L 11 KA 98/99

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KA 39/98
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 98/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.05.1999 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung eines Ausnahmebudgets vom Praxisbudget.

Der Kläger ist als Arzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er beantragte im Juli 1997 die Bereitstellung eines bedarfsabhängigen Zusatzbudgets für die Leistungen nach Ziffer 6 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM), weil er eine regelmäßige Samstagssprechstunde abhalte. Die Ziffer 6 berechne er 360 bis 550 mal so häufig wie der Fachgruppendurchschnitt.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.08.1997 die Bereitstellung eines Ausnahmebudgets nach § 5 ihres Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) ab. Ein besonderer Versorgungsbedarf liege nicht vor. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.1998 zurück.

Zur Begründung der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe seit seiner Niederlassung 1987 regelmäßig Samstagssprechstunden angeboten. Dabei handele es sich um eine Praxisbesonderheit. Die Abgeltung der im Rahmen der Samstagssprechstunde besonders abrechenbaren Ziffern sei mit dem Praxisbudget nicht angemessen, da die Kalkulation dafür nicht auf der Basis der Punktzahlen der Praxen mit regulärer Samstagssprechstunde beruhe. Es werde fälschlicherweise damit argumentiert, daß die Samstagszuschlagsziffern von der Mehrzahl der Allgemeinmediziner abgerechnet würden. Er fordere ein Zusatzbudget in Höhe von 70 % der Überschreitung des Durchschnittswertes der Samstagszuschlagsziffern des Quartals I/1996.

Auch mit einem weiteren Bescheid vom 09.09.1998 hat die Beklagte daran festgehalten, daß dem Kläger kein Ausnahmebudget zustehe. Er erfülle nicht die Voraussetzungen der Durchführungsbestimmungen des Vorstandes der Beklagten zum HVM vom 06.05.1998. Im Quartal I/1996 habe die Praxis des Klägers lediglich eine Überschreitung des mittleren Teilfallwertes für "grüne" und "gelbe" Leistungen um 9,42 % im Vergleich zur Fachgruppe erreicht.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27.08.1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.01.1998 und des Bescheides vom 09.09.1998 zu verurteilen, über seinen Antrag auf Bereitstellung eines Ausnahmebudgets zur Gewährleistung der Sicherstellung bei besonderem Versorgungsbedarf unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß die Praxis des Klägers keinen besonderen Versorgungsbedarf sicherzustellen habe. Im Referenzquartal I/1996 überschreite der Teilfallwert des Klägers den durchschnittlichen Teilfallwert der Fachgruppe nur um 9,42 %. Der Anteil der beantragten Leistungen am Gesamtumsatz habe 6,95 % ausgemacht. Sein Praxisbudget habe der Kläger im Quartal III/1997 nur um 36,7 % überschritten.

Mit Urteil vom 18.05.1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Praxis des Klägers habe mit der Samstagssprechstunde keinen Schwerpunkt, der qualitativ den in § 5 Abs. 1 Satz 2 HVM genannten Fällen gleichzusetzen wäre. Arbeiternehmerfreundliche Öffnungszeiten begründeten keinen besonderen Versorgungsbedarf.

Zur Begründung seiner Berufung weist der Kläger erneut darauf hin, daß in der Vergangenheit Überschreitungen bei der Ziffer 6 EBM um 550 % akzeptiert worden seien. Kürzungsbescheide wegen Unwirtschaftlichkeit seien zurückgenommen worden. Bei der Kalkulation des Praxisbudgets ab dem 01.07.1997 sei von einem Fachgruppendurchschnitt ausgegangen worden, der den Fall einer regelmäßigen Samstagssprechstunde nicht berücksichtige. Es gebe nur ganz wenige Praxen im Bereich der KVWL, die eine regelmäßige Samstagssprechstunde durchführten. Er dürfe nicht dadurch erheblich benachteiligt werden, daß diese Praxisbesonderheit bei der Kalkulation des Budgets außen vor geblieben sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.05.1999 abzuändern und nach dem Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erweiterung seines Praxisbudgets nicht.

