L 13 VG 35/01

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 45 VG 166/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 35/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Versorgung nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten - Opferentschädigungsgesetz - (OEG).

Die 1978 geborene Klägerin lebte mit ihrem Vater und ihrem Bruder in G/ B bevor die Familie im März 1993 eine Wohnung in der N Straße in Bmietete. Vom 3. bis 26. Mai 1994 wurde die Klägerin wegen einer akuten Virus B-Hepatitis, deren Symptome sie erstmals am 24. April 1994 bemerkt hatte, im A-V-Krankenhaus stationär behandelt. Vom 10. Januar bis zum 9. Februar 1995 waren die Klägerin und ihr Bruder beim Jugendnotdienst in B-Puntergebracht. Dorthin hatten sie sich durch Vermittlung einer Bekannten gewandt, der sie davon berichtet hatten, dass die Klägerin von ihrem Vater sexuell missbraucht worden sei.

Im Juni 1997 verließen die Klägerin und ihr Bruder erneut die Wohnung der Familie. In der Folge erstattete die Klägerin gegen ihren Vater Strafanzeige wegen sexuellen Missbrauchs.

Am 1. Dezember 1998 beantragte die Klägerin die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG. Sie gab an, in der Zeit von September 1991 bis April 1994 von ihrem Vater in der Wohnung in der N Straße wiederholt sexuell missbraucht worden zu sein. Zeugen hierfür gäbe es nicht, sie könne lediglich Personen benennen, denen sie sich anvertraut habe. Sie leide unter Angst vor Beziehungen mit Männern, Magenschmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Albträumen sowie Zustand nach Hepatitis B, die sie durch Geschlechtsverkehr von ihrem Vater erworben habe. Der Beklagte zog die Akten der Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht B bei.

In dem durch Strafanzeige der Klägerin ausgelösten Strafverfahren wurde der Vater der Klägerin durch Urteil des Amtsgerichts T vom 8. April 1999 vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener freigesprochen (Aktenzeichen 248-52/98). Die Klägerin hatte von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Die von ihr als Nebenklägerin eingelegte Berufung nahm sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht B am 19. Oktober 1999 zurück (Aktenzeichen 570-82/99).

Der Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen nach dem OEG mit Bescheid vom 12. Januar 2000 ab, weil sich kein Nachweis dafür ergeben habe, dass die Klägerin infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs eine gesundheitliche Schädigung erlitten habe. Für ihre - nicht überzeugende - Darstellung des Tatverlaufs gäbe es keine weiteren Beweise. Eine genaue Aufklärung sei auch aufgrund der Zeugenaussagen nicht möglich.

Der Widerspruch der Klägerin, mit dem sie vortrug, der Beklagte habe verkannt, dass die strafrechtlichen Ermittlungen für das Verfahren nach dem OEG nicht bindend seien und die über § 6 Abs. 3 OEG anwendbare Beweiserleichterung nach § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVerfG) nicht berücksichtigt worden sei, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28. November 2000).

Zur Begründung ihrer hiergegen gerichteten Klage reichte die Klägerin u. a. eine als "eidesstattliche Versicherung" bezeichnete eigene Erklärung vom 28. Dezember 2000 sowie Vermerke des Jugendnotdienstes vom 10. Januar 1995 und 9. Februar 1995 ein.

