L 4 KR 3/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 26/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 3/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 21. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist, ob drei polnische Staatsangehörige bei der Klägerin in der Zeit vom 01.04. bis 30.11.1995 in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis standen und die Klägerin daher Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeiteslosenversicherung in Höhe von 30.083,40 DM an die Beklagte als Einzugsstelle zu entrichten hat.

Angeblich am 26.03.1995 unterzeichneten die Klägerin sowie A. R. , M. R. und D. R. ein als Gesellschaftsvertrag bezeichnetes Schriftstück. Die Genannten machen damit eine Tätigkeit als Gesellschafter einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts geltend. Das Schreiben wurde der Beklagten am 27.12.1995 vorgelegt. Am 31.10.1995 meldete die Klägerin beim Gewerbeamt der Stadt R. rückwirkend zum 01.04.1995 die Firma "H. L. Gerüstbau, Erstellen von Gerüsten aller Art" an. Die Gewerbeabmeldung erfolgte zum 29.11.1996. Mit Bescheid vom 02.11.1995 erteilten die Bau-Berufsgenossenschaft (BG) Bayern und Sachsen einen Aufnahmebescheid und Mitgliedsschein, wonach die Klägerin und die drei polnischen Staatsbürger seit 01.04.1995 Mitglieder der Bau-BG sind.

Am 29.11.1995 traf die Kriminalpolizeiinspektion R. die drei o.g. polnischen Staatsangehörigen in der Firma der Klägerin bei der Verrichtung von Arbeiten an; es wurde dabei festgestellt, dass weder Arbeits- noch gültige Aufenthaltserlaubnisse vorlagen, die drei polnischen Staatsangehörigen vielmehr als Touristen in die Bundesrepublik Deutschland eingereist waren.

Bei einer späteren Kontrolle wurden die Gebrüder R. erneut bei Arbeiten angetroffen. Bei der polizeilichen Vernehmung am 11.12. 1995 gab D. R. an, die deutsche Sprache weder in Wort noch Schrift beherrschen zu können. Gegen die drei polnischen Staatsangehörigen ergingen Strafbefehle des Amtsgerichts Regensburg wegen vorsätzlichen unerlaubten Aufenthaltes. Die Beklagte wurde im Dezember 1995 bzw. Januar 1996 über die Verstöße informiert. Die gegen M. und D. R. erlassenen Strafbefehle vom 20.02.1996 wurden am 04.04.1996 rechtskräftig. Das gegen A. R. am 31.03.1996 ergangene Urteil wurde nach erfolgloser Berufung und Revision am 28.11.1996 rechtskräftig (Az.: 106 Js 26548/95a).

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 10.09.1996 fest, dass die drei polnischen Staatsangehörigen bei der Klägerin in der streitgegenständlichen Zeit versicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien. Unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen monatlichen Bruttolohns von 3.000,00 DM für jeden Arbeitnehmer errechnete sie Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 30.083,40 DM.

Mit Widerspruch vom 24.09.1996 machte die Klägerin geltend, bei den genannten polnischen Staatangehörigen handele es sich nicht um Arbeitnehmer, sondern um Selbständige, die nach dem Gesellschaftervertrag vom 26.03.1995 zur Geschäftsführung berufen seien und somit nicht der Sozialversicherungspflicht unterlägen, hilfsweise, dass bei Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft von so genannten Geringverdienern auszugehen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.1997 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die o.g. polnischen Staatsangehörigen seien bei der Firma der Klägerin gegen Zahlung von Arbeitsentgelt in einem abhängigen und weisungsgebundenen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen spreche nichts für eine Tätigkeit der drei Genannten als selbständige Unternehmer im Rahmen einer Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts. Eine privatrechtliche Vereinbarung, die zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten geschlossen werde, sei nichtig. Anhand vergleichbarer Arbeitnehmer aus dem Betrieb der Klägerin sei die Höhe der Beträge auch nachvollziehbar.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 08.04. 1997 Klage (S 2 KR 26/97) erhoben und zugleich Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt (S 2 Vr 12/97.KR). Zur Begründung hat sie wiederum vorgetragen, dass sie sowie die drei polnischen Staatsangehörigen eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts gegründet hätten. Zweck dieser Gesellschaft sei von vornherein die Erstellung von Gerüsten als Nachunternehmer für andere Gerüstbauunternehmen gewesen. Selbst bei Annahme einer Arbeitnehmereigenschaft seien die vorgenannten Personen nur als geringfügig Beschäftigte anzusehen. Wegen der ungünstigen Geschäftsentwicklung sei eine Entnahme der Gewinnanteile unterblieben; Lohnunterlagen seien nicht mehr vorhanden, so dass andere Kriterien für eine eventuelle Schätzung herangezogen werden müssten. Sie hat den Gesellschaftervertrag vom 26.03.1995, eine Lohn- und Zeitaufstellung von April 1995 bis November 1995 der polnischen Staatsangehörigen, eine Gewinn- und Verlustrechnung der Jahre 1995 und 1996 sowie Anlagen zur Einkommenssteuererklärung 1995 und 1996; weiterhin den Aufnahmebescheid und Mitgliedsschein der Bau-BG Bayern- und Sachsen vom 22.11.1995 sowie die Eintragung der Handwerkskammer Niederbayern/Oberpfalz vom 04.12.1995 in das Verzeichnis der handwerksähnlichen Gewerbe vorgelegt (Schreiben vom 05.05.1997).

