L 18 U 212/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 U 318/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 212/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die für die Annahme des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 2 RVO (jetzt § 2 Abs 2 SGB VII) erforderliche arbeitnehmerähnliche Tätigkeit setzt voraus, dass die Tendenz der zum Unfall führenden Handlung wesentlich auf die Belange des unterstützten Unternehmens gerichtet ist. Wesentlich ist nicht allein die zum Unfall führende einzelne Verrichtung, sondern das Gesamtbild des Vorhabens in einem größeren zeitlichen Zusammenhang (Fortführung BayLSG L 17 U 39/96, HV-Info 1997, 3111).
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.03.2000 aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des G. H. vom 05.07.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die entsprechenden gesetzlichen Leistungen zu gewähren.
III. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Unfall des Ehemanns der Klägerin, G. H. (H), vom 05.07.1996 als Arbeitsunfall zu entschädigen ist und der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zustehen.

Der am 1963 geborene H begleitete den Unternehmer K. (K) am 04.07.1996 nach Wildhaus/Schweiz, wo dieser eine Wintergartenmarkise bei Herrn W. (W) zu montieren hatte. H trug zum Zeitpunkt des Unfalls eine Unterarmgipsschiene wegen einer am 24.06.1996 erlittenen distalen Radiusfraktur links. Er stürzte am 05.07.1996 gegen 16.00 Uhr auf der Baustelle von einer Bockleiter, die vor dem Dach des Wintergartens des W aufgestellt war und schlug mit dem Hinterkopf/Nacken auf den Handgriff einer am Boden liegenden Kabelrolle auf. Er erlitt eine dorsale Aufspießverletzung (HWK 4) mit nachfolgender Tetraplegie. H verstarb am 06.12.1996 an den Unfallfolgen.

Die Kantonspolizei St Gallen nahm den Unfall auf und befragte K und W als Zeugen zum Unfallgeschehen. K gab an, Sonnenstores am Wintergarten des W montiert zu haben. Er habe den arbeitslosen H als Beifahrer in die Schweiz mitgenommen. Auf den Vorhalt des vernehmenden Kantonspolizisten, aus der angetroffenen Situation entstehe der Eindruck, dass H als Handlanger tätig gewesen sei, gab K an, der Einsatz des H als Handlanger sei auf keinen Fall geplant gewesen. Dies wäre wegen des von H getragenen Unterarmgipses links auch nicht möglich gewesen. Den Arbeitsplatz bei W habe er selbst eingerichtet. Er habe H nicht aufgefordert, die Leiter zu besteigen und er wisse auch nicht, weshalb H die Leiter bestiegen habe. K gab an, keine Arbeitsbewilligung für die Schweiz zu besitzen. Der Zeuge W berichtete, dass er K beim Tragen schwerer Montageteile geholfen habe. H habe nur kleine Handreichungen gemacht und Werkzeuge "geboten" sowie einmal im Werkstattwagen ein paar Löcher in ein Metallteil gebohrt. Schwere Arbeiten habe H nicht ausgeführt und sich auch nie auf dem Dach des Wintergartens aufgehalten. Er sei der Meinung gewesen, K habe die eigentlichen Arbeiten ausgeführt und H sei sein Handlanger gewesen. Es seien sowohl K, H und er selbst auf die Bockleiter gestiegen, H aber allenfalls, um ein Werkzeug oder eine Tube Silicon zu reichen. Weder K noch H hätten Alkohol zu sich genommen. Beide hätten um 9.30 Uhr einen Kaffee getrunken und sich dann gleich an die Arbeit gemacht. Über Mittag hätten sich die Männer in ihrem Auto verpflegt. Er habe gesehen, dass sie dort irgendein Limonadengetränk zu sich genommen hätten. Er habe kein Bier oder Ähnliches gesehen.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen mit Bescheid vom 30.06.1998 ab. Zur Begründung führte sie an, H habe K aus rein eigenwirtschaftlichen und privaten Gründen in die Schweiz begleitet, in keinem Beschäftigungsverhältnis zu K gestanden und zum konkreten Unfallzeitpunkt auch keine dem Unternehmen des K dienende Tätigkeit verrichtet. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.10.1998).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Nürnberg hat die Klägerin die Anerkennung des Unfalls des H als Arbeitsunfall und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen begehrt. Das SG hat die Klägerin sowie K und W als Zeugen einvernommen. Die Klägerin hat vorgetragen, H habe K die ganzen Jahre hinweg bei der Erledigung von Aufträgen (Fenster- und Türeinbau sowie Bestückung von Wintergärten) geholfen. Sie wisse, dass er dafür unterschiedliche Beträge, so einmal 800,- DM erhalten habe. Die Einsätze seien etwa 2 mal im Monat erfolgt. Vor der Reise in die Schweiz habe K ihren Ehemann zweimal telefonisch ersucht, ihn in die Schweiz zu begleiten. Sie habe ihrem Ehemann auf dessen Wunsch hin "Arbeitsklamotten", eine Jeanshose und ein kariertes Hemd in die Schweiz mitgegeben.

