L 2 U 134/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 357/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 134/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 12. März 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1977 geborene Kläger erlitt am 19.05.1994 auf dem Heimweg von der Staatlichen Berufsschule in A. einen Unfall, bei dem er sich nach Feststellung des Durchgangsarztes Dr.F. eine Kniegelenksluxation links, dislozierte distale Radiusfraktur rechts, Schädelprellung, Platzwunde am Kinn und Hautabschürfungen zuzog.

Nach Angaben der AOK Amberg gehörte der Kläger zum Unfallzeitpunkt dem Betrieb D. V. , Schalldämpferbau, M.weg in A. an. Er sei durch den Betrieb des Vaters vor Ablauf der normalen sechswöchigen Lohnfortzahlung zum 31.05.1994 abgemeldet worden, obwohl keine Kündigung ausgesprochen worden sei.

Im Fragebogen vom 14.07.1994 gab der Kläger an, er sei im Mai 1993 als Karrosseriebaulehrling bei der Firma B. in A. beschäftigt gewesen. Seit 01.06.1993 sei er Fertigungshelfer bei der Firma D. V. in A ...

Die Ausbildung vom 01.09.1992 bis 04.06.1993 mit einem Gehalt für die Zeit vom 01.05.1993 bis 04.06.1993 von 704,76 DM wurde von der Firma B. bestätigt. Für Juli und August 1994 bestätigte die AOK Amberg ein Entgelt des Klägers in Höhe von jeweils 1.236,00 DM. Die Firma D. V. Schalldämpferbau gab an, der Kläger sei seit 01.06.1993 dort beschäftigt und beziehe Ausbildungsvergütung. Sein Gehalt habe in der Zeit vom 01.05.1993 bis 30.04.1994 ohne Sonderzahlungen 13.061,20 DM betragen, insgesamt seien 15.887,00 DM ausbezahlt worden. Im Mai 1994 sei ein Gehalt von 950,00 DM, ab September 1993 von monatlich 1.150,00 DM, ausbezahlt worden.

Gegenüber dem Chirurgen Dr.W. gab der Kläger am 28.02.1995 an, er arbeite jetzt als Kfz-Mechaniker.

Mit Bescheid vom 24.03.1995 erkannte der Beklagte den Unfall als Arbeitsunfall an. Es bestehe Anspruch auf eine vorläufige Rente vom 03.01.1995 bis auf Weiteres nach einer MdE von 20 v.H.

Auf Anfrage des Beklagten teilte der Arbeitgeber des Klägers, jetzt unter dem Namen A. Auto, Technik & Design V. , F. mit Schreiben vom 25.06.1996 mit, der Kläger habe die Ausbildung zum 01.01.1995 abgebrochen. Aufgrund seiner praktischen Fähigkeiten und seines großen Interesses hätte er die Prüfung am 11.03.1996 ohne Unfallfolgen erfolgreich bestehen können. Der Kläger habe nach dem Unfall nur noch bis zu vier Stunden täglich arbeiten können. Mit Schreiben vom 05.07.1996 führte der Bevollmächtigte des Klägers aus, der Zustand des Klägers habe sich eher verschlimmert als gebessert. Eine MdE um 20 v.H. sei zu niedrig. Durch den Unfall sei es zu einer Verzögerung in der Berufsausbildung gekommen. Da der Kläger wegen der langen Krankheitszeit in der Schule nicht mehr mitgekommen sei, habe er die Ausbildung abgebrochen. Er sei als Teilzeitkraft bei der Firma V. beschäftigt. Es sei nicht absehbar, ob bzw. wann er die abgebrochene Berufsausbildung wieder aufnehmen werde.

Laut Lohn- und Gehaltsabrechnung der Firma A. V. bezog der Kläger im August 1995 ein Gehalt von 1.380,00 DM brutto und 1.106,76 DM netto. Gegenüber einem Mitarbeiter der Abteilung Berufshilfe des Beklagten gab der Kläger am 08.07.1997 an, dass er im Rahmen seiner Möglichkeiten voll in den Betrieb seines Vaters integriert sei. Wegen der Unfallfolgen habe er die begonnene Ausbildung zum Kfz-Mechaniker nicht abschließen können und sei als Fertigungshelfer in Teilzeitbeschäftigung tätig.