Das Sozialgericht hat am 20. September 2001 durch Vernehmung des Vaters der Klägerin H-J H sowie ihren Bruder A-B Hals Zeugen Beweis erhoben. H-J H hat angegeben, dass es keine sexuellen Übergriffe auf die Klägerin gegeben habe. Er habe eine solche Tat gegenüber dem Jugendamt eingeräumt, weil man ihm gesagt habe, er dürfe seine Kinder nur dann wiedersehen. Der Chefarzt des A-V-Krankenhauses Prof. Dr. L habe als Gutachter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Bangegeben, die Hepatitis seiner Tochter könnte dadurch entstanden sein, dass sie seine aufgekratzten Unterschenkel verbunden habe, für eine Ansteckung durch Geschlechtsverkehr sei die Inkubationszeit zu kurz gewesen. Bis 1995 sei das Verhältnis zu seiner Tochter gut gewesen, es habe sich jedoch dramatisch verschlechtert, nachdem er seine Arbeit verloren habe und nicht mehr die Wünsche beider Kinder habe erfüllen können. Ihm sei bekannt, dass man für eine Vergewaltigung ins Gefängnis komme. A-B H hat ausgesagt, er habe nichts von sexuellen Übergriffen seines Vaters auf seine Schwester mitbekommen. Sie habe ihm erst später davon erzählt und er habe ihr zunächst auch geglaubt, weil sie dabei geweint habe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. September 2001 abgewiesen, weil die von der Klägerin geschilderten sexuellen Übergriffe ihres Vaters nicht nachgewiesen seien. Eine Glaubhaftmachung nach § 15 KOVVerfG komme nur in Betracht, wenn wegen der besonderen Umstände des Falles Möglichkeiten zur Aufklärung fehlten und nicht zu beschaffen seien, was aber dann nicht der Fall sei, wenn - wie hier - Zeugen präsent seien. Die Antragsangaben der Klägerin seien offensichtlich unzutreffend, denn sie habe 1991 /92 überhaupt nicht in B gewohnt, wo aber der sexuelle Missbrauch ausschließlich stattgefunden haben solle. Sie habe ihre Angaben auch nicht korrigiert, obwohl der unzutreffende Zeitraum im Bescheid dreimal genannt worden sei. Ihr Vater sei durch Urteil des Amtsgerichts T vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener freigesprochen worden und habe auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht unwiderlegbar bekundet, gegenüber seiner Tochter niemals sexuelle Übergriffe begangen zu haben. Die Geschwister hätten in den Jahren 1993 bis 1995 in einem Bett geschlafen und ein inniges Verhältnis zueinander gehabt, es sei daher völlig unerklärlich, aus welchen Gründen die Klägerin ihrem Bruder von den scheußlichen sexuellen Übergriffen niemals hätte berichten sollen und dass der Bruder in der engen Wohnung nicht selbst etwas von den kontinuierlichen Handlungen des Vaters hätte mitbekommen sollen.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 8. November 2001 zugestellt Urteil richtet sich die am 22. November 2001 beim Gericht eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie vorträgt, das Urteil basiere auf einer fehlerhaften Beweiswürdigung und einer lückenhaften Beweiserhebung. Die Aussage ihres Vaters sei völlig unglaubwürdig, ihm sei bekannt, dass er bei einer Vergewaltigung ins Gefängnis gekommen wäre, so dass er unmöglich gegenüber dem Jugendamt die Tat zugegeben haben könne, um seine Kinder sehen zu dürfen. Es hätte ein Rückschlussgutachten bezüglich ihrer psychischen Störungen eingeholt werden und zur näheren Erforschung ihres Umfeldes der Zeuge H S gehört werden müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. September 2001 und den Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2000 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr ab Dezember 1998 Entschädigung nach dem Opferentschädigungsgesetz nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 v. H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, ein Rückschlussgutachten sei nicht erforderlich, weil ein Anspruch schon dem Grunde nach nicht bestehe.

Der Senat hat zur weiteren Sachaufklärung einen Bericht des Jugendamtes des Bezirksamtes C-W vom 20. September 2002 eingeholt. Daraus ergibt sich u. a., dass sich aus den dortigen Akten kein Hinweis darauf entnehmen lasse, dass der Vater der Klägerin dem Jugendamt gegenüber einen sexuellen Missbrauch eingeräumt habe.

Die Klägerin hat hierzu eine Stellungnahme vom 11. November 2002 eingereicht, in der sie darauf hingewiesen hat, dass Frau R vom Jugendamt in der Verhandlung vom 19. Oktober 1999 (vor dem Landgericht B) gesagt habe, ihr Vater habe den Missbrauch eingeräumt.

Der Beklagte ist der Ansicht, die Widersprüchlichkeiten und dadurch bedingten Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Klägerin würden durch den Bericht des Jugendamtes und die Stellungnahme der Klägerin nicht ausgeräumt.

Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze verwiesen. Außerdem wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte und die Akte des Staatsanwaltschaft I bei dem Landgericht Berlin zum Az.: 6 Ju Js 100/98 Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn sie hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung nach dem OEG.

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG hat Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Der Umstand, dass die Gewalttaten in dem - staatlichen Sicherheitskräften nur beschränkt zugänglichen - familiären Nahraum stattgefunden haben, führt jedenfalls nicht zur Versagung von Leistungen. Aus der Entstehungsgeschichte des OEG ergibt sich der Wille des Gesetzgebers, wegen Gewalttaten, die sich auf dem Hintergrund häuslicher Gemeinschaft oder ähnlich vertrauter Beziehungen ereignet haben, eine Entschädigung nicht allgemein auszuschließen (BSGE 49, 104, 108 = SozR 3800 § 2 Nr. 1; BSGE 77, 7, 9 = SozR 3.3800 § 1 Nr. 6). Der vorsätzliche rechtswidrige tätliche Angriff als eine der anspruchsbegründenden Tatsachen im Sinne des § 1 OEG muss, wie es für soziale Leistungsansprüche allgemein gilt, zur Überzeugung des Gerichts erwiesen sein, d. h. es muss von einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit oder von einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden können, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt. Fehlt es daran, geht das zu Lasten der Klägerin (objektive Beweis- und Feststellungslast).

