L 6 RJ 647/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 614/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 647/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 RJ 297/02 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. September 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Der am 1947 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er hat keinen Beruf erlernt. Nach einer kurzzeitigen Tätigkeit in der Türkei und Ableistung des Wehrdienstes nahm er am 23.02.1973 eine versicherungspflichtige Beschäftigung in Deutschland als ungelernter Arbeiter in der Textilindustrie auf und war hier bis zur Schließung der Fabrik zum 30.06.1997 bei der D.-Textil GmbH in A. beschäftigt. Seidtem ist er arbeitsunfähig bzw. seit 01.07.1997 arbeitssuchend.

Am 13.01.1999 beantragte er bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im Verwaltungsverfahren wurde er darauf von Dr.B. des Sozialärztlichen Dienstes der LVA Schwaben untersucht. Zu seinem Gutachten vom 24.03.1999 hat der ärztliche Gutachter als Gesundheitsstörungen einen unfallbedingten fortgeschrittenen Kniegelenksaufbrauch links, Neigung zu Rückenschmerzen bei Fehlhaltung der Wirbelsäule, Bluthochdruckleiden mit beginnender Herzmuskelschädigung, wiederkehrende Entzündung der unteren Luftwege und eine nervöse Störung mit Neigung zur körperlicher Symptombildung festgestellt und den Kläger mit Rücksicht darauf zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit mit leichten Arbeiten im Wechselrhythmus oder überwiegend im Sitzen, ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck wie Akkord oder Fließband und ohne häufiges Bücken sowie ohne Bronchialreizstoffe oder Stäube oder besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit in der Lage beurteilt.

Mit Bescheid vom 19.04.1999 lehnte die Beklagte den Rentenantrag daraufhin ab, den Widerspruch wies sie mit Widerspruchs- bescheid vom 23.08.1999 zurück. Angesichts des verbliebenen Leistungsvermögens sei der Kläger weder berufs- noch erwerbs- unfähig im Sinne der §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und habe keinen Rechtenanspruch.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie eine Arbeitgeberauskunft der D. GmbH vom 09.03. 2000 eingeholt, wonach der Kläger zunächst als Spuler, später als Klimawärter und Stuhlputzer mit einfach angelernten bzw. ungelernten Arbeiten beschäftigt gewesen war.

Das Sozialgericht hat zum Leistungsvermögen des Klägers Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet durch Dr.L. sowie auf allgemeinärztlichem Fachgebiet durch Dr.R. und internistisch-pneumologisch durch Dr.H. (mit einer weiteren ergänzenden Stellungnahme) eingeholt.

In seinem orthopädischen Gutachten vom 18.07.2000 hat Dr.L. als Gesundheitsstörungen eine Minderbelastbarkeit des linken Beines bei Kniegelenksschaden links sowie Neigung zu Rückenschmerzen bei Verschleißerscheinungen der unteren Lendenwirbelsäule und Fehlhaltung der Wirbelsäule festgestellt. Mit Rücksicht darauf seien dem Kläger noch leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen vollschichtig zumutbar. Zu vermeiden seien schwere oder ständig mittelschwere Arbeiten, solche in Zeitdruck oder Akkord, überwiegend in Zwangshaltungen mit Heben und Tragen schwerer Lasten oder häufigem Treppen- und Leiternsteigen oder Gehen auf unebenem Boden.

Dr.R. stellt in seinem Gutachten vom 17.07.2000 eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung, einen medikamentös gut eingestellten Bluthochdruck, ein depressives Syndrom und eine Minderung des Hörvermögens fest. Dem Kläger sei nur noch eine Tätigkeit von täglich zwei bis unter vier Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zumutbar. Es sei aber eine weitere Abklärung des beruflichen Leistungsvermögens auf lungenärztlichem Fachgebiet erforderlich und danach das berufliche Leistungs- vermögen neu zu bewerten.

Dr.H. hat in seinem darauf am 22.11.2000 erstatteten internistisch-pneumologischen Gutachten als Gesundheitsstörungen eine obstuktive Ventilationsstörung mit möglichem Asthma bronchiale, einen gut eingestellten Bluthochdruck und somatisierte Beschwerden festgestellt. Der Kläger sei dadurch vor allem an Tätigkeiten unter Belastung von Dampf, Staub, Rauch oder anderen Bronchialbelastungen gehindert. Er könne jedoch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten verrichten. Eine zeitliche Einschränkung könne durch die festgestellten Gesundheitsstörungen jedoch begründet werden. In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 07.03.2001 betont der ärztliche Sachverständige, dass anhand der objektiven Untersuchungsergebnisse eine schwerwiegende chronische Atemwegserkrankung mit Einschränkung der respiratorischen Leistungsfähigkeit entgegen der von Dr.R. gestellten Diagnose ausgeschlossen sei.

