L 3 U 219/95

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 119/91
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 219/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.1995 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zuerstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beschwerden des Klägers, eine - angeblich toxisch bedingte - Persönlichkeitsveränderung und Leistungsminderung, als Berufskrankheit oder wie eine Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen sind.

Der am 1932 geborene Kläger war nach einer Schreinerlehre und einer Beschäftigung im Schreinereibetrieb seines Vaters seit 1964 als selbständiger Schreiner tätig und bei der Beklagten freiwillig versichert. Am 29.06.1995 wandte er sich an die Beklagte und machte geltend, eine bei ihm festgestellte Haut- und Nervenerkrankung sei auf den jahrelangen Umgang mit Holzschutzmitteln (Xylamon), Lacken und Verdünnungen bei seiner beruflichen Tätigkeit zurückzuführen. In Berichten seines behandelnden Arztes Dr.W. , von Dr.R. des Instituts für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität E. vom 11.02.1985 (Untersuchung des Klägers am 16.01.1985) und des Internisten Dr.H. wird der Verdacht auf das Bestehen einer Berufskrankheit, nämlich einer chronischen Pentachlorphenol- - PCP - und Lindanvergiftung durch beruflichen Umgang mit Lacken, Holzschutzmitteln und Nitroverdünnungen geäußert. Die Beklagte holte eine Auskunft über Vorerkrankungen bei der zuständigen Krankenkasse und eine Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes Dr.M. ein. Ferner ließ sie durch ihren Technischen Aufsichtsdienst - TAD - eine Betriebsbesichtigung durchführen, um den Umfang und die Verarbeitungsweise der angeschuldigten Stoffe zu klären. In einer Stellungnahme vom 02.05.1986 kam Dr.M. aufgrund dieser Unterlagen zum Ergebnis, es sei nicht wahrscheinlich, dass die anläßlich der Untersuchungen im Januar 1985 und später festgestellten Beschwerden noch auf die angeschuldigten Arbeitsstoffe, denen der Kläger bis zu seiner - vorübergehenden - Berufsaufgabe Ende 1984 ausgesetzt gewesen sei, zurückzuführen seien. Mit Bescheid vom 22.05.1986 lehnte die Beklagte die Anerkennung und Gewährung von Leistungen wegen einer Berufskrankheit ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 01.08.1986).

