L 3 U 107/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 5/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 107/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 12.01.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit streitig. Nach dem zuletzt im Klageverfahren gestellten Antrag begehrt der Kläger die Anerkennung eines Nervenleidens als Berufskrankheit nach den Nrn.1302, 1305, 1310 bzw. 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO).

Der am 1951 geborene Kläger war als gelernter Elektriker vom 16.03.1989 bis 31.10.1989 bei der Technischen Zentrale der Universität R. tätig, vom 01.11.1989 bis 31.01.1993 war er Arbeiter im Transportbereich bei der Hausinspektion und der Technischen Zentrale und vom 01.02.1993 bis 31.12.1993 als Arbeiter bei der Hausinspektion beschäftigt. Zu der Tätigkeit als Arbeiter im Transportbereich gehörten u.a. die Abholung von flüssigen und festen Sonderabfällen, die sich in dicht verschlossenen Zehn-Liter-Kanistern und Weithalsdeckelfässern befanden, aus naturwissenschaftlichen Fakultäten und Einlagerung dieser Behälter in Sonderabfall-Sammelräume, Bereitstellung von geschlossenen Kanistern zur Abholung in Stahlcontainern und kurzfristiges Umfüllen von Sonderabfällen aus Kanistern in kubische Tankkontainer an ca. sieben Tagen, wobei die Arbeiten auf mehrere Personen aufgeteilt waren. Im Rahmen dieser Tätigkeiten war er nach den Angaben seines Arbeitgebers lediglich in den Monaten November und Dezember 1992 kurzfristig beim Umfüllen chemischer Sonderabfälle Lösemitteldämpfen ausgesetzt.

Am 02.04.1994 beantragte der Kläger die Anerkennung seiner Erkrankung im Nasen-Mund-Rachenraum als Berufskrankheit.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 25.09.1995 die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn.4301/4302 der Anlage 1 zur BKVO abgelehnt, da der Kläger einer Einwirkung von chemischen gewesen sei und nach ärztlicher Beurteilung die angegebenen Beschwerden nicht auf eine Intoxikation am Arbeitsplatz zurückgeführt werden könnten. Sie seien vielmehr unter Umständen der bestehenden neurotischen Erkrankung des Klägers zuzuordnen. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg.Im nachfolgenden Klageverfahren hat das Sozialgericht Regensburg mit Urteil vom 20.03.1997 die Klage abgewiesen, weil ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und den geklagten Beschwerden weder im Sinne der Verursachung noch im Sinne der Verschlimmerung gegeben sei (BK-Nr.4301/4302). Die dagegen eingelegte Berufung (Az.: L 3 U 151/97) nahm der Kläger mit Schreiben vom 11.12.1997 zurück.

Ausgangspunkt des jetzigen Verfahrens ist ein Antrag des Klägers, den er infolge einer Anregung des 3. Senats des Bayerischen Landessozialgerichts (BayLSG) vom 08.10.1997 gestellt hat: Er beantragt nunmehr die Anerkennung seines Nervenleidens als Berufskrankheit nach den Nrn.1302, 1305, 1310 sowie 1317 der Anlage 1 zur BKVO.

Die Beklagte hat nach weiteren Ermittlungen - Stellungnahme ihres Technischen Aufsichtsdienstes vom 12.05.1998 und Gutachten des Gewerbeaufsichtsamtes Regensburg vom 07.07.1998 - mit Bescheid vom 25.09.1998 den vorgenannten Antrag abgelehnt: Nach den Ermittlungen ihres Technischen Aufsichtsdienstes sei die mögliche Lösemitteleinwirkung als zu kurz für das Entstehen der geltend gemachten Erkrankung anzusehen. Auch hätten nach den Ausführungen im Gutachten des Gewerbeaufsichtsamtes Regensburg vom 07.07.1998 unmittelbar nach der Einwirkung schwere, behandlungsbedürftige Störungen der Gesundheit auftreten müssen, was aber im Fall des Klägers nicht vorgelegen hätte.