Auf den Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Dr.A. am 09.07.2001 ein nervenärztliches Gutachten zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers erstattet. Aus nervenärztlicher Sicht hat er eine depressive Anpassungsstörung, eine phobische Störung und eine Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen erhoben. Dementsprechend seien keinerlei Zeitdruckarbeiten, Wechselschicht- oder Nachtschichtarbeiten und keine Arbeiten, die besondere Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit, das Konzentrations- oder Reaktionsvermögen sowie die Umstellungs- und Anpassungsfähigkeit stellten, möglich. Andererseits seien die festgestellten Gesundheitsstörungen nicht so ausgeprägt, dass dem Kläger nicht noch mindestens sechs Stunden täglicher Erwerbstätigkeit zuzumuten seien.

Mit Urteil vom 27. September 2001 hat das Sozialgericht Augsburg die Klage darauf abgewiesen. Der Kläger habe angesichts seines verbliebenen Leistungsvermögens mit der Fähigkeit zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Der Senat hat weitere Fachgutachten auf nervenärztlichem, orthopädischem und innerem Fachgebiet zum beruflichen Leistungsvermögen des Klägers eingeholt.

In seinem nervenärztlichem Gutachten vom 02.05.2002 hat Dr.K. eine mittlerweile remittierte depressive Störung sowie die Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen festgestellt. Es sei dem Kläger dennoch ohne Gefährdung der Restgesundheit einfache Arbeiten im Bereich leichter und mittelschwerer körperlicher Tätigkeiten ohne Akkord oder Schichtarbeit sowie ohne erheblichen Zeitdruck zumutbar.

In seinem orthopädischen Gutachten vom 04.05.2002 hat Dr.F. von Seiten seines Fachgebietes beginnende Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule, eine operativ behandelte Kreuzbandläsion des linken Kniegelenks mit beginnenden degenerativen Veränderungen diagnostiziert. Ein fortgeschrittener Kniegelenksauf- brauch links sei radiologisch nicht festzustellen. Dem Kläger seien unter betriebsüblichen Bedingungen eine vollschichtige Erwerbstätigkeit zumutbar und insbesondere aufgrund der gering ausgeprägten Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule und des linken Kniegelenks keine zeitliche Einschränkung begründbar. Körperlich schwere Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder dauerndes Gehen und Stehen oder in knieender oder hockender Stellung seien zu vermeiden.

Dr.E. kommt in seinem internistischen Gutachten vom 07.06.2002 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein hyperreagibles Bronchialsystem bei Verdacht auf Asthma bronchiale, ein arterieller Bluthochdruck, ein Verdacht auf chronische Hepatitis B sowie ein Verdacht auf Diabetes mellitus und anamnestisch auf Gastroduodenitis sowie eine Prostatahypertrophie und eine leichte Hörminderung beidseis zu erheben seien. Zusammenfassend rechtfertigten die Gesundheitsstörungen weder von internistischem noch orthopädischem noch nervenärztlichem Fachgebiet eine zeitliche Einschränkung der täglichen Erwerbstätigkeit. Dem Kläger seien deshalb noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig zumutbar und Tätigkeiten mit schweren Druck-, Stoß- und Stauchbelastungen der Wirbelsäule oder Tätigkeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten oder auf Treppen, Leitern und Gerüsten und dauerhaft im Stehen oder in knieender und hockender Stellung sowie unter dauerhaftem Einfluss von Nässe, Kälte oder Hitze und vermehrtem Staubanfall zu vermeiden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27. September 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 1999 aufzuheben und Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.02.1999 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, hilfsweise - ab 01.01.2001 - wegen Erwerbsminderung zu leisten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Beigezogen waren Akten der Beklagten und die des Sozialgerichts Augsburg. Auf deren Inhalt sowie auf den der Berufungsakte wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit gemäß §§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - in der bis 31.12.2000 gültigen Fassung - hat. Ebenso wenig besteht ab 01.01.2001 ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gemäß § 43 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000.

Der Senat schließt sich gemäß § 153 Abs.2 des Sozialgerichts- gesetzes (SGG) den Entscheidungsgründen der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts an und sieht deshalb insoweit von einer erneuten Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Das Sozialgericht hat den Rechtsstreit entsprechend dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der geltenden Rechtslage entschieden.

Ergänzend ist dazu lediglich auszuführen, dass die vom Senat eingeholten weiteren Sachverständigengutachten auf orthopädischem, nervenärztlichem und internistischem Fachgebiet, das vom Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigen. Auch die vom Senat bestellten ärztlichen Sachverständigen Dres.K. , F. und E. kommen zu dem Ergebnis, dass die beim Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen weder von ihrer Art noch vom Ausmaß her so schwerwiegend sind, dass sie es dem Kläger unmöglich machen würden, zu den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auszuüben. Es sind lediglich Einschränkungen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen zu begründen, die jedoch nicht geeignet erscheinen, dass dem Kläger eine vollschichtige Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts unmöglich gemacht würde.

Der Senat schließt sich deshalb den für ihn überzeugenden Ausführungen der Dres.K. , F. und E. an, die ihm durch ihre langjährige Gutachtertätigkeit als besonders erfahren in der Beurteilung der Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf das berufliche Leistungsvermögen bekannt sind. Der angesichts seines beruflichen Werdegangs auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbare Kläger erfüllt deshalb mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen weder die gesetzlichen Voraussetzungen der Berufs- noch der Erwerbsunfähigkeit oder der Erwerbsminderung.

Der Kläger hat daher keinen Rentenanspruch.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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