L 5 AR 106/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 268/99
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 AR 106/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Ablehnung des Vorsitzenden der 2. Kammer des Sozialgerichts Nürnberg, Richter am Sozialgericht Z. , wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.

Gründe:

I.

Die Klägerin und Antragstellerin, von Beruf Zahnärztin, führt vor der 2. Kammer des Sozialgerichts Nürnberg - SG - (Vorsitzender: Richter am Sozialgericht - RiSG - Z.) Verfahren gegen die Beklagte wegen der Entschädigung zweier Arbeitsunfälle vom 22.07.1993 (S 2 U 147/99) und 06.08.1996 (S 2 U 268/99).

Bezüglich des Unfalls vom 22.07.1993 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ein Rentenanspruch wegen der Unfallfolgen nicht bestehe (Bescheid vom 18.09.1997/Widerspruchsbescheid vom 26.04.1999). Der von RiSG Z. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragte Chirurg Dr.S. (Z.) hat die Auffassung der Beklagten bestätigt (Gutachten vom 29.02.2000). Obwohl die Klägerin erklärt hatte, mit diesem Gutachten - betreffend den Unfall von 1993 - einverstanden zu sein (Fax vom 30.06.2000), blieben Anfragen des SG vom 03.07.2000, 18.07.2000, 03.08.2000 und 27.11.2000, ob die Klage S 2 U 147/99 zurückgenommen werde, unbeantwortet.

Hinsichtlich des Unfalls vom 06.08.1996 erkannte die Beklagte eine dadurch bedingte MdE von 20 v.H. für die Zeit vom 14.10.1996 bis 30.06.1997 an (Bescheid vom 18.09.1997/Widerspruchsbescheid vom 26.04.1999); danach bestehe keine rentenberechtigende MdE mehr. Dies hat der Sachverständige des SG Dr.S. in einem weiteren Gutachten vom 29.02.2000 ebenfalls bestätigt. Demgegenüber ist der auf Antrag der Klägerin (§ 109 SGG) gehörte Sachverständige Dr.S. (B.) in seinem Gutachten vom 29.01.2001 zu der Auffassung gelangt, dass über den 30.06.1997 hinaus bis zum 30.06.1998 eine unfallbedingte MdE um 20 v.H. bestanden habe.

Am 27.06.2001 hat der Kammervorsitzende in beiden Verfahren Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 12.07.2001 bestimmt und das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet. Mit Fax vom 29.06.2001 hat diese beantragt, den Termin zu verschieben, da es ihr aufgrund "anderweitiger, nicht mehr abänderbarer Verpflichtungen" nicht möglich sei, den Termin wahrzunehmen. Als nächstmöglichen Termin würde sie sich den 26.07.2001 freihalten; wenn der Vorsitzende sie von dem Erfordernis des persönlichen Erscheinens entbinde, könnte auch der 12.07.2001 durch einen von ihr bevollmächtigten Vertreter wahrgenommen werden.

Mit Schreiben vom 02.07.2001 hat RiSG Z. der Klägerin mitgeteilt, dass die Verhinderungsgründe konkret nachgewiesen werden müssten; das persönliche Erscheinen sei erforderlich.

Am 06.07.2001 hat daraufhin die Klägerin gegen den Kammervorsitzenden in beiden Verfahren Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt und ihn wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt: Sie habe - nach Erhalt des Schreibens vom 02.07.2001 am 04.07. 2001 - am 05.07.2001 vergeblich versucht, mit RiSG Z. telefonisch Kontakt aufzunehmen. Der Kammervorsitzende habe sich nicht sprechen lassen, so dass sie nur über die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle dem Richter ihre Argumente habe vortragen und seine jeweiligen Antworten habe entgegennehmen können. Sie habe den Kammervorsitzenden - über die Urkundsbeamtin - wissen lassen, dass sie am 12.07.2001 einen langen vorbestellten Sprechstundentag habe, an dem auch schon seit längerer Zeit eingeplante und nicht mehr abänderbare Terminarbeiten durchgeführt werden sollten, zu denen Techniker, Helferin und Patienten fest einbestellt worden seien. Eine Verlegung der Termine sei u.a. wegen Urlaubsplanungen der Patienten nicht mehr möglich. Auch hinsichtlich der Anordnung ihres persönlichen Erscheinens stimme sie mit dem Richter nicht überein, da die im Verfahren zu treffenden Entscheidungen ausschließlich aufgrund der Schriftsätze der Beteiligten vorzunehmen seien. So habe die Urkundsbeamtin eingeräumt, dass sie - die Klägerin - gegen Verhängung eines Ordnungsgeldes dem Termin ohne Weiteres fernbleiben könne. Es würde auch ohne ihre Anwesenheit entschieden werden, wogegen sie dann Berufung einlegen könne. Darüber hinaus habe die Urkundsbeamtin die Anordnung ihres - der Klägerin - persönlichen Erscheinens damit begründet, dass der Richter sie - die Klägerin - "gern einmal kennenlernen" würde. Den von dem Kammervorsitzenden geforderten konkreten Nachweis der Verhinderungsgründe könne sie im Übrigen nicht erbringen, da sie dazu die ärztliche Schweigepflicht verletzen müsste, was ein Strafverfahren nach sich ziehen würde. Darüber hinaus verweise sie auf § 227 ZPO, wonach für die Hinderungsgründe nur eine Glaubhaftmachung gefordert werde. Auch sei ein Termin zwischen dem 01.07. und dem 31.08. auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung zu verlegen.

RiSG Z. hat sich zu dem Ablehnungsgesuch am 09.07.2001 dienstlich geäußert und ausgeführt, dass die Anordnung des persönlichen Erscheinens bei vertretenen sowie bei nicht vertretenen Klägern die Regel sei, um ein Sach- und Rechtsgespräch zu führen sowie um auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Die angebliche Äußerung der Urkundsbeamtin sei, falls sie so gegeben worden sein sollte, "natürlich Unsinn".

II.

Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichte abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 S.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässigen Ablehnungsgesuche erweisen sich als unbegründet.

Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 60 Abs.1 S.1 SGG, 42 Abs.2 ZPO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (BVerfGE 35, 171, 172; NJW 1999, 132, 133). Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, S.186/14). Es kommt weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des abgelehnten Richters, ob er befangen sei oder nicht (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Auflage, § 42 Rdnr.9). Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Richterablehnung nämlich nicht nur eine tatsächlich parteiliche Rechtspflege verhindern, sondern darüber hinaus auch schon den für einen Prozessbeteiligten nach den Umständen naheliegenden oder doch verständlichen Argwohn vermeiden wollen, der Richter werde nicht unparteilich entscheiden.

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Klägerin keinen Grund, im Hinblick auf das Festhalten am Termin vom 12.07.2001 die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung des RiSG Z. in Zweifel zu ziehen.

Das Interesse an einer raschen und zügigen Verfahrensabwicklung und an der Vermeidung unnötiger zusätzlicher Belastungen für alle Verfahrensbeteiligten gebietet es, Terminsverlegungen möglichst zu vermeiden. Das gilt insbesondere dann, wenn die Beteiligten zu einem Termin bereits geladen sind. Die Ablehnung des Antrags auf Verlegung eines Termins bietet mithin grundsätzlich keinen Anlass, an der Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln. Es müssen vielmehr besondere Umstände des Einzelfalles hinzukommen, wenn bei vernünftiger Betrachtung vom Standpunkt des Ablehnenden aus Anlass für die Befürchtung bestehen soll, der Richter stehe der Sache nicht unparteiisch gegenüber (vgl. BayObLG, MDR 1986, 416). Solche besonderen Umstände sind anzunehmen, wenn das prozessuale Vorgehen des Richters den Anschein von Willkür erweckt und sich der dadurch betroffenen Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt (vgl. OLG Zweibrücken, MDR 1999, 113; OLG Koblenz, MDR 1991, 448).

