L 18 SB 133/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 Vs 55/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SB 133/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 11.09.1997 wird mit der Maßgabe abgeändert, dass der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 30.08.1996 aufgehoben wird.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht den Grad der Behinderung (GdB) für die Behinderungen des Klägers rückwirkend herabgesetzt und Merkzeichen entzogen hat.

Bei dem am 1949 geborenen Kläger waren nach Einholung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und eines Gutachtens der Augenärztin Dr.R. vom 27.06.1989 mit Bescheid vom 06.07.1989 als Behinderungen mit einem GdB von 100 ab 28.01.1988 anerkannt: 1. Operative Entfernung der linken Ohrspeicheldrüse mit Neck- Dissection links und Nachbestrahlung (Einzel-GdB 80) 2. Sehminderung beidseits mit Gesichtsfeldeinengung (Einzel-GdB 60) 3. Schwerhörigkeit (Einzel-GdB 10). Das Merkzeichen RF war zuerkannt worden.

Nach Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte, ua eines Befundberichtes der Augenärzte Dres. P./R. vom 10.02.1993, wonach der Visus links und rechts nach Korrektur 1,0 betragen habe, und Einholung einer versorgungsärztlichen Stellungnahme des HNO-Arztes Dr.N. vom 07.04.1993 teilte der Beklagte dem Kläger mit Anhörungsschreiben vom 19.05.1993 mit, dass bzgl der operativen Entfernung der linken Ohrspeicheldrüse eine Heilungsbewährung eingetreten sei und sich die Sehminderung beidseits mit Gesichtsfeldeinengung gebessert habe, so dass nunmehr eine Feststellung nach dem Schwerbehindertengesetz nicht mehr erfolgen könne. Nachdem der Kläger der geplanten Herabsetzung des GdB mit Schreiben vom 29.06.1993 widersprochen hatte, zog der Beklagte Arztberichte der Universitätsaugenklinik W. vom 22.11.1993 und 08.03.1994 bei und ließ den Kläger durch den HNO-Arzt Dr.N. (Gutachten vom 23.02.1994, Einzel-GdB 30), die Allgemeinärztin Dr.B. (Gutachten vom 22.02.1994) sowie den Augenarzt Dr.D. (Gutachten vom 25.07.1994, Einzel-GdB 70) untersuchen. Dr.D. kam zu dem Ergebnis, dass auf beiden Augen des Klägers nach den Funktionsergebnissen eine Sehminderung mit Gesichtsfeldeinschränkung vorliege, die sich durch den organischen Befund nicht erklären lasse, wobei die Erkrankung sicherlich nicht (endgültig) geklärt sei. Er bewertete die Sehminderung unter Zugrundelegung der in der Akte enthaltenen Funktionsergebnisse weiterhin mit einem GdB von 70. Daraufhin stellte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 15.09.1994 als Behinderungen mit einem Gesamt-GdB von 80 ab 28.09.1994 fest: 1. Beidseits Sehminderung, Gesichtsfeldeinschränkung ungeklär ter Ursache (Einzel-GdB 70). 2. Neuralgieforme Schmerzen an der linken Gesichtsseite und Halsbereich, operative Entfernung der linken Ohrspeicheldrü se mit Neck-Dissection links und Nachbestrahlung (Einzel- GdB 20) 3. Schwerhörigkeit beiderseits mit Ohrgeräuschen (Einzel-GdB 20) 4. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10) 5. Bronchitis mit bronchialer Hyperreagibilität (Einzel-GdB 10) 6. Statische Auswirkung durch Knick-Senk-Spreiz-Füße (Einzel-GdB 10). Das Merkzeichen RF wurde wie bisher und die Merkzeichen B, G, ab 03.02.1993 neu zuerkannt. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Würzburg (SG) hat der Kläger weiterhin die Zuerkennung eines Gesamt-GdB von 100 begehrt. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte und ein Gutachten des Prof. Dr.G. (Universitätsaugenklinik W.) vom 14.12.1995 eingeholt. Dieser hat die Behinderungen des Klägers mit einem (derzeitigen) GdB von 0 bewertet und Gesichtsfeldeinschränkungen ausgeschlossen. Bezüglich des Visus hat er widersprüchliche Angaben und eine Aggravation des Klägers festgestellt.

