L 4 KN 10/01 KR

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KN 89/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KN 10/01 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. Mai 2001 abgeändert und in Ziffer III aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Kläger selbst entstandenen Kosten für die von Dr.E. verordneten Heilmittel im Zeitraum 07.10. bis 21.10.1999 zu den Sätzen zu erstatten, die sie im Bescheid vom 04.01.1999 (Aufenthalt vom 29.09. bis 13.10.1998) angesetzt hatte.
III. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Kosten zu erstatten, die ihm für Heilmittel in Italien entstanden sind.

Der am 1938 geborene Kläger war freiwilliges Mitglied der Beklagten. Er hat nicht anstelle der Sach- und Dienstleistung Kostenerstattung gewählt.

Er hat sich von April 1995 bis Oktober 2000 insgesamt 11-mal in M. aufgehalten und für die ersten vier Aufenthalte Kostenbeteiligung von der Beklagten nach seinen Vorstellungen erhalten. Die Beteiligung beim fünften Aufenthalt vom 10.04. bis 20.04.1997 führte zu einem Klageverfahren vor dem Sozialgericht und Berufungsverfahren vor dem Bayer. Landessozialgericht (Az.:L 4 KN 2/99 KR). Es endete mit einem Vergleich.

Für den vom 25.09. bis 09.10.1997 durchgeführten sechsten Aufenthalt verordnete der Allgemeinarzt Dr.E. dem Kläger und seiner Ehefrau jeweils 6-mal Massage und Fango. An den in Rechnung gestellten Kosten von 971,43 DM beteiligte sich die Beklagte laut Bescheid vom 05.02.1998 pro Person für 6-mal Massage und 6-mal Fango jeweils mit 18,30 bzw. 15,45 DM. Nach Abzug eines Eigenanteils von 10 % errechnete sich für den Kläger und seine Ehefrau ein Erstattungsbetrag von 364,50 DM.

Für den siebten Aufenthalt vom 17.04.1998 bis 01.05.1998 wurde ebenfalls von Dr.E. Massage und Fango verordnet. Auch an der für die damalige Behandlung erstellten Rechnung beteiligte sich die Beklagte (Bescheid vom 15.06.1998) insofern, als sie einen Gesamtbetrag von 708,09 DM übernahm.

Die Beklagte hat den vom Kläger gegen beide Bescheide eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.1998 zurückgewiesen. Die Erstattung, wie sie für die ersten vier Aufenthalte vorgenommen worden war, binde die Beklagte nicht für die Zukunft. Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtete sich die Klage zum Sozialgericht München, mit der der Kläger beantragte, die Beklagte zur Zahlung der restlichen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 2.385,26 DM zu verurteilen. Die Beklagte habe ihm aufgrund der Handhabung der zurückliegenden Abrechnungen, wobei sie jeweils über 80 % der entstandenen Kosten erstattet habe, einen Rechtsanspruch für die Zukunft eingeräumt.

Der achte Aufenthalt fand vom 29.09. bis 13.10.1998 statt. Auch hierfür verordnete Dr.E. Heilmittel, die Beklagte beteiligte sich laut Bescheid vom 04.10.1999 an den Kosten in der Höhe, wie sie ihr in Deutschland entstanden wären. Der gegen den Bescheid vom 04.01.1999 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.02.1999 zurückgewiesen. Der Kläger erhob Klage zum Sozialgericht München, die unter dem Az.: S 2 KN 36/99 geführt wurde.

Der neunte Aufenthalt ist nicht streitgegenständlich.

Der zehnte Aufenthalt (07.10. bis 21.10.1999) wurde von der Beklagten nicht bezuschusst. Auch diesmal waren Heilmittel verordnet worden. Dem Kläger wurden Behandlungskosten in Höhe von 1.082,83 DM in Rechnung gestellt. Die Beklagte lehnte die Kostenbeteiligung in vollem Umfang mit Bescheid vom 04.12.1999 und Widerspruchsbescheid vom 03.04.2000 ab. Gegen diesen Widerspruchsbescheid richtet sich die unter dem Az.: S 2 KN 89/00 geführte Klage zum Sozialgericht München.

Das Sozialgericht hat die Klagen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17.05.2001 erklärte die Ehefrau des Klägers, sie nehme die Klage zurück.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 17.05.2001 die Klagen abgewiesen und dem Kläger 500,00 DM Mutwillenskosten auferlegt. Sämtliche Klagen seien zulässigerweise in einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage erhoben worden und verfolgten einen Kostenerstattungsanspruch für Aufwendungen mehrerer Auslandsbehandlungen. Alleinige Anspruchsgrundlage sämtlicher Klagen sei § 18 SGB V. Dessen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Für den zehnten Aufenthalt (ab 07.10.1999) habe auch keine vorherige Zusage der Beklagten vorgelegen. Insgesamt könne der Kläger aus der rechtswidrigen Erstattungspraxis in der Vergangenheit keine quasi gewohnheitsrechtlichen Positionen für die Zukunft ableiten.

