L 2 U 240/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 5078/96 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 240/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15. Januar 1998 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 18. Juni 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 1996 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am ...1938 geborene Klägerin fuhr am 08.08.1995 gegen 12.50 Uhr auf der B12 in Richtung P ..., als sie in einer Kurve auf der regennassen Fahrbahn die Kontrolle über den Pkw verlor und auf die Gegenfahrbahn geriet. Dort prallte sie frontal gegen einen entgegenkommenden Klein-Lkw.

Vom 08.08.1995 bis 04.09.1995 wurde sie auf der operativen Intensivstation des Klinikums P ... u.a. wegen Schädel-Hirn-Trauma mit offener Schädelbasisfraktur behandelt. Danach setzten die Ärzte die stationäre Behandlung bis 03.10.1995 auf der chirurgischen Normalstation fort. Nach Rehabilitation im Klinikum P ...W ... bis 28.11.1995 wurde sie bei gutem Wohlbefinden entlassen.

Mit Schreiben vom 22.11.1995 teilte Prof.Dr.F ... vom Klinikum P ... der Beklagten mit, nach abgeschlossener stationärer Behandlung sowie Anschlussheilbehandlung sei vom Sohn der Klägerin geltend gemacht worden, dass es sich um einen Arbeitswegeunfall gehandelt habe. Der Durchgangsarztbericht sei nach den Angaben des Sohnes erstellt. Die Formularfrage, "Bestehen Bedenken gegen die Richtigkeit der Angaben der Verletzten?", beantwortete Prof.Dr.F ... mit "Nein", die Frage, "Sprechen Hergang und Befund gegen die Annahme eines Arbeitsunfalles?", dagegen mit "Ja" und dem Zusatz, "Wir bitten um Überprüfung des Unfallherganges, Arbeitsunfall?".

Im Fragebogen der AOK P ... zur Feststellung, ob eine andere Person oder deren Haftpflichtversicherer ersatzpflichtig sei gab der Sohn der Klägerin, M ... A., am 24.08.1995 an, Unfallursache sei ein Verkehrsunfall gewesen. Die Unfallursachen Arbeitsunfall und landwirtschaftlicher Unfall waren nicht angekreuzt. Zum Unfallhergang wurde lediglich angegeben, aus unerklärlichen Gründen sei die Klägerin auf die Gegenfahrbahn geraten und habe dadurch einen seitlichen Frontalaufprall verursacht. Am 27.11.1995 erstattete die AOK P ... Anzeige gemäß § 1503 RVO wegen des Unfalls vom 08.08.1995.

Im Fragebogen der Beklagten gab die Klägerin am 11.12.1995 an, der Unfall habe sich auf einer Fahrt nach P ..., das etwa 15 km von ihrem Wohnort entfernt sei, ereignet. Sie habe Abdichtungsmaterial und zwei neue Wasserhähne wegen eines defekten Wasserrohrs im landwirtschaftlichen Gebäude kaufen wollen. Auf telefonische Rückfrage der Beklagten erklärte der Ehemann der Klägerin, im Schweinestall sei ein Wasserrohr defekt gewesen, außerdem seien zwei neue Wechsel benötigt worden. Die Fahrt sei nur wegen dieser Besorgungen erforderlich gewesen. Er selbst habe die Einkäufe dann einen Monat später erledigt. Im Schweinestall würden zwei Schweine gehalten, außerdem Enten, Puten und Masthähnchen.

Bei einer Ortsbesichtigung am 17.04.1996 erklärte die Klägerin gegenüber dem Bediensteten der Beklagten, seit einem Arbeitsunfall im Dezember 1992 könne ihr Ehemann seinen Beruf als Fernfahrer nicht mehr ausüben, er sei arbeitslos. Der Wasserhahn habe seit dem Sommer 1995 getropft, er diene zur Trinkwasserversorgung des Geflügels. Der Ehemann erklärte, er könne sich noch daran erinnern, dass seine Frau wegen des Wasserhahnes nach P ... gefahren sei und zwar zum Baumarkt "B ...". Dieses Geschäft habe seine Frau gekannt, da sie schon einmal dort gewesen seien. Sämtliche Einkäufe erledige die Klägerin. Die Klägerin habe die Fahrt nach P ... nur wegen der Wasserhähne zurückgelegt. Ein weiterer Baumarkt sei ebenfalls 15 km entfernt. Er selbst habe ein paar Wochen später bei der Firma W ... in U ... (Landmaschinenbedarf) die Wasserhähne gekauft. In diesem Geschäft würden sie ca. zweimal im Jahr einkaufen, wenn sie spezielle landwirtschaftliche Dinge brauchten. Am Unfalltag sei in der Familie über den Zweck der Fahrt der Klägerin nicht gesprochen worden, dies sei erst später erfolgt. Jetzt seien statt eines Wasserhahnes zwei Hähne installiert, mit dem ersten erfolge die Wasserversorgung für den Hühnerauslauf, der zweite werde für den Innenbereich benötigt. Nach dem Unfall habe sich der Sohn T ..., der früher in P ... gewohnt habe und als Hoferbe vorgesehen sei, entschlossen, die Wohnung im ersten Stock für sich und seine Freundin zu renovieren. Er sei Ende Oktober 1995 eingezogen.