Der Zeuge K hat erklärt, er habe bis etwa 1992/1993 mit H öfter zusammen montiert, H als Mitarbeiter der Firma R. , er als selbständiger Unternehmer. Zu diesen Einsätzen habe er H, der keinen Führerschein besessen habe, öfter in seiner Wohnung abgeholt. Von 1992/93 bis 1996 habe er nicht gewusst, wo H gearbeitet habe. 14 Tage vor dem Unfallereignis habe er H zufällig wiedergetroffen und ihm von der Baustelle in der Schweiz erzählt. H habe geäußert, er habe die Schweiz noch nie gesehen und ihn um Mitnahme gebeten. Er habe H am 04.07.1996 gegen 19.00 Uhr von zu Hause abgeholt. Sie hätten in seinem Mercedes-Transporter in der Schweiz geschlafen und seien gegen 7.00 Uhr an der Baustelle eingetroffen. H sei ihm kein einziges Mal bei der Arbeit behilflich gewesen, sondern den ganzen Tage nur im Garten herumgelaufen. Die Montage der (Wintergarten)-Beschattung habe durch einen Mann erfolgen können, da die Teile von der Herstellerfirma R. vorgesteckt und vorgerichtet gewesen seien.

Der Zeuge W hat vor dem SG im Wesentlichen seine vor der Kantonspolizei gemachte Aussage wiederholt, H habe sich als Handlanger betätigt. Im Einzelnen hat er berichtet, das von H aufgeräumte Werkzeug habe aus mehreren Schraubenschlüsseln, einer Kreissäge sowie einer Handbohrmaschine, die auf der Terassenfläche gelegen habe, bestanden. Auch nach dem Unfall seien noch viele Werkzeuge herumgelegen. Nach seiner Erinnerung seien kleinere Werkzeuge (kleine Schlüssel) auf dem Glasdach gelegen und H sei nur wenige Stufen der Leiter hochgestiegen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 28.03.2000 abgewiesen. Es hat das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des H zu K verneint und auch nicht angenommen, H sei wie ein Versicherter tätig geworden. Zur Begründung hat es ua ausgeführt, H habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls eigenwirtschaftlich betätigt. Er habe K vor allem deswegen begleitet, weil er noch nie die Schweiz gesehen habe. Zwar habe H Kleinteile vom Bus zur Baustelle transportiert, tagsüber mit Metallteilen hantiert und am späten Nachmittag Werkzeuge zusammengetragen. Diese Tätigkeiten stellten aber lediglich eine untergeordnete Betätigung im Rahmen des für H privaten zweitägigen Ausflugs in die ihm bisher unbekannte Schweiz dar. Hierfür spreche auch der Umstand, dass H arbeitslos gemeldet gewesen sei und den linken Arm wegen eines Unterarmbruchs in Gips getragen habe. Die Bestückung des Wintergartens sei auch aufgrund der vorgefertigten Montageteile für einen Mann vorgesehen gewesen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt und gerügt, dass sich das Gericht im Wesentlichen auf die Aussage des Zeugen K gestützt habe, obwohl sich die Zeugenaussagen des K und W in den entscheidenden Punkten widersprächen. Die Aussage des Zeugen K, H habe nicht im Geringsten geholfen, sei nicht glaubhaft. Es sei lebensfremd zu denken, jemand halte sich den ganzen Tag auf einer Baustelle auf, nur um gelangweilt zuzuschauen.