Nach Einholung versorgungsärztlicher Stellungnahmen der Internistin Dr.L. vom 13.03.1996/25.03.1996 und des Augenarztes Dr.S. vom 28.02.1996 hat der Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 30.08.1996 die Bescheide vom 06.07.1989, 27.08.1992 (Ablehnung einer Neufeststellung) und 15.09.1994, letzterer idF des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1995 mW für die Vergangenheit gemäß § 45 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) insoweit zurückgenommen, als er den GdB ab 28.01.1988 mit 100 anstatt mit 80 und ab 01.10.1994 mit 80 anstatt mit 30 bewertet hat. Außerdem hat er die Merkzeichen RF, B und G rückwirkend entzogen. Einen Vertrauensschutz des Klägers hat der Beklagte deshalb verneint, weil der Kläger die Feststellung einer Sehminderung beidseits mit Gesichtsfeldeinschränkung aufgrund vorsätzlich falscher Angaben verursacht habe. Die Behinderungen hat er für die og Zeiträume wie im Änderungsbescheid vom 15.09.1994 unter Wegfall der dortigen Ziffer 1 festgestellt.

Der mit Gutachten vom 20.03.1997 gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gehörte Prof. Dr.K. (Augenklinik Universität M. hat den GdB auf augenärztlichem Fachgebiet - wie Prof. Dr.G. - ebenfalls mit einem GdB von 0 bewertet und den Verdacht auf eine Aggravation bzgl der Sehminderung geäußert.

Das SG hat mit Urteil vom 11.09.1997 die Klage gegen die Bescheide vom 01.05.1994 (es muss richtig heißen: Bescheid vom 15.09.1994) und 30.08.1996 sowie gegen den Widerspruchsbescheid vom 09.01.1995 abgewiesen. Es hat den Rücknahmebescheid vom 30.08.1996 für rechtens gehalten und eine Behinderung auf augenärztlichem Gebiet weder für die Jahre 1989 und 1994 noch für den jetzigen Zeitpunkt für nachgewiesen gehalten. Es hat angenommen, die Bescheide beruhten auf Angaben des Klägers, die dieser mit Simulations- bzw Aggravationtendenz zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig bzw unvollständig gemacht habe. Auch habe er die Rechtswidrigkeit der Bescheide gekannt. Die Rücknahme der Bescheide aus den Jahren 1989 bis 1994 sei auch nicht nach § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X ausgeschlossen. Eine sichere Kenntnis der Tatsachen, die die Rücknahme der rechtswidrigen Bescheide rechtfertigten, habe für den Beklagten frühestens seit der Zustellung des gerichtsärztlichen Gutachtens des Prof. Dr.G. im Januar 1996 bestanden. Es ergäben sich auch keine Hinweise für einen Ermessensfehler. Bezüglich des Carzinoms der linken Ohrspeicheldrüse sei die Heilungsbewährung abgelaufen. Die neuralgieformen Beschwerden der linken Gesichtsseite und im Halsbereich seien mit einem Einzel-GdB von 20 zutreffend bewertet.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Der Senat hat Befundberichte der behandelnden Ärzte beigezogen und von Prof. Dr.V. (Universtitätsaugenklinik H.) ein Gutachten vom 05.05.1999/16.10.2000 eingeholt. Dieser ist von einer Minderung der Sehschärfe und leichten konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkungen links mehr als rechts aufgrund der erhobenen Befunde ausgegangen, hat jedoch keinen objektivierbaren Anhalt dafür gesehen, dass zu früheren Zeiten Gesichtsfeld und Sehschärfe deutlich schlechter gewesen seien. Entsprechend den angegebenen Sehschärfen- und Gesichtsfelddaten seien die angenommenen Einzel-GdB-Werte auf augenärztlichem Gebiet von 60 - 70 % zutreffend. Hinsichtlich der Angaben des Klägers bezüglich Sehschärfe und Gesichtsfeld bestünden jedoch Zweifel.