Auf Anfrage der Beklagten erklärte Prof.Dr.F ..., der Sohn M ... A. habe zum Zweck der Fahrt angegeben, die Klägerin habe sich auf dem Weg zum Einkauf von Reparaturmaterial bei zum Zeitpunkt des Unfalls durchgeführten Reparaturarbeiten des Unfallbetriebes befunden. Während des stationären Aufenthaltes sei die Klägerin nicht besonders auf einen Arbeitsunfall hin befragt worden.

Mit Bescheid vom 18.06.1996 lehnte die Beklagte den Entschädigungsanspruch aus Anlass des Unfalles vom 08.08.1995 ab.

Obwohl der Ehemann schon einmal in dem Baumarkt in P ... gewesen sei und auch sonst zweimal jährlich zur Firma W ... mitfahre, habe er am Unfalltag die Klägerin zur Besorgung der Wasserhähne nicht begleitet. Das zunächst erwähnte Abdichtungsmaterial sei bei den Ermittlungen vor Ort nicht mehr erwähnt worden. Die Wasserhähne seien dann im ca. 60 km entfernten Fachgeschäft W ... gekauft worden. Es wäre naheliegend gewesen, wenn der Ehemann die Wasserhähne in P ... anlässlich eines Krankenbesuches gekauft hätte. Warum der Unfall erst so spät gemeldet worden sei, sei nicht geklärt worden. Da der schlüssige Nachweis über das Vorliegen eines Arbeitsunfalles nicht habe geführt werden können, gelte der Grundsatz der objektiven Beweislast. Ein landwirtschaftlicher Arbeitsunfall könne somit nicht anerkannt werden.

Mit Widerspruch vom 09.07.1996 wandte die Klägerin ein, sie habe 14 Tage im Koma gelegen, daher habe zunächst niemand daran gedacht, die Berufsgenossenschaft zu verständigen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.1996 zurückgewiesen.

Mit der Klage vom 31.07.1996 hat die Klägerin eingewandt, sie habe im Auftrag ihres Ehemannes in einem Baumarkt in P ... Abdichtungsmaterial und zwei neue Wasserhähne wegen einer im landwirtschaftlichen Betrieb defekten Wasserrohrleitung kaufen wollen.

Im Termin vom 12.05.1997 hat die Klägerin erklärt, Angaben zum Unfall könne sie nicht machen. Schon früher habe sie im Auftrag ihres Mannes Einkäufe für den landwirtschaftlichen Betrieb getätigt. Er habe ihr genau gesagt, was sie einkaufen solle. Dies habe sie sich notiert und entsprechend dann die Besorgungen gemacht. Wenn sie festgestellt habe, dass etwas reparaturbedürftig gewesen sei, so habe sie auch selbständig, d.h. ohne speziellen Auftrag ihres Mannes, Ersatzteile gekauft.

Der Zeuge G.A ..., der Ehemann der Klägerin, hat angegeben, seit Juni/Juli 1995 habe im Schweinestall ein Wasserhahn getropft. Er habe im August zu seiner Frau gesagt, sie solle Abdichtungsmaterial und einen Wasserhahn in P ... im Baumarkt kaufen. Diese Einkäufe habe sie in den letzten 20 Jahren immer erledigt. An die Meldung bei der Berufsgenossenschaft habe er, solange seine Frau im Koma gelegen habe, nicht gedacht. Nachdem sie am 03.09.1995 von der Intensivstation auf die Normalstation verlegt worden sei, habe er kurz darauf bei der Firma W ... , bei der er gelegentlich auch andere Ersatzteile und landwirtschaftliches Zubehör einkaufe, die Wasserhähne besorgt.

Der Zeuge M.A ..., der Sohn der Klägerin, hat erklärt, beim Ausfüllen des Fragebogens der AOK am 17.08.1995 habe er noch nicht genau gewusst, was die Klägerin habe besorgen wollen. Außerdem habe es sich ja tatsächlich um einen Verkehrsunfall gehandelt. Später habe er von einem Mitarbeiter einer Krankenkasse erfahren, dass es auf den Grund der Fahrt wesentlich ankomme. Daraufhin habe er erst an die Meldung eines Arbeitsunfalles gedacht. Deshalb habe er Dr.D ... vom Klinikum P ... im November aufgesucht.

