L 2 U 227/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 417/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 227/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 31. Mai 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Feststellung eines Arbeitsunfalls.

Aus nicht näher bekannten Gründen erhielt die Beklagte am 16.10.1997 einen Brief des Orthopäden Dr.P. vom 11.10.1997. Anlässlich einer ambulanten Vorstellung des Klägers gebe dieser zu dem Hergang des Unfalls am rechten Handgelenk im September 1995 an, er habe während der Arbeit beim Verschieben eines sehr schweren Schreibtisches plötzlich einen Riss im Bereich der rechten Hand gespürt. Das genaue Datum des Unfalltages könne der Kläger auf Befragen nicht mehr angeben. Eine erste ambulante Vorstellung sei am 18.09.1995 erfolgt, wobei der Kläger damals angegeben habe, dass er seit ca. sechs bis acht Wochen Schmerzen habe. Wegen Schmerzen im Bereich des rechten Handgelenkes habe sich der Kläger nochmals am 16.08.1996 vorgestellt. Die Kernspintomographie habe die Diagnose einer dorsalen Instabilität mit Läsion des Ligamentum scapholunare ergeben. Diese Angaben des Arztes entsprechen einem Befundbericht, den dieser am 30.10.1996 in einem anderen Verfahren dem Sozialgericht Augsburg geschickt hatte. Dem Bericht an die Beklagte war eine nicht vollständig ausgefüllte ärztliche Unfallmeldung beigefügt, in der ausgeführt ist, beim Verschieben eines sehr schweren Schreibtisches habe es einen Sehnenriss im rechten Handgelenk gegeben. Als Unfalltag ist 10/95 eingetragen. Der Arbeitgeber teilte in einer nachträglichen Unfallmeldung vom 05.02. 1998 mit, der Unfall sei an einem nicht mehr festzustellenden Tag um 8.00 Uhr morgens beim Verschieben eines Schrankes und Schreibtisches geschehen. Zeugen hierfür gebe es keine.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 06.08.1998 führte der Chirurg Dr.S. aus, welche Ursachen die beim Kläger am rechten Handgelenk bestehende Gesundheitsstörung haben könne. Er kam zu dem Ergebnis, das Verschieben eines schweren Schreibtisches sei weder als adäquates Ereignis anzusehen, um zu einer Schädigung des scapholunären Bandes zu führen, noch könne in dem Ereignis ein Unfall im Sinne des Gesetzes gesehen werden.

Mit Bescheid vom 14.09.1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom September 1995 als versicherten Arbeitsunfall ab. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte, nachdem der Beratungsarzt Prof.Dr.F. , wie schon Dr.S. , darauf hingewiesen hatte, dass beim Kläger entsprechende beidseitige Handgelenksveränderungen bestünden, mit Widerspruchsbescheid vom 20.11.1998 als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall begehrt.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten von der Handchirurgin Dr.W. vom 12.02.2001 eingeholt. Hier hat der Kläger anamnestisch angegeben, im August/September 1995 anlässlich eines Umzuges im Betrieb einen schweren Schreibtisch und einen beladenen Aktenschrank über den Teppichboden geschoben zu haben. Hierbei habe er plötzlich einen Stich im rechten Handgelenk verspürt. Die Sachverständige hat nach intensiven Literaturstudien keine genaue Angabe darüber finden können, dass eine Überbelastung - um eine solche handle es sich bei der angegebenen Tätigkeit des Schrankschiebens - zu einer Ruptur der Handgelenksbänder führen könne. Bekannt sei, dass eine angeborene abnorme Bandschlaffheit zu einer scapholunären Dissoziation führen könne. Diese bestehe dann meist an beiden Handgelenken, wie es auch beim Verletzten beschrieben sei. Minimaltraumen, wie z.B. die angegebene Tätigkeit, könnten dann zum erstmaligen Auftreten von Beschwerden führen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass das Verschieben eines schweren Schrankes an einem gesunden Handgelenk nicht zu einer Bandruptur führen könne. Es überwögen unfallunabhängige Faktoren an ursächlicher Bedeutung für den Eintritt des Schadens, d.h. es handle sich um eine Gelegenheitsursache. Bei der beschriebenen Gesundheitsstörung handle es sich nicht um Folgen des Ereignisses vom September 1995.

Hiergegen hat der Kläger u.a. eingewandt, bei der Unfalltätigkeit habe es sich um ein stoßartiges Fortbewegen des Aktenschrankes gehandelt, der dadurch immer wieder zum Kippen geneigt habe und deshalb auch ruckartig habe abgefangen werden müssen. Hierzu hatte er bei der Sachverständigen ausgeführt, beim Schieben des Möbelstückes habe er plötzlich einen Stich im rechten Handgelenk verspürt, obwohl keines der Möbelstücke ins Kippen geraten sei, so dass er es hätte ruckartig abfangen müssen.

Nach entsprechender Ankündigung hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31. Mai 2001 als unbegründet abgewiesen. Es ist, gestützt auf die Angaben des Klägers, davon ausgegangen, dass er im September 1995 einen Unfall erlitten habe. Mit dem stoßartigen Fortbewegen des Aktenschrankes auf dem Teppich könne ein hinreichendes, von außen auf die Hände des Klägers einwirkendes Ereignis und damit ein Unfall anerkannt werden. Ein Arbeitsunfall liege dennoch nicht vor, denn das Ereignis sei nicht wesentliche Ursache der später festgestellten Gesundheitsstörung am rechten Handgelenk gewesen. Das Gericht stützt sich dabei auf das Gutachten der Dr.W ...

Mit seiner Berufung macht der Kläger weiterhin das Vorliegen eines Arbeitsunfalles geltend. Eine angeborene, abnorme Bandschlaffheit eines oder beider Handgelenke sei mit Sicherheit auszuschließen, weil er jahrelang als Rechtshänder Leistungssport betrieben habe, u.a. Faustball, Tischtennis, Tennis, Sportkegeln, ohne dass es jemals zu gesundheitlichen Problemen oder ärztlichen Behandlungen des rechten Handgelenks gekommen wäre. Außerdem sei die rechte Hand einer starken Belastung beim Bau seines Eigenheimes ausgesetzt gewesen, das er überwiegend in Eigenleistung erstellt habe.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Senat darauf hingewiesen, dass, abweichend von der Meinung des Sozialgerichts, schon der Nachweis der vom Kläger behaupteten unfallmäßigen plötzlichen Einwirkung von außen im September 1995 als nicht erbracht angesehen werden könnte.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn es ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger im Jahre 1995 einen von der Beklagten zu entschädigenden Arbeitsunfall erlitten hat.

Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den Vorschriften der RVO, weil ein vor dem 01.01.1997 zu entschädigender Arbeitsunfall geltend gemacht ist (§ 212 SGB VII).

Arbeitsunfälle sind nach § 548 Abs.1 RVO Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 539, 540 und 543 bis 545 begründenden Tätigkeit. Dabei bedürfen alle für die Annahme eines Arbeitsunfalles rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises dergestalt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Dies betrifft in erster Linie den Unfallvorgang selbst. Für die Annahme eines Arbeitsunfalles ist darüber hinaus erforderlich, dass die Arbeitsverrichtung und die mit ihr verbundene äußere Einwirkung auf den Körper des Versicherten wesentlich ursächlich oder wenigstens mitursächlich für eine Gesundheitsstörung gewesen sind.

Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist im vorliegenden Fall nicht geeignet, den notwendigen Nachweis für den Arbeitsunfall zu führen.

Die geltend gemachte Gesundheitsstörung des Klägers am rechten Handgelenk ist erstmals durch kernspintomogrphische Untersuchung vom 30.08.1996 festgestellt worden. Eine erste ärztliche Inanspruchnahme wegen Schmerzen im Bereich der rechten Hand ist am 18.09.1995 erfolgt. Hierzu gibt es nach den ärztlichen Berichten des Dr.P. gleichzeitige Angaben des Klägers, dass er seit ca. sechs bis acht Wochen Schmerzen habe. Angaben des Klägers zu einem auslösenden Ereignis haben hierbei gefehlt. Dies gilt noch für die Erstellung des Befundberichtes durch Dr.P. am 30.10.1996. Erst später hat der Kläger das erstmalige Auftreten von Schmerzen im rechten Handgelenk bei einer bestimmten beruflichen Betätigung geltend gemacht. Hierbei fehlt bei der ersten aktenkundigen Angabe im Zentralklinikum A. im April 1997 noch ein Hinweis auf einen beruflichen Zusammenhang. Danach hätte der Kläger Ende 1995 bei nicht näher bezeichneten schweren Arbeiten plötzlich einen Stich im rechten Handgelenk verspürt. Nicht übersehen werden kann hierbei die vage Datierung dieses Vorgangs auf Ende September, die im weiteren Verfahren zunächst auf September 1995 und im Klageverfahren wieder auf August/September 1995 gelegt wurde. Angesichts des Umstandes, dass es für den geltend gemachten Unfallvorgang keinerlei Zeugenwahrnehmung gibt, und dass der Begriff des Unfalls nicht nur die entsprechende körperliche Einwirkung sondern auch den Eintritt des Gesundheitsschadens erfordert, kann bei den nachgeschobenen Angaben des Klägers nicht als mit hinreichender Sicherheit bewiesen angesehen werden, dass er sich im August oder September 1995 bei einem bestimmten beruflichen Arbeitsvorgang eine Verletzung des rechten Handgelenkes zugezogen hat. Die Darstellungen des Klägers können auch deswegen nicht als hinreichend beweiskräftig angesehen werden, weil er nach der Erstellung des Gutachtens durch die Chirurgin Dr.W. in nunmehriger Kenntnis eines möglicherweise geeigneten Unfallmechanismus entgegen seinen vorherigen Angaben nicht mehr vom Schieben eines sehr schweren Schreibtisches sondern vom Fortbewegen eines Aktenschrankes, der zum Kippen geneigt habe und deshalb auch ruckartig abgefangen habe werden müssen, spricht. In der Zusammenschau der Befunddokumentationen und der klägerischen Angaben geht der Senat deshalb davon aus, dass der Kläger nach der Feststellung der Gesundheitsstörung am rechten Handgelenk ein ihm hierzu passendes Unfallereignis eingeführt hat.

Auch wenn man mit dem Sozialgericht das geltend gemachte Unfallereignis als bewiesen ansähe, könnte es nicht als wesentliche Ursache oder Mitursache der Gesundheitsstörung am rechten Handgelenk angesehen werden. Insoweit müsste sich der Senat den Gründen des angefochtenen Urteils anschließen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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