 01.01.2001 im Streit steht.

Die Klägerin ist vor September 1998 nicht berufsunfähig gewesen. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI sind nämlich nur solche Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen auf weniger als die Hälfte derjenigen von gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfaßt hierbei alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4). Die hier genannten Tatbestandsmerkmale der Berufsunfähigkeit haben bei der Klägerin nicht vor September 1998 nicht vorgelegen.

Das nach Satz 1 dieser Vorschrift zunächst festzustellende berufliche Leistungsvermögen der Klägerin ist auch vor September 1998 bereits eingeschränkt gewesen. Sie hat aber bei Berücksichtigung der damals vorliegenden Gesundheitsstörungen (rezidivierende Entzündungen der Bauchspeicheldrüse nach Gallensteinoperation; traumatische Erblindung des rechten Auges bei normalem Sehvermögen links; Neigung zu depressiven Verstimmungen; Gesichtsnervenlähmung links) unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses (insbesondere ohne zusätzliche Pausen) leichte Arbeiten im Sitzen ohne nervliche Belastung und ohne Kraftaufwand noch vollschichtig verrichten können. Bis September 1998 ist die Klägerin auch noch in der Lage gewesen, sich auf leichte Anlerntätigkeiten umzustellen. Beschränkungen des Anmarschweges zur Arbeitsstätte haben nicht vorgelegen.

Dieses vor September 1998 bestehende berufliche Leistungsvermögen der Klägerin ergibt sich vor allem aus dem vom SG eingeholten Gutachten des Internisten und Radiologen Dr.R ... Der Senat schließt sich den Aussagen dieses schlüssigen und überzeugenden Gutachtens an. Die Einwände der Klägerin sind unbegründet. Aus der Tatsache, daß die Klägerin wegen der bekannten Gesundheitsstörungen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder einmal vorübergehend behandlungsbedürftig gewesen ist, ist keine stärkere Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens zu folgern, als es Dr.R ... festgestellt hat. Entscheidend sind die Befunde aus der Zeit ab 1995, die hinreichende Aussagekraft haben, um das Leistungsvermögen im streitigen Zeitraum zu beurteilen.

Aus den Feststellungen zum beruflichen Leistungsvermögen (vgl. oben) folgt, daß die Erwerbsfähigkeit der Klägerin vor September 1998 noch nicht auf weniger als die Hälfte derjenigen vergleichbarer gesunder Versicherter gesunken war. Die Klägerin ist nämlich als ungelernte Arbeiterin zu beurteilen; sie ist damit auf alle ihr physisch und psychisch noch möglichen Berufstätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts verweisbar gewesen. Die Eigenschaft als Ungelernte ergibt sich schon daraus, daß die Klägerin wegen des Ausscheidens aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung vor Erreichen des 60. Pflichtbeitrags keinen Berufsschutz hat erwerben können (vgl. hierzu KassKomm-Niesel § 43 SGB VI Rdnr. 28 ff. mit weiteren Nachweisen). Der Benennung eines konkreten Verweisungsberufs, der für die Klägerin in Frage gekommen wäre, bedarf es grundsätzlich nicht. Auch hat bei der Klägerin weder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen noch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorgelegen, die ausnahmsweise die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit auch bei einer ungelernten Versicherten erforderlich machen würde. Dennoch seien leichte Verpackungs-, Sortier- oder Etikettierarbeiten angeführt. Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (nur dieser ist maßgebend) tatsächlich hätte vermittelt werden können, ist rechtlich unerheblich, da bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten der Arbeitsmarkt als offen anzusehen ist und das Risiko der Arbeitsvermittlung von der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung zu tragen ist; dementsprechend bestimmt § 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI, daß nicht berufsunfähig ist, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, und daß hierbei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist (vgl. zum Vorstehenden zusammenfassend den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19.12.1996 GS 2/95 = SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8).

Die Klägerin, die vor September 1998 schon deshalb keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit hat, weil sie in einem anderen als dem bisherigen Beruf noch vollschichtig hat arbeiten können, hat erst recht keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 Abs. 1 SGB VI gehabt, weil sie die noch strengeren Voraussetzungen des Begriffs der Erwerbsunfähigkeit im Sinne des zweiten Absatzes dieser Vorschrift nicht erfüllt hat. Nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind solche Versicherte nicht erwerbsunfähig, die - wie die Klägerin - eine Tätigkeit vollschichtig ausüben können; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Im September 1998 ist bei der Klägerin wegen des damals festgestellten Bluthochdrucks mit Linksherzbelastung Erwerbsunfähigkeit eingetreten, da sie seitdem auch leichte Arbeiten mit den oben näher dargelegten qualitativen Einschränkungen nur noch halbschichtig verrichten kann. Dennoch hat die Klägerin keinen Rentenanspruch, weil die hierfür notwendigen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. insbesondere das ausführlich begründete Urteil vom 11.05.2000 - B 13 RJ 85/98 R) in diesem Zeitpunkt weder erfüllt noch nachträglich erfüllbar sind.

Versicherte haben nämlich gemäß den §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI nur dann Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, wenn sie (u.a.) in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben. Diese Voraussetzung ist bei der Klägerin nicht gegeben, da sie in dem entsprechenden Zeitraum vom September 1993 bis August 1998 nur 18 Beitragsmonate aufzuweisen hat.

Eine Verlängerung des Fünf-Jahres-Zeitraums gemäß den §§ 43 Abs. 3, 44 Abs. 4 SGB VI ergibt sich nicht. Von den hier genannten Tatbeständen ist allenfalls die Zeit einer Krankheit näher zu prüfen. Eine Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, die vor dem 31.12.1983 begonnen und bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit angedauert hätte (vgl. hierzu BSG SozR 3- 2200 § 1259 RVO Nr. 12) liegt aber bei der Klägerin zweifelsfrei nicht vor, wie sich aus ihrer tatsächlich geleisteten schweren Berufstätigkeit als Landwirtin ergibt, aber auch aus der Tatsache, daß die Klägerin, die ihre sämtlichen Behandlungen 1975 bis 1977 und ab 1986 akribisch auflistet, für den Zeitraum zwischen 1978 und 1985 keine Krankheitszeiten angibt. Im übrigen wäre das Vorliegen einer an die Berufstätigkeit in Deutschland anschließende Arbeitsunfähigkeit schon aus dem Grund nicht mehr feststellbar, weil der genaue Inhalt des Arbeitsverhältnisses, nach dem sich die Frage der Arbeitsunfähigkeit bemißt, wegen Unerreichbarkeit des früheren Arbeitgebers nicht mehr ermittelt werden kann. Es ist nämlich allgemein bekannt und daher davon auszugehen, daß ein Unternehmen, das nicht mehr im Telefonbuch auffindbar ist, untergegangen ist.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sind auch nicht nach den §§ 43 Abs. 4, 44 Abs. 4 SGB VI in Verbindung mit § 53 SGB VI erfüllt, weil es keinerlei Hinweise darauf gibt, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Tatbestandes eingetreten wäre, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist (Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, Wehr- oder Zivildienstbeschädigung, Gewahrsam im Sinne des § 1 des Häftlingshilfegesetzes, Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor Ablauf von sechs Jahren nach Beendigung einer Ausbildung).

Der Klägerin hilft auch nicht die Möglichkeit der §§ 241 Abs. 2, 240 Abs. 2 SGB VI, da sie die Zeit ab Januar 1984 nicht lückenlos mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt hat und sie auch nicht mehr mit solchen Zeiten belegen kann; vom 01.01.1984 bis 31.12.1985 besteht nämlich eine nicht mehr schließbare Beitragslücke. Daher ist auch das laufende Renten- und gerichtliche Verfahren (anders als die Klägerin meint) ohne Bedeutung, da dieses aufgrund des Rentenantrags vom 30.3.1995 höchstens für die Zeit ab 01.01.1995 die Auswirkung haben könnte, daß eine Beitragszahlung noch möglich ist; freiwillige Beiträge sind aber wirkungslos, wenn eine frühere Lücke bestehen bleibt (vorliegend die Jahre 1984 Und 1985). Das laufende Verfahren als solches verlängert auch nicht die Fünf-Jahres-Frist.