Mit Schriftsatz vom 14.05.1997 hat die Beklagte auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen und bekräftigt, dass keine Veranlassung bestehe, von der vorgenommenen Schätzung der Arbeitsentgelte abzurücken. Die mit Schreiben vom 05.05.1997 vorgelegten Lohnkonten für die drei polnischen Staatsbürger seien keine brauchbaren Unterlagen, da die Klägerin in der Klagebegründung selbst betont habe, dass keine verwertbaren Lohnunterlagen vorlägen. Am 27.07.1997 hat die Klägerin eidesstattlich versichert, kein Vermögen zu haben und als kaufmännische Angestellte im Betrieb ihres Mannes mit einem Bruttogehalt von 1.000,00 DM beschäftigt zu sein.

Das SG hat die Akten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht R. (Az.: 106 Js 288/96) beigezogen, aus diesen sich ergibt, dass gegen die Klägerin am 20.05.1997 ein Strafbefehl verhängt wurde wegen Verstoßes gegen das Ausländergesetz. Dieses Verfahren wurde vorübergehend eingestellt. Weiterhin hat das SG die Akte der Staatsanwaltschaft beim Landgericht R. (Az.: 106 Js 26548/95a) betreffend A. R. beigezogen.

Der mit der Klage gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist mit Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 20.11.1997 abgelehnt, sowie nach Einlegung der Beschwerde mit Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts in München vom 16.04.1998 zurückgewiesen worden (Az.: S 2 VR 12/97.KR bzw. L 4 B 477/97 KR-ER). Das vorangegangene Verfahren der Klägerin wegen der Gewährung von vorläufigen Rechtsschutz hatte sich durch Rücknahme am 27.12.1996 erledigt (Az.: S 2 VR 23/96 Kr).

Das SG hat mit Urteil vom 21.07.2000 die Klage abgewiesen. Die drei polnischen Staatsangehörigen seien in abhängiger, versicherungspflichtiger Beschäftigung tätig gewesen. Es bestünden Zweifel, ob tatsächlich am 26.03.1995 eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts gegründet worden sei. Es sei vielmehr davon auszugehen, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis verschleiert werden sollte. Ein derartiges Rechtsgeschäft wäre als nichtig anzusehen. Eine geringfügige Beschäftigung sei ebenfalls nicht anzunehmen, vorgelegte Lohnkonten seien nicht glaubhaft bzw. verwertbar. Auch an der Schätzung der Beitragshöhe sei nichts auszusetzen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 27.12. 2000. Die Klägerin hat am 15.01.2001 mitgeteilt, dass der streitige Betrag bisher noch nicht bezahlt worden ist. Begründet wird die Berufung (Schriftsatz vom 16.02.2003) im Wesentlichen damit, dass ein Gesellschaftsvertrag des Bürgerlichen Rechts vorliege, die genannten polnischen Staatsangehörigen Gesellschafter gewesen seien, die ihren Beitrag als Gesellschafter durch die Erbringung von Dienstleistungen erfüllt hätten. Der Beitragsbescheid sei auch betreffend der Höhe rechtswidrig, da die Voraussetzungen für eine Schätzung nicht gegeben gewesen seien. Die Beklagte habe falsche Grundlagen in die Berechnungen eingestellt, da sie in die Schätzung lediglich drei Mitarbeiter der Klägerin einbezogen habe. In der Berufungserwiderung vom 08.04.2003 verweist die Beklagte auf den Widerspruchsbescheid und trägt vor, dass ein Dienstverhältnis auch ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung sein könne. Die Gründung der Gesellschaft sei zu Verschleierungszwecken erfolgt. Verwertbare Unterlagen, insbesondere Lohnunterlagen, seien von der Klägerin nicht beigebracht worden. In der mündlichen Verhandlung haben die Klägerin und die Beklagte zugesagt, sich hinsichtlich der Beiträge für D. und M. R. , deren Aufenthalt nicht ermittelt werden konnte, der zu treffenden Entscheidung zu unterwerfen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 21.07.2000 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 10.09.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG (einschließ- lich der erledigten Verfahren S 2 VR 23/96.KR und S 2 VR 12/27.KR), die erledigte Beschwerdestreitsache (L 4 B 477/97 KR-ER) und die Akten der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Regensburg (Az.: 106 Js 288/96). Auf den Akteninhalt wird im Übrigen Bezug genom- men.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1000,00 DM.

Die Berufung erweist sich als unbegründet; das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden.

Die Klägerin ist verpflichtet, für die beschäftigten polnischen Staatsangehörigen für die Zeit vom 01.04. bis 30.11.1995 Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 30.083,40 DM zu zahlen.

Nach § 2 Abs.2 Nr.1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) sind Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind, in allen Zweigen sozialversicherungspflichtig. Die Krankenkasse ist gemäß §§ 28h, 28i SGB IV die zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag. Die Versicherungspflicht ergibt sich für die gesetzliche Krankenversicherung aus § 5 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 226 Abs.1 Nr.1 Sozialgesetzbuch V (SGB V), für die Pflegeversicherung aus § 20 Abs.1 Nr.1 Sozialgesetzbuch XI (SGB XI) i.V.m. §§ 57 Abs.1, 226 Abs.1 Nr.1 SGB V, die Arbeitslosenversicherung aus § 168 Abs.1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), für die Rentenversicherung aus § 1 Abs.1 Nr.1 i.V.m. § 162 Nr.1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) i.V.m. § 5 Abs.1 Nr.1 SGB V. Gemäß § 28e Abs.1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.

In den oben genannten Zweigen der Sozialversicherung hängt die Versicherungs- und Beitragspflicht davon ab, dass eine Beschäftigung gegen Entgelt verrichtet wird. Nach § 7 Abs.1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die nichtselbständige Arbeit wird durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitenden geprägt; sie kommt grundsätzlich in der Eingliederung des Arbeitenden in einem Betrieb und damit in der Fremdbestimmtheit seiner Arbeit sowie im Direktionsrecht des Arbeitgebers und der daraus resultierenden Weisungsgebundenheit des Arbeitenden zum Ausdruck. Der Arbeit- geber kann aufgrund seines Direktionsrechts Art, Ort und Zeit der Arbeitsleistung bestimmen und arbeitsbegleitende Verhaltensregeln aufstellen. Bezüglich des Merkmals Eingliederung in den Betrieb wird auf die tatsächlichen Verhältnisse und die Fremdbestimmtheit der Arbeit abgestellt. Damit werden die Zweifels- fälle gelöst, in denen eine vertragliche Vereinbarung nicht vor- liegt oder das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt ist oder praktisch nicht mehr besteht.

Die Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Tätigkeit. Liegen nach den Umständen des Einzelfalles sowohl Merkmale der Abhängigkeit als auch der Selbständigkeit vor, kommt es darauf an, welche Merkmale bei der Gesamtwürdigung wertungsgemäß überwiegen (Bundessozialgericht - BSG - vom 29.01.1981, BSGE 51, 164). Für den Grad der persönlichen Abhängigkeit sind folgende Merkmale kennzeichnend:

- enge Weisungsgebundenheit durch Eingliederung in ein hierarchisches System, insbesondere durch Unterstellung unter ein durch andere ausgeübtes Befehls- und Kontrollsystem, - fremdbestimmte Aufgaben verbunden mit der Pflicht, andere und nicht unmittelbar zum Aufgabenkreis gehörende Arbeiten zu übernehmen, - die Bindung an einen bestimmten Arbeitsplatz oder an eine den Arbeitsplatz bestimmende Tätigkeit, - Bindung an geregelte Arbeitszeiten, verbunden mit der Pflicht, regelmäßig zu erscheinen, Unterbrechungen und Urlaub bewilligen zu lassen und Veränderungen anzuzeigen, - die Verpflichtung, Arbeitszeiten und Arbeitskraft nicht oder nicht beliebig anderweitig zu verwerten.

Demgegenüber wird die selbständige Tätigkeit geprägt durch:

- die freie Verfügung über die eigene Arbeitskraft, verbunden mit der Befugnis übernommene Verrichtungen selbständig zu erledigen oder durch Dritte erledigen zu lassen, - weitgehend frei gestaltete Tätigkeit und beliebige Arbeitszeit sowie frei gewählter Arbeitsplatz, soweit die zu erbringende Leistung dies zulässt, - die uneingeschränkte Befugnis, gleichzeitig für andere Auftraggeber tätig zu sein, - eigenes wirtschaftliches Risiko (Unternehmerrisiko) für den Erfolg der Arbeit (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 7 SGB IV, Rz.10 m.w.N.).

Die als Gesellschaftsvertrag bezeichnete Vereinbarung vom 26.03.1995 lässt erkennen, dass die polnischen Staatsangehörigen, somit auch der Beigeladene zu 4., in den Geschäftsbetrieb der Klägerin eingegliedert waren. Unter Punkt 3) des "Gesellschaftsvertrages" heißt es: "Der Gesellschafter hat seine ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen. Keinem Gesellschafter (außer der Gesellschafterin H. L. , ausschließlich für die Firma L. H. Gerüstbau) ist während seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft gestattet, Konkurrenzgeschäfte für eigene oder fremde Rechnung auszuführen oder sich an Konkurrenzgeschäften unmittelbar oder mittelbar zu beteiligen." Den polnischen Staatsangehörigen war also untersagt, Tätigkeiten auf eigene Rechnung durchzuführen, das heißt außerhalb der betrieblichen Organisation der Klägerin. Sie unterlagen einem Wettbewerbsverbot und mussten bei Verstößen Schadensersatz leisten. Es war gewollt, dass sie ihre volle Erwerbstätigkeit im streitigen Zeitraum ausschließlich für die Klägerin erbrachten.

Von der Klägerin wird nicht bestritten, dass die drei polnischen Staatsangehörigen Gerüste aufgebaut haben. Hierbei handelte es sich um eine einfache, typische Arbeitnehmerverrichtung, die sie, also auch der Beigeladene zu 4., ohne eigene Betriebsmittel im Einwirkungsbereich des Beschäftigenden ausübten; dies spricht für ein weisungsgebundenes abhängiges Beschäftigungsverhältnis (BSG vom 18.05.1983, USK 8393 = DB 1984, 1198). Gegen eine Beurteilung als Selbständige spricht zudem, dass die polnischen Staatsangehörigen gegenüber der Polizei nicht auf ihre Eigenschaft als Gesellschafter hingewiesen haben.

Zweifel bestehen auch insoweit, ob überhaupt eine Gesellschaft Bürgerlichen Rechts gegründet wurde. Eine Eintragung der "BGB-Gesellschaft" erfolgte auch nicht ins Handelsregister, vielmehr wurde das Gewerbe im Oktober 1995 beim Gewerbeamt der Stadt R. rückwirkend angemeldet. Auch der Vertrag der Klägerin, dass der "Gesellschaftervertrag" zumindest dann nicht zur Anwendung kommt, wenn er zum Vorteil der drei "Mitgesellschafter" geführt hätte, das heißt, wenn es um die vertraglich vereinbare Entnahme eines Gewinnanteils in Höhe von 1.500,00 DM pro Monat geht, spricht gegen eine selbständige Tätigkeit der drei polnischen Staatsangehörigen.

Selbst wenn man davon ausgeht, dass eine BGB-Gesellschaft tatsächlich vertraglich vereinbart wurde, wäre diese Vereinbarung im Sinne des § 32 SGB I nichtig, da damit ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis umgangen werden sollte.