Den dagegen erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.1998 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger nachfolgend Klage erhoben (Klageakte S 4 U 5/99).

Das Sozialgericht hat - auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - ein von Dr.R.M.K. , Institut für Begutachtungs-, Arbeits- und Sozialmedizin, am 15.04.1999 erstattetes Gutachten eingeholt. Er verneinte darin die Voraussetzungen für die Annahme einer Berufskrankheit hinsichtlich des geltend gemachten Nervenleidens, bejahte aber eine Berufskrankheit nach den Nrn.1310 bzw. 1311 hinsichtlich der bestehenden Entzündung der Nasenschleimhaut. Aufgrund der möglichen Krankheitserscheinungen, die durch die insbesondere halogenierten Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxyde oder -sulfide auftreten können, sowie durch Schwefelkohlenstoff, sei eine mögliche Verursachung der trockenen Nasenschleimhautentzündung durch die Schadstoffeinwirkung aus seiner Sicht gegeben. Die berufskrankheitenbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er hierfür auf 10 v.H.

Die Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass sie sich dem Gutachten des Dr.K. hinsichtlich der streitgegenständlichen Problematik der Anerkennung des Nervenleidens als Berufskrankheit anschließe, dem Gutachten jedoch insoweit nicht zu folgen vermöge, als darin abschließend von einer Berufskrankheit nach den Nrn.1310 bzw. 1311 hinsichtlich der Nasenschleimhautentzündung ausgegangen wurde. Wie der Sachverständige in seinem Gutachten bei der abschließenden Würdigung darlegte, erscheine es lediglich möglich, dass die trockene Nasenschleimhautentzündung durch einen Listenstoff im Sinne der Nrn.1310, 1311 hervorgerufen werden kann. Da der Kläger jedoch nur sehr selten mit Umfüllvorgängen befasst war, erscheine eine chronische Schädigung der Nasenschleimhaut durch Schadstoffe nach wie vor als nicht hinreichend wahrscheinlich. Sie verwies insbesondere darauf, dass die Krankenlistenauszüge der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Regensburg bereits für das Jahr 1989 eine Krankschreibung wegen Sinusitis, Rhinitis und Bronchitis ausweisen, d.h. Er- seien.

Mit Urteil vom 12.01.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Klage, mit der der Kläger die Anerkennung seines Nervenleidens als Berufskrankheit begehre, sei unbegründet und daher abzuweisen gewesen. Es handele sich dabei nicht um eine Berufskrankheit nach § 9 Sozialgesetzbuch (SGB) VII, weder nach der Nr.1302 (Erkrankungen durch Halogenwasserstoffe), noch nach der Nr.1305 (Erkrankungen durch Schwefelkohlenstoff), nach der Nr.1310 (Erkrankungen durch halogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide), noch nach der Nr.1317 (durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische verursachte Polyneuropathie oder Encephalopathie) der Anlage 1 zur BKVO. Denn zum einen sei der Kläger, wie das Gericht bereits in seinem Urteil vom 20.03.1997 festgestellt habe, bei seiner beruflichen Tätigkeit nicht in wesentlichem Maße chemischen Dämpfen ausgesetzt gewesen. Es stimme deshalb auch der Feststellung des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 12.05.1998 zu, wonach ein zweimaliges, ungeschütztes Umfüllen von Abfallchemikalien nicht eine ausreichende Exposition im Sinne der geltend gemachten Berufskrankheiten darstelle. Zum anderen liege beim Kläger eine phobisch-paranoide Neurose vor, die ihn darauf fixiert sein lasse, Opfer einer Chemikalienvergiftung geworden zu sein. Dazu habe bereits Dr.B. , Gewerbeaufsichtsamt Regensburg, in seinem für die Beklagte erstatteten Gutachten - das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wurde - zutreffend ausgeführt, dass eine Schädigung des Zentralnervensystems durch kurzfristige, begrenzt wiederholt auftretende Lösemitteleinwirkungen nur dann anerkannt werden könne, wenn damit schwere, in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einwirkung auftretende Störungen der Gesundheit aufgetreten wären. Das treffe aber im Fall des Klägers nicht zu. Dies habe auch Dr.K. bestätigt, wenn er darauf hinweist, dass keinerlei neurologische Ausfallserscheinungen durch die behandelnden Ärzte und Psychiater berichtet worden seien, mit Ausnahme der angeführten Diagnose Neurose. Alle anderen, bei Kontakt mit den geltend gemachten organischen oder anorganischen Substanzen auftretenden neurologischen Symptome hätten insgesamt nicht festgestellt oder eruiert werden können. Demzufolge sei es nach Auffassung des gehörten Sachverständigen nicht möglich, eindeutige Hinweise für eine Schädigung des Gehirns oder eine Schädigung peripherer Nerven durch die angeschuldigten Schadstoffe zu finden. Soweit es Dr.K. für möglich halte, dass die trockene Nasenschleimhautentzündung durch einen Listenstoff im Sinne der Nrn.1310/1311 hervorgerufen sein könnte, so halte die Beklagte dem zu Recht entgegen, dass der Kläger bereits vom 24.07.1989 bis 04.08.1989 wegen Sinusitis, Rhinitis und Bronchitis arbeitsunfähig erkrankt war.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt, ohne sie zu begründen und einen Berufungsantrag zu stellen.

Unter Berücksichtigung des zuletzt vor dem Sozialgericht gestellten Klageantrags wird davon ausgegangen, dass der Kläger - sinngemäß - beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 12.01.2001 und des Bescheides vom 25.09.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.1998 zu verurteilen, sein Nervenleiden als Berufskrankheit nach den Nrn.1302, 1305, 1310 bzw. 1317 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz einschließlich Vorprozesse Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Senat geht - mangels Vorlage der Berufungsbegründung und eines Berufungsantrags - davon aus, dass der Kläger mit der Fortführung seiner Berufung seinen Klageantrag aufrecht erhält, die Beklagte zur Anerkennung und Entschädigung seines Nervenleidens als Berufskrankheit zu verpflichten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit diesem Begehren mit Recht abgewiesen. Denn bei dem geltend gemachten Nervenleiden des Klägers handelt es sich - wie das Sozialgericht, vor allem gestützt auf die Darlegungen des Dr.K. sowie das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Dr.B. , Gewerbeaufsichtsamt Regensburg, zutreffend ausgeführt hat - nicht um eine Berufskrankheit im Sinne der Nrn.1302, 1305, 1310 oder 1317 der Anlage 1 zur BKVO.

Der Senat schließt sich dieser Auffassung in vollem Umfang an und nimmt zur weiteren Begründung auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils gemäß § 153 Abs.2 SGG ergänzend Bezug. Nachdem sich der Klageantrag ausschließlich auf die Anerkennung des Nervenleidens bezog, erübrigen sich schon deshalb weitere Ausführungen zu dem Gutachten des Dr.K. , soweit er darin die trockene Nasenschleimhautentzündung des Klägers im Ergebnis als Berufskrankheit nach Nr.1310, 1311 wertet. Wie das Sozialgericht jedoch auch diesbezüglich zutreffend ausführte, kann das Gutachten des Dr.K. insoweit keine Grundlage für die Anerkennung einer Berufskrankheit in dem vorgenannten Sinne darstellen. Lediglich vorsorglich wird insoweit darauf hingewiesen, dass auch nach Auffassung des Senats das Gutachten des Dr.K. diesbezüglich keine ausreichende Begründung geliefert hat, denn dieser Sachverständige spricht bei allem nur von einem möglichen ursächlichen Zusammenhang, der für die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung jedoch nicht ausreicht.

Da eine Berufungsbegründung nicht vorgelegt worden ist und somit auch nicht erkennbar ist, auf welche, etwa vom Sozialgericht nicht abgehandelten Argumente das Berufungsbegehren gestützt werden könnte, erübrigen sich zudem nach Auffassung des Senats weitere Darlegungen.

Nach allem konnte daher die Berufung keinen Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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