L 4 KR 148/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 KR 214/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 148/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. März 2001 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1998 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten für Haushaltshilfe auch in der Zeit vom 22.06.1998 bis 06.07.1998 zu erstatten.

Die am 1957 geborene Klägerin ist bei der Beklagten versichert, sie hat sechs Kinder, fünf leben in ihren Haushalt.

Die Beklagte hat der Klägerin nach Anhörung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MdK) (Dr.K.) die Kostenübernahme für die Operation einer epigastrischen Hernie und Fettschürze zugesagt. Mit Schreiben vom 23.04.1998 hat Dr.G. , Oberarzt für Chirurgie - Plastische Chirurgie vom Klinikum G. häusliche Hilfe für die Zeit von sechs Wochen postoperativ befürwortet. Durch die Gewährleistung einer häuslichen Hilfe werde der Krankenhausaufenthalt erheblich verkürzt. Die Beklagte hörte auch hierzu den MdK an. In dessen Stellungnahme (Dr.R. , Internist) wird Haushaltshilfe nicht für notwendig gehalten, weil die Krankenhausbehandlung hierdurch nicht verkürzt bzw. vermieden werde. Die Operation fand am 25.05.1998 statt. Die Beklagte hat daraufhin mit Bescheid vom 20.05.1998 die Kostenübernahme für die beantragte Haushaltshilfe abgelehnt. Hiergegen richtet sich der mit Schreiben vom 22.05.1998 eingelegte Widerspruch der Klägerin. Die Klägerin wies auf die Belastung in ihrem Sieben-Personen-Haushalt hin sowie auf die Gefahr, dass der Oberbauch erneut breche, falls sie zu schwer hebe. Daraufhin empfahl der Arzt für Innere Medizin/Sozialmedizin Dr.E. , die Haushaltshilfe zur Vermeidung von Krankenhausbehandlung gem. § 37 Abs. 1 SGB V poststationär bis zum 21. postoperativen Tag zu übernehmen. Die Leistung darüberhinaus wäre für weitere drei Wochen gem. § 38 SGB V zu befürworten, sofern dies die Satzung der Krankenkasse ermögliche. Die Beklagte hat daraufhin Haushaltshilfe bis 15.06.1998 zugesagt. Die Klägerin legte dann ein Attest des Frauenarztes und Geburtshelfers Dr.H. vom 08.06.1998 vor, der Haushaltshilfe voraussichtlich bis einschließlich 26.06.1998 ärztlicherseits für erforderlich hielt. Derselbe Arzt attestierte am 12.06.1998 er werde die Patientin stationär aufnehmen müssen, sollte Haushaltshilfe nicht gewährt werden. Am 19.06.1998 untersuchte Dr.K. (MdK) die Klägerin. Er stellte fest, sie sei nach der großen Bauchdeckenoperation zweifelsfrei nicht in der Lage, ihren Haushalt zu führen und ihre Kinder, vor allem ihr 16-monatiges Kleinkind, zu versorgen. Derzeit könnten nicht einmal leichtere Hausarbeiten verrichtet werden. Eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit liege allerdings trotzdem nach der bereits anerkannten dreiwöchigen Dauer nicht vor. Dies werde von der Patientin selbst genauso gesehen. Daraufhin gewährte die Beklagte mit Schreiben vom 25.06.1998 Haushaltshilfe vom 08.06. bis 19.06.1998. Der landwirtschaftliche Betriebshelferdienst bestätigte der Beklagten, die hauptberufliche Haushaltshilfe Frau M. habe am 08.06.1998 den Dienst im Haushalt der Klägerin aufgenommen. Ein Stundensatz von 39,60 DM sei vereinbart worden. Laut Einsatzbericht befand sich die Haushaltshilfe vom 08. bis 17.06.1998 insgesamt sechs Mal im Einsatz, ab Montag, dem 22.06.1998 die ganze Woche. Die Beklagte erstattete vom 08. bis 19.06.1998 für sechs Tage jeweils acht Stunden á 39,60 DM plus Reisekosten. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.1998 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung über den 19.06.1998 hinaus ab. Durch die Haushaltshilfe werde Krankenhausbehandlung nicht vermieden. Die Satzung des Beklagten sehe eine Mehrleistung gem. § 38 Abs. 2 SGB V nicht vor.

Hiergegen richtete sich die zum Sozialgericht Augsburg erhobene Klage, die damit begründet wurde, die Satzung sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Eine Satzung habe wenigstens die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Außerdem wurde darauf hingewiesen, nur durch Behandlungspflege bzw. häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte sei das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert worden. Hätte die Klägerin ohne Haushaltshilfe den Haushalt versorgen müssen, wäre mit Sicherheit nicht nur der Operationserfolg zunichte gemacht worden, die Klägerin hätte auch umgehend wieder stationär behandelt werden müssen. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Klinikums G. , Chrirurgische Klinik und Poliklinik beigezogen. Danach waren neben der Bruchoperation auch eine Mammaaugmentationsplastik durchgeführt worden.