Der vom Senat vernommene Unternehmer K. hat angegeben, er habe H wegen Trunkenheit entlassen und es sei allgemein bekannt gewesen, dass H trinke. Von einer Mitarbeit des H in der Firma des K habe er keine Kenntnis gehabt.

Eine Anfrage des Senats bei der Herstellerfirma der Markise hat ergeben, dass für eine Montage der Markise zwei Monteure benötigt werden (Schreiben der R.-Werke vom 11.06.2001). Die Klägerin hat weitere Zeugen aus dem Umfeld ihres verstorbenen Ehemannes und des K zum Beweis dafür benannt, dass H unmittelbar vor der Fahrt in die Schweiz regelmäßig bei K gearbeitet habe.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 28.03.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 30.06.1998 idF des Widerspruchsbescheides vom 02.10.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 05.07.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und entsprechende Leistungen zu gewähren. Der Bevollmächtigte der Beklagten beantragt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 28.03.2000 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Beklagtenakte, die beigezogene Ermittlungsakte der Kantonspolizei St Gallen und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Der Klägerin stehen wegen des Arbeitsunfalles des H vom 05.07.1996 Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu.

Der Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen richtet sich noch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da der von ihr geltend gemachte Arbeitsunfall des Versicherten vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VII - am 01.01.1997 eingetreten ist (§ 212 SGB VII).

Anhaltspunkte für das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses iS des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO liegen nicht vor. Danach ist gegen Arbeitsunfall versichert, wer aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses beschäftigt ist. Die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses, nämlich eine wirtschaftliche und vor allem eine durch Weisungsgebundenheit geprägte persönliche Abhängigkeit des H gegenüber K, lassen sich bei der hier gegebenen Beweislage nicht feststellen.

Die Klägerin hat aber dennoch einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, da H wie ein Versicherter tätig geworden ist (§ 539 Abs 2 RVO). Gemäß § 539 Abs 2 RVO sind Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die wie ein nach Abs 1 aufgrund eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses Versicherter tätig werden; dies gilt auch bei nur vorübergehender Tätigkeit. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Anwendung des § 539 Abs 2 RVO (jetzt § 2 Abs 2 SGB VII) erforderlich, dass es sich um eine ernstliche, dem Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem mutmaßlichen oder wirklichen Willen des Unternehmers entspricht (Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII Bd 1 4.Aufl § 2 RdNr 640). Bei einer Tätigkeit gemäß Abs 2 braucht eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit vom unterstützten Unternehmen nicht vorzuliegen; weiterhin sind die Beweggründe des Handelns für den Versicherungsschutz unerheblich. Grundsätzlich schließen auch Freundschafts- und Gefälligkeitsdienste den Versicherungsschutz nicht aus (aaO RdNr 641). Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Tätigkeit nach Abs 2 durch ihre Zielsetzung in erster Linie fremdbestimmt ist, dh eine Einordnung in ein fremdes Unternehmen vorliegt (aaO RdNrn 643, 644). Damit die Handlung als arbeitnehmerähnliche Tätigkeit für ein Unternehmen gewertet werden kann, muss die Tendenz der zum Unfall führenden Handlung wesentlich auf die Belange des unterstützten Unternehmens gerichtet sein (BSG Urteil vom 19.03.1996 2 RU 15/95). Wesentlich ist nicht allein die zum Unfall führende einzelne Verrichtung, sondern das Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens in einem größeren zeitlichen Zusammenhang (Lauterbach aaO RdNr 641 unter Verweisung auf Bayer. Landessozialgericht vom 11.03.1997 - L 17 U 39/96, HV-Info 1997, 3111 unter Bezugnahme auf BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 8 mwN). Das freundschaftliche Verhältnis zwischen den Beteiligten - nicht miteinander verwandten - Personen schließt den Unfallversicherungsschutz nicht aus, soweit es sich nicht um einen gerade selbstverständlichen Hilfsdienst gehandelt hat (Lauterbach aaO RdNr 643). Der Schutz aus Abs 2 beginnt in dem Augenblick wirksam zu werden, in dem der Helfende sich zur Hilfeleistung anschickt, also nicht erst mit dem tatsächlichen Helfen. Tritt bei dem "Sich-Anschicken" zum Helfen ein Unfall ein, kann daher bereits eine Verpflichtung zur Entschädigungsleistung bestehen (aaO RdNr 648 unter Verweisung auf BSG Rechtsprechung). Unter Versicherungsschutz steht auch, wer unaufgefordert und ohne vorherige Absprache aus eigenem Entschluss helfend eingreift (aaO RdNr 658).

Bei Würdigung dieser von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze besteht für den Senat kein Zweifel, dass der Unfall des H gemäß § 539 Abs 2 RVO versichert war. H ist entgegen der Auffassung des SG nicht bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit verunglückt. Die Annahme des SG, H habe sich zur reinen Freizeitgestaltung in der Schweiz befunden, beruht auf der gänzlich fehlenden Beweiswürdigung der Zeugenaussagen des K und W. Bei der Beweiswürdigung muss das Gericht das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der Beweisaufnahme zugrunde legen (Meyer-Ladewig, SGG, 6.Aufl § 128 RdNr 4). Es hat nach der Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrags unter Abwägung aller Umstände und insbesondere einander widersprechender Beweisergebnisse zu würdigen, ob die maßgebenden Tatsachen mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Dabei kann das Gericht seine Entscheidung auch nur auf einen Beteiligtenvortrag stützen, wenn er glaubhaft ist und der Lebenserfahrung entspricht. Fehlt einem Beteiligtenvortrag jede innere Wahrscheinlichkeit, muss sich das Gericht damit auseinandersetzen. In der Begründung müssen die unbestrittenen oder festgestellten Tatsachen dargelegt werden, aus denen das Gericht seine Überzeugung herleitet (aaO).

Hieran fehlt es im Urteil des SG. Im Hinblick auf die sich widersprechenden Aussagen der Zeugen K und W hätte Anlass bestanden, die Glaubwürdigkeit der Zeugen zu würdigen.

Der Senat hält die Aussage des K nicht für glaubwürdig. Das SG hat sich zu Unrecht auf die von K berichtete Äußerung des H gestützt, er habe K deswegen begleiten wollen, weil er die Schweiz noch nie gesehen habe. Eine derartige touristisch motivierte Handlungstendenz des H ist nach den Gesamtumständen wenig wahrscheinlich. Vielmehr war die Teilnahme des H im Wesentlichen von seinem Willen zur Mithilfe bei den Montagearbeiten geprägt. Dies ergibt sich aus der langen Anfahrt zur Baustelle, der Mitnahme von Arbeitskleidung und dem ganztägigen Aufenthalt auf der Baustelle. Die Absicht zur Mitarbeit wird um so plausibler, wenn die Auskunft der Herstellerfirma, für die Montage der Beschattung seien zwei Monteure erforderlich, in die Würdigung mit einbezogen wird.

Der Senat legt die Bekundungen des Zeugen W seiner Entscheidung zugrunde. Es gibt nicht den geringsten Anhalt, die Wahrheit der Aussage des Zeugen W zu bezweifeln. Während W von einer ganzen Reihe von Hilfeleistungen des H berichtet, auch davon, dass K ihm mitgeteilt habe, dass H "unten sei und einige Teile herrichte", hat K jegliche Hilfeleistung des H kategorisch verneint. Es widerspricht aber jeglicher Lebenserfahrung, dass H, der nach den glaubwürdigen Angaben der Ehefrau, in der Montage von Wintergärten erfahren war, sich ganztägig auf einer Baustelle aufhält und hierbei keinerlei Arbeiten verrichtet, sondern nur nutzlos herumsteht. W kann aus seiner Aussage auch keinen Vorteil ziehen, wohingegen bei den Bekundungen des K zu berücksichtigen ist, dass er gegenüber den Schweizer Behörden in Verdacht steht, H illegal in der Schweiz beschäftigt zu haben.

Aber auch wenn H zunächst primär aus persönlichen Gründen mit in die Schweiz gefahren wäre, ist er nach der von W bezeugten Hilfeleistung wie ein Versicherter tätig geworden. Die Beweggründe des Handelns sind für den Versicherungsschutz unerheblich und auch Gefälligkeitsdienste schließen den Versicherungsschutz nicht aus. Nachdem davon auszugehen ist, dass H am späten Nachmittag Werkzeuge aufgeräumt hat und nach der Erinnerung des Zeugen W sich auf dem Dach des Wintergartens kleinere Werkzeuge befanden, kann das Besteigen der Leiter durch H nach den Gesamtumständen nicht als Verfolgung privater Interessen gewertet werden. Vielmehr ist nach dem Gesamtbild davon auszugehen, dass H die Leiter bestiegen hat, um nach verbliebenem Werkzeug zu sehen. Dabei ist es ohne Belang, dass nicht geklärt werden kann, welche Hilfstätigkeit H konkret ausführen wollte. Denn der Versicherungsschutz greift bereits dann, wenn sich jemand erkennbar anschickt, eine dem Unternehmen dienliche Handlung vorzunehmen und die beabsichtigte Handlung dem tatsächlichen und mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht. Da H nach den glaubwürdigen Bekundungen des Zeugen W bereits vor dem Unfall Werkzeuge aufgeräumt hat, konnte H zumindest von der mutmaßlichen Billigung des K ausgehen, auch auf dem Dach liegende Kleinwerkzeuge zu holen. Die beabsichtigte Verrichtung war in ihrer Art und nach den Umständen, unter denen sie geleistet wurde, der Tätigkeit aufgrund eines (abhängigen) Beschäftigungsverhältnisses der in § 539 Abs 1 Nr 1 RVO bezeichneten Art ähnlich (BSG SozR 2200, § 539, Nr 119 mwN BSGE 31, 275, 277).

Die getragene Unterarmgipsschiene links hat H augenscheinlich nicht daran gehindert, im Verlauf des Tages Hilfsdienste für K zu verrichten. H hätte auf dem Dach liegende Kleinwerkzeuge ohne Weiteres mit der rechten Hand aufsammeln und abtransportieren können. Aus den dem Senat vom Unfallort vorliegenden Fotos ergibt sich, dass der linke Ellenbogen und die Finger des H nicht vom Gips umfasst waren.

Dafür dass der Sturz des H alkoholbedingt gewesen sein könnte, ergibt sich kein Anhaltspunkt. Zwar hat der Zeuge K. vor dem Senat bekundet, es sei allgemein bekannt gewesen, dass H getrunken habe. Der Zeuge W hat jedoch lt dem Protokoll der Kantonspolizei am Unfalltag einen Alkoholkonsum nicht bemerkt, sondern ausgesagt, die beiden Männer hätten um 9.30 Uhr einen Kaffee getrunken und sich dann gleich an die Arbeit gemacht. Über Mittag hätten sich die Männer in ihrem Auto verpflegt und er habe gesehen, dass sie dort irgendein Limonadengetränk zu sich genommen hätten. Den Männern seien keine alkoholischen Getränke angeboten worden. Er habe auch kein Bier oder Ähnliches gesehen.

Dass sich der Unfall in der Schweiz ereignet hat, schließt die Anwendung des § 539 Abs 2 RVO nicht aus. Die Montagearbeiten in der Schweiz stellten eine ins Ausland ausstrahlende Maßnahme des Unternehmers K iS des § 4 Abs 1 SGB IV dar. H ist im Rahmen dieser Maßnahme wie ein Arbeitnehmer tätig geworden.

Nach alledem ist der Unfall des H als Arbeitsunfall zu entschädigen. Nach der bestehenden Sach- und Rechtslage bedurfte es weder einer wiederholten Einvernahme der vom SG gehörten Zeugen noch der Anhörung weiterer Zeugen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision iS des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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