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht - SG - Regensburg Klage erhoben und beantragt, ihm Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - um 40 bzw. 30 v.H. zu gewähren. Aus Medien sei ihm die toxische Wirkung von Holzschutzmitteln, wie sie auch in seinem Betrieb verwendet worden seien, bekannt. Seinen Betrieb habe er endgültig im April 1986 aufgegeben. Anläßlich einer Behandlung im Bürgerhospital S. in der Zeit vom 18.05. bis 27.05.1987 seien eine toxisch bedingte Persönlichkeitsveränderung und Leistungsminderung festgestellt worden. Diese Erkrankungen seien auf die von ihm verwendeten Berufsstoffe zurückzuführen. Auf Antrag des Klägers (§ 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) hat das SG ein Gutachten des Arztes B. , Institut für Umweltmedizin in E. , eingeholt. Dieser hat am 14.05.1988 die Auffassung vertreten, trotz gewisser Unsicherheiten sei bei synoptischer Betrachtung die Diagnose einer Holzschutzmittelschädigung zu stellen. Dies habe er durch spezielle Untersuchungsmethoden (Single-Photon-Emissions-Computer-Tomographie - SPECT -, somato-sensibel evozierte Potentiale - SSEP- und testpsychologische Untersuchung) objektivieren können. Die MdE sei bis zum Beginn der stationären Untersuchung am 18.05.1987 mit 40 v.H. und wegen einer zwischenzeitlichen, im Rahmen der Begutachtung festgestellten Besserung ab dem 04.05.1988 mit 30 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte hat hiergegen unter Bezug auf ein Gutachten von Prof.Dr.L. , Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität E. vom 06.06.1989 dieser Auffassung widersprochen. Mit Urteil vom 11.09.1989 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, eine Berufskrankheit der Nr. 1310 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKVO - liege nicht vor. Die Tatsache, dass sich der Gesundheitszustand trotz der Berufsaufgabe im Jahr 1986 zunächst verschlechtert habe, spreche gegen eine berufliche Verursachung. Im Übrigen sei nicht bewiesen, dass der Kläger in seinem Beruf den vom Sachverständigen Bort als schädigend bezeichneten Stoffen überhaupt ausgesetzt gewesen sei. Dessen Auffassung sei zudem nicht wissenschaftlich gesichert. Auch die Voraussetzungen für eine Entschädigung gemäß § 551 Abs.2 Reichsversicherungsordnung - RVO - lägen nicht vor.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und sich im Wesentlichen auf Veröffentlichungen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Frankfurt a.M. bezüglich der Toxizität von Holzschutzmitteln gestützt. Mit Urteil vom 13.03.1991 hat das Bayer. Landessozialgericht den Rechtsstreit an das SG zurückverwiesen. Es hat der Vorinstanz aufgegeben, die Art der vom Kläger angeschuldigten Stoffe, den Umfang und die Dauer ihrer jeweiligen Verwendung oder Einwirkung sowie die Verarbeitungsweise und die Zusammensetzung der einzelnen Stoffe zu ermitteln. Zu beachten sei, dass die Beklagte ihre Entscheidung nicht, wie vom SG angenommen, nur auf die Berufskrankheit der Nr. 1310 gestützt habe. Insofern müssten auch andere Berufskrankheiten mit einbezogen werden. Der Kläger habe seine gesundheitlichen Beschwerden auch nicht allein auf die Verwendung von Holzschutzmitteln zurückgeführt, sondern auch auf Lacke, Leim, Kleber, Nitroverdünnung und anderes. Hierzu fehlten Ermittlungen bezüglich der Expositionsbedingungen und der Zusammensetzung der Stoffe. Auch habe es das SG verabsäumt, ein medizinisches Gutachten zur Frage einzuholen, welche der geltend gemachten Gesundheitsstörungen überhaupt vorlägen, ob sie im Sinne der Entstehung oder Verschlimmerung auf schädigende Einflüsse der angeschuldigten Berufsstoffe zurückzuführen seien. Das Gutachten des Mediziners Bort sei insoweit unbrauchbar, da es auf unzureichenden Ermittlungen aufbaue. Nicht schlüssig sei es auch, soweit es zum Ergebnis komme, bei synoptischer Betrachtung läge eine Holzschutzmittelschädigung vor, obwohl wichtige Untersuchungen, wie die Untersuchung des Fettgewebes des Klägers, bzw. eine Lumbalpunktion zum Ausschluss einer Multiplen Sklerose-Erkrankung unterblieben seien. Darüber hinaus sei die fachliche Kompetenz des Sachverständigen B. unklar.

Das SG hat daraufhin seine Ermittlungen wieder aufgenommen und im Erörterungstermin vom 28.04.1992 den Kläger eingehend über die Verwendung der einzelnen Berufsstoffe, deren Verarbeitungsweise und der räumlichen Bedingungen befragt. Im Schreiben vom 14.05.1992 hat der Kläger zudem schriftlich weitere Angaben zu den jeweiligen Arbeitsstoffen gemacht. Das SG hat Arztbriefe des Allergologen Dr.N. und von Prof.Dr.H. , Dermatologische Klinik der Universität E. vom 25.06.1992 bzw. 21.04.1992 sowie die Akten der Landesversicherungsanstalt Niederbayern-Oberpfalz beigezogen. Die Beklagte hat auf Anforderung des SG Planskizzen über die Örtlichkeit der Werkstatt des Klägers, eine Stellungnahme ihres TAD und die zu den vom Kläger verwendeten Berufsstoffe gehörigen Sicherheitsblätter sowie ein Messdiagramm vom 27.08.1992 über Toluolkonzentrationen bei Lackierarbeiten vorgelegt. In einem Befundbericht vom 05.10.1993 hat der Internist Dr.D. ohne weitere Angaben die Diagnose "Holzschutzmittelintoxikation", hirnorganisches Psychosyndrom mitgeteilt. Das SG hat im Anschluss daran ein Gutachten von Prof.Dr.K. , Institut für Arbeits- und Sozialmedizin an der Universität M. , eingeholt. Der Sachverständige hat am 24.10.1994 die Auffassung vertreten, es sei davon auszugehen, dass der Kläger zwischen 1947 und der Geschäftsaufgabe im Jahre 1984 bzw. 1986 Holzschutzmittel verwendet habe, die PCP und Lindan enthalten hätten. Die Verwendung dieser Stoffe sei seit 1996 in Innenräumen verboten. Es könne auch unterstellt werden, dass organische Lösemittel - insbesondere bei Spritzlackierungen - benutzt worden seien (Alkohole, Ester, Ketone und aliphatische Verbindungen). Allerdings sei die davon ausgehende Belastung nach arbeitsmedizinischer Erfahrung eher als gering einzuschätzen. Die jeweilige tatsächliche Belastung sei weder quantitativ noch qualitativ gesichert. Messungen lägen nicht vor. Man sei daher auf Schätzungen nach arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten angewiesen. Die beim Kläger ab 1984 aufgetretene Krankheit habe sich in vielfältigen Beschwerden geäußert. Von toxischer Relevanz seien die Diagnosen: hirnorganische Leistungsschwäche mit Persönlichkeitsveränderung, leichte sensible Polyneuropathie der Beine und leichte Leberschädigung. Hinweise auf eine Störung des Immunsystems ließen sich hingegen nicht finden. Was einen möglichen ursächlichen Zusammenhang mit der Verwendung von PCP anlange, so wäre bei einer chronischen Vergiftung mit dem Auftreten einer verstärkten Atmung, Schweißausbrüchen und ähnlichem zu rechnen gewesen. Solche Symptome seien jedoch beim Kläger nicht dokumentiert worden. Möglicherweise liege bei ihm ein hirnorganisches Psychosyndrom und eine Polyneuropathie vor, eine Leberschädigung könne ausgeschlossen werden. Nach arbeitsmedizinischer Erfahrung müsse eine Polyneuropathie durch toxische Arbeitsstoffe mit zunehmendem Abstand zur Exposition zur Ausheilung kommen. Die Tatsache, dass die Polyneuropathie, welche 1984 diagnostiziert worden sei, auch noch 1987 in gleichem Umfang vorhanden gewesen sei, spreche gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Nach ärztlicher Erfahrung hätte sich eine Rückläufigkeit zeigen müssen. Auch die Beurteilung der hirnorganischen Leistungsschwäche sei schwierig, da es sich hierbei um Symptome handele, die im Zusammenhang mit den verschiedensten Krankheitsbildern auftreten könnten, u.a. auch bei einer Involutionsdepression. Insgesamt spreche mehr gegen als für eine PCP-Intoxikation. Der 1990 beim Kläger gemessene Lindanwert sei nicht als erhöht zu bezeichnen. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen einer Lindaneinwirkung und den jetzigen Gesundheitsstörungen sei unwahrscheinlich. Obwohl Messungen der organischen Lösemittel nicht vorhanden seien, sei zu unterstellen, dass keine nennenswerten pathogenen Lösemittelkonzentrationen aufgetreten seien. Auch hier müsse ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Beruf und jetziger Erkrankung eher als unwahrscheinlich bezeichnet werden. Insgesamt könne die Anerkennung einer Berufskrankheit oder wie eine Berufskrankheit nicht empfohlen werden.

Der Kläger hat dagegen vorgetragen, das Gutachten sei ohne persönliche Untersuchung erstattet worden. Prof.Dr.K. habe in einem ähnlichen Verfahren vor dem Sozialgericht Reutlingen bereits ein negatives Gutachten erstattet. Er könne dem Sachverständigen nicht vertrauen und beantrage daher, ein Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - einzuholen.

Mit Urteil vom 09.05.1993 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat festgestellt, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Erkrankung des Klägers und den verwendeten Berufsstoffen sei unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof.Dr.K. nicht wahrscheinlich. Die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 1302, 1303 und 1310 komme nicht in Betracht.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und seine frühere Auffassung im Wesentlichen wiederholt. Er hat darauf hingewiesen, das Gutachten von Prof.Dr.K. , auf das sich das SG stütze, sei ungenügend. Er hat beantragt, ein Gutachten von Prof.Dr.H. , H. , einzuholen. Der Senat ist seiner Anregung gefolgt und hat Prof.Dr.H. , Facharzt für Nephrologie und Dialyse, innere Medizin und Umweltmedizin im K.krankenhaus H. , zum Sachverständigen gemäß § 106 SGG ernannt. In seinem Gutachten vom 07.04.1998 hat Prof.Dr.H. ausgeführt, aufgrund seiner Untersuchungen sei davon auszugehen, dass der Kläger PCP-Werten von über 10 Mykrogramm pro Liter ausgesetzt gewesen sei. Damit sei von einer erheblichen Belastung zu sprechen. Auch andere Wissenschaftler hätten immuntoxische Efekte durch PCP festgestellt. Beim Kläger liege daher eine ausgeprägte Immundysregulation vor, die nach einer MdE um 40 v.H. zu bewerten sei.

Die Beklagte hat sich zu diesem Gutachten kritisch geäußert und eine Stellungnahme von Prof.Dr.H. vom 20.05.1998 vorgelegt. Dieser hat die Meinung vertreten, nach der gängigen Lehrmeinung ließen sich schlüssige Zusammenhänge zwischen PCP und Beschwerden, wie sie der Kläger habe, nicht begründen. Der Senat hat Prof.Dr.H. gebeten, hierauf zu antworten. Am 09.03.1999 hat dieser darauf hingewiesen, neueste Untersuchungen, welche 1999 zur Veröffentlichung eingereicht worden seien, würden eine Dosisbezogenheit von PCP auf zelluläre und humorale immunologische Veränderungen hinweisen. Eine Berufskrankheit der Nr. 1310 liege daher vor.

Der Senat hat zunächst Prof.Dr.G. , Lehrstuhl für Toxikologie der Technischen Universität M. , welcher jedoch seine Kompetenz verneinte und schließlich Prof.Dr.D. , Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der Universität E. , mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Prof.Dr.D. hat am 10.05.2000 mitgeteilt, er halte es für notwendig, zur Bestimmung der polychlorierten Dioxine und der Dibenzofurane im Vollblut eine Untersuchung durch Dr.B. in Hamburg durchführen zu lassen. Der Kläger hat hierzu am 03.06.2000 mitgeteilt, er lehne eine Blutuntersuchung ab. Er bitte, nach Aktenlage zu entscheiden, zumal er infolge der langen Prozessdauer zermürbt sei. Zudem könne das Gericht wichtige Gesichtspunkte einem beigefügten Artikel aus der Zeitschrift "Der Spiegel" zum Problem der neutralen Begutachtung entnehmen. Der Senat hat daraufhin Prof.Dr.G. beauftragt, ein Gutachten aufgrund der bekannten Aktenlage zu erstatten. Am 27.08.2001 hat der Sachverständige ausgeführt, allein das Vorhandensein einer Chemikalie stelle noch keine Gesundheitsgefährdung dar. Die Gesundheitsgefährdung hänge im Wesentlichen von der Expositionshöhe ab. Ebensowenig reiche es aus, die Symptome oder die Erkrankung selbst zu beschreiben und daraus Rückschlüsse zu ziehen. In Kenntnis der allgemeinen Toxizität von PCP, Lindan, Formaldehyd, polychlorierten Dibenzodioxine/Furane könne ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den verwendeten Berufsstoffen und der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen nicht begründet werden. Insbesondere habe die Durchsicht der Dokumentationen über die Exposition gegenüber PCP, Lindan und PCDDD/F ergeben, dass Symptome, welche erst nach Expositionsende auftreten, über Jahre andauern und nicht wieder abklingen würden, nicht bekannt seien. Etwas Anderes gelte lediglich bezüglich der kanzerogenen Wirkung dieser Stoffe. Dies komme jedoch im Falle des Klägers nicht in Betracht.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.1995 und des Bescheids vom 22.05.1986 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.1986 zu verurteilen, seine Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.1995 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§ 143 SGG in der Fassung des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993, BGBl.I S.50, in Kraft seit 01.03.1993, § 151 SGG), aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung seiner Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit gemäß der §§ 551, 580, 581 Abs.1 Reichsversicherungsordnung - RVO-. Für die Entscheidung maßgebliches Recht sind die bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, weil der Eintritt der als Verischerungsfall geltend gemachten Gesundheitsstörungen und die Aufgabe des Berufs vor dem 01.01.1997 liegen und vor diesem Zeitpunkt auch erstmals über einen Anspruch auf Rente zu entscheiden ist (§§ 212, 214 Abs.3 Sozialgesetzbuch VII - SGB VII -).

Der Kläger hat danach keinen Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung seiner Gesundheitsstörungen als Berufskrankheit nach den Nrn. 1302, 1303, 1310 oder anderer in der Anlage 1 der BKVO in der Fassung vom 08.12.1976 (BGBl.I S.3329), welche zur Anwendung kommt, weil die Berufsaufgabe noch vor der Änderungsverordnung vom 22.03.1988 liegt. Ebensowenig besteht ein Anspruch gemäß § 551 Abs.2 RVO.

Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wird gemäß § 581 Abs.1 Nr.2 in Verbindung mit § 548 RVO in einer dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Arbeitsunfalls in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens ein Fünftel gemindert ist. Nach § 551 Abs.1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit. Berufskrankheiten sind solche, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Durch § 551 Abs.1 Satz 3 RVO wird die Bundesregierung ermächtigt, in einer Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht worden sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. In der Anlage 1 enthält diese von der Bundesregierung erlassene Verordnung eine Liste der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten. Hierzu gehören die Erkrankungen nach den Nrn. 1302, 1303 und 1310 der Anlage 1 zur BKVO. Außer Betracht bleiben kann die Berufskrankheit der Nr. 1315, welche erst durch die Änderungsverordnung vom 18.12.1992 aufgenommen wurde und nur dann eingreift, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.03.1988 eingetreten ist. Da die Berufsaufgabe und der Beginn der Erkrankung beim Kläger jedoch vor diesem Datum liegen, scheidet die Anwendung aus. Gleiches gilt für die Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Encephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische), weil diese Berufskrankheit erst mit der zum 01.12.1997 in Kraft getretenen Änderungen der BKVO in den Berufskrankheitenkatalog aufgenommen wurde und nur eingreift, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten war. Die Nr. 1302 bezeichnet Erkrankungen durch Kohlenwasserstoffe als Berufskrankheit, die Nr. 1303 Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder durch Styrol und die Nr. 1310 Erkrankungen durch hallogenierte Alkyl-, Aryl- oder Alkylaryloxide. Der Kläger führt seine Erkrankungen auf den beruflichen Umgang mit Holzschutzmitteln, Lacken, Leim, Klebern und Nitroverdünnungen sowie Lösemittelgemischen zurück. Die von ihm angeschuldigten Berufsstoffe gehören somit - zumindest teilweise - zu den Listenstoffen. Dies ergibt sich aus den vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu den vorgenannten Nummern der Anlage 1 zur BKVO herausgebrachten "Merkblättern für die ärztliche Untersuchung". In den Erläuterungen der vorgenannten Merkblätter werden u.a. Störungen der Haut, des zentralen Nervensystems, der Leber, des Herzens, der Blutbildungsstätten und der Niere genannt. Dies reicht jedoch noch nicht zur Anerkennung einer Berufskrankheit im Falle des Klägers aus.

Voraussetzung für die Anerkennung und Entschädigung einer Erkrankung als Berufskrankheit ist nämlich zum einen, dass der schädigende Listenstoff generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder es zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen der Listenstoffe wesentlich verursacht bzw. verschlimmert worden sein und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang der Nachweis der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist. Hierfür reicht die hirneichende Wahrscheinlichkeit - allerdings nicht die bloße Möglichkeit - aus (BSGE vom 27.06.2000 B 2 U 29/99 R mit weiteren Nachweisen).

