L 2 U 118/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 92/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 118/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Verjährungseinrede bezüglich geltend gemachter Sozialleistungen, die die Beklagte erstmals in der mündlichen Verhandlung erhebt, ohne dabei erkennbar von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch zu machen, in unzulässig.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.11.2000 aufgehoben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.11.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.1998 verurteilt, der Klägerin ab 31.08.1988 Rente nach MdE von 30 v.H. zu gewähren.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtzüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der praktische Arzt S. teilte der Beklagten mit Berufskrankheitenanzeige vom 18.01.1996 die Diagnose einer seit 1993 bestehenden chronischen Hepatitis C der am 04.05.1960 geborenen Klägerin mit.

Die Klägerin war von 1977 bis 1978 als Stationshilfe im Evangelischen Krankenhaus R. beschäftigt, dann absolvierte sie von 1978 bis 1982 die Berufsfachschule für Krankenpflegehilfe und war im Anschluss daran vom 01.10.1982 bis 31.03.1987 im Dialysezentrum E. beschäftigt. Vom 01.04.1987 bis 31.03.1988 arbeitete sie im DSK-Seniorenwohnstift N. , vom 01.04.1988 bis 31.08.1988 im Krankenhaus D ... Ab 01.09.1988 bis 30.08.1991 war sie als Unterrichtsassistentin im Evangelischen Krankenhaus R. tätig. Vom 01.06.1994 bis 31.12.1994 arbeitete sie in einem Krankenhaus mit Dialysezentrum in R ...

Im Mai 1994 wurde im Rahmen einer Einstellungsuntersuchung eine Hepatitis-C diagnostiziert, ebenso bei der Einstellungsuntersuchung am 12.01.1996.

Bei einer Blutuntersuchung im Oktober 1986 war der Transaminasenwert GPT normal, im Mai 1988 erhöht, ebenso im Juli 1988. Der behandelnde Arzt Dr.L. stellte im Februar 1991 einen erhöhten GPT-Wert fest, einen normalen Wert im Mai 1991, einen erhöhten Wert im Mai 1993. Im Dezember 1993 war der Wert knapp erhöht, im März/April 1994 wesentlich erhöht, ebenso im Mai 1994. Im Februar 1995 stellte Dr.S. nur eine leichte Erhöhung fest. Im September 1995 war die Erhöhung ausgeprägter. Im Januar 1996 war der Wert ebenfalls erhöht, wie auch im Oktober 1996.

Prof.Dr.S. führte im Gutachten vom 30.01.1997 sowie in den Stellungnahmen vom 25.04.1997 und 01.09.1997 aus, die Leberbiopsie habe eine mäßiggradige Infiltration mit einer leichten herdförmigen Fibrose ergeben. Es bestehe somit eine im gegenwärtigen Zeitpunkt milde chronische Virus-C-Hepatitis; aus rein histologischer Sicht einer chronisch-persistierenden Hepatitis bzw. einem Grenzfall zwischen einer chronisch-persistierenden Hepatitis und einer eben erfassbaren Initialphase einer chronisch-aggressiven Hepatits entsprechend. Für einen zirrhotischen Umbau ergebe sich kein Anlass. Es bestehe ab dem Zeitpunkt des erstmaligen Nachweises im Mai 1994 eine MdE in Höhe von 30 v.H.

Die Gewerbeärztin Dr.S. stimmte im Gutachten vom 11.07.1997 den Ausführungen von Prof.Dr.S. zu.

Mit Bescheid vom 11.11.1997 erkannte die Beklagte die chronische Hepatitis-C-Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr.3101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) an. Wegen der Folgen der Berufskrankheit bestehe Anspruch auf Rente ab 25.05.1994 (Tag der erstmaligen Diagnosestellung); für den Jahresarbeitsverdienst sei als Berechnungszeitpunkt der 31.08.1988, der Zeitpunkt der Aufgabe von Tätigkeiten, die ihrer Art nach geeignet gewesen seien, die Berufskrankheit zu verursachen, maßgebend. Es werde eine Teilrente nach einer MdE von 30 v.H. gewährt.