Mit Urteil vom 15.01.1998 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.06.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.1996 verurteilt, den Unfall vom 08.08.1995 als Arbeitsunfall anzuerkennen und nach den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.

Aufgrund der Beweisaufnahme stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die Klägerin auf einer betrieblich veranlassten Besorgungsfahrt befunden habe. Das Gericht habe keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen G.A ... zu zweifeln. Die Glaubhaftigkeit der Angaben könne nicht dadurch erschüttert werden, dass der Betriebsunternehmer die Ersatzteile 4 Wochen nach dem Unfall in einem anderen Geschäft selbst besorgt habe. Der Zeuge habe hierzu nachvollziehbar erklärt, dass er, als seine Frau im Koma gelegen habe, nicht die Kraft gehabt habe, sich um derartige Dinge zu kümmern. Auch die Aussagen des Zeugen M.A ... seien schlüssig und lebensnah. Es entspreche einem familienadäquaten Verhalten, wenn man sich zunächst um die Genesung der verletzten Ehefrau und Mutter sorge und erst dann um betriebliche Angelegenheiten sowie um versicherungstechnische Fragen.

Mit der Berufung vom 05.06.1998 wendet die Beklagte ein, durch die Aussagen der Klägerin und der Zeugen seien die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht voll bewiesen. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit oder die bloße Möglichkeit genügten nicht. Es sei zweifelhaft, ob der Baumarkt, den die Klägerin angeblich habe aufsuchen wollen, derartige Wasserhähne, wie sie jetzt installiert seien, überhaupt führe. Es spreche vieles dafür, dass der Ehemann der Klägerin derartige Ersatzteile bei der Firma W ... turnusmäßig eingekauft habe. Er habe selbst angegeben, dass er ca. zweimal im Jahr zur Firma W ... fahre bzw. mitfahre, um spezielle landwirtschaftliche Gerätschaften und Ersatzteile zu kaufen und dass er zusammen mit der Klägerin im Baumarkt gewesen sei. Im Hinblick auf die Erklärung gegenüber der AOK sei die Beklagte der Auffassung, dass das Unfallereignis einen nicht unter Versicherungsschutz stehenden Verkehrsunfall darstelle. Der dem Klinikum P ... angegebene Fahrzweck, Einkauf von Reparaturmaterial wegen Reparaturarbeiten des Unfallbetriebes, sei wenig aussagekräftig. Es sei vorstellbar, dass die Klägerin den Baumarkt in Zusammenhang mit den Renovierungsarbeiten wegen des Einzuges des Sohnes T ... aufgesucht habe.

Die Klägerin führt dazu im Schreiben vom 30.09.1998 aus, der Sohn T ... habe sich erst nach dem Unfall entschlossen, zur Hilfe des Vaters auf den Hof zu ziehen.

Im Erörterungstermin vom 16.02.2000 gibt der Zeuge T.A ... an, nach dem Unfall der Mutter habe er sich mit seiner Freundin entschlossen, ins Haus der Eltern einzuziehen. Deswegen seien im September und Oktober 1995 ein Zimmer, eine Küche und ein Badezimmer renoviert worden. Seit 1998 wohne er mit seiner Freundin, inzwischen seine Ehefrau, in einem eigenen Haus. Besorgungen, auch von Ersatzteilen für Reparaturen, habe immer die Klägerin erledigt. Der Vater habe einen Tag oder einige Tage nach dem Unfall erzählt, dass die Mutter zur Besorgung der Wasserhähne unterwegs gewesen sei. Meistens habe sie solche Besorgungen in P ... erledigt. Der Weg dorthin sei wesentlich näher als der zur Firma W ... Über die Frage, ob der Unfall der Berufsgenossenschaft zu melden sei, habe er sich keine Gedanken gemacht.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.01.2001 erklärt der Zeuge G.A ..., zum Unfallzeitpunkt seien etwa 25-30 Hühner für den Eigenbedarf gehalten worden, außerdem etwa 30 Enten und 6 Puten, die zum Verkauf bestimmt gewesen seien. Es sei möglich, dass auch Schweine gehalten worden seien; er erinnere sich nicht mehr daran. Er wisse auch nicht mehr, wann er seiner Frau den Auftrag erteilt habe, einen neuen Wasserhahn zu kaufen. Wegen der Einzelheiten der Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10.01.2001 verwiesen.