Nach den Ausführungen des Klägers anläßlich seiner Anhörung im Termin vor dem Sozialgericht am 28.04.1992, den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten und der anhand der Sicherheitsblätter ermittelten Zusammensetzungen der verwendeten Berufsstoffe ist festzustellen, dass der Kläger beruflichen Kontakt mit PCP, Lindan, Formaldehyd, polychlorierten Dibenzodioxinen/-Furanen (PCDD/F) und anderen Lösemitteln hatte. Schwierigkeiten bereitet die Feststellung, in welcher Dosis diese Stoffe während der beruflichen Tätigkeit vom Kläger aufgenommen wurden. Denn es existieren keine konkreten Messungen im früheren Betrieb des Klägers und die seit Auftreten der Erkrankung durchgeführten Untersuchungen, insbesondere die Untersuchung des Klägers am 16.01.1985 im Institut für Arbeits- und Sozialmedizin in Nürnberg geben keinen Anhalt dafür, dass zu diesem Zeitpunkt eine nennenswerte Dosis aufgenommen und noch vorhanden war. Demnach gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Verarbeitung im Betrieb des Klägers zu Expositionen gekommen war, die über das übliche Maß hinausgegangen wären. Damit fehlt es bereits an dem Nachweis einer relevanten Schadstoffeinwirkung. Hinzu kommt, dass anläßlich der verschiedenen Untersuchungen lediglich eine sensible Polyneuropathie, Herzrhythmusstörungen sowie ein nicht objektivierbarer Verdacht auf eine cerebrale Insuffizienz bei hirnorganischem Psychosyndrom festgestellt werden konnte. Periphere neurologische Symptome, wie eine sensible Neuropathie an den Beinen sind jedoch als Folge einer Intoxikation bei der Verwendung von Holzschutzmitteln und Lösemitteln in der medizinischen Wissenschaft nicht bekannt. Damit scheidet bereits ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der sensiblen Polyneuropathie und dem Einfluss von Berufsstoffen aus. Die Diagnose eines psychoorganischen Syndroms basiert auf Untersuchungsmethoden, wie der SPECT oder Positronen-Emisions-Tomographie - PET -, welche nach geltender wissenschaftlicher Meinung nicht geeignet sind, Rückschlüsse auf neurotoxische Schäden zuzulassen. Damit können die vom Kläger angegebenen Beschwerden, wie Schwindel, Müdigkeit, Unsicherheit beim Gehen, Herzsensationen, Stechen im Brustkorbbereich, Kribbeln in den Beinen, Gefühl des Einschlafens der Beine, Zucken im Mundwinkelbereich und Kraftlosigkeit in Armen und Beinen nicht als typisches Erscheinungsbild eines hirnorganischen Psychosyndroms, schon gar nicht als Folge eines toxisch bedingten hirnorganischen Psychosyndroms gewertet werden. Bei den beschriebenen Beschwerden handelt es sich um ganz untypische Symptome, wie sie im Gefolge verschiedenster Erkrankungen aufzutreten pflegen. Die im Mai 1987 diagnostizierte Follikulitis der Unterarme ist nicht mit Wahrscheinlichkeit durch Dioxine ausgelöst worden, weil sie sich bei der davorliegenden gewerbeärztlichen Untersuchung im Mai 1986 nicht gezeigt hatte. Bekannt ist jedoch, dass eine dioxinbedingte Follikulitis bei einer entsprechenden Dioxinexposition innerhalb von Tagen bis Wochen aufzutreten pflegt, zum Teil jahrelang bestehen bleibt und schließlich abklingt. Im Falle des Klägers war es jedoch so, dass relativ nah zur Berufsaufgabe keine, sondern erst nach einem Jahr Hauterscheinungen zu finden waren. Ein ursächlicher Zusammenhang lässt sich somit nicht begründen. Der Senat schließt sich insoweit den Feststellungen von Prof.Dr.G. in dessen Gutachten vom 27.08.2001 an. Die Ausführungen von Prof.Dr.H. sind hingegen nicht geeignet, die konkrete kausale Beziehung zwischen dem Einfluss beruflicher Schadstoffe und den beim Kläger diagnostizierten Gesundheitsstörungen zu belegen. Dem Sachverständigen ist die von Prof.Dr.G. geäußerte Kritik entgegenzuhalten, dass allein das Vorhandensein von toxisch wirkenden Stoffen nicht den ursächlichen Zusammenhang begründen kann. Darüber hinaus ist seine Aussage, mit den von ihm angestellten Untersuchungen habe er nachweisen können, dass eine Pentachlorphenolexposition eine schwere Immundysregulation und Immuninsuffizienz induzieren könne, nicht geeignet, einen ursächlichen Zusammenhang im hier zu entscheidenden Fall des Klägers zu belegen. Denn Prof.Dr.H. erklärt nicht, auf welche Weise es aufgrund einer Immundysregulation zu den beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen kommen kann bzw. tatsächlich gekommen ist. Insofern gehen seine Ausführungen ins Leere. Der konkrete Nachweis im Sinne der Wahrscheinlichkeit ist damit nicht geführt. Darüber hinaus steht die Meinung von Prof.Dr.G. im Einklang mit dem Gutachten von Prof.Dr.K. , der Stellungnahme von Prof.Dr.H. und dem Bericht von Dr.R. , Institut für Arbeits- und Sozialmedizin der Universität E. vom 11.02.1985. Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass beim Kläger keine Berufskrankheit nach den Nrn. 1302, 1303 oder 1310 in Betracht kommt. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach anderen Nummern der Anlage 1 zur BKVO bieten sich nicht.

Für die Anerkennung einer Berufskrankheit gemäß der Vorschrift des § 551 Abs.2 RVO ist festzuhalten, dass die darin geforderten neuen Erkenntnisse nicht vorliegen, was aus den vorstehenden Ausführungen bereits hervorgeht. Damit scheitert ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung und Entschädigung seiner Gesundheitsstörungen als oder wie eine Berufskrankheit. Seine Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 09.05.1995 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine Gründe gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG vorhanden sind.
Rechtskraft
Aus
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