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 HVM in der Fassung vom 16.04.1997 bzw. § 6 Abs. 1 Satz 1 HVM in der Fassung vom 06.03.1999 kann der Vorstand der Beklagten auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren. Ein solcher Ausnahmetatbestand liegt nach § 5 Abs. 1 Satz 2 HVM bzw. § 6 Abs. 1 Satz 2 HVM insbesondere dann vor, wenn nachfolgend genannte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen:

- Betreuung von HIV-Patienten,
- onkologische Erkrankungen,
- Diabetes,
- Mucoviscidose,
- Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapievereinbarung),
- kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen,
- erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil.

Diese Regelung entspricht den Vorgaben in Ziffer 4 der Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 01.07.1997 der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung.

Es kann hier offen bleiben, ob der Vorstand der Beklagten für den Erlaß von Durchführungsbestimmungen zu § 5 bzw. 6 HVM zuständig war und ob diese in zulässiger Weise inhaltlich ausgestaltet wurden. Der Anspruch des Klägers scheitert hier bereits daran, daß er die im HVM statuierten Voraussetzungen nicht erfüllt. Er macht keinen Schwerpunkt der Praxistätigkeit geltend, der qualitativ den in § 5 Abs. 1 Satz 2 HVM bzw. § 6 Abs. 1 Satz 2 HVM genannten Fällen gleichzustellen wäre. Sämtliche dort genannten Fälle knüpfen an das Bestehen eines besonderen Versorgungsbedarfes eines speziellen Patientenklientels an. Daran fehlt es bei der Abhaltung von Samstagssprechstunden. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, können besondere Öffnungszeiten, mögen diese auch versichertenfreundlich sein und als grundsätzlich förderungswürdig angesehen werden, keinen besonderen Vesorgungsbedarf begründen.

Zur Begründung einer Besonderheit hat der Kläger lediglich auf enorme Überschreitungen bei der Abrechnung der Ziffer 6 EBM hingewiesen, nicht aber ausgeführt, worin die Besonderheit seines Patientengutes liegen soll. Eine Praxisbesonderheit kann aber nur aus einer besonderen Patientenstruktur, nicht aus der überdurchschnittlichen Abrechnungsfrequenz einzelner Ziffern herrühren (vgl. BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 27; ständige Rechtsprechung des Senates, vgl. Urteil vom 14.04.1999 - L 11 KA 117/98 - m.w.N. im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung).

Die Überschreitungszahlen des Klägers nähern sich im übrigen tendenziell der Durchschnittsüberschreitung des Budgets durch alle budgetierten Ärzte. Im Quartal III/1998 betrug die Überschreitung des Praxisbudgets beim Kläger noch 28% im Vergleich zu 23,5 % bei allen Ärzten im Durchschnitt. Damit wird deutlich, daß jedenfalls signifikante Unterschiede zu vergleichbaren Praxen nicht bestehen.

Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten es geboten sein sollte, allein für die Zuschlagsziffer 6 EBM ein gesondertes Ausnahmebudget unabhängig von § 5 bzw. 6 HVM zu gewähren. Das Argument des Klägers, daß bei der Kalkulation der Praxisbudgets Praxen mit regelmäßiger Samstagssprechstunde nicht berücksichtigt worden seien, überzeugt schon deshalb nicht, weil dies für jede Praxis angeführt werden kann, die vermehrt bestimmte Ziffern abrechnet. Bei einer notwendig pauschalierenden Berechnung können aber solche Besonderheiten im Leistungsverhalten keine Berücksichtigung finden.

Wie sich aus den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Vergleichsberechnungen der Beklagten ergibt, war der Kläger im Quartal III/1997 durch die Einführung der Budgetierung nicht beschwert. Durch die Punktwertsteigerung infolge der Budgetierung erzielte er trotz einer Überschreitung des Praxisbudgets um 36 % ein höheres Honorar als dies ohne Budgetierung zu erwarten gewesen wäre. Davon ist generell auch für die Folgequartale, in denen mit Ausnahme des Quartals I/1998 eine geringere Überschreitung vorlag, auszugehen. Mangels Beschwer des Klägers kann damit die Frage der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Budgetierung offen bleiben. Im Fall der Rechtswidrigkeit der Budgets hätte der Kläger im übrigen erst recht keinen Anspruch auf Gewährung eines Ausnahmebudgets.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved