L 18 U 262/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 U 221/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 U 262/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der
Berufskrankheit Nr 2108 der Anlage 1 zur Berufskranheitsverordnung nach der
Gesamtbelastungsdosis des "Mainz-Dortmunder-Dosismodells" begegnet keinen
rechtlichen Bedenken (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 2000, 1025).
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.05.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Halswirbelsäule (HWS) als Berufskrankheit (BK) gem § 551 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) iVm Nrn 2108 und 2109 der Anl 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) anzuerkennen und zu entschädigen ist.

Der am 1935 geborene Kläger absolvierte von 1949 bis 1952 eine Lehre als Schneider und war von 1953 bis 1996 ganz überwiegend als Schneider und Bandarbeiter bzw -leiter in Kleiderfabriken beschäftigt (zuletzt bei der Firma W. und J. [W]).

Am 17.07.1996 zeigte die Allgemeine Ortskrankenkasse Bayern eine BK des Klägers nach Nr 2108 und Nr 2109 der BKVO an und legte ein Gutachten vom 26.06.1996 zur Frage der Arbeitsunfähigkeit des Klägers der Orthopädin G. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung vor. Die Beklagte befragte den Kläger zur Belastung durch Heben und Tragen von Lasten, durch große Rumpfbeugehaltung und Vibrationen mit einem Erhebungsbogen vom 05.08.1996 und zog einen Krankheitsbericht bei Wirbelsäulen-Erkrankungen von dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr.L.H. vom 22.08.1996 bei. Die Firma W teilte der Beklagten im Fragebogen vom 22.08.1996 (ohne nähere Begründung) mit, die Wirbelsäule des Klägers sei von 1959 bis 30.06.1996 durch die sitzende Tätigkeit an der Nähmaschine nicht besonders belastet gewesen. Nach Einholung einer gewerbeärztlichen Stellungnahme des Internisten Dr.F.W. vom 21.11.1996 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK mit Bescheid vom 23.01.1997 ab. Zur Begründung gab sie an, dass nach der Stellungnahme des Gewerbearztes sowohl die arbeitstechnischen als auch die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nicht gegeben seien. Ein Heben und Tragen, wie sie als gefährdungsanalytische Voraussetzung in der BKVO gefordert werde, sei in entsprechendem Maße bei Schneidern nicht vorhanden. Zwar werde eine Hebe- und Tragetätigkeit und auch eine Tätigkeit in gebückter Haltung beschrieben, jedoch erreiche diese nicht die arbeitstechnischen Vorgaben im Sinne der kumulativen Belastung. Aus gewerbeärztlicher Betrachtung der medizinischen Befunde stelle sich beim Kläger ein degeneratives HWS- und LWS-Syndrom dar. Zusätzlich bestehe ein BWS-Syndrom bei fixierter BWS-Kyphose. Es sei von einer generalisierten Wirbelsäulenerkrankung des Klägers auszugehen, die keine berufsbedingte punktuelle über das altersnormale Maß hinausgehende Degeneration aufzeige.

Auf den Widerspruch des Klägers hin führte der Technische Aufsichtsdienst (TAD) der Beklagten (Abteilung für Prävention) eine Belastungserhebung nach Aktenlage mit Befragung des Klägers durch und hielt mit Schreiben vom 24.04.1997 die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Wirbelsäulenerkrankung nach Ziffern 2108 und 2109 der Anl 1 der BKVO nicht für gegeben.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 26.06.1997 unter Berufung auf die Stellungnahme des Gewerbearztes sowie des TAD zurück.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhoben und weiterhin die Anerkennung der Wirbelsäulen-Erkrankung als BK begehrt. Er hat sich gegen die Arbeitsplatzanalyse der Beklagten gewandt und darauf hingewiesen, dass die Firma W längst nicht mehr existiere. Zum Beweis für das Heben und Tragen von großen Paketen und Stoffrollen mit einem Gewicht von 10 bis 15 kg hat er seine Ehefrau R. K. und Frau H. S. als Zeuginnen benannt. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 05.05.1998 unter Berufung auf die Feststellungen des TAD der Beklagten abgewiesen. Es hat die haftungsbegründende Kausalität verneint und deshalb auf die Einholung eines medizinischen Gutachtens verzichtet. Zusätzlich hat es auf das Gutachten der Orthopädin G. vom 26.06.1996 hingewiesen, wonach beim Kläger Verschleißerscheinungen der gesamten Wirbelsäule in allen drei Abschnitten vorlägen. Bei polysegmentaler Verteilung der Wirbelsäulenerkrankung könne daher nach herrschender medizinischer Lehrmeinung eine BK nicht anerkannt werden.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und mit Schriftsatz vom 16.09.1998 die von ihm während seiner beruflichen Tätigkeit zu bewältigenden Hebe- und Tragevorgänge unter Angabe der Mindest- und Höchstgewichte im Einzelnen dargestellt. Er hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Heranziehung der vom Bundesarbeitsministerium herausgegebenen Merkblätter angemeldet und gerügt, dass Tätigkeiten in vorgebeugter Haltung im Sitzen nicht von der BK Nr 2108 erfasst würden. Auch hat er eine ärztliche Begutachtung zur Frage, ob das Wirbelsäulenleiden auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sei, für erforderlich gehalten. Zur Frage der Wirbelsäulenbelastung am Arbeitsplatz hat er zusätzlich zu den schon vor dem SG angebotenen Zeugen als weitere Zeuginnen Frau J. T. und Frau G. G. benannt.

Die Beklagte hat eingeräumt, dass der Stellungnahme des TAD die Angaben des Klägers und des Arbeitgebers zugrunde gelegen haben, da der Betrieb bereits zum Zeitpunkt der Erstellung der Analyse geschlossen gewesen sei. Die Beklagte hat auf Anregung des Senats die vom Kläger in seinem Schriftsatz vom 16.09.1998 dargestellten Hebe- und Tragebelastungen durch den TAD erneut bewerten lassen und unter Berufung auf das Mainz-Dortmunder-Dosismodell die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2108 weiterhin verneint. Auch das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK 2109 hat sie nicht für gegeben erachtet.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 05.05.1998 und den Bescheid vom 23.01.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.06.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, seine Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 05.05.1998 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die beigezogene Akte der Landesversicherungsantstalt Unterfranken und die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Die Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter, da die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 124 Abs 2, 155 Abs 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente, denn die im Bereich der LWS und HWS bestehenden krankhaften Veränderungen stellen keine BK nach Nr 2108 und Nr 2109 der Anl 1 zur BKVO dar. Es fehlen nämlich schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK.

Der Anspruch des Klägers richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da er Verletztenrente auch für die Zeit vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches - Ges.Unfallvers. (SGB VII) zum 01.01.1997 begehrt (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz [UVEG], § 212 SGB VII).

Nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine BK. BK en sind nach § 551 Abs 1 Satz 1 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 - 545 genannten Tätigkeiten erleidet. Mit der am 01.01.1993 in Kraft getretenen zweiten Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18.12.1992 (2.ÄndVo) ist die Liste der BK en um die Nrn 2108 bis 2109 erweitert worden. Damit ist der Weg eröffnet, bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS und der HWS als Berufskrankheiten anzuerkennen.

Die Feststellung einer BK setzt grundsätzlich voraus (vgl Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheiten-Verordnung - Kommentar - E § 9 SGB VII RdNr 14), dass zum Einen in der Person des Versicherten die sogenannten technischen Voraussetzungen erfüllt sind, dh, dass der Betreffende im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK ausgesetzt gewesen ist, die geeignet waren, einen entsprechenden Gesundheitsschaden zu bewirken (haftungsbegründende Kausalität). Zum Anderen muss ein Zusammenhang zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung bestehen (haftungsausfüllende Kausalität). Während die arbeitstechnischen Voraussetzungen und der Gesundheitsschaden voll bewiesen sein müssen, reicht zur Bejahung des Kausalzusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und dem Gesundheitsschaden die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 38; Mehrtens/Perlebach, aaO RdNr 26). Bezüglich der hier streitigen BK en müssen also im Sinne des Vollbeweises eine bandscheibenbedingte Erkrankung der HWS und der LWS (Gesundheitsschaden) und die arbeitstechnischen Voraussetzungen "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung" bzw "langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter" (= haftungsbegründende Kausalität) nachgewiesen sein, und der Gesundheitsschaden muss im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre (vgl BSG SozR 2200 § 551 Nr 1; SozR 3-2200 § 548 Nrn 4, 11, 14; Mehrtens/Perlebach, aaO RdNr 17 ff) wesentlich ursächlich oder mitursächlich auf die belastende berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein (haftungsausfüllende Kausalität).

Ausgehend von diesen Voraussetzungen liegt beim Kläger eine BK nach Nr 2108 der Anlage zur BKVO nicht vor, weil schon die haftungsbegründende Kausalität nicht gegeben ist. Das zur BK Nr 2108 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (abgedruckt bei Mehrtens/Perlebach, aaO M 2108 S 1 ff), das zwar keine verbindliche, im Range der Verordnung stehende Erläuterung darstellt, aber Hinweise für die Beurteilung von möglichen Zusammenhängen aus arbeitsmedizinischer Sicht gibt und eine arbeitstechnische und medizinische Konkretisierung der BK beinhaltet (vgl BSG Urteil vom 23.03.1999 - B 2 U 12/98 R -), weshalb es als wertvolles Hilfsmittel für das Erkennen einer BK anzusehen ist, führt in seinem Abschnitt IV Anhaltspunkte für den Begriff "schwere Lasten" auf. Die - aus präventiv-medizinischen Gründen festgelegten - Lastgewichte betragen bei Männern im Alter zwischen 18 und 39 Jahren 25 und ab dem Alter von 40 Jahren 20 kg. Diese Lastgewichte müssen mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehoben und getragen werden, um als Ursache von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS infrage kommen zu können. "Langjährig" bedeutet danach, dass regelmäßig 10 Berufsjahre als untere Grenze der Dauer der belastenden Tätigkeit zu fordern sind. Unter "Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung" sind nach dem Merkblatt nur Arbeiten in Arbeitsräumen in einer Höhe von weniger als 100 cm oder solche Arbeiten zu verstehen, bei denen der Oberkörper aus der aufrechten Haltung um mehr als 90° gebeugt wird.

Dass der Kläger derartigen Belastungen im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Schneider ausgesetzt war, hat die Beklagte auf Grund der im Verwaltungsverfahren und im Berufungsrechtsstreit durchgeführten arbeitstechnischen Feststellungen zu Recht verneint.

Dabei begegnet die Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr 2108 der Anl 1 zur BKVO nach der Gesamtbelastungsdosis des "Mainz-Dortmunder-Dosismodells" keinen rechtlichen Bedenken (vgl LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 10.05.2000 in Breithaupt 2000, 1025 ff). Auch hält der Senat die Berechnung einer Gesamtbelastungsdosis durch den TAD auf der Grundlage der schriftlichen Angaben des Klägers für ausreichend. Es ist weder möglich noch erforderlich, konkrete Belastungen eines jeden Arbeitstages der über vier Jahrzehnte ausgeübten Tätigkeit als Schneider zu rekonstruieren (ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.06.1999 L 2 U 2993/97 in HVBG - INFO 2000, 2198 - 2200). Die Richtigkeit und Vollständigkeit der vom TAD verwerteten Angaben des Klägers ist im Berufungsverfahren auch nicht bestritten worden. Es bedurfte daher nicht der Einvernahme der vom Kläger angebotenen Zeugen, um Art und Umfang der Trage- und Hebebelastung zu ermitteln.

Nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell ergibt sich für die vom Kläger geschilderten Arbeitsvorgänge mit Lastgewichten ab 20 kg und unter Berücksichtigung der prozentualen Aufgliederung der Lastgewichte eine tägliche Belastungsdosis von 2873 Nh, unter der Voraussetzung, dass alle vom Kläger genannten Tätigkeiten gleichzeitig in einer Arbeitsschicht durchgeführt wurden. Nach dem oben genannten Modell ist für Männer aber erst ab einer täglichen Belastungsdosis von 5500 Nh eine wirbelsäulen-gefährdende Tätigkeit anzunehmen.

Auch für die Annahme einer BK im Sinne von Nr 2109 der Anl 1 zur BKVO fehlt es an den arbeitstechnischen Voraussetzungen. Wie bereits dem Wortlaut der BK Nr 2109 zu entnehmen ist, wollte der Verordnungsgeber mit dieser durch die zweite Verordnung zur Änderung der BKVO vom 18.12.1992 neu in die Liste aufgenommenen BK nicht alle beruflich verursachten Bandscheibenschäden im Bereich der Halswirbelsäule erfassen. Vorangegangen sein muss vielmehr eine langandauernde, die Halswirbelsäule in spezifischer Weise besonders strapazierende Tätigkeit. Das vom Bundesminister für Arbeit herausgegebene "Merkblatt für die ärztliche Untersuchung" (BArbBl 3/93 S 53) stellt als berufliche Gefahrenquelle "fortgesetztes Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, einhergehend mit einer statischen Belastung der cervikalen Bewegungssegmente und außergewöhnlicher Zwangshaltung der Halswirbelsäule" in den Vordergrund und führt an anderer Stelle aus, für den begründeten Verdacht auf das Vorliegen einer bandscheibenbedingten BK der Halswirbelsäule sei neben dem Ausschluss anderer Krankheitsursachen der Nachweis einer langjährigen, außergewöhnlich intensiven mechanischen Belastung der Halswirbelsäule erforderlich; ein erhöhtes Erkrankungsrisiko sei anzunehmen, wenn Lastgewichte von 50 kg und mehr regelmäßig auf der Schulter getragen würden. Diese Erkenntnisse beruhen nach dem Merkblatt auf epidemiologischen Studien, die bei Transportarbeiten in Schlachthöfen ein vermehrtes Auftreten von bandscheibenbedingten Erkrankungen der Halswirbelsäule ergeben haben. Die Amtliche Begründung zur BK Nr 2109 nennt als typische Berufsgruppe Fleischträger in Schlachthäusern, die Lasten auf der Schulter oder überkopf unter Zwangshaltung im Bereich der Halswirbelsäule und maximaler Anspannung der Nackenmuskulatur transportieren, und vermerkt weiter, ähnliche Belastungen träten beim Tragen schwerer Säcke auf der Schulter, zB bei Lastenträgern auf (vgl Bundesratsdrucksache 773/92, S 9). Diese Hinweise sind zwar keine authentische Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe "durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter". Sie bieten jedoch einen gewichtigen Anhalt bei Beantwortung der Frage, von welchen "besonderen Einwirkungen" im Sinne der Ermächtigungsnorm des § 551 Abs 1 Satz 2 RVO der Verordnungsgeber bei Einfügung der BK Nr 2109 ausgegangen ist und welche der Exposition durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzte "bestimmte Personengruppen" er im Auge hatte. Infolgedessen besitzt diese BK, anders als die BK Nr 2108, unter der eine Vielzahl charakteristischer Berufsgruppen im Transport- und im Baugewerbe, in der Krankenpflege und im Bergbau unter Tage fallen (vgl Amtliche Begründung aaO), nur einen engen, auf die Tätigkeit von Fleischträgern und vergleichbare berufliche Belastungen beschränkten Anwendungsbereich (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.06.1995 L 15 U 231/95). Zu dieser Risikogruppe gehört der Kläger aber nicht. Eine Belastung im Sinne der BK Nr 2109 von mindestens 50 kg für das Tragen schwerer Lasten auf der Schulter hat beim Kläger nicht stattgefunden.

Nach alledem fehlt es schon am Nachweis der haftungsbegründenden Kausalität, so dass sich die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität nicht stellt. Weitere Ermittlungen in medizinischer Hinsicht waren daher nicht erforderlich. Die Beklagte hat die Gewährung von Verletztenrente zu Recht abgelehnt, weil es schon an der haftungsbegründenden Kausalität mangelt (ebenso LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 02.08.1999 L 17 U 77/99, Urteil vom 10.05.2000 L 17 U 296/97, Urteil vom 13.06.1995 L 15 U 231/95).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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