L 14 RJ 92/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 RJ 7/98 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 92/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19. September 2001 abgeändert und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 31. Juli 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. November 1997 in vollem Umfang abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aufgrund eines Rentenantrags vom April 1995.

Der 1940 geborene Kläger, ein Mazedonier mit Wohnsitz in sei- ner Heimat, ohne erlernten Beruf, war in der Bundesrepublik Deutschland von Mai 1969 bis Dezember 1976 insgesamt 50 Kalendermonate versicherungspflichtig tätig. In seiner Heimat hat er von Dezember 1958 bis April 1992 mit Unterbrechungen insgesamt fast 15 Jahre an Versicherungszeiten zurückgelegt.

Sein erster Rentenantrag vom November 1991 blieb nach einer Untersuchung in der Gutachterstelle Regensburg (vom 02. bis 04.11.1992) erfolglos, da festgestellt wurde, dass er noch vollschichtig leichte Arbeiten verrichten könne. Dem Ablehnungsbescheid vom 28.11.1992 waren nach den Unterlagen in der Rentenakte zwei Merkblätter beigegeben, auf die wegen der Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Bescheidtext verwiesen wurde.

In seiner Heimat bezieht der Kläger seit April 1992 Invalidenrente; dies bestätigte er auch im Verlauf der ärztlichen Untersuchung in Regensburg.

Am 11.04.1995 beantragte der Kläger erneut Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Die Beklagte veranlasste wiederum eine Untersuchung in Regensburg vom 30.06. bis 02.07.1997, anlässlich der der Internist Dr.S. unter Berücksichtigung zahlreicher Zusatzbefunde eine chronische Bronchitis, einen Zustand nach Lungentuberkulose 1990 ohne Hinweis auf Reaktivierung, wirbelsäulenabhängige Beschwerden bei Aufbrauchserscheinungen, Gelenkbeschwerden ohne wesentliche Funktionsminderung sowie einen rechtsseitigen Leistenbruch diagnostizierte. Trotz dieser Gesundheitsstörungen sei der Kläger noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Arbeiten ohne Einwirkung reizender Gase, ohne vermehrte Staubeinwirkung und ohne häufiges Bücken vollschichtig zu verrichten. Unter Übernahme der Diagnose und Leistungsbeurteilung erließ die Beklagte den Ablehnungsbescheid vom 31.07.1997 und verwies in den Hinweisen zu den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen auf das beigegebene Merkblatt 6.

Der Widerspruch blieb erfolglos. Im zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 13.11.1997 gab die Widerspruchsstelle den zusätzlichen Hinweis, dass schon im Zeitpunkt der Rentenantragstellung die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt gewesen seien.

Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Rentenbegehren weiter.

Das Sozialgericht veranlasste Begutachtungen auf internistischem, orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet. Im Termin vom 28.03.2001 anerkannte der Vertreter der Beklag- ten nach dem Beweisergebnis den Eintritt des Leistungsfalles der Erwerbsunfähigkeit im Januar 2000. Rentenleistungen seien gleichwohl nicht zu gewähren, da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Dem Gericht gegenüber erklärte der Kläger: "Wenn ich bei Erhalt des Ablehnungsbescheides vom 26.11.1992 gewusst hätte, dass nunmehr freiwillige Beiträge für die Zeit ab Mai 1992 entrichtet hätten werden müssen, so hätte ich dies auch getan, um die Anwartschaft aufrecht zu erhalten. Ich hatte seinerzeit noch Ersparnisse, die ausgereicht hätten, um die erforderlichen Beiträge von Mai 1992 bis Dezember 1994 in Höhe von monatlich etwa DM 110,00 zu zahlen. Den Bescheid vom 26.11.1992 einschließlich sämtlicher Anlagen werde ich dem Gericht schnellstmöglich in Kopie zusenden."

Unter Vertagung des Termins gab das Sozialgericht der Beklagten auf, eine Kopie des Merkblattes 6 in der Fassung des ersten Rentenbescheides vom November 1992 vorzulegen, dem die Beklagte auch nachkam.