Zu den Gerichtskosten in Höhe von 500,00 DM wird ausgeführt, es genüge, dass das Gericht aufgrund der Gesamtumstände zur Überzeugung gelangt, dass der Beteiligte die Aussichtslosigkeit des Rechtsstreits kenne und diesen trotzdem fortführe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 23.10.2001 beim Sozialgericht München eingegangene Berufung. Zur Berufungsbegründung führt der Kläger unter anderem aus, die Stellungnahme des Bundesversicherungsamts vom 08.11.2001 ergebe, dass die Beklagte verpflichtet sei, im Rahmen der Zusicherungen Kostenerstattungen vorzunehmen. Auch für den zehnten Aufenthalt sei die Genehmigung stillschweigend erteilt worden, da keine Absage erfolgt sei. Wegen der ihm auferlegten Gerichtskosten ist er der Auffassung, es hätten der Beklagten Gerichtskosten auferlegt werden sollen, weil sie durch Mutwillen und Verschleppung Kosten verursacht habe. Sie hätte die eingesetzten Preise mutwillig unterschiedlich berücksichtigt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.05.2001 sowie die streitgegenständlichen Bescheide vom 05.02.1998, 15.06. 1998, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.1998 sowie den Bescheid vom 04.01.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.02.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 10.12.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.04.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm DM 5.347,88 - entsprechend in Euro (= EUR 2.734,33) zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das streitgegenständliche Urteil des Sozialgerichts München sowie dessen Entscheidung vom 06.08.1998 (Az.: S 2 KN 43/98) für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten und des Sozialgerichts München sowie auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig. Sie ist nur insoweit begründet, als die Beklagte dem Kläger entstandene Kosten auch für den zehnten Aufenthalt (07.10. bis 21.10.1999) zu den Sätzen zu erstatten hat, die sie für frühere Aufenthalte angesetzt hatte. Kosten, die der Ehefrau des Klägers entstanden sind, sind nicht mehr streitgegenständlich, die Ehefrau des Klägers hat die Klage zurückgenommen.

Da der Kläger als freiwillig Versicherter Kostenerstattung nicht gewählt hat, kommt als einzige Anspruchsgrundlage § 13 Abs.3 SGB V in Betracht. Danach sind von der Krankenkasse Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war und die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind.

Der Kläger hat gemäß § 27 Abs.1 Satz 1 Nr.3 i.V.m. § 32 SGB V Anspruch auf Heilmittel. Gemäß § 2 Abs.2 Satz 1 sind auch Heilmittel grundsätzlich als Sachleistungen zu erbringen und im Inland in Anspruch zu nehmen. Hätte sich der Kläger aufgrund der Verordnung durch Dr.E. in Deutschland die Heilmittel verschafft, hätte er eine Sachleistung (mit Zuzahlungen) erhalten. Die Beklagte hätte hierfür den Leistungserbringern Zahlungen nach vereinbarten Sätzen geleistet (§ 32 Abs.2 SGB VI). Art.22 VO(EWG) Nr. 1408/71 regelt, unter welchen Voraussetzungen Versicherte in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat oder dem Wohnstaat Leistungen beanspruchen können.

Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art.22 VO(EWG) Nr. 1408/71 (siehe z.B. Urteil vom 13.05.2003, C-385/99) kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass für Leistungen, die Versicherte im EG-Raum in Anspruch nehmen, Kosten in der Höhe zu erstatten sind, wie sie den Krankenkassen von den zu- gelassenen Leistungserbringern in Deutschland in Rechnung gestellt worden wären. Eine vorherige Genehmigung durch die Krankenkasse ist nicht erforderlich.

Die Beklagte hat Heilmittel, die der Kläger während der streitgegenständlichen Aufenthalte sechs, sieben und acht in Anspruch genommen hat, entsprechend erstattet. Für den zehnten Aufenthalt (07.10. bis 21.10.1999) kann die Erstattungsablehnung nicht auf die fehlende vorherige Zusage gestützt werden. Das Urteil des Sozialgerichts war insoweit abzuändern und die Beklagte zur Kostenerstattung zu verurteilen. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

Da der Senat in diesem Umfang die Rechtsauffassung des Klägers somit teilweise stützt, kann von ihm nicht verlangt werden, dass er die Klage zurückgenommen hätte. Deshalb hat der Senat das Urteil insoweit aufgehoben, als Gerichtskosten gemäß § 192 SGG (Verschuldenskosten) auferlegt wurden.

Weil der Kläger nur in sehr geringem Umfang obsiegt hat, sieht der Senat davon ab, die Kostentscheidung des Sozialgerichts, dass außergerichtliche Kosten gemäß § 193 SGG nicht zu erstatten sind, abzuändern.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs.2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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