Auf Anfrage des Beklagten teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 01.09.1997 mit, der Ausbildungsvertrag schriftlicher Arbeitsvertrag. Die Firma A. V. bestätigte im Schreiben vom 02.07.1997, bis zum Unfall sei der Kläger als Lehrling tätig gewesen. Danach habe er die Lehrlingsausbildung wegen der Unfallfolgen vorzeitig abbrechen müssen. Jetzt sei er als Helfer mit maximal vier Stunden Arbeitszeit am Tag beschäftigt. Das derzeitige Bruttoeinkommen betrage 1.380,00 DM. Mit Gesellenbrief hätte der Kläger von Januar bis März 1997 mindestens 7.583,32 DM, ohne Gesellenbrief mindestens 3.220,00 DM bei vier Stunden am Tag verdient, zuzüglich Urlaubsgeld und Leistungsvergütung.

Nach Einholung eines Gutachtens lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.10.1997 den Antrag auf Rentenerhöhung ab. Den Widerspruch des Klägers vom 27.11.1997 wies er mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.1998 zurück.

Im Schreiben vom 01.12.1997 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers, der Arbeitgeber des Klägers sei sich nicht mehr sicher, ob seinerzeit ein schriftlicher Ausbildungsvertrag abgeschlossen worden sei.

Mit Schreiben vom 14.01.1998 teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, ein schriftlicher Ausbildungsvertrag habe nicht existiert.

Mit Schreiben vom 30.12.1998 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers den Berufsausbildungsvertrag vom 11.05.1993 zwischen D. V. Kfz-Reparaturwerkstätte und dem Kläger. Die Vergütung betrage im ersten Ausbildungsjahr 685,00 DM, im zweiten 849,00 DM, im dritten 987,00 DM und im vierten 1.040,00 DM. Der Stempel bei der Unterschrift zeigte den Namen Racing- und Ralleyshop D. V ... Beginn und Ende der Ausbildung waren nicht angegeben. Beigefügt war eine Bestätigung des D. V. , dass er am 11.05.1993 den Kläger als Kfz-Auszubildenden eingestellt habe. Der Ausbildungsvertrag sei beim Betriebsumzug verlegt worden. Nach Beendigung des zehnwöchigen Umzugs, der aufgrund einer Räumungsklage sehr schnell habe durchgeführt werden müssen, hätten die Büroräume erst ausgebaut werden müssen, so dass die Aktenschränke erst Wochen später hätten aufgestellt werden können. Durch die Unruhe des Umzugs und den Alltagsstress habe er vergessen, das wichtige Dokument bei der Handwerkskammer einzureichen.

Die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz führte im Schreiben vom 12.02.1999 aus, der Kfz-Mechanikermeister D. V. habe am 22.07.1987 eine Kfz-Werkstatt bei der Handwerkskammer angemeldet. Zum 16.05.1990 sei das Gewerbe wieder abgemeldet worden. Ein Ausbildungsverhältnis sei der Kammer nicht gemeldet. Ob die Firma D. V. in den Jahren 1993/94 im Sinne von § 23 Handwerksordnung betrieblich geeignet gewesen sei, Lehrlinge auszubilden, könne nicht mehr festgestellt werden. Der Berufsausbildungsvertrag hätte jedenfalls so lange nicht im Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse gemäß § 28 Handwerksordnung registriert werden können, bis der Betrieb bei der Kammer wieder als Handwerksbetrieb eingetragen worden wäre. Gemäß § 4 Abs.1 Satz 1 Berufsbildungsgesetz habe der Ausbildende den Berufsausbildungsvertrag spätestens vor Beginn der Ausbildung schriftlich niederzulegen. Dieses Schriftformerfordernis habe deklaratorische Bedeutung, d.h. der Berufsausbildungsvertrag sei wegen Nichteinhaltung der Schriftform allein nicht nichtig. Auch ein faktisches Ausbildungsverhältnis sei möglich. Die tarifliche Ausbildungsvergütung habe von 1992 bis 1993 im ersten Lehrjahr 615,00 DM, im zweiten 680,00 DM, im dritten 775,00 DM und im vierten 850,00 DM betragen.