Nachdem der Kläger mitgeteilt hatte, über keine Nachweise mehr bezüglich des Bescheides vom 26.11.1992 zu verfügen, verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der Bescheide der Jahre 1997 mit Urteil vom 19.09.2001 unter Abweisung der Klage im Übrigen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01.02.2000 zu zahlen. In den Gründen führte es im Wesentlichen aus: Die Kammer halte die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach §§ 241 Abs.2 a.F., 300 Abs.2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches für erfüllt. Über das Erfordernis, für die Zeit ab Mai 1992 zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft freiwillige Beiträge zu entrichten, sei der Kläger von der Beklagten nicht ausreichend in Kenntnis gesetzt worden. Die Information, die die Beklagte anlässlich der Ablehnung durch das dem Bescheid vom 26.11.1992 beigefügte Merkblatt 6 dem Kläger habe zukommen lassen, vermöge dem Erfordernis einer Beratung im Sinne des § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) schon deshalb nicht zu genügen, weil dort u.a. Rentenbezugszeiten als für die Anwartschaft erheblich dargestellt würden ohne einen Hinweis an einen ausländischen Adressaten, dass dies für eine in der Heimat bezogene Rente gerade nicht gelte. Der Kläger, der seit dem Ende der mazedonischen Beitragszeiten im April 1992 eine solche Leistung beziehe, habe somit ohne Weiteres zu dem Eindruck gelangen können, dass für die Aufrechterhaltung seiner Rentenanwartschaft keine Veranlassungen mehr zu treffen gewesen wären. Somit sei der Kläger zur Nachentrichtung der fehlenden freiwilligen Beiträge berechtigt und ihm stehe ein entsprechender Rentenanspruch wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem Monat nach dem Versicherungsfall zu.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung rügt die Beklagte, mit dem Merkblatt 6 ausreichend beraten zu haben. Dies sei schon durch das Bayer. Landessozialgericht - L 6 RJ 584/00, Urteil vom 27.07.2001 - bestätigt worden, wenn mit dem Merkblatt der Beratungsbedarf erkennbar gewesen sei. Im Besonderen sei vom Sozialgericht die Kausalität eines unterstellten Beratungsfehlers ungeprüft geblieben. Entscheidend sei hierfür, ob der Kläger willens und in der Lage gewesen sei, freiwillige Beiträge zu entrichten. Hierfür seien mehrere Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen sei der Kläger zum Zeitpunkt der Ablehnung des Rentenantrags erst 52 Jahre alt gewesen, und es sei für ihn nicht abzusehen gewesen, wann in der Zukunft der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit eintreten würde. Zum anderen habe er laut eigenen Angaben in dieser Zeit eine monatliche Rente in Höhe von etwa 130,00 DM bezogen, dies sei nur unwesentlich mehr als die monatlich zu entrichtende Beitragszahlung. Zudem wäre es wirtschaftlich wenig sinnvoll gewesen, diese Beiträge zu entrichten, um einen Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten für eine Rente, die nur aus 50 Monaten Pflichtbeitragszeiten zu berechnen sei. Es sei damit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen, dass der Kläger tatsächlich bereit gewesen wäre, die erforderlichen freiwilligen Beiträge zu entrichten.

Mit einstweiliger Anordnung vom 11.04.2002 setzte der Vorsitzende des Senats die Vollstreckung aus dem Urteil aus.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 19.09.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), die Berufung zurückzuweisen. Er trägt lediglich vor, angesichts seiner Krankheit zu keiner Arbeit mehr fähig zu sein.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Rentenakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird wegen der Einzelheiten hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und sachlich auch begründet. Das Ersturteil kann im Ergebnis keinen Bestand haben.

Zwar erfüllt der Kläger die Mindestwartezeit von 60 Kalendermonaten für einen Rentenanspruch. Sein Begehren scheitert aber an den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz hat der deutsche Rentengesetzgeber die Gewährung medizinischer Berentung (Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit) ab 01.01.1984 verschärft. Dem lag die Überlegung zugrunde, dass derartige Renten nur mehr gewährt werden sollen, wenn Versicherte zeitnah aus dem Erwerbsleben wegen Krankheit oder anderer Gebrechen ausscheiden. Insoweit hat der Gesetzgeber einen zeitlichen Rahmen vorgegeben, als derartige Rentenleistungen nur mehr derjenige Versicherte erhalten darf, der innerhalb der letzten fünf Jahre vor Eintritt des Leistungsfalles (also des Versicherungsfalles der Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit) mindestens drei Jahre lang versicherungspflichtig gearbeitet und somit mindestens 36 Monate lang Pflichtbeiträge in der Rentenversicherung entrichtet hat. Diese Gesetzesänderung ist vom höchsten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht, für verfassungskonform erklärt worden mit der Maßgabe, dass ab 01.01.1984 die Rentenanwartschaft auch mit freiwilligen Beiträgen ohne jede Unterbrechung aufrecht erhalten werden kann. Diese gesetzlichen Anforderungen gelten für jeden Versicherten, gleich, ob es sich um einen deutschen Staatsangehörigen handelt oder um einen Ausländer, der in der Bundesrepublik Deutschland Rentenversicherungszeiten zurückgelegt hat.