Nach Hinweis des Sozialgerichts, dass keine weiteren Ermittlungen durchgeführt würden, wurde beantragt, Dr.G. , Oberarzt für Chirurgie, Plastische Chirurgie am Klinikum G. gem § 109 SGG anzuhören. Das Gutachten wurde nach Aktenlage am 20.08.2000 erstellt. Der Gutachter berichtete, sowohl der intra- als auch der postoperative Verlauf sei komplikationslos gewesen. Die Wundheilung erfolge per primam. Nach der stationären Behandlung (ab 07.06.1998) sei der Klägerin das Tragen einer Bauchbinde zur Entlastung der Baudecke für sechs Wochen empfohlen worden. Erst nach sechs Wochen nähere sich die Belastbarkeit wieder der präoperativen Ausgangssituation an. Bereits vor der Operation sei von ihm für den Zeitraum von sechs Wochen nach dem Eingriff die Haushaltshilfe befürwortet worden, insbesondere in Anbetracht der familiären Situation mit fünf kleinen Kindern und somit ständiger überdurchschnittlicher körperlicher Inanspruchnahme. Für die Beurteilung der Frage, ob der Zustand der Klägerin über den 19.06.1998 hinaus eine stationäre Behandlung erforderte, sei nicht nur die unmittelbare postoperative Situation zu berücksichtigen, sondern vor allem auch, wie das eigentliche Operationsziel, nämlich die langfristig erfolgreiche Stabilisierung der Bauchwand zu erreichen sei. Der Zustand der Klägerin habe einen Krankenhausaufenthalt von sechs Wochen erfordert. Dies hätte nur durch die Inanspruchnahme einer Haushaltshilfe vermieden werden können. Außerdem handele die Beklagte kurzsichtig, wenn sie nicht für die langfristige Sicherung eines Operationsziels Unterstützung gewähre. Die körperliche Entlastung sei notwendig gewesen. Ein Hernienrezidiv würde der Versicherung wesentlich teuerer kommen als die Bewilligung der Haushaltshilfe um eine weitere Woche bis 26.06.1998, wie sie offensichtlich beantragt wurde. Von seiner Seite aus müsse er die Gewährung der Haushaltshilfe bis zu sechs Wochen postoperativ, d.h. bis 06.07.1998 fordern.

Der Klägerbevollmächtigte legte Rechnungen des landwirtschaftlichen Betriebshelferdienstes für die Zeit vom 22.06.1998 bis 30.06.1998 und vom 01.07. bis 10.07.1998 vor. Beide Rechnungen datieren vom 02.02.2001.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 14.03.2001 die Beklagte unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide verurteilt, der Klägerin die vom 22.06.1998 bis 06.07.1998 entstandenen Kosten für eine Haushaltshilfe zu erstatten. Es führte zur Begründung aus, § 38 SGB V bilde keine ausreichende Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf eine Haushaltshilfe. § 38 Abs. 1 SGB V komme nur zur Anwendung, wenn tatsächlich ein Krankenhausaufenthalt vorliege. § 38 Abs. 2 SGB V stütze den Anspruch nicht, weil die Satzung der Beklagten keine entsprechende Regelung treffe. Die Klägerin habe jedoch Anspruch auf hauswirtschaftliche Versorgung in Form der Stellung einer Haushaltshilfe nach § 37 Abs. 1 SGB V. Danach erhielten Versicherte in ihrem Haushalt neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt werde. Dabei umfasse die häusliche Krankenpflege nicht nur die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege, sondern auch die hauswirtschaftliche Versorgung. Nach Überzeugung des Gerichts stehe auf Grund der Ausführungen des Gutachters Dr.G. fest, dass eine Haushaltshilfe erforderlich war, um den Krankenhausaufenthalt zu verkürzen und gleichzeitig eine erneute Krankenhausaufnahme zu vermeiden. Nachvollziehbar habe Dr.G. ausgeführt, dass das langfristige Operationsziel einer erfolgreichen Stabilisierung der Bauchwand nur bei einer entsprechenden postoperativen Schonung der Klägerin und Entlastung von den Aufgaben, die mit der Führung des Sieben-Personen-Haushalts verbunden seien, zu erreichen war. Dass die Klägerin postoperativ nicht in der Lage gewesen war, ihren Haushalt zu versorgen, habe ausdrücklich auch der MdK festgestellt. Der Einwand der Beklagten, eine Krankenhausbehandlung sei nicht erforderlich gewesen, überzeuge nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, die sie damit begründet, die Klägerin sei am 06.06.1998 regulär nach stationärer Behandlung entlassen worden, nachdem der Heilungsprozess komplikationslos verlaufen war. Ambulante ärztliche Behandlung, durch die in Kombination mit anderen Pflegeleistungen im Sinne des § 37 Abs. 1 SGB V ein bestimmter noch zu erreichender Behandlungserfolg angestrebt wurde, habe nicht mehr stattgefunden. Nach Ablauf von vier Wochen nach der Entlassung aus der stationären Behandlung habe sich die Klägerin nicht in einer Verfassung befunden, die nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses behandelt werden konnte, "Krankenhausbehandlung also noch immer geboten, aber wegen der familiären Verhältnisse der Klägerin nicht ausführbar war". Die Vorinstanz mache in den Urteilsgründen nicht nachvollziehbar deutlich, aus welchen Gründen an sich stationäre Behandlung dennoch geboten war und welche erforderlichen grundpflegerischen Maßnahmen oder behandlungspflegerischen, medizinischen Hilfeleistungen durch Pflegekräfte stattdessen zugunsten der Klägerin erbracht werden mussten und auch erbracht worden seien, die geeignet waren, einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden. Die beantragten Leistungen für eine Haushaltshilfe kämen nach § 38 SGB V nicht in Betracht. In seinen Entscheidungsgründen führte das Sozialgericht aus, ein Anspruch auf Haushaltshilfe bestehe postoperativ