Ein von dem Sachverständigen Prof. Dr.V. angeregtes neurologisches Zusatzgutachten des Dr.M. vom 04.04.2000 hat keinen Nachweis einer zentral bedingten Sehstörung erbracht. Das beim Kläger bestehende neuralgieforme Schmerzsyndrom im Bereich der linken Gesichtsseite und im Bereich der linksseitigen Halsweichteile hat Dr.M. mit einem GdB von 20 für sachgerecht eingeschätzt gehalten. In einer Stellungnahme vom 22.11.2000 hat der Versorgungsarzt Dr.N. den GdB für die Schwerhörigkeit beidseits einschließlich der Ohrgeräusche - wie bisher - mit einem GdB von 20 bewertet. Der vom Senat anschließend gehörte Prof. Dr.W. (HNO-Klinik Universität E. ) hat in seinem Gutachten vom 19.05.2001/ 19.09.2001 für den Hörverlust alleine einen GdB von 30 und für das Ohrensaußen und die Schmerzen im Operationsbereich einen GdB von 10 sowie für das HNO-ärztliche Gebiet einen Gesamt-GdB von 40 angenommen. Dem hat Dr.N. widersprochen und für das HNO-ärztliche Gebiet einen GdB von 30 für ausreichend erachtet (Stellungnahme vom 08.04.2002). Der vom Senat noch gehörte Orthopäde Dr.D. (Gutachten vom 01.03.2002) hat die Behinderungen auf orthopädischem Gebiet mit 30 eingeschätzt und eine erhebliche Gehbehinderung des Klägers verneint. Der Beklagte hat sich mit Vergleichsangebot vom 30.04.2002 bereit erklärt, entsprechend einer versorgungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie Dr.B. vom 23.04.2002 für die Gesundheitsstörungen ab 01.03.2002 einen GdB von 40 festzustellen.

Mit Schreiben vom 21.06.2002 hat sich der Kläger gegen den Vorwurf, anlässlich der augenärztlichen Begutachtung 06/1989 und 07/1994 hinsichtlich des Sehvermögens falsche Angaben gemacht zu haben, nachdrücklich gewehrt. Außerdem hat er nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme in der zweiten Instanz auch aus tatsächlichen Gründen die Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft über den 01.10.1994 hinaus begehrt und auf einen am 05.02.2002 erlittenen Stromunfall (Arbeitsunfall) hingewiesen. Eine Funktionsbehinderung der rechten Hand habe weiter zugenommen, an der linksseitigen Hand sei ein Faustschluss jetzt nicht mehr möglich. Jegliche Bewegung gelinge allenfalls unter Inkaufnahme außerordentlicher Schmerzen. Der Senat hat einen Befundbericht des Leiters der plastischen Chirurgie und Handchirurgie Prof. Dr.K. der Chirurgischen Universitätsklink W. vom 10.07.2002 beigezogen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 11.09.1997 abzuändern und den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 30.08.1996 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 11.09.1997 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Schwerbehindertenakte des Beklagten und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Streitig ist nur noch, ob der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 30.08.1996 rechtswidrig ist. Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung nicht mehr gegen den Änderungsbescheid vom 15.09.1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1995.

Der Beklagte hat zu Unrecht den Bescheid vom 06.07.1989 und den Bescheid vom 15.09.1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1995 für die Vergangenheit zurückgenommen. Der Rücknahmebescheid vom 30.08.1996 ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden. Eine Umdeutung dieses Bescheides in einen Neufeststellungsbescheid kommt nicht in Betracht.

Nach § 45 Abs 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, im Falle seiner Rechtswidrigkeit nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 - 4 ganz oder teilweise mW für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden. § 45 SGB X gilt auch für feststellende Verwaltungsakte (v.Wulffen/ Wiesner, SGB X 4.Aufl § 45 RdNr 2), wie die Bescheide vom 06.07.1989 und 15.09.1994, die den GdB des Klägers festgestellt haben.

Es ist nicht erwiesen, dass die Bescheide vom 06.07.1989 und 15.09.1994, mit denen 1989 ua eine "Sehminderung beiderseits mit Gesichtsfeldeinengung" und 1994 eine "Gesichtsfeldeinschränkung unbekannter Ursache" festgestellt worden waren, bei ihrem Erlass rechtswidrig waren. Der erforderliche Nachweis einer zu hohen MdE-Bewertung lässt sich nämlich nicht erbringen. Die Festsetzung im Jahr 1989 und im Jahr 1994 beruhte jeweils auf augenfachärztlichen Untersuchungen. Dr.D. hat in seinem Gutachten vom 25.07.1994 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in einem Befundbericht der Universitätsaugenklinik W. vom 22.11.1993 das Vorliegen einer Simulation des Klägers diskutiert worden sei und eine endgültige Klärung der Erkrankung sicherlich nicht vorliege. Bei der Einschätzung des GdB müsse man zunächst von den hier erhaltenen Funktionswerten beider Augen ausgehen. Der Beklagte hat daraufhin eine beidseitige Sehbehinderung und Gesichtsfeldeinschränkung ungeklärter Ursache in dem Änderungsbescheid vom 15.09.1994 aufgenommen. Hieraus ergibt sich, dass der Beklagte selbst eine Rechtswidrigkeit des Bescheides im Hinblick auf das Gutachtensersgebnis des Dr.D. nicht angenommen hat. Der Beklagte meint nun, die Rechtswidrigkeit der Bescheide ergebe sich rückwirkend aus den Feststellungen des Prof. Dr.G. im Gutachten vom 14.12.1995. Dem kann der Senat nicht folgen.

