L 5 RJ 707/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 Ar 531/95.A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 707/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 8. November 1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Streit geht um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit des am 1949 geborenen und am 04.01.2000 verstorbenen Versicherten. Die Berufung wird von seiner mit ihm zuletzt in häuslicher Gemeinschaft gelebt habenden Ehefrau fortgeführt.

Der Versicherte hat von 1973 bis 1976 in Deutschland 33 Monate versicherungspflichtig als Hilfsarbeiter in einem Gartenbauunternehmen gearbeitet.

Seinen am 15.02.1990 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.07.1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.1995 ab. Es könnten noch Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig verrichtet werden. Die Feststellungen der Invalidenkommission vom 20.04.1990 hätten sich durch die Gutachten der ärztlichen Gutachterstelle Regensburg vom 06.04. bis 08.04.1992 (Dres.R. , G. , W. und S.) verfestigt, wonach der Versicherte vollschichtig in der bisherigen Tätigkeit bzw. sonstigen Verrichtungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mit der Beachtung bestimmter Einschränkungen beschäftigt werden könne.

Hiergegen hat der Versicherte Klage zum Sozialgericht Landshut (SG) erhoben. In ihren im Auftrag des SG erstellten Gutachten vom 07.11.1996 haben die Ärztin für Sozialmedizin Dr.T. und der Neurologe Dr.Dr.W. einen chronischen Alkoholismus mit entsprechenden Folgeschäden, ein Lungenemphysem bei Bronchitis und eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule durch Abnutzungserscheinungen festgestellt. Dennoch könne der Versicherte noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, ohne Überkopfarbeit, ohne Exposition an gefährdenden Maschinen und nicht auf Leitern und Gerüsten verrichten.

Durch Urteil vom 18.11.1996 hat das SG die Klage abgewiesen. Denn der Versicherte könne noch vollschichtig leichte Tätigkeiten entsprechend den Feststellungen der Sachverständigen verrichten.

Hiergegen hat der Versicherte Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er hat dies mit der Übersendung zahlreicher Befunde sowie einer ab 21.10.1996 in Jugoslawien erfolgten Rentengewährung begründet.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Nervenarztes Dr.L. durch die Beklagte (vom 20.04.1999) hat der Senat ein Gutachten nach Aktenlage beim Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr.Ch.V. eingeholt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 08.08.2000 festgestellt, dass ein chronischer Alkoholismus, ein cerebrales Anfallsleiden vom Grand-Mal-Typ, eine alkoholtoxische Polyneuropathie und eine beginnende organische Persönlichkeitsstörung vorliegen. Es ließe sich nicht feststellen, ob gegenüber dem letzten Gutachten von Dr.Dr.W. eine Änderung eingetreten sei. Dennoch könne der Versicherte noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im körperlichen Wechselrhythmus im Freien und in geschlossenen Räumen verrichten.

Zwei von der Klägerin daraufhin übersandte Arztberichte (Entlassungsbericht bei der Poliklinik vom 22.05.2001 und eines Krankenhauses vom 30.04.1999) sind vom Beratungsarzt der Beklagten Dr.L. gewürdigt worden (Stellungnahme vom 31.07. 2001). Es sei nichts Neues, dass der Versicherte alkoholabhängig gewesen und unter cerebralen Krampfanfällen gelitten habe. Die stationäre Behandlung 1999 habe offensichtlich zu einer Besserung des psychischen Zustands geführt.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 08.11.1996 sowie des Bescheides vom 25.07.1990 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.03.1995 zu verurteilen, ihr als Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Versicherten J. I. eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab dem 01.03.1990 bis zum 31.01.2000 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 08.11.1996 zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten erster und zweiter Instanz sowie der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die ohne Zulassung (§ 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151, 153 Abs.1, 87 Abs.1 Satz 2 SGG).

In der Sache hat das Rechtsmittel aber keinen Erfolg.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass dem Versicherten weder ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU) noch wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) zustand, wobei für letztere nach dem Wortlaut des Gesetzes noch strengere Voraussetzungen gelten.

Nach §§ 1246, 1247 der Reichsversicherungsordnung (RVO), welche wegen des am 1990 gestellten Antrags trotz des zum 01.01.1992 die RVO ersetzenden SGB VI anzuwenden ist (§ 300 Abs.2 SGB VI), sind bei erfüllter Wartezeit und versicherungsfallnaher Belegungsdichte (sog. 3/5-Belegung) Ansprüche nur gegeben, wenn Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeit besteht.

Berufsunfähig ist ein Versicherter nach § 1246 Abs.2 RVO und - ohne inhaltliche Änderung - nach § 43 SGB VI, wenn seine Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig oder seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Dabei umfasst der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit des Versicherten hierbei zu beurteilen ist, all jene Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und die ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines Berufes und der besonderen Anforderung an seine Berufstätigkeit zugemutet werden können. Nach § 1247 Abs.2 RVO und - ebenfalls ohne inhaltliche Änderung - nach § 44 SGB VI liegt Erwerbsunfähigkeit vor, wenn der Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

Die nach §§ 1246 Abs.3 und 1247 Abs.3a RVO i.d.F. des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 erforderliche Wartezeit von 60 Monaten erfüllt der Versicherte zwar nicht allein mit innerstaatlichen 33 Monatsbeiträgen, wohl aber durch Zusammenrechnung. Ebenso unstreitig ist der Zeitraum von fünf Jahren vor Antragstellung am 15.02.1990 mit den anrechenbaren bosnischen Pflichtversicherungszeiten über 12 Jahre vom 05.07.1978 bis 18.06.1990 (vgl. Art.25 des deutsch-jugoslawischen Sozialversicherungsabkommens vom 12.10.1968, das in bilateraler Weise im Verhältnis zwischen Bosnien und der Bundesrepublik Deutschland weiter gilt) angesichts der übersandten Versicherungsdaten des genannten Versicherungsträgers mit mindestens 36 Kalendermonaten (vgl. § 1246 Abs.2a Nr.1 RVO) belegt.

Der Versicherte war jedoch mit seinem körperlichen und geistigen Leistungsvermögen noch imstande, in zumutbarer Weise einer vollschichtigen Tätigkeit, wenn auch nicht seiner zuletzt ausgeübten, nachzugehen - und damit nicht berufsunfähig im Sinne des § 1246 Abs. 2 RVO, da er wegen der Qualität der in Deutschland verrichteten Tätigkeiten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar war. Soweit der Sachverhalt dazu und in medizinischer Hinsicht nicht mehr weiter aufgeklärt werden konnte, geht das zu Lasten der Klägerin. In der Regel muss das Gericht nach § 103 SGG den Sachverhalt von Amts wegen erforschen und zu dessen Feststellung Beweis erheben. Aus den vorliegenden Befunden lässt sich nach Dres.L. und Dr.V. nicht ersehen, dass eine Änderung eingetreten oder ein weiterer gravierender Befund hinzugetreten war. Damit kann nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (BSGE 7, 106, 19, 53;) von einer Erwerbsminderung unter 8 bzw. 6 Stunden ausgegangen werden. Diesen Nachteil, dass der Sachverhalt im unklaren bleibt, trifft nach dem Grundsatz der objektive Beweislast die Klägerin als diejenige, die sich eines Rentenanspruchs berühmt (Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 103, RdNr.19a). Wie in allen Rechtszweigen gilt auch im Sozialgerichtsverfahren der Grundsatz, dass jeder die objektive Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Das hat zur Folge, dass die objektive Beweislast im Sozialgerichtsprozess in der Regel den Kläger trifft. In ihren Gutachten haben Dr.T. und Dr.Dr.W. nach einer persönlichen U. des Versicherten vom 07.11.1996 festgestellt, dass er noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen, ohne Überkopfarbeit, nicht an gefährdenden Maschinen, nicht auf Leitern und Gerüsten und ohne Zeitdruck hätte verrichten können. Der Sachverständige Dr.V. gelangte trotz Würdigung der zahlreichen vom Versicherten übersandten Befunde (u.a. der Poliklinik Ljubuski vom 24.11.1998 ) und in Kenntnis der bosnischen Rentengewährung ab 21.10.1996 zu keiner anderen Feststellung. Die Bescheinigung vom 22.05.2001 der Poliklinik Ljubljuski und der Entlassungsschein aus dem Krankenhaus vom 30.04.1999 sind von Dr.L. in der Stellungnahme vom 31.07.2001 zutreffend und ausführlich beurteilt worden. Danach ist es bekannt, dass der Versicherte alkoholabhängig gewesen war und unter cerebralen Krampfanfällen gelitten hatte. Die stationäre Behandlung 1999 hat aber offenbar zu einer Besserung des psychischen Zustands geführt. Aus diesen Berichten lässt sich insgesamt kein Befund entnehmen, der eine Minderung der zeitlichen Leistungsfähigkeit bedingte.

Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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