Unter Berücksichtigung des Inhalts der ausgewerteten Akten, steht zur Überzeugung des Senats nicht mit der an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit fest, dass die Klägerin von ihrem Vater sexuell missbraucht wurde. Er hat keine konkreten Feststellungen darüber treffen können, dass der Vater der Klägerin zu dieser in einer Serie von Gewalttaten eine langjährige Inzestbeziehung unterhalten hat und dass damit die Voraussetzungen des § 1 OEG erfüllt sind. Bei dieser Sachlage konnte es dahinstehen, ob die geltend gemachte Inzestbeziehung zu Gesundheitsstörungen bei der Klägerin geführt hat, die einen Entschädigungsanspruch rechtfertigen.

Bereits die eigenen Angaben der Klägerin sind von erheblichen Widersprüchen geprägt, die nicht allein durch die besondere psychische Belastung der Aussagesituation bei derartigen Delikten oder das jugendliche Alter der Klägerin zu erklären sind. Bereits das Sozialgericht hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin unzutreffende Angaben zum Tatzeitraum gemacht hat. Gegenüber der Polizei, wie auch in ihrem Antrag nach dem OEG, hatte sie als Tatzeitraum September 1991 bis (etwa) April 1994 angegeben und als Tatort die Wohnung in der in B gelegenen Straße benannt. In einem für das Jugendamt 1995 – also in zeitlicher Nähe zur Tat - verfassten Lebenslauf hatte die Klägerin aber erklärt, dass sie von 1987 bis 1993 die Grundschule G S und erst von 1993 bis 1995 die Hauptschule in B-C besucht habe, was auch durch den von ihrem Vater in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht T vorgelegten Mietvertrag vom 26. Februar 1993 bestätigt wird, aus dem sich ein Beginn des Mietverhältnisses in der Straße am 1. März 1993 ergibt.

Gegenüber der Polizei sagte die Klägerin bei ihrer Vernehmung am 31. Oktober 1997 aus, sie sei gegen Ende des Tatzeitraums zu einer Gynäkologin in der N Straße gegangen, um sich die Pille verschreiben zu lassen. Sie habe Angst vor einer Schwangerschaft gehabt, denn ihr Vater habe keine Maßnahmen zur Verhütung getroffen. Bevor sie die Ärztin aufgesucht habe, habe sie keine anderen Geschlechtspartner gehabt. Aus dem Befundbericht der Gynäkologin S vom 1. Dezember 1997 ergibt sich, dass sich die Klägerin dort erstmals am 14. Juli 1994, also zu einem Zeitpunkt als der sexuelle Missbrauch durch ihren Vater bereits seit etwa drei Monaten beendet gewesen sein soll, mit dem Wunsch nach hormoneller Kontrazeption vorgestellt hatte, nachdem eine Regelblutung nach dem letzten Regeltermin am 5. Juni 1994 ausgeblieben war. In einer weiteren Vernehmung am 17. Februar 1998 gab die Klägerin, auf die Widersprüche ihrer Angaben zu dem Befundbericht aufmerksam gemacht, an, nicht mehr zu wissen, ob sie damals schon mit ihrem Freund geschlafen habe. Ihr damaliger Freund sei D I gewesen. Dieser gab gegenüber der Polizei an, er sei im Juli 1995 mit der Klägerin befreundet gewesen, also mehr als ein Jahr nach Beendigung der Missbrauchshandlungen.

Frau B-K, die den Kontakt zum Jugendnotdienst hergestellt hatte, sagte bei der Polizei am 9. Januar 1998 aus, die Klägerin sei eines Abends zu ihr gekommen und habe sie um Hilfe gebeten. Sie habe ihr berichtet, es sei seit ihrem elften oder zwölften Lebensjahr zum Geschlechtsverkehr mit ihrem Vater gekommen, sie habe große Angst, schwanger geworden zu sein. Ihr Bruder sei von dem Vater misshandelt worden, weil er versucht habe, seine Schwester zu beschützen und dazwischen zu gehen. Diese Angaben habe sie noch ganz genau in Erinnerung. Mit der Aussage dieser am Geschehen praktisch unbeteiligten Zeugin lassen sich die Angaben der Klägerin, der sexuelle Missbrauch sei durch die Hepatitis-Erkrankung ihres Vater, der vor ihr erkrankt sei, beendet worden, nicht in Einklang bringen, denn im Januar 1995 kann die Klägerin nicht befürchtet haben, von ihrem Vater schwanger zu werden, weil dieser die Missbrauchshandlungen spätestens im April 1994 beendet haben soll ...

Insgesamt ergeben sich also aus den Angaben der Klägerin deutliche Widersprüche, insbesondere die nicht erklärbaren unzutreffenden Angaben zum Tatzeitraum und der Umstand, dass die Klägerin gegenüber der Polizei letztlich keine Angaben dazu machen konnte, ob sie vor oder während des Tatzeitraums sexuellen Kontakt zu anderen Männern als ihrem Vater hatte. Auf Nachfrage gab sie der Polizei den Namen eines Freundes an, mit dem sie mehr als ein Jahr nach dem angeblichen Ende des sexuellen Missbrauchs zusammen war. Der Bericht der Gynäkologin S vom 1. Dezember 1997 lässt darauf schließen, dass die Klägerin bei ihrem erstmaligen Besuch dort (14. Juli 1994) die Sorge hatte, schwanger zu sein, denn es erfolgte ein Schwangerschaftsausschluss. Eine nach der Regelblutung am 5. Juni 1994 eingetretene Schwangerschaft kann aber nicht durch einen sexuellen Missbrauch des Vaters, der nach den Angaben der Klägerin spätestens im April 1994 geendet hatte, entstanden sein, so dass der Umstand, dass die Klägerin im Juli 1994 defloriert war, nicht beweist, dass ihr Vater hierfür verantwortlich zu machen ist. Für den Senat ist auch nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin angesichts eines so einschneidenden Erlebnisses, wie es ein fortgesetzter sexueller Missbrauch darstellt, gegenüber der Polizei keine Angaben dazu machen konnte, ob sie während des Tatzeitraums auch sexuelle Kontakte zu anderen und gegebenenfalls welchen Männern hatte und dann einen Mann benannt hat, mit dem sie erst ein Jahr nach den angeblichen Missbrauchshandlungen ihres Vaters Kontakt hatte. Die Widersprüche in den Angaben der Klägerin lassen sich auch nicht aus der zwischen den Taten und der Anzeigeerstattung verstrichenen Zeit oder dem jugendlichen Alter der Klägerin, die im Januar 1995, als sie sich der Zeugin B-K anvertraute 16 Jahre alt war, erklären. Auch die Beiziehung der Unterlagen der Einrichtung Kind im Zentrum, an die sich die Klägerin und ihr Bruder im Mai 1994 gewandt haben sollen, verspricht insoweit keine weitere Aufklärung.

Auch die Angaben des Vaters und des Bruders der Klägerin gegenüber dem Sozialgericht beseitigen die Widersprüche in den Angaben der Klägerin nicht, sondern bekräftigen diese vielmehr. Der Bruder hat angegeben, von einem sexuellen Missbrauch des Vaters trotz der engen Bindung zur Klägerin und der beengten Wohnverhältnisse der Familie nichts bemerkt zu haben. Der Vater hat sowohl vor dem Amtsgericht Tals auch vor dem Sozialgericht bestritten, sexuelle Handlungen an der Klägerin vorgenommen zu haben. Auch die Widersprüchlichkeiten in den Angaben des Bruders der Klägerin, der etwa in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht angegeben hat, die Klägerin habe zu einem späteren Zeitpunkt von weiteren sexuellen Übergriffen des Vaters berichtet (was die Klägerin bestritten hat), und die von der Klägerin geäußerten Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben ihres Vaters vermögen die Zweifel des Senats an den eigenen Angaben der Klägerin nicht auszuräumen. Auch die im Verhandlungstermin vorgelegte als "eidesstattliche Versicherung" bezeichnete Erklärung des A-BH vom 16. Mai 2003, der zufolge er seinem Vater nur im Hinblick auf den von diesem auf ihn ausgeübten Druck Glauben geschenkt habe, vermag an dieser Bewertung nichts zu ändern, denn sie ist in keiner Weise geeignet, die Widersprüche in den eigenen Angaben des Bruders oder den Angaben der Klägerin auszuräumen.

Das Gericht durfte die zuvor zitierten und zur Grundlage seiner Entscheidung gemachten Aussagen der Angehörigen der Klägerin und anderer Personen aus dem strafrechtlichen Ermittlungs- und Hauptverfahren verwerten. Denn nach § 103 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und ist dabei an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Es wählt nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweismittel aus und bestimmt den Umfang der Beweisaufnahme (BSGE 30, 192, 205 = SozR § 127 RVO Nr. 20). Die Feststellung entscheidungserheblicher Tatsachen darf das Gericht auch auf den Inhalt beigezogener und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachter Akten stützen (vgl. § 106 Abs. 3 Nr. 1, § 119 Abs. 1 SGG). Ferner ist es zulässig, tatsächliche Feststellungen anderer gerichtlicher Entscheidungen einschließlich der ihnen zugrunde liegenden Beweismittel wie etwaiger Protokolle oder Zeugenaussagen im Wege des Urkundenbeweises zu verwerten.

Der Senat sah sich bei dieser Beweissituation der Klägerin nicht in der Lage, die vorsätzliche Begehung einer Serie von Gewalttaten als hinreichend wahrscheinlich festzustellen. Das Sozialgericht hat deshalb zu Recht nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu Lasten der Klägerin entschieden.

Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 193 Abs. 1 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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