Die vom SG eingeholten augenfachärztlichen Gutachten der Professoren Dr.G. vom 14.12.1995 und Dr.K. vom 20.03.1997 haben lediglich für den Zeitpunkt der Untersuchung bei Dr.G. ab Dezember 1995 eine Sehminderung objektiv ausgeschlossen. So führt Prof. Dr.K. aus, dass (lediglich) die V e r - m u t u n g besteht, dass die Angaben des Klägers am 26.06.1989 nicht den reellen Einschränkungen der Sehleistungen entsprochen haben. Prof. Dr.G. hat die Behinderung seitens der Augen im Dezember 1995 anlässlich seiner Untersuchung d e r z e i t mit GdB 0 bewertet. Bezüglich einer Kontrolle in der Universitätsaugenklinik W. 1993 hat Prof Dr.G. gemeint, es habe seitens des Klägers erstmals der V e r d a c h t auf Aggravation nahegelegen. Auch der vom LSG gehörte Augenarzt Prof. Dr.V. äußert lediglich Z w e i f e l an der Richtigkeit der Angaben des Klägers von 1989 und 1994.

Aber auch wenn der Senat von einem objektiv fehlerhaften GdB 1989 und 1994 ausgehen würde, ist der Vertrauenstatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 oder 3 SGB X nicht ausgeräumt. Danach kann sich ein Begünstigter nur dann nicht auf Vertrauen berufen, soweit 1. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grobfahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat oder 2. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Diese Voraussetzungen würden vorliegen, wenn dem Kläger eine Aggravation in den Jahren 1989 und 1994 nachgewiesen werden könnte. Eine Aggravation könnte ihm aber nur dann vorgehalten werden, wenn er etwaige falsche Angaben zu verantworten hätte, dh dieses Verhalten ihm vorwerfbar wäre. Dies würde voraussetzen, dass er bei zumutbarer Anspannung seiner Willenskräfte sein Fehlverhalten hätte erkennen können. Dieser Nachweis lässt sich rückwirkend aber nicht mehr erbringen, da der Frage der Aggravation seitens des Beklagten zeitnah zu den Feststellungen des GdB 1989 und 1994 nicht nachgegangen worden ist, zB wurde die Frage der Vorwerfbarkeit nicht durch ein psychiatrisches Gutachten geklärt. Diese unterlassene Sachaufklärung lässt sich im Jahr 2002 vom Senat nicht mehr nachholen.

Der Bescheid vom 30.08.1996 ist auch rechtswidrig, soweit er eine Aufhebung für die Zukunft vornimmt, da die Grundvoraussetzung des § 45 SGB X - ursprüngliche Rechtswidrigkeit - nicht nachgewiesen ist. Eine Umdeutung des Verwaltungsaktes in einen Neufeststellungsbescheid gemäß § 48 SGB X ist vorliegend unzulässig. Zwar ist ein Rücknahmebescheid im Gerichtsverfahren in einen Änderungsbescheid umzudeuten, wenn die ursprüngliche Unrichtigkeit des zu berichtigenden Bescheids nicht nachgewiesen werden kann (BSG SozR 3-1300 § 48 Nr 25). Nach § 43 Abs 1 SGB X kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt aber nur umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Da der auf § 45 SGB X gestützte Bescheid auch die rückwirkende Aufhebung und nicht nur die Aufhebung für die Zukunft verfügt hat, ist er nicht auf das gleiche Ziel gerichtet wie ein auf § 48 SGB X gestützter Bescheid, der hier ebenfalls nur für die Zukunft hätte ergehen können, vgl § 48 Abs 1 SGB X (BSG aaO). Der Senat kann es daher dahingestellt lassen, ob ein auf § 48 SGB X gestützter Bescheid vom Beklagten in der geschehenen Verfahrensweise und -form hätte ergehen können.

Maßgeblich für den Behindertenstatus des Klägers ist somit der (bestandskräftige) Neufeststellungsbescheid vom 15.09.1994 (GdB 80 und Merkzeichen RF, B und G).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision iS des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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