L 3 U 267/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 376/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 267/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 154/01 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.02.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach der Nr.2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) streitig.

Der am ...1935 geborene Kläger war von 1954 bis September 1990 als Zimmerer beschäftigt, seit 1992 bezieht er Rente von der LVA Niederbayern-Oberpfalz.

Mit Schreiben vom 14.01.1994 beantragte der Kläger die Anerkennung seines Wirbelsäulenleidens als Berufskrankheit: Sein heutiges Rückenleiden sei durch seine langjährige berufliche Tätigkeit als Zimmerer im Baugewerbe verursacht. Er verwies auf entsprechende ärztliche Behandlungen und darauf, dass auch eine entsprechende Behinderung vom Versorgungsamt - GdB um 30 v.H. - anerkannt sei, die heute geminderte Erwerbsfähigkeit gehe somit über den Grad von 20 v.H. hinaus, der für Leistungen (Rente) aus der gesetzlichen Unfallversicherung maßgeblich sei. Am 20.05.1994 erstattete der behandelnde Orthopäde Dr.H .../Dr.W ... die ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit: Lumbale Beschwerden mit Ausstrahlung in beide Oberschenkel.

Die Beklagte hat zur Aufklärung ärztliche Unterlagen der behandelnden Ärzte und Kliniken beigezogen, eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr.K ... vom 13.11.1994, ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) vom 30.11.1994, eine Stellungnahme des Gewerbeaufsichtsamtes Regensburg vom 22.12.1995 eingeholt, die auf das Ergebnis des Gutachtens des Prof.Dr.W ..., I. Orthopädische Klinik des Rheumazentrums Bad A ..., vom 17.05.1995 Bezug nahm sowie die Dokumentation "Zimmerer" herangezogen. Prof.Dr.W ... hat das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.2108 mit einer MdE um 20 v.H. bejaht, beim Kläger läge zum einen eine das altersgemäße Ausmaß überschreitende Degeneration der Segmente L 4/5 und L 5/S 1 vor, zum anderen zeigten sich in den darüber liegenden Wirbelsäulenabschnitten nicht unerhebliche degenerative Veränderungen mit Segmentinstabilitäten bei Th 12/L 1 und L 1/L 2. Der beratende Arzt der Beklagten, Dr.Sch ..., hielt in seiner Stellungnahme vom 10.01.1996 dagegen die Durchführung einer Kernspintomographie zur weiteren Abklärung für erforderlich, die dann im Klinikum W ... von Prof.Dr.R ... durchgeführt worden ist. In der hierzu eingeholten Stellungnahme nach Aktenlage vom 19.03.1996 hat dann der beratende Arzt der Beklagten, Dr.Sch ..., ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der Kernspin-Befunde die Diskussion aus dem Krankenhaus Bad A ... hinsichtlich der Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 entkräftet würde. Die haftungsbegründende Kausalität, d.h. die medizinischen Voraussetzungen für die BK nach Nr.2108 lägen hier nicht vor, so dass eine entsprechende Anerkennung nicht empfohlen werden könne.

Gestützt hierauf hat die Beklagte sodann mit Bescheid vom 22.04.1996, nachfolgend bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 23.10.1996, die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung abgelehnt, weil es sich bei der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers nicht um eine Berufskrankheit handele.

Mit seiner hiergegen beim Sozialgericht Regensburg erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er stützte sich zur Begründung vor allem auf das vorgenannte Gutachten des Rheumazentrums Bad A ... sowie Berichte seiner behandelnden Ärzte.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen ein Gutachten des Orthopäden Dr.H ... vom 26.02.1997 eingeholt, in dem dieser das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.2108 verneinte. Er hat eine Osteochondrose des Segments C 5/6, eine Spondylosis deformans der BWS und LWS und ein lokales Lumbalsyndrom diagnostiziert und die Auffassung vertreten, dass die geklagten Beschwerden und nachweisbaren Funktionseinschränkungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer schädigenden Einwirkung im Sinne der BKVO und damit einer bandscheibenbedingten Erkrankung, sondern vielmehr (vgl. auch radiologische Begutachtung Klinikum W ...) den massiven mehrsegmentalen osteochondrotischen Veränderungen zuzuordnen seien. Ob das bekannte Übergewicht und der diagnostizierte Hohlrücken den Stellenwert einer konkurrierenden Ursache erhalten, sei gutachterlich nicht eindeutig und zweifelsfrei zu belegen. Unter Berücksichtigung eines nicht stimmigen Verteilungsmusters der Schädigungen, fehlender Belastung adaptiver Reaktionen an Grund- und Deckplatten der Wirbelkörper sowie des nicht zu widerlegenden Umstands, dass bestehende Bandscheibenveränderungen nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die beruflichen Belastungsvorgänge zurückgeführt werden können, sei die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 aus medizinischen Gründen nicht zu befürworten.

Demgegenüber kam die auf Antrag des Klägers - § 109 SGG - gehörte Sachverständige Dr.We ... in ihrem orthopädischen Gutachten vom 28.10.1997 zu der Auffassung, dass beim Kläger die Schäden an der LWS als Berufskrankheit nach Nr.2108 bei einer hierdurch bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. einzustufen seien. Nachdem die Schäden in den unteren Bewegungssegmenten das altersübliche Maß übersteigen und auch die darüber liegenden Segmente nicht unerhebliche degenerative Veränderungen inklusive Segmentinstabilitäten bei Th 12/L 1 und L 1/2 aufweisen, sei die Schlussfolgerung zu treffen, dass die berufliche körperliche Belastung im vorliegenden Fall eine maßgebliche Rolle an der Entstehung gespielt habe. Andere potentielle schädigende Faktoren wie private Unfälle oder Sportausübung haben nicht stattgefunden, so dass für die Entstehung der Schäden über das physiologische Maß hinaus keine Gelegenheit bestanden habe. Wesentliche konkurrierende Verursachungsfaktoren, wie sie von Dr.H ... gemutmaßt werden, hätten also nicht vorgelegen. Die Beklagte hat zur Entgegnung eine Stellungnahme des Chirurgen Dr.E ... vom 08.01.1998 vorgelegt, worin darauf verwiesen wurde, dass auch von Dr.We ... das Vorliegen einer generalisierten degenerativen Veränderung der gesamten Wirbelsäule letztlich nicht in Abrede gestellt werde, diese müsste jedoch als anlagebedingte Veränderung bewertet werden. Dass beim Kläger zweifelsfrei eine berufliche körperliche Überbelastung vorgelegen habe, sei durch den TAD-Bericht bestätigt. Von Dr.We ... sei dagegen die anerkannte Feststellung unbeachtet geblieben, dass eine gleichmäßige Degeneration aller Wirbelsäulenabschnitte eher für einen schicksalhaften Verschleiß spreche. Auffällig und ebenfalls unbeachtet sei ferner der Tatbestand, dass die verstärkt degenerativ veränderten Abschnitte der Wirbelsäule mit Bandscheibenvorwölbungen an den einzelnen distalen Wirbelsäulenabschnitten vorliegen, sowohl im distalen HWS- als auch im distalen BWS- und distalen LWS-Bereich. Auch dieser Umstand spreche für eine anlagebedingte degenerative Veränderung der Wirbelsäule. Damit könne im Ergebnis der Beurteilung von Dr.We ... nicht gefolgt werden, der objektivierbare Befund spreche nach den heutigen Erkenntnissen für eine anlagebedingte Erkrankung der Wirbelsäule des Klägers.

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.1996 zu verurteilen, bei ihm die Veränderungen an der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit im Sinne der Nr.2108 der BKVO anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 26.02.1998 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Beim Kläger liege keine Berufskrankheit im vorgenannten Sinn vor. Zwar habe er im September 1990 seinen Beruf als Zimmerer aufgegeben und insofern ein Tatbestandsmerkmal für die Nr.2108 erfüllt. Es fehle jedoch am ursächlichen Zusammenhang zwischen den Veränderungen an der Wirbelsäule des Klägers und seiner Tätigkeit als Zimmerer. Den Ausführungen der Dr.We ... habe sich das Gericht im Hinblick auf die überzeugenderen Ausführungen von Dr.H ... und Dr.E ... nicht anzuschließen vermocht. Es sei nach allem von generalisierten degenerativen Veränderungen der gesamten Wirbelsäule auszugehen, so dass Dr.H ... zuzustimmen sei, dass die geklagten Beschwerden und nachweisbaren Funktionseinschränkungen den massiven und mehrsegmentalen osteochondrotischen Veränderungen und nicht berufsbedingten Einwirkungen zuzuordnen seien. Auch Dr.E ... habe darauf hingewiesen, dass eine gleichmäßige Degeneration aller Wirbelsäulenabschnitte eher für einen schicksalhaften Verschleiß spreche.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein bisheriges Begehren weiter.

In dem zunächst mit Beschluss vom 26.08.1998 ausgesetzten und dann wieder aufgenommenen Verfahren hat der Senat von Amts wegen ein Gutachten des Orthopäden Dr.F ... vom 03.03.2000 eingeholt. Dieser Sachverständige verneinte darin - unter Auseinandersetzung mit den Vorgutachten, insbesondere mit der gegenteiligen Auffassung der Dr.We ... - das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.2108. Von Dr.We ... seien entscheidende wissenschaftliche Kriterien zur Beurteilung der Berufskrankheit nicht beachtet worden. Unter Hinweis auf fehlende private schädigende Faktoren (Unfälle oder Sport) habe sie unterstellt, dass dann konkurrierende Verursachungsfaktoren nicht vorhanden seien. Diese Schlussfolgerung sei aber nicht nachvollziehbar, weil die Sachverständige übersehen habe, dass eine Unzahl von konkurrierenden Verursachungsfaktoren endogener Art bestehe, nämlich die angeführten metabolischen Syndrome, Harnsäurewerterhöhung, Fehlstatik nach Scheuermann scher Erkrankung, Steilstellung der Kreuzbeinbasis, der daraus resultierende Hohlrücken und schließlich der generalisierte Befall zahlreicher Gelenke und aller Wirbelsäulenabschnitte von Verschleißerscheinungen. Gerade der Nachweis konkurrierender Verursachungsmöglichkeiten stelle ein wesentliches Kriterium gegen die Anerkennungsmöglichkeit einer Berufskrankheit nach Nr.2108 dar. Dass die Beschwerdesymptomatik an der Halswirbelsäule erst 1991 aufgetreten sei, stelle kein Gegenargument zum generalisierten Befall der Wirbelsäule dar. Gesundheitsstörungen entwickeln sich anfänglich nicht selten asymptomatisch.

Auf den Antrag des Klägers - § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - hat der Senat ferner ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.S ..., Chefarzt der R ...-Klinik Bad G ..., vom 14.07.2000 eingeholt. Er bejahte eine Berufskrankheit nach Nr.2108, konkurrierende Verursachungsmöglichkeiten anlagebedingter, statischer, entzündlicher oder unfallbedingter Genese könnten seiner Auffassung nach ausgeschlossen werden. Wissenschaftliche Versuche, zwischen Fettstoffwechselstörungen, Leberschaden oder Harnsäurediathese und Prädisposition für Bandscheibenerkrankungen Verbindungen herzustellen, seien nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Massive Randspornbildungen kämen zwar bei dem metabolischen Syndrom und Zuckerkrankheit vor, jedoch könnten sie auch ohne jeglichen Zusammenhang mit solchen Veränderungen vorkommen. Ein generalisierter Befall aller Wirbelsäulenabschnitte wurde ebenfalls in Abrede gestellt, ebenso das Vorliegen von prädiskotischen Deformitäten wie Skoliose, Hyperlordose und anderem.

Die Beklagte hat sodann zu den sämtlichen zur Verfügung gestellten medizinischen Unterlagen, - wie Röntgenbilder, Kernspintomogrammen usw. - eine Stellungnahme nach Aktenlage des Orthopäden Dr.A ... vom 31.12.2000 vorgelegt, in der dieser unter Auseinandersetzung mit den vorliegenden Befunden/eingeholten Gutachten zu der Auffassung gelangte, dass weiterhin eine Berufskrankheit nach Nr.2108 - bei fehlender Belastungskonformität des Schadensbildes - nicht anzunehmen sei. Es bestehe kein Zweifel, dass eine polysegmentale Verteilung der Bandscheibenerkrankung mit Beteiligung der HWS und BWS vorliege. Dies weise auf eine starke konstitutionelle Veranlagung zum Bandscheibenverschleiß hin. Ob noch zusätzliche Risiken wie Hyperurikämie oder Diabetes mellitus vorliegen, sei nicht entscheidend. Bei einer polysegmentalen Verteilung sei ein Ursachenzusammenhang zwischen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und der beruflichen Belastung als unwahrscheinlich anzusehen. Zu den abweichenden Gutachten der Sachverständigen Prof.Dr.W ... bzw. Dr.We ... hat Dr.A ... eingewandt, dass diese beiden Sachverständigen im Wesentlichen ausführliche theoretische Überlegungen über die Bandscheibenerkrankung und die Entstehung einer solchen aufgrund der vorliegenden Literatur, die jedoch allseits bekannt sei - machen, zu den wesentlichen Fragen des Kausalzusammenhangs jedoch nicht Stellung bezögen. Lediglich Dr.F ... habe in seinem Gutachten vom 03.03.2000 die derzeitigen Erkenntnisse bezüglich der Kausalitätsbeurteilung einer Berufskrankheit nach Nr.2108 gewertet und überzeugend dargelegt.

Der Kläger stützt sich weiterhin zur Begründung seines Begehrens auf das Gutachten des Dr.S ... vom 14.07.2000.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 26.02.1998 und des Bescheides vom 22.04.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.1996 zu verurteilen, die Veränderungen an der LWS als Berufskrankheit nach Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO anzuerkennen und entsprechend zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen. Denn die Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach § 551 Abs.1 Reichsversicherungsordnung (RVO) - der auf den vorliegenden Sachverhalt noch anzuwenden ist, vgl. Art.36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 Sozialgesetzbuch - SGB VII - in Verbindung mit Nr.2108 der Anlage 1 zur BKVO liegen nicht vor.

Dies hat das Sozialgericht - vor allem gestützt auf die Ausführungen des von ihm gehörten Sachverständigen Dr.H ... sowie die von der Beklagten im Klageverfahren vorgelegte Stellungnahme des beratenden Arztes der Beklagten Dr.E ... - eingehend und überzeugend dargelegt und auch gut nachvollziehbar ausgeführt, weshalb sich der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf das Gutachten der Sachverständigen Dr.We ... im Ergebnis nicht gründen lässt. Dieser Auffassung des Sozialgerichts schließt sich der Senat, bestärkt durch das Ergebnis des von ihm eingeholten Gutachtens des Dr.F ..., in vollem Umfang an. Auch das im Berufungsverfharen nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Dr.S ... kann eine andere Entscheidung im Ergebnis nicht stützen, weil dieses Gutachten nicht überzeugend ist. Insoweit schließt sich der Senat den detaillierten und überzeugenden Ausführungen des Dr.A ... in der von der Beklagten eingeholten und im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme an, in der die hier zu berücksichtigenden Kriterien sehr eingehend abgehandelt worden sind.

Der Senat geht mit den Beteiligten und den Sachverständigen sowie der Stellungnahme des TAD der Beklagten und der Dokumentation des Belastungsumfangs Zimmerer der Arbeitsgemeinschaften der Bau-BGen zwar davon aus, dass der Kläger belastend im Sinne der BK Nr.2108 der Anlage zur BKVO tätig war, also als Zimmerer im Baugewerbe langjährig schwere Lasten hob und trug und langjährig in extremer Rumpfbeugehaltung arbeitete. Er hat jedoch nach allem es nicht als wahrscheinlich angesehen, dass die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers durch die berufliche Tätigkeit als Zimmerer wesentlich (mit-)verursacht worden ist. Diese Auffassung stützt er auf die vorgenannten Gutachten insbesondere des Dr.H ... und Dr.F ...

Lediglich zusammenfassend soll an dieser Stelle nochmal auf folgende wesentlichen Gesichtspunkte bei der vorliegenden Problematik hingewiesen werden: Allein das Vorliegen einer Krankheit der BK-Liste sowie einer beruflichen Exposition, die geeignet ist, diese Krankheit zu verursachen, begründen, wie auch das BSG schon entschieden hat, keinen Anscheinsbeweis und damit noch nicht die Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung (Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 48/96 = SGb 1999, 39). Denn es gibt keinen gesicherten Erfahrungssatz, dass bei Vorliegen der sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen eine bandscheibenbedingte Erkrankung beruflich verursacht ist. Der Grund dafür liegt darin, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen auf einem Bündel von Ursachen (multifaktorielles Geschehen) beruhen. Ganz wesentlich ist der natürliche Alterungs- und Degenerationsprozess, dem die Bandscheiben eines jeden Menschen ab dem 30. Lebensjahr ausgesetzt sind und der nicht zu verhindern. Bevorzugt in den mittleren Lebensdekaden mit einem Häufigkeitsgipfel in der fünften Lebensdekade manifestieren sich bandscheibenbedingte Erkrankungen. Aus epidemologischen Studien gehen eine Reihe weiterer Ursachenfaktoren hervor. So haben auch im Fall des Klägers die gehörten Sachverständigen eine Reihe von endogenen Faktoren für die vorliegende Gesundheitsstörung aufgezeigt. Aus der Vielfalt dieser Verursachungsmöglichkeiten folgt, dass sich ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den bestehenden Wirbelsäulenerkrankungen und beruflicher Belastung nicht im Wege des Anscheinsbeweises, sondern nur anhand zusätzlicher Merkmale begründen lässt, wobei im Rahmen der anzustellenden Prüfungen die Auswirkungen der einzelnen Ursachen unterschieden werden müssen. Die zusätzlichen Merkmale (Kriterien), die für oder gegen eine berufliche (Mit-)Verursachung einer Wirbelsäulenerkrankung sprechen und eine nachvollziehbare Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs ermöglichen, entnimmt der Senat den sorgfältig begründeten und einleuchtenden Gutachten der Sachverständigen Dr.H ... und Dr.F ..., wie bereits oben dargestellt. Hieraus ergibt sich letztlich, dass eine Reihe von außerberuflichen Faktoren gegen eine berufliche Verursachung der Erkrankung sprechen. Ganz entscheidend ist zudem die Lokalisation, die gegen Einwirkung von berufsbedingten Schädigungen spricht. Die Annahme, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung zumindest in einem wesentlichen Teil ihre Ursache in berufsbedingtem schweren Heben und Tragen oder Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung hat, ist dagegen begründet, wenn bestimmte belastungsadaptive Reaktionen vorliegen. Solche sind jedoch im Fall des Klägers ebenfalls nicht nachweislich.

Nach allem konnte daher die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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