Letztlich sprechen auch die in den Akten der Staatsanwaltschaft enthaltenen Ermittlungen für eine abhängige, also sozialversicherungspflichte Beschäftigung der drei genannten polnischen Staatsangehörigen. In dem gegen A. R. ergangenen Urteil des Landgerichts R. vom 13.08.1996, das rechtskräftig geworden ist, wird unter anderem ausgeführt, dass A. R. selbst nicht behauptet hat, irgendwelche Geschäftsführungs- und Vertretungshandlungen vorgenommen zu haben, dass er auf den Vergütungsanspruch des "Gesellschaftsvertrages" verzichtet habe und dass er nun wieder bei einem monatlichen Nettoeinkommen von 800,00 bis 1.000,00 DM bei der Gerüstbaufirma L. tätig sei.

Anhaltspunkte, dass das eigentlich entscheidende Merkmal der selbständigen Tätigkeit, nämlich das eigene wirtschaftliche Risiko für den Erfolg der Arbeit (Unternehmerrisiko) vorliegt, sind nicht ersichtlich. Ebenso ist eine mangelnde soziale Schutzbedürftigkeit nicht belegt; dass die polnischen Staatsangehörigen privat sozial abgesichert wären durch entsprechende zum Beispiel private Krankenversicherungsverträge, ergibt sich nicht aus den Akten.

Aus alledem folgt, dass die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Kriterien überwiegen, wohingegen von einer selbständigen Tätigkeit im Rahmen einer Gesellschaftereigenschaft der drei polnischen Staatsangehörigen nicht die Rede sein kann.

Auch das hilfsweise Vorbringen der Klägerin, wonach, wenn Arbeitnehmereigenschaft gegeben wäre, es sich um so genannte Geringverdiener handle, greift nicht durch. Eine geringfügig entlohnte Beschäftigung liegt vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat entweder ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße oder bei höheren Arbeitsentgelt ein Sechstel des Gesamteinkommens nicht überschreitet (vgl. § 8 Abs.1 SGB IV a.F.).

Zu diesen Tatbestandmerkmalen wurde von der Klägerin nichts vorgetragen; dies betrifft insbesondere den zeitlichen Einsatz. Die dort vorgeschriebene Höchstgrenze von 15 Stunden nicht überschritten zu haben, stünde jedoch im Gegensatz zu dem klägerischen Vortrag über die angebliche Gesellschaftereigenschaft, insbesondere die zeitliche Verpflichtung der drei polnischen Staatsangehörigen. Soweit sie mit Schriftsatz vom 05.05.1997 die Lohn- und Zeittafel über die angebliche geringfügige Beschäftigung der polnischen Staatsangehörigen vorlegte, ist deren Richtigkeit zu bezweifeln, da noch mit Schriftsatz vom 07.04.1997 behauptet wurde, es fehle an verwertbaren Lohnunterlagen. Auch wäre die Klägerin gemäß § 28a Abs.9 SGB IV verpflichtet gewesen, geringfügig Beschäftigte bei Beginn der Arbeitsaufnahme der Krankenkasse zu melden. Die erst mit Schreiben vom 05.05. 1997 an die Beklagte vorgenommene Meldung spricht für die Verschleierung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses.

Im Ergebnis ist weder belegt, dass eine BGB-Gesellschaft bestanden hat, noch dass der Beigeladene zu 4. geringfügig beschäftigt war.

Letztlich bestehen auch keine Bedenken gegen die Höhe der geforderten Beiträge. Eine Schätzung der Beitragshöhe ist gemäß § 28f Abs.2 SGB IV zulässig, falls ein Arbeitgeber die gesetzlich vorgeschriebene Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt und die Beitragshöhe auch nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann. Die Klägerin hat keine verwertbaren Lohnunterlagen vorgelegt, so dass eine Schätzung durchgeführt werden durfte. Auch sind die Schätzungsgrundlagen, wonach die gemeldeten Löhne von vergleichbaren bei der Klägerin als Gerüstbauhelfer tätigen Mitarbeitern zugrunde gelegt wurden, nicht zu beanstanden. Ein Gesamtvergleich zwischen allen Mitarbeitern, einschließlich der Geringverdiener, war nicht notwendig. Dass die Schätzungsgrundlagen der Beklagten zu einer unverhältnismäßig hohen Bemessungsgrundlage geführt hätten, ist nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG a.F.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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