Mit Bescheid vom 18.03.1999 lehnte der Beklagte die Neufeststellung des Jahresarbeitsverdienstes (JAV) nach § 573 RVO ab. Es könne nachträglich nicht mit Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass tatsächlich ab Juni 1993 ein Ausbildungsverhältnis bestanden habe. Der Versicherte habe am 14.07.1994 angegeben, dass er seit dem 01.06.1993 als Fertigungshelfer bei der Firma V. tätig sei. Die tarifliche Ausbildungsvergütung eines Kfz-Mechanikers habe 1994 im zweiten Lehrjahr monatlich 680,00 DM betragen. Der Kläger habe bereits im September 1993 einen Monatslohn von 1.150,00 DM erzielt. Es handele sich hierbei um den Lohn eines Fertigungshelfers und nicht um die Ausbildungsvergütung eines Auszubildenden. Nachdem dieser Lohn bereits bei der Berechnung des Jahresarbeitsverdienstes berücksichtigt worden sei und dabei der Mindest-JAV gemäß § 575 Abs.1 RVO festgestellt worden sei, sei der Mindest-JAV weiterhin der Rentenberechnung zugrunde zu legen.

Mit Widerspruch vom 14.04.1999 wandte der Kläger ein, er sei zum Unfallzeitpunkt Auszubildender bei der Firma V. gewesen. Im September 1993 habe er nicht einen Monatslohn von 1.150,00 DM, sondern Ausbildungsvergütung erhalten. Schließlich habe er auch die Berufsschule besucht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.1999 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Weder die Abschrift eines Berufsausbildungsvertrages noch die beigefügte Bestätigung, wonach infolge Betriebsverlegung die Vorlage des Ausbildungsvertrages bei der Handwerkskammer übersehen worden sei, vermöchten zu überzeugen. Entscheidend sei die Tatsache, dass in der Zeit vom 01.06.1993 bis jetzt bei der Handwerkskammer vom Vater des Klägers kein Handwerksbetrieb angemeldet worden sei. Berücksichtige man noch die Tatsache, dass es sich bei der Firma A. um einen Betrieb handele, der sich auf die Entwicklung und Produktion von Auspuffanlagen spezialisiert habe, werde deutlich, dass ein derartiger Betrieb wohl kaum die umfangreiche allgemein übliche Werkstättenausstattung bzw. das nötige Auftragsvolumen einer Kfz-Werkstätte habe, um erfolgreich Kfz-Mechaniker ausbilden zu können. Schließlich spreche auch die im Lohnnachweis vom 12.12.1994 ausgewiesene Vergütung von monatlich 1.150,00 DM ab September 1993 für einen Einsatz des Klägers als Fertigungshelfer und nicht für eine Ausbildungsvergütung. Diese hätte sich nach dem vorgelegten Ausbildungsvertrag lediglich auf 685,00 DM monatlich belaufen. Gegenüber der AOK Amberg sei gemäß der Beitragsrechnung vom 01.09.1994 ein monatliches Entgelt von 1.236,00 DM angegeben worden. Da die tarifliche Ausbildungsvergütung im ersten Lehrjahr lediglich 615,00 DM betragen habe, könne es sich bei dem tatsächlich gezahlten Entgelt nicht um eine Ausbildungsvergütung gehandelt haben.

Die zum Sozialgericht Regensburg am 12.11.1999 erhobene Klage hat der Kläger damit begründet, dass er sich zum Zeitpunkt des Unfalls in einem Ausbildungsverhältnis, zumindest in einem faktischen Ausbildungsverhältnis, bei der Firma V. befunden habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.03.2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Ausbildung zum Karrosserie- und Fahrzeugbauer bei der Firma B. habe der Kläger am 04.06.1993 abgebrochen. Sein Vater habe lediglich von 1987 bis 1990 ein Gewerbe bei der Handwerkskammer angemeldet. Was den eingereichten Berufsausbildungsvertrag betreffe, so seien weder für Beginn noch Ende der Ausbildung Daten eingetragen. Zudem stimmten die dort angegebenen Ausbildungsvergütungen nicht mit der im Lohnnachweis vom 12.12.1994 ausgewiesenen Vergütung überein. Eine Lohnzahlung von 1.150,00 DM spreche für einen Einsatz des Klägers als Fertigungshelfer und nicht für eine Ausbildungsvergütung. Dies bestätige auch die Beitragsberechnung vom 01.09.1994 gegenüber der AOK Amberg, wonach das monatliche Entgelt zum Unfallzeitpunkt 1.236,00 DM betragen habe.

Die Berufung vom 11.04.2001 begründet der Kläger damit, dass er sich am 19.05.1994 in einem Berufsausbildungsverhältnis befunden habe. Als Zeugen benennt er D. V ...

Im Erörterungstermin vom 12.09.2001 gibt der Vater des Klägers, der Kfz-Mechanikermeister D. V. , an, seine Firma habe vor 1993 den Namen V. getragen. Im Mai 1993, als er den Lehrvertrag mit seinem Sohn abgeschlossen habe, habe die Bezeichnung Racing- und Ralleyshop gelautet. Dazu habe eine Reparaturwerkstätte und eine Metallwarenfertigung mit Schalldämpferbau gehört. So erkläre sich die Angabe der AOK, die Firma laute Schalldämpferbau V ... Ab Juni 1994 habe sein ältester Sohn Mario den Betrieb übernommen, der seitdem als A. V. firmiere. Er sei jetzt der Betriebsleiter, da sein Sohn Mario eine kaufmännische Ausbildung habe. Im September 1993 sei er mit dem Betrieb von A. nach F. umgezogen. Mit dem Umzug sei er ca. drei Monate beschäftigt gewesen und habe deshalb vergessen, den Lehrvertrag bei der Handwerkskammer oder der Industrie- und Handelskammer einzureichen. Der Kläger habe ab Juni 1993 als Auszubildender alle Tätigkeiten, die ein Kfz-Mechaniker beherrschen müsse, ausgeübt. Das Lehrverhältnis habe bis zum Unfall bestanden. Dass er vergessen habe, den Lehrvertrag einzusenden, sei nur durch die Belastungen des Umzugs zu erklären. Er habe angenommen, seine Büromitarbeiterin habe den Vertrag eingesandt. Der Betrieb sei stets bei der Industrie- und Handelskammer gemeldet gewesen. Belege über die Meldung habe er bis jetzt nicht gefunden.

Der Kläger erklärt im Erörterungstermin, die Angaben im Formblatt vom 14.07.1994 habe sein Bruder eingetragen. Er habe dieses Blatt nur unterschrieben. Schriftstücke, die ihm sein Bruder vorgelegt habe, habe er häufig ungelesen unterschrieben. Den Berufsausbildungsvertrag habe er auch nicht durchgelesen. Er habe ihn auch nicht ausgehändigt erhalten. Er wisse nicht, wer das Exemplar, das dem Beklagten vorgelegt worden sei, gefunden habe. Das Berichtsheft für die Berufsschule aus der Zeit vor dem Unfall besitze er noch, er werde es dem Gericht umgehend übersenden.

Auf Anfrage des Senats teilt die Industrie- und Handelskammer Regensburg mit, das Unternehmen V. sei im Handelsregister eingetragen und Mitglied bei der Industrie- und Handelskammer.

Auf Anfrage teilt der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 26.10.2001 mit, das Berichtsheft sei nicht gefunden worden. Mit Schriftsatz vom 14.01.2002 legt er Unterlagen vor, die be- einem Ausbildungsverhältnis befunden habe. Auf das Schreiben wird Bezug genommen.

Der Kläger stellt den Antrag,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 12.03.2001 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 18.03.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11.10.1999 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den der bewilligten Verletztenrente zugrundeliegenden Jahresarbeitsverdienst für die Zeit ab 11.03.1996 (voraussichtliche Ablegung der Gesellenprüfung) gemäß § 573 RVO neu zu berechnen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten des Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII in Verbindung mit § 580 RVO).

Gemäß § 573 RVO wird der Jahresarbeitsverdienst, wenn sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befand und es für den Berechtigten günstiger ist, für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet. Die Ausbildung muss zur Zeit des Versicherungsfalls begonnen haben und darf noch nicht beendet sein. § 573 RVO durchbricht den sonst im Unfallversicherungsrecht geltenden Grundsatz, dass für die Rentenberechnung die tatsächlichen Verdienst- und Einkommensverhältnisse des Versicherten vor dem Arbeitsunfall maßgeblich sind und künftiges Erwerbseinkommen grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist. Die Vorschrift soll die Verletzten begünstigen, die in jungen Jahren einen Arbeitsunfall erlitten haben. Bei ihnen soll bei der Berechnung der Leistungen stets das Entgelt zugrunde gelegt werden, das der Tarifvertrag für bestimmte spätere Lebensjahre für sie vorgesehen hätte.

Zur Überzeugung des Senats ist aber nicht nachgewiesen, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls tatsächlich in einem Ausbildungsverhältnis befand. Unstreitig erlitt er den Unfall, als er sich auf dem Heimweg von der Staatlichen Berufsschule A. befand. Es spricht jedoch mehr dafür, dass sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt zwar in einem Beschäftigungsverhältnis in der Firma seines Vaters befand, nicht dagegen in einem Ausbildungsverhältnis. Zunächst einmal konnten sich weder der Kläger noch sein Vater als Auszubildender daran erinnern, ob ein Ausbildungsvertrag geschlossen worden war; dann ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 14.01.1998 vortragen, ein schriftlicher Ausbildungsvertrag sei nicht geschlossen worden. Der mit Schreiben vom 30.12.1998 schließlich vorgelegte Ausbildungsvertrag enthält keine Angaben zum Anfang und zum Ende des Ausbildungsverhältnisses.

Dass der Kläger nach der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses bei der Fa.B. weiterhin die Berufsschule besuchte, beweist nicht das Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses. Denn nach dem Ende der Vollzeitschulpflicht wird die Schulpflicht durch den Besuch der Berufsschule erfüllt. Berufsschulpflichtige ohne Ausbildungsverhältnis können nur bei Besuch von Vollzeitlehrgängen, nach 11 Schulbesuchsjahren oder bei Vorliegen eines Härtefalles vom Besuch der Berufsschule befreit werden (Art.39 Abs.1 und 4 BayEUG). Im Übrigen hat die Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz bestätigt, dass Einladungen für überbetriebliche Unterweisungslehrgänge auch dann ergehen, wenn die Auflösung des Lehrverhältnisses nicht bekannt ist. Die vom Kläger vorgelegte Teilnahmebestätigung kann also ebensowenig wie das Jahreszeugnis das Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses zum Zeitpunkt des Unfalles beweisen. Das Berichtsheft, in dem der Auszubildende seine Tätigkeiten im Betrieb sowie Unterweisungen und Themen des Berufsschulunterrichts einzutragen hat, konnte der Kläger nicht vorlegen.

Gegen das Bestehen eines Ausbildungsverhältnisses spricht auch die Entlohnung, die im Lehrvertrag mit 685,00 DM im ersten und mit 1.040,00DM im letzten Ausbildungsjahr angegeben ist, während der Kläger nach den Angaben gegenüber der Beklagten ab 01.05.1993 1.088,00 DM monatlich zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ab September 1993 1.150,00 DM und nach den Angaben gegenüber der AOK 1.236,00 DM monatlich verdiente.

Auffällig ist auch, dass im Fragebogen vom 14.07.1994 als Beschäftigung ab 01.06.1993 Fertigungshelfer eingetragen ist. Die Angabe des Klägers, sein Bruder habe dieses Formblatt ausgefüllt, wird als wahr unterstellt; dennoch erscheint es nicht glaubhaft, dass der Kläger, wie er behauptet, das Formblatt, ohne es zu lesen, unterschrieben haben sollte.

Die vorliegenden Unterlagen machen es wahrscheinlicher, dass der Kläger nach dem Abbruch der Ausbildung bei der Firma B. , die vom 01.09.1992 bis 04.06.1993 gedauert hatte, im Betrieb seines Vaters eine Tätigkeit übernahm, ohne in einem Ausbildungsverhältnis zu stehen. Die eine übliche Ausbildungsvergütung erheblich übersteigende Lohnzahlung und die Nichtvorlage des Ausbildungsvertrages bei der Handwerkskammer sprechen gegen eine Berufsausbildung des Klägers zum Unfallzeitpunkt.

Der Einvernahme des Bruders des Klägers bedurfte es bei dieser Sachlage nicht. Es wird als wahr unterstellt, dass er den Fragebogen vom 14.07.1994 ausgefüllt hat. Dass der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls Auszubildender gewesen sei, hat bereits der Vater des Klägers als Ausbilder bekundet. Auch eine weitere entsprechende Aussage durch den Bruder des Klägers kann die entgegenstehenden Gründe nicht entkräften.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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