Davon kann hier nicht die Rede sein.

Aufgrund des Fax vom 29.06.2001 musste sich RiSG Z. nicht veranlasst sehen, den Termin zu verlegen. Denn die Begründung, es sei ihr - der Klägerin - wegen "anderweitiger, nicht mehr abänderbarer Verpflichtungen" unmöglich, den Termin vom 12.07. 2001 wahrzunehmen, stellt - mangels Bestimmtheit - keinen für eine Terminsänderung "erheblichen Grund" i.S. des § 227 Abs.1 ZPO dar, welcher gemäß § 202 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend gilt. Eine Terminsverlegung ist in der Regel nicht geboten, wenn ein Beteiligter ohne Angabe von Gründen darum bittet (vgl. Meyer-Ladewig, ZPO, 6. Auflage, § 110 Rdnr.6). Den von ihm im Schreiben vom 02.07.2001 geforderten "konkreten Nachweis" der Verhinderungsgründe - gemeint ist wohl die Glaubhaftmachung der Gründe, die der Vorsitzende nach § 227 Abs.2 ZPO verlangen kann - hat die Klägerin durch das Telefongespräch vom 05.07.2001 - mit im Wesentlichen der bloßen Wiederholung des im Fax vom 29.06.2001 enthaltenen Vorbringens - nach Meinung des RiSG Z. offensichtlich ebenfalls nicht erbracht. Das ist im Hinblick auf die Vorschrift des § 294 Abs.2 ZPO, wonach bei einer Glaubhaftmachung die Beweisaufnahme sofort möglich sein muss (vgl. Thomas-Putzo, ZPO, 21. Auflage, § 294 Rdnr.2), jedenfalls unter befangenheitsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

Eine Pflicht des abgelehnten Richters zur Verlegung des Termins der mündlichen Verhandlung ergab sich - entgegen der Meinung der Klägerin - ferner nicht aus § 227 Abs.3 S.1 ZPO. Danach ist zwar grundsätzlich ein für die Zeit vom 01.07. bis 31.08. bestimmter Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf Antrag innerhalb einer Woche nach Zugang der Ladung oder Terminsbestimmung zu verlegen. Diese Regelung ist jedoch nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 110 Abs.3 SGG in der Sozialgerichtsbarkeit nicht anwendbar. § 227 Abs.3 S.1 ZPO ist nämlich als Ersatz für die abgeschafften Gerichtsferien eingeführt, die es in der Sozialgerichtsbarkeit nie gegeben hat (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 110 Rdnr.3).

Auch die Anordnung des persönlichen Erscheinens (§ 111 SGG) der Klägerin vermag die Besorgnis der Befangenheit des Kammervorsitzenden nicht zu begründen. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem Ermessen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 111 Rdnr.2 b). Das persönliche Erscheinen kann im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens und der Aufklärung des Sachverhalts angeordnet werden (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr.1). Damit kann zugleich die Mitwirkungspflicht der Beteiligten durchgesetzt werden. Unter diesen Umständen vermag der Senat - nicht zuletzt auch im Hinblick auf die vier unbeantwortet gebliebenen Anfragen des SG an die Klägerin, ob sie aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Dr.S. die Klage in dem Rechtsstreit S 2 U 147/99 zurücknehme - sachfremde Gründe für die Anordnung des persönlichen Erscheinens - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht festzustellen.

Dass letztendlich die von der Klägerin monierten - zumindest missverständlichen - Äußerungen während des Telefongesprächs vom 05.07.2001, falls sie so gefallen sein sollten, nicht die Besorgnis der Befangenheit des RiSG Z. rechtfertigen, folgt schon daraus, dass dieses Gespräch nicht mit dem Richter, sondern mit der Urkundsbeamtin der 2. Kammer geführt worden ist.

Die Anträge der Klägerin waren daher nach allem als unbegründet zurückzuweisen.

Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 183 SGG) und endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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