Mit der Beklagten und dem Sozialgericht geht auch der Senat davon aus, dass beim Kläger der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit erst im Januar 2000 eingetreten ist. Dies ergibt sich einerseits aus dem gründlichen Untersuchungsergebnis durch die Beklagte im Sommer 1997, als beim ungelernten Kläger noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Arbeiten mit gewissen sachlichen Einschränkungen bestand. Es ergibt sich im Besonderen aus der umfassenden Begutachtung im sozialgerichtlichen Verfahren in der Zusammenschau von internistischen, orthopädischen und nervenärztlichen Gesundheitsstörungen, mit der auch für den Senat überzeugend herausgearbeitet ist, dass eine erhebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes und damit der Versicherungsfall erst im Januar 2000 eingetreten ist. Mit der Entrichtung des letzten Pflichtbeitrages durch den Kläger im April 1992 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen damit bei weitem nicht erfüllt. Auch mit der theoretischen Möglichkeit für den Kläger, ab Rentenantrag (April 1995) freiwillige Beiträge zu entrichten, kann die mehr als zweijährige Lücke im Versicherungsverlauf zwischen April 1992 und April 1995 nicht mehr geschlossen werden. Es sei denn, dem Kläger käme wegen eines Beratungsfehlers der Beklagten das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches zugute.

Nach der Rechtsauffassung des Senats steht dem Kläger aber nicht der vom Sozialgericht unterstellte sozialrechtliche Herstellungsanspruch zu.

Zwar stimmt der Senat dem Sozialgericht insoweit zu, als der Beklagten mit der Verbescheidung vom 26.11.1992 ein eklatanter Beratungsfehler unterlief. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der 6. Senat des Bayer. Landessozialgerichts das damals verwendete Merkblatt 6 pauschal für ausreichend hielt, weil es jedenfalls einen Beratungsbedarf erkennen lasse. Entscheidend ist für den erkennenden Senat die Einzelfall-Situation des Klägers. Denn im Gegensatz zum Kläger wusste die Beklagte um die mit In-Kraft-Treten des SGB VI ab 01.01.1992 getroffene Neuordnung des Rentenrechts in seinen Einzelheiten und Auswirkungen. Der Beklagten war darüber hinaus bekannt, dass der Kläger seit April 1992 Invalidenrente in seiner Heimat bezieht, denn dies hat er anlässlich der Untersuchung in der Gutachterstelle Regensburg Anfang November 1992 ausdrücklich angegeben. Der Gutachtensteil ist Bestandteil der Rentenakte. Zum Zeitpunkt der Verbescheidung vom 28.11.1992 ergab sich damit nach der Rechtsauffassung des Senats ein außergewöhnlicher Beratungsbedarf: Einerseits war für die Beklagte offenkundig, dass der Kläger mit seinem Bezug der Invalidenrente in der Heimat eine Rentenanwartschaft nicht aufrecht erhalten konnte, weil nach der bilateralen Vertragslage über Soziale Sicherheit mit Mazedonien der dortige Bezug von Invalidenrente nicht dem Bezug einer deutschen Rente gleichgestellt war und ist. Andererseits musste die Beklagte erkennen, dass dem Kläger nach deutschem Recht nur ein denkbar knapper Zeitraum unter Berücksichtigung der postalischen Laufzeiten zur Verfügung stand, bis Ablauf März 1993 freiwillige Beiträge für die offenen Monate des Jahres 1992 zu entrichten bzw. seine Bereitschaft hierzu zu erklären. Bei dieser konkreten Fallgestaltung durfte es die Beklagte nicht bei der Übersendung des vordergründig auf die deutschen Versicherten ausgerichteten Merkblattes 6 bewenden lassen, zumal der Hinweis für die ausländischen Versicherten auf der Rückseite dieses Merkblattes keinerlei Information und Aussage trifft. Dabei stellt der Senat - im Gegensatz zum Sozialgericht - nicht darauf ab, der Kläger habe durch den Hinweis auf den Bezug einer deutschen Rente eine Gleichstellung mit seinem Invalidenrentenbezug in der Heimat unterstellen dürfen. Vielmehr ist der Kläger in dieser Situation wie ein deutscher Versicherter zu behandeln mit der Konsequenz, dass die Beklagte eine genaue und umfassende Darstellung der Rechtssituation hätte geben müssen mit dem deutlichen Hinweis auf die Eilbedürftigkeit der Entscheidung und des Handelns bis hin zur Einräumung einer angemessenen konkreten Frist, bis zu der sich der Kläger hätte erklären müssen. All dies ist jedoch seitens der Beklagten unterblieben.

Der dargestellte grobe Beratungsfehler durch die Beklagte führt jedoch nicht ohne Weiteres zur Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches für den Kläger. Zu Recht macht die Beklagte mit dem Rechtsmittel geltend, dass es das Sozialgericht unterlassen hat, in eine konkrete Prüfung der Kausalität dieser Fehlberatung bezogen auf die unterbliebene Beitragsentrichtung einzutreten. Inwieweit das Sozialgericht überhaupt Überlegungen angestellt hat, ist insoweit den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen. Lediglich in der Sitzungsniederschrift hat es als Erklärung des Klägers festgehalten, er hätte freiwillige Beiträge ab Mai 1992 zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft entrichtet: "Ich hatte seinerzeit noch Ersparnisse, die ausgereicht hätten, um die erforderlichen Beiträge von Mai 1992 bis Dezember 1994 in Höhe von monatlich etwa DM 110,00 zu zahlen." Davon abgesehen, dass die Sitzungsniederschrift nicht Bestandteil der Entscheidungsgründe eines Urteils wird oder ist, so lassen diese Erklärungen den grundlegend falschen Ansatz eines Versuchs einer Kausalitätsprüfung des Erstrichters erkennen. Abzustellen ist nicht auf die mündliche Verhandlung im sozialgerichtlichen Verfahren und damit gleichsam eine Rückschau der Verhältnisse anzustellen. Allein entscheidend ist die ex-tunc-Betrachtung und die Wertung damaliger Überlegungen zu Beginn des Jahres 1993. Für den damaligen Zeitraum ist zu beurteilen, ob der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Nachentrichtungsmöglichkeit gewählt hätte und hierzu auch in der Lage gewesen wäre. Ausgangspunkt dabei ist die damalige Sicht und Rechtskenntnis des Klägers. Der damals 52-jährige Kläger stand vor der Entscheidung, zunächst für die zurückliegende Zeit einen Teil seiner Ersparnisse zu verwenden und sodann über Jahre hinweg annähernd den Betrag seiner heimatlichen Rente allein für die Aufrechterhaltung der Rentenanwartschaft aufzuwenden bei äußerst fraglicher Rendite. Denn einerseits konnte er aus nur 50 Monaten Pflichtbeiträgen in der Bundesrepublik Deutschland lediglich eine kleine Teilrente erwarten, die zudem durch die Entrichtung von Mindestbeiträgen kontinuierlich leicht abschmolz. Andererseits stand keineswegs fest, wann er den nächsten Rentenantrag stellen würde; denn er konnte davon ausgehen, dass ohne Verschlimmerung der gesundheitlichen Verhältnisse die Beklagte weiterhin Rentenleistungen ablehnen würde. Keinesfalls konnte er mit der Gewissheit rechnen, nur Beiträge bis zum nächsten Rentenantrag tatsächlich entrichten zu müssen. Denn er war ohne jede juristische Kenntnis, dass mit einem neuen Rentenantrag durch das Ingangsetzen von Verfahren eine Unterbrechung der Zahlungspflicht eintritt, die rückwirkend eine Nachzahlung zulässt. Die Kenntnis von einem noch überschaubaren Nachzahlungsrahmen erhielt der Kläger nämlich erst im Verlauf des Sach- und Rechtsgesprächs in der mündlichen Verhandlung, also fast sieben Jahre später. Wie wenig den Kläger die deutsche Teilrente tatsächlich interessierte, zeigt auch der Umstand, dass er entgegen seinem Versprechen in der mündlichen Verhandlung, Bescheid und Merkblatt 6 umgehend vorzulegen, über keinerlei Unterlagen mehr verfügte. Hinzu kommt bereits zur damaligen Zeit die politische Lage auf dem Balkan, die Kriegszustände auch in Mazedonien nicht ausschloss. Bei Betrachtung der gesamten Lebenssituation und insbesondere der finanziellen Lage des Klägers muss bei realistischer Bewertung menschlichen Verhaltens die Sicherung des täglichen Lebens, wenn auch mit bescheidenen Mitteln, uneingeschränkten Vorrang haben. Besteht - wie für den Kläger - die Wahl, eine Rentenanwartschaft einer geringen Rente bei ungewissem Eintritt zu erhalten mit der Konsequenz, die Ersparnisse einzubüßen und auch noch das Existenzminimum zu gefährden oder das bisherige bescheidene Leben ohne zusätzlichen Verzicht fortzuführen, steht der notwendige Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zum zu erwartenden Ertrag. Auch der Senat sieht deshalb in Übereinstimmung mit der Beklagten keinerlei an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger trotz des dringenden Handlungsbedarfs zur damaligen Zeit bereit gewesen wäre, freiwillige Beiträge zu entrichten.

Dem zwischenzeitlich 62-jährigen Kläger bleibt wie einem deutschen Versicherten bei gleicher Rechtslage nur die Möglichkeit, die Voraussetzungen der Regelaltersrente abzuwarten.

Nach all dem liegen die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch im Ergebnis nicht vor. Folglich war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved