L 5 RJ 86/01 WA

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 Ar 574/94 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 86/01 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Wiederaufnahmeklage des Klägers vom 24. Januar 2001 gegen das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 25. Januar 2000 (L 5 RJ 261/96) wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines Berufungsverfahrens, in dem es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ging.

Der am 1940 geborene und in Kroatien lebende Kläger hat vom 15.02.1971 bis 31.08.1982 in der Bundesrepublik Deutschland gearbeit und Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet. Sein Rentenantrag vom 29.07.1992 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 15.07.1993/Widerspruchsbescheid vom 18.03. 1994 abgelehnt. Die dagegen gerichtete Klage wies das Sozialgericht Landshut nach Einholung eines neurologisch-psychiatrischen und eines sozialmedizinischen Gutachtens mit Gerichtsbescheid vom 29.02.1996 ab, weil der Kläger als angelernter Arbeiter mit einer Anlerndauer von sechs Monaten auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei und hier nach dem Ergebnis der gerichtsärztlichen Begutachtung noch vollschichtig arbeiten könne.

Im anschließenden Berufungsverfahren (L 5 RJ 261/96) wies der Kläger unter anderem darauf hin, dass er in Kroatien bereits eine Rente beziehe. Nach dem Sozialversicherungsabkommen stehe ihm deshalb auch eine deutsche Rente zu. Der Senat hat den Kläger vom 27.07. bis 30.07.1999 im Krankenhaus München-Harlaching auf neurologischem, orthopädischem und internistischem Fachgebiet untersuchen lassen. Zusammenfassend kamen die Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass er noch vollschichtig leichte und zum Teil auch mittelschwere Arbeiten verrichten könne, wobei Nässe, Kälte, Hitze, Temperaturschwankungen, Lärm, physikalische und chemische Einwirkungen zu vermeiden seien. Der gelegentliche Wechsel der Arbeitsposition in Gehen, Stehen und Sitzen sei geboten. Häufiges Heben und Tragen von Lasten, das Hocken und Knien sowie Bücken sei zu vermeiden. Arbeiten in Zwangshaltung und mit hoher Stressbelastung könnten nicht verlangt werden. Der Senat hat daraufhin bei der Klägerbevollmächtigten angefragt, ob die Berufung aufrecht erhalten werde; eine Antwort ging nicht ein.

Zur Sitzung am 25.01.2000. wurde die Bevollmächtigte des Klägers geladen; sie hat die Ladung ausweislich des Rückscheins am 04.01.2000 erhalten. Ein Tag vor der Sitzung, am 24.01.2000, ging ein Fax der Klägerbevollmächtigten vom gleichen Tag ein mit der Bitte, die Verhandlung am 25.01.2000 ohne ihre Anwesenheit durchzuführen. Auf dem Fax war eine neue Kanzleianschrift angegeben.

Der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 25.01.2000 zurück- gewiesen, wobei er davon ausging, dass der Kläger als sogenannter unterer Angelernter auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei, wo er mit gewissen Einschränkungen noch vollschichtig arbeiten könne.

Das Urteil wurde am 28.03.2000 zur Post gegeben, gerichtet an die Bevollmächtigte des Klägers. Am 10.04.2000 kam es zurück mit dem Vermerk "Empfänger existiert nicht mehr". Daraufhin erfolgte eine Zustellung an den Kläger persönlich, die von einem Familienangehörigen am 02.05.2000 bestätigt wurde.

Am 27.07.2000 erschien die Klägerbevollmächtigte bei der Beklagten und gab an, weder die Ladung zur Verhandlung am 25.01.2000 noch das Urteil "vom 27.03.2000" erhalten zu haben. Daraufhin wurde ihr das erste Blatt des Urteils ausgehändigt.

Am 24.01.2001 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Landessozialgericht. Zur Begründung gab sie an, der Versicherte habe auf Anfrage des Senats mitgeteilt, dass er nur mit einer Begleitperson zur Untersuchung erscheinen könne. Da keine weitere Mitteilung ergangen sei, sei eine Anreise zur Untersuchung nicht erfolgt. Vielmehr sei das Urteil ohne weitere Untersuchung ergangen. Sie legte eine Reihe von ärztlichen Unterlagen vor, die jedoch bereits Gegenstand des Verfahrens waren, sowie ein Schreiben vom 07.12.1999, mit dem in Erwiderung der Anfrage des Senats vom 23.11.1999 (betr. die Zurücknahme der Berufung nach Untersuchung in Harlaching) mitgeteilt wird, dass es beim Klageantrag verbleibe (ein derartiges Schreiben war beim Landessozialgericht nicht eingegangen).

Der Kläger beantragte sinngemäß, das Verfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht wiederaufzunehmen und die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts vom 25.01.2000 sowie des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Landshut vom 29.02.1996 und des Bescheides der Beklagten vom 15.07.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1994 zu verurteilen, ihm Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Wiederaufnahmeklage des Klägers gegen das Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 25.01.2000 (L 5 RJ 261/96) abzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten der Beklagten sowie des SG Landshut.

Entscheidungsgründe:

Die Wiederaufnahmeklage ist unstatthaft, unzulässig und unbegründet.

Nach § 179 Abs.1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des 4. Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wiederaufgenommen werden. Die Wiederaufnahme kann gemäß § 578 Abs.1 ZPO durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen. Zuständig für die Entscheidung über die Klage ist das Landessozialgericht, da dieses durch Urteil vom 25.01.2000 entschieden hat (§ 179 Abs.1 SGG i.V.m. § 584 Abs.1 ZPO). Nach § 179 Abs.1 SGG und § 578 Abs.1 ZPO ist Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens, dass es durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossen wurde. Schon daran fehlt es im vorliegendem Fall. Das die Berufung des Klägers zurückweisende Urteil des Senats vom 25.01.2000 wurde am 28.03.2000 an die bei Einlegung des Rechtsmittels bekannte Adresse der Bevollmächtigten des Klägers geschickt, kam aber als unzustellbar zurück mit dem Vermerk "Empfänger existiert nicht mehr". Tatsächlich hatte die Klägerbevollmächtigte zu dieser Zeit ihre Kanzlei bereits nach K. verlegt und dies dem Gericht auch mit Fax vom 24.01.2000 mitgeteilt. Die Zustellung erfolgte daraufhin am 02.05.2000 an den Kläger persönlich, das Schriftstück wurde offenbar von einem Familienangehörigen angenommen, wie sich aus dem Rückschein ergibt. Diese Zustellung widerspricht § 73 Abs.3 Satz 1 SGG, wonach Mitteilungen des Gerichts an den Bevollmächtigten zu richten sind, wenn ein solcher bestellt ist. Zwar hatte die Bevollmächtigte des Klägers im Berufungsverfahren keine neue Vollmacht vorgelegt, doch erstreckt sich die im SG-Verfahren erteilte Vollmacht ausdrücklich auch auf die Einlegung von Rechtsmitteln (Bl.110, 111, 116, 117 SG-Akte). Die Zustellung vom 02.05.2000 war deshalb wirkungslos (Meyer-Ladewig, SGG, § 73 Rdnr.16a). Auch die Aushändigung einer Kopie von Blatt 1 des Urteils durch die Beklagte am 27.07.2000 stellt keine wirksame Zustellung des Urteils dar. Damit ist das Urteil des Senats vom 25.01.2000 bisher nicht (wirksam) zugestellt, so dass auch die Rechtsmittelfrist nicht zu laufen begonnen hat. Das Urteil ist demnach nicht rechtskräftig, eine dagegen gerichtete Wiederaufnahmeklage nicht statthaft. Nach der noch zu erfolgenden ordnungsgemäßen Zustellung des Urteils an die Klägerbevollmächtigte hat diese die Möglichkeit, durch einen dort zugelassenen Anwalt Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht einzulegen, insoweit wird auf die Rechtsmittelbelehrung verwiesen.

Im Übrigen wäre, wenn man von einer Statthaftigkeit des Wiederaufnahmeverfahrens ausginge, die dafür gesetzte Frist nicht gewahrt. Die Bevollmächtigte des Klägers hat am 27.07.2000 spätestens von dem Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 25.01.2000 und dessen Ergebnis Kenntnis erlangt. Sie hätte deshalb binnen eines Monats danach die Wiederaufnahme des Verfahrens betreiben müssen (§ 586 Abs.1, Abs.2 Satz 1 ZPO).

Schließlich erweist sich die Wiederaufnahmeklage auch inhaltlich als unbegründet, weil weder die Voraussetzungen für eine Nichtigkeitsklage (§ 579 ZPO) noch für eine Restitutionsklage (§ 580 ZPO) vorliegen. Selbst wenn man der Meinung ist, dass eine Nichtigkeitsklage auch bei Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör möglich ist (umstritten, vgl. Meyer-Ladewig, ZPO, § 580 Rdnr.2), sind die von der Klägerseite vorgetragenen Argumente zum Teil offenkundig falsch, auf jeden Fall aber nicht geeignet, eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darzutun. Ganz offenkundig trifft es nicht zu, dass die Klägerbevollmächtigte, wie sie bei der Beklagten am 27.07.2000 behauptet hat, die Vorladung zur Verhandlung am 25.01.2000 nicht erhalten hat. Vielmehr wurde auf dem Rückschein der Erhalt ausdrücklich bestätigt. Außerdem hat die Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 24.01.2000 (Fax) ausdrücklich darum gebeten, die um 10.00 Uhr angesetzte Verhandlung ohne ihre Anwesenheit durchzuführen (Bl.193, 229 LSG-Akte). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs scheidet damit aus. Dass sie den Termin dem Kläger offenbar nicht mitgeteilt hat (dieser hat sich mit Schreiben vom 31.01.2000 nach dem Sachstand erkundigt - Bl.206 LSG-Akte), ändert daran nichts. Falsch ist ferner, wenn die Klägerbevollmächtigte behauptet, der Kläger sei nicht untersucht worden. Vielmehr wurde er vom 27. bis 30.07.1999 im Krankenhaus München-Harlaching auf neurologischem, orthopädischem und internistischem Fachgebiet umfassend untersucht. Die Rüge, das Landessozialgericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, ist damit unberechtigt. Zudem wäre dies kein Wiederaufnahmegrund.

Nach allem war die Wiederaufnahmeklage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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