Die Klägerin begehrte mit Widerspruch vom 27.11.1997 einen früheren Rentenbeginn.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.1998 zurück. Erhöhte Leberwerte könnten zwar Ausdruck einer Hepatitis-C-Erkrankung sein, es kämen aber auch andere Erkrankungen in Betracht. Selbst wenn die Infektion bereits während der bis zum 31.08.1988 ausgeübten Tätigkeit im Krankenhaus D. erfolgt sei, könne dies keinen Einfluss auf den Beginn der Leistungspflicht haben, da die Hepatitis-C-Erkrankung erst am 25.05.1994 habe nachgewiesen werden können. Die MdE sei mit 30 v.H. richtig bewertet.

Mit der Klage vom 16.03.1998 führt die Klägerin aus, die Erkrankung sei schon vor Mai 1994 objektiv erkennbar gewesen. Sie habe sich im Krankenhaus D. infiziert, daher sei als Rentenbeginn der 31.08.1988 festzusetzen.

Das SG hat die Unterlagen des Amtes für Versorgung und Familienförderung Regensburg beigezogen, in denen ausgeführt wird, der serologische Nachweis einer durchgemachten Hepatitis rechtfertige noch keinen GdB-Grad.

Der auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist Prof.Dr.H. hat im Gutachten vom 30.12.1999 ausgeführt, der wahrscheinlichste Übertragungsweg sei eine Nadelstichverletzung während der Tätigkeit vom 01.10.1982 bis 31.03.1987 am Dialysezentrum in E ... Die Tätigkeit mit Dialysepatienten führe zum ständigen Umgang mit Nadeln und Patientenblut. Viele Dialysepatienten hätten eine Hepatitis-C, da diese Erkrankung nicht selten durch Dialysegeräte von einem Patienten zum anderen übertragen werde. Weniger wahrscheinlich sei eine Infektion während der Tätigkeit vom 01.04.1987 bis 31.03.1988 im Seniorenwohnstift. Grundsätzlich wäre aber aufgrund der Inkubationszeit des erstmaligen Nachweises erhöhter Transaminasenwerte im Mai 1988 auch während dieser Tätigkeit eine Infektion möglich gewesen. Charakteristisch für die Hepatitis-C sei, dass die Transaminasen in ihrer Höhe wechselten und zwischendurch auch einmal normal sein könnten. Die geringe Entzündungsaktivität der Erkrankung lasse für den Verlauf eine günstige Prognose stellen. Nicht mit der Hepatitis-C zu vereinbaren seien allerdings die Angaben der Klägerin über ein reduziertes Leistungsvermögen. Bei der geringen histologischen Ausprägung der Erkrankung sei nicht verständlich, warum eine geregelte körperliche Arbeit nicht möglich sein sollte. Dagegen seien die angegebene Müdigkeit, die Beschwerden unter dem rechten Rippenbogen und der geringe Gewichtsverlust durch die Erkrankung erklärt. Unabhängig davon bestehe ein 1993 diagnostiziertes psychovegetatives Erschöpfungssyndrom mit depressiver Entwicklung. Es könne davon ausgegangen werden, dass beim erstmaligen Nachweis einer erhöhten GPT-Aktivität im Mai 1988 bereits eine chronische Hepatitis-C vorgelegen habe, dies umsomehr, als diese Erkrankung im Mai 1994 erstmals durch den Nachweis von Anti-HCV Antikörpern und 1996 durch einen positiven HCV-RNA gesichert worden sei.