Der Zeuge M.A ... erklärt, der Viehbestand auf dem Hof seiner Eltern habe von Monat zu Monat geschwankt. Eier und Enten seien teilweise verkauft worden. Über die Möglichkeit, dass ein landwirtschaftlicher Unfall vorliege, sei er von einem Bekannten, der bei einer Krankenversicherung beschäftigt sei, informiert worden. Auf die Sitzungsniederschrift vom 10.01.2001 wird Bezug genommen.

Die Beklagte stellt den Antrag, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 15.01.1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht P ..., der Akte der C ...-Versicherungsgesellschaft AG, die Unterlagen der AOK P ... und des Klinikums P ... sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der streitige Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Die Klägerin hat am 08.08.1995 keinen Arbeitsunfall erlitten. Gemäß § 548 Abs.1 Satz 1 RVO ist ein Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Versichert sind gemäß § 539 Abs.1 Nr.5 RVO u.a. Unternehmer, solange und soweit sie als solche Mitglieder in einer Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft sind und ihre mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten. Unbestritten war die Klägerin im Unfallzeitpunkt als Ehefrau ihres bei der Beklagten versicherten Mannes ebenfalls versichert.

Voraussetzung für den Versicherungsschutz im Unfallzeitpunkt ist aber die sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit, der sog. innere Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl. BSG, SozR 3-2200, § 548 Nr.3; BSGE 63, 273 f.). Es muss bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit im Unfallzeitpunkt als erbracht angesehen werden können (vgl. BSGE 58, 80 f. mit weiteren Nachweisen). Es muss also sicher feststehen, dass zu diesem Zeitpunkt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (vgl. BSGE 61, 127 f. mit weiteren Nachweisen).

Dies war zur Überzeugung des Senats am 08.08.1995 nicht der Fall, denn der Nachweis, dass die Klägerin die Fahrt zu dem Zweck antrat, eine Besorgung für den landwirtschaftlichen Betrieb zu erledigen, ist nicht erbracht.

Erst am 22.11.1995 meldete Prof.Dr.F ... auf Bitte des Sohnes der Klägerin den Unfall der Berufsgenossenschaft. Dass Prof. Dr.F ... zu den Umständen des Unfalls keine Angaben aus eigenem Wissen machen konnte, ergibt sich schon aus seiner Anregung, den Unfallhergang zu überprüfen. Ihm war lediglich mitgeteilt worden, die Klägerin habe sich auf dem Weg zum Einkauf von Reparaturmaterial für den Unfallbetrieb befunden.

Es konnte nicht überzeugend geklärt werden, warum der Unfall der Beklagten so spät gemeldet wurde. Zwar hat die Familie hierzu angegeben, dass die Sorge um den Gesundheitszustand der schwerverletzten Klägerin jeden anderen Gedanken verdrängt habe; dies kann für die Zeit ab 04.09.1995, als sich die Klägerin außer Lebensgefahr und auf der Normalstation befand und am 03.10.1995 aus dem Krankenhaus entlassen wurde, nicht überzeugen. Gleichwohl wurde der Antrag erst am 22.11.1995 veranlasst. Im Übrigen hat der Ehemann der Klägerin angegeben, er habe nach Verlegung seiner Frau auf die Normalstation die Wasserhähne gekauft, d.h., dass er ab diesem Zeitpunkt offensichtlich in der Lage war, sich auch um betriebliche Belange zu kümmern. Trotzdem wurde der Antrag nicht gestellt. Im Hinblick auf seinen eigenen Arbeitsunfall vom 02.12.1992, den er selbst 7 Tage später der Beklagten meldete, ist auch erwiesen, dass sich zumindest der Ehemann und Betriebsinhaber mit den formellen Erfordernissen bei der Meldung eines Arbeitsunfalles auskannte. Auch kannte er ja den Zweck der Fahrt der Klägerin, da er sie mit der Besorgung beauftragt hatte.

Dass der Betriebsinhaber, obwohl er als Arbeitsloser Zeit dazu gehabt hätte, die Besorgung der sehr speziellen Wasserhähne für den Stall nicht selbst übernahm, gibt ebenfalls zu Zweifeln Anlass. Schließlich hat er gegenüber der Beklagten angegeben, dass Besorgungen in Baumärkten auch gemeinsam erledigt wurden. Zudem differieren die Angaben bezüglich der einzukaufenden Gegenstände. Zunächst wurde erklärt, es habe sich um den Kauf von Abdichtungsmaterial und zwei neuen Wasserhähnen wegen defektem Wasserrohr im landwirtschaftlichen Gebäude gehandelt, dann wurde angegeben, die Klägerin habe zwei Wasserhähne mit 1/2 Zoll kaufen sollen, schließlich wurde eine Rohrverlängerung von ca. 20 cm angeschraubt und gleichzeitig zwei neue Wasserhähne installiert.