Wie bereits ausgeführt, wird die Zeit 1984/85 nicht durch eine vor dem 31.12.1983 eingetretene Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit abgedeckt.

Freiwillige Beiträge, die im vorliegenden Fall als weitere Anwartschaftserhaltungszeiten in Betracht kämen, hätten vor dem 01.01.1992 jeweils bis zum 31.12. des Jahres, für das sie hätten gelten sollen, gezahlt werden müssen, bzw. - seit 01.01.1992 - bis zum 31.03. des Folgejahres, vgl. § 1418 Abs. 1 RVO und § 197 Abs. 2 SGB VI, somit die Beiträge für 1984 bis zum 31.12.1984 usw. und die Beiträge für 1995 (sofern überhaupt erforderlich) bis 31.03.1996.

Eine Zulassung der Klägerin zur nachträglichen Beitragszahlung ist nicht möglich, da keiner der denkbaren Ausnahmetatbestände auch nur im entferntesten vorliegt. Die bei der Klägerin ab 1984 möglicherweise vorhandene Unkenntnis über die gesetzlichen Regelungen - insbesondere betreffend die Möglichkeit, durch Entrichtung freiwilliger Beträge die Rentenanwartschaft zu erhalten - kann sich nicht zu ihren Gunsten auswirken (vgl. dazu insbesondere das o.g. BSG-Urteil vom 11.05.2000, Blatt 14 und 15 des Umdrucks).

Eine Berechtigung der Klägerin, freiwillige Beiträge für die nicht belegten Zeiten ab Januar 1984 nachzuzahlen, kann auch nicht über einen sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruch begründet werden, da hierfür wichtigste Voraussetzung ein Kontakt zwischen Versicherungsträger und Versichertem ist, aus dem sich ein für den Versicherungsträger erkennbarer Beratungsbedarf ergibt. Eine solche Gelegenheit, die Versicherte zu beraten, hat sich aber erst anläßlich ihres Rentenantrags ergeben, also 1995 und somit lange nach den entscheidenden Jahren 1984 und 1985.

Auch nach jugoslawischem Recht kann die Klägerin keine freiwilligen Beiträge entrichten, da ein entsprechendes Rechtsinstitut dem jugoslawischen Rentenrecht fremd ist. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Rechtsanwalts P ..., das der Senat in der Berufung L 6 RJ 626/97 eingeholt hat und wonach der Hinzukauf von Versicherungszeiten ab 01.01.1997 in der Bundesrepublik Jugoslawien nicht mehr möglich ist; einen entsprechenden Antrag hat die Klägerin, wie sich aus ihrem jugoslawischen Versicherungsverlauf ergibt (Stand: 09.05.2000), bis zum 31.12.1996 auch nicht gestellt. Im übrigen wären die hinzugekauften Beiträge, die keinen bestimmten Zeiträumen zugeordnet werden, freiwilligen Beiträgen, die ja ganz bestimmte Zeiträume abdecken müssen, nicht gleichzustellen.

Da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Rentenanspruch beim Eintritt der Erwerbsunfähigkeit (schon ab März 1997 und erst recht) im September 1998 nicht mehr vorgelegen haben und auch nicht mehr herstellbar sind, die Klägerin somit keinen Rentenanspruch hat, war die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Landshut vom 09.08.2000 zurückzuweisen. Aus dem am 01.01.2001 (nach dem Beginn der Regelaltersrente der Klägerin) in Kraft getretenen Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827) ergibt sich rückwirkend keine für die Klägerin günstige Änderung.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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