Die vom SG zu ärztlichen Sachverständigen ernannte Sozialmedizinerin Dr.E. hat im Gutachten vom 26.06.2000 zusammenfassend ausgeführt, zu berücksichtigen seien die Beweiserleichterungen wegen besonderer Gefährdung bei Personen, die in Dialyseeinrichtungen, Intensivstationen, Operationseinheiten oder Notfallaufnahmen arbeiteten. In diesen Fällen sei die haftungsbegründende Kausalität grundsätzlich gegeben, auf die Ermittlung der Infektionsquelle könne verzichtet werden. Die Klägerin habe diesem hochgefährdeten Teil des Pflegepersonals angehört, denn sie habe in Dialyseeinrichtungen, auf Intensivstationen sowie in Operationseinheiten gearbeitet. Die Hepatitis-C verlaufe im allgemeinen weniger schwer als die akute Hepatitis-B. Bereits im Mai 1988 sei das Leberferment GPT erhöht gewesen. Die in den folgenden Jahren schwankenden Leberfermentwerte seien zwar typisch für eine Lebererkrankung oder eine Leberbeteiligung, aber nicht absolut typisch für eine Hepatitis-C. Da die Beklagte eine chronische Hepatitis-C als Berufskrankheit anerkannt habe, sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin spätestens am 31.08.1988 (dem Tag der Arbeitsaufgabe) auf der internen Intensivstation des Krankenhauses D. infiziert habe. Die Erstfeststellung der Hepatitis-C-Erkrankung 1994 sei nicht gleichzusetzen mit dem Beginn der Infektion, da die letzte Möglichkeit einer beruflichen Infektion der 31.08.1988 gewesen sei. Eine weitere Vorverlegung der Infektion wäre Spekulation, zumal auch erst ab Mai 1988 pathologische Leberwerte aufgefallen seien. Eine höhere MdE als 30 v.H. sei nicht gerechtfertigt.

Mit Urteil vom 23.11.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Es könne nicht als nachgewiesen angesehen werden, dass bei der Klägerin vor dem 25.05.1994 bereits eine Hepatitis-C-Erkrankung in rentenberechtigendem Ausmaß vorgelegen habe. Zwar habe die Infektion bereits vor dem 25.05.1994 stattgefunden, nämlich spätestens am 31.08.1988. Nach Auffassung des Gerichts könne es aber nicht mit einem derart hohen Grad an Wahrscheinlichkeit, dass kein vernünftiger Betrachter daran zweifeln würde, als gegeben erachtet werden, dass bei der Klägerin vor dem 25.05.1994 ein Schweregrad der Erkrankung vorgelegen habe, der eine MdE von mehr als 20 v.H. rechtfertigen würde. Wie Prof.Dr.H. ausführe, sei die Höhe der Transaminasen allein zur Beurteilung des Schweregrades nicht geeignet. Die von Prof.Dr.S. durchgeführte Leberpunktion habe eine außerordentlich milde chronische Virus-Hepatitis-C ohne Hinweise für einen zirrhotischen Umbau erbracht. Es könne nicht mit Wahrscheinlichkeit gesagt werden, zu welchem Zeitpunkt der Zustand eingetreten sei, der sich anlässlich der Untersuchung bei Prof.Dr.S. gezeigt habe. Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Leistungsbeginn auf den 25.05.1994 lege, an dem erstmals Antikörper gegen Hepatitis-C im Blut hätten nachgewiesen werden können.

Zur Begründung der Berufung vom 02.04.2001 verweist die Klägerin auf ein Gutachten des Prof.Dr.S. vom 04.11.1999, in dem er ausführe, es gebe keinen reinen Hepatitis-C Trägerstatus, sondern stets, wenn auch in geringen Maße ausgeprägt, ein deutliches Krankheitsbild. Daher bestünde ein Rentenanspruch schon ab dem 01.09.1988.

Die Beklagte wendet dagegen ein, auch wenn die Infektion spätestens am 31.08.1988 stattgefunden habe, könne daraus nicht geschlossen werden, dass zwischen dem Infektionszeitpunkt und dem Zeitpunkt des Nachweises der Erkrankung am 25.05.1994 eine rentenberechtigende MdE bestanden habe.

Der vom Senat zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Internist Dr.S. kommt im Gutachten vom 04.12.2001 und der ergänzenden Stellungnahme vom 17.01.2002 zu dem Ergebnis, nicht zutreffend sei die Auffassung von Prof.Dr.H. , dass die Virus-Hepatitis-C bei der Klägerin zu keiner Beeinträchtigung der körperlichen Aktivität geführt habe. Vielmehr sei der von der Klägerin geschilderte Leistungsknick seit 1985 eine typische klinische Manifestation der Hepatitis-C-Erkrankung. Die Ausprägung der objektivierbaren Organveränderungen durch die Hepatitis-C sei allerdings so gering, dass auch andere Faktoren berücksichtigt werden müssten, die zu solchen Symptomen führen könnten. In diesem Zusammenhang verweist er auf das 1994 festgestellte psychovegetative Erschöpfungssyndrom mit depressiver Entwicklung. Die nur im niedrigen Erhöhungsbereich schwankenden Transaminasenaktivitäten, die nur gering bis mäßig ausgeprägte chronische nicht aktive portale Hepatitis und ein fehlender bindegewebiger Umbau der Leber widersprächen nicht der von der Klägerin geschilderten Symptomatik. Die MdE von 30 v.H. bestehe mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit mindestens seit dem 31.08.1988. Erhöhte Transaminasen seien bereits im Mai 1988 und Juli 1988 nachgewiesen.

Die Beklagte erklärt hierzu, die vor dem 25.05.1994 festgestellten leichten Transaminasenerhöhungen dokumentierten in keiner Weise einen Schweregrad, der eine MdE in Höhe von 30 v.H. rechtfertige. Das Fehlen medizinischer Befunde vor 1994 lasse darauf schließen, dass die Hepatitis-C-Erkrankung erst im späteren Verlauf bemerkbar geworden sei. Es sei die Möglichkeit einer jahrelangen Inaktivität der Krankheit oder einer sogenannten Minimal-Hepatitis in Betracht zu ziehen.

Die Klägerin stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 23.11.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 11.11.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.1998 zu verurteilen, ihr wegen der Berufskrankheit Verletztenrente in Höhe von 30 v.H. der Vollrente ab 31.08.1988 zu gewähren.

Bezüglich der Einrede der Verjährung vertritt sie die Auffassung, die Einrede sei verspätet und verstosse gegen Treu und Glauben.

Hilfsweise beantragt sie, gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Prof.Dr.W. , Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in R. , einzuholen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Hilfsweise erhebt sie die Einrede der Verjährung der Ansprüche bis Ende 1991.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

II. S t e l l u n g n a h m e:

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich teilweise begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über ein daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Maßgeblich ist seit 01.12.1997 die Berufskrankheitenverordnung (BKV) vom 31.10.1997 (Bundesgesetzblatt I S.26, 23). Als Berufskrankheit kommen grundsätzlich solche Erkrankungen in Betracht, die von der Bundesregierung als Berufskrankheiten bezeichnet und in die BKV aufgenommen worden sind (Listenprinzip). Die Krankheit muss durch eine versicherte Tätigkeit verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sein, das heißt, die Gefährdung durch schädigende Einwirkungen muss ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein und die Einwirkung muss die Krankheit verursacht haben (Bereiter-Hahn/Mertens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 9 SGB VII Rdnr.3). Alle rechtserheblichen Tatsachen müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BSG 45, 285).

Die Klägerin begehrt die Entschädigung einer Berufskrankheit im Sinn der Nr.3101 der Anlage zur BKV. Dabei handelt es sich um Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt war. Der Nachweis einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Infektionsgefahr für die Anerkennung einer Lebererkrankung wie Hepatitis-C bei einer Krankenschwester als Berufskrankheit ist erbracht, wenn festgestellt ist, dass eine überdurchschnittliche Durchseuchung der Patienten mit Hepatitis-C und eine vorliegende überdurchschnittliche Kontaktmöglichkeit mit Körperflüssigkeiten vorlag (vgl. BSG vom 29.01.1974, 8/7 RU 58/71). Unstreitig besteht bei der Klägerin eine Virus-Hepatitis-C, die von der Beklagten als Berufskrankheit anerkannt ist.

Zu Recht begehrt die Klägerin einen früheren Beginn der Rentenleistungen, denn nach den überzeugenden Ausführungen von Prof. Dr.S. , Dr.E. , deren im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, und Dr.S. ist die Erstfeststellung der Hepatitis-C nicht gleichzusetzen mit der Infektion, die spätestens zum 31.08. 1988, dem letzten Tag der hochgefährdenden Tätigkeit, möglicherweise aber auch schon früher, erfolgt ist. Dafür sprechen auch die pathologischen Leberwerte, die 1988 festzustellen waren. Das Hauptsymptom der Hepatitis-C, nämlich die schleichende Müdigkeit, ist zwar, worauf Dr.S. hinweist, von dem zusätzlichen aufgetretenen psychovegetativen Erschöpfungssyndrom zu unterscheiden. Aber unter Berücksichtigung der von Prof. Dr.S. festgestellten Leberhistologie ist eine MdE von 30 v.H. bereits ab 31.08.1988 gegeben. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch neben dem klinischen Befinden mit Müdigkeit und Kopfschmerzen die seit 1988 fast permanent festzustellenden Transaminasenaktivitäten (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheiten, 6.Aufl. 1998, S.732 f.). Auch bei nur geringer entzündlicher Aktivität und mäßiger Fibrose, wie sie Prof. Dr.S. im Gutachten vom 25.04.1997 beschrieben hat, ist eine MdE von 30 v.H., die auch Dr.S. , Dr.E. und Prof.Dr.H. vorgeschlagen haben, zu begründen. Zudem erfolgte die Infektion mit größerer Wahrscheinlichkeit zwischen dem 01.10. 1982 und dem 31.03.1987, als die Klägerin während ihrer Tätigkeit am Dialysezentrum besonders hoch gefährdet war; ein bestimmter Zeitpunkt kann aber wegen der damals noch nicht gegebenen Diagnosemöglichkeit nicht festgestellt werden.

Die von der Beklagten angesprochene jahrelange Inaktivität der Erkrankung bzw. Minimal-Hepatitis stellt lediglich eine Möglichkeit des Krankheitsverlaufs dar, ist aber durch keinerlei Anhaltspunkte begründet. Die ärztlichen Sachverständigen haben dagegen überzeugend dargelegt, dass zumindest ab 31.08.1988 eine MdE von 30 v.H. gegeben ist. Für eine höhere MdE ergeben sich keine Anhaltspunkte.

Die Erhebung der Verjährungseinrede ist unzulässig. Grundsätzlich verjähren Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. Im vorliegenden Fall kann die Frage, wann die Ansprüche entstanden sind - immerhin wurde der berufsgenossenschaftliche arbeitsmedizinische Dienst bereits am 25.05.1994 über das Vorliegen von Hepatitis-C-Antikörpern informiert - dahingestellt bleiben. Denn auch eine wirksam eingetretene Verjährung bringt den Leistungsanspruch nicht zum Erlöschen, sondern gibt dem Leistungsverpflichteten nur ein Leistungsverweigerungsrecht. Die Verjährung ist also nur auf Einrede hin zu beachten (vgl. Kasseler Kommentar, § 45 SGB V Rdnr.14 ff.). Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 30.11.2002 geltend gemacht, ohne aber dabei erkennbar von dem ihr eingeräumten Ermessen, nämlich nach Zweckmäßigkeits-, Billligkeits- und Angemessenheitserwägungen von mehreren möglichen rechtmäßigen Entscheidungen eine zutreffen, (vgl. BSG Breithaupt 1969, 813) Gebrauch zu machen. Die Erhebung der Verjährungseinrede ist daher ermessensfehlerhaft.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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