Zu Zweifeln Anlass gibt auch der Umstand, dass zwar die Klägerin die Wasserhähne in einem Baumarkt in P ... kaufen wollte, der Ehemann diese Hähne dann aber bei einer Firma für Landmaschinenbedarf, die ca. 60 km von seinem Wohnort entfernt ist, einkaufte, obwohl er den Einkauf der Wasserhähne in P ... bei einem Krankenbesuch bei seiner Frau hätte erledigen können.

Hinzu kommt, dass der Sohn T ... nach dem Unfall mit seiner Freundin und späteren Ehefrau in das Haus der Eltern einzog und dazu 3 Räume (Zimmer, Küche und Bad) renoviert wurden. Ob der Entschluss, ins elterliche Haus einzuziehen, tatsächlich erst nach dem Unfall gefasst wurde, oder ob dies nicht schon vorher der Fall war, so dass die Klägerin möglicherweise Material für die Renovierung der Räume des Sohnes besorgen wollte, ist zumindest fraglich.

Anhaltspunkte dafür, dass der Haushalt der Klägerin und ihres Ehemannes ein landwirtschaftlicher Haushalt war, so dass auch Wege zum Einkauf für den Haushalt versichert wären, sind nicht gegeben. Es handelte sich um eine kleine Nebenerwerbslandwirtschaft.

Bei der Größe und Art der Landwirtschaft diente die Haushaltung nicht wesentlich dem landwirtschaftlichen Unternehmen.

Zwar bestand ein enger örtlicher Zusammenhang zu dem landwirtschaftlichen Unternehmen. Aber es handelte sich hier um einen Haushalt, wie er auch sonst unabhängig von einem landwirtschaftlichen Betrieb besteht. Der Betriebsinhaber bestritt seinen Lebensunterhalt hauptsächlich aus dem Arbeitsverdienst bzw. aus dem Arbeitslosengeld. Die Haushaltsangehörigen haben nicht in erheblichem Umfang landwirtschaftliche Arbeiten verrichtet (vgl. Boller, Die Sozialversicherung 1967, S.110 f).

Wenn im landwirtschaftlichen Betrieb Großvieh gehalten und in der Hauptsache mit den Erzeugnissen des eigenen Bodens erhalten wird, erhält der Haushalt dadurch ein landwirtschaftliches Gepräge; denn dann sind Betriebsarbeiten in größerem Umfang und über das ganze Jahr zu leisten. Da die damit befassten Personen in der Haushaltung versorgt werden, ist diese wesentlich auf den Betrieb zugeschnitten und für ihn von Bedeutung (vgl. RVA in EuM 50, 12 a; Boller, a.a.O., S.110; BayLSG, Urteil vom 29.01.1980, Breithaupt 1980, S.664 f). Dies war hier aber nicht der Fall.

Die Erzeugnisse der Landwirtschaft kamen nicht in erheblichem Umfang der Haushaltung zugute. Dabei ist die Größe der Viehhaltung und die Zahl der zum Haushalt gehörenden Personen zu berücksichtigen (Boller, a.a.O., S.110). Die Verwertung der Erzeugnisse einer so kleinen Landwirtschaft dient zur Verbesserung und Verbilligung der Lebenshaltung, ohne dass der Haushalt dadurch ein landwirtschaftliches Gepräge erhält (Lauterbach, Unfallversicherung, § 777 Anm.1).

Es bleibt nach all dem eine tatsächliche Ungewissheit, die den Nachweis eines inneren Zusammenhangs der Fahrt vom 08.08.1995 mit der versicherten Tätigkeit ausschließt. Es sind hier verschiedene gleichwertig denkbare Fallgestaltungen möglich. Wenn ein Gericht nach Ausschöpfung aller Beweismittel außerstande ist, bestimmte Tatsachen festzustellen, greifen die Regeln über die Beweislastverteilung ein. Nach dem in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast geht die Unerweislichkeit einer Tatsache zu Lasten desjenigen Verfahrensbeteiligten, der aus dieser Tatsache Rechte für sich ableitet (vgl. BSG vom 28.06.1984 - 2 RU 54/89 mit weiteren Nachweisen). Somit muss die Klägerin die Folgen tragen, dass ein Nachweis eines betrieblich veranlassten Unfalls vom 08.08.1995 nicht möglich ist.

Die Berufung der Beklagten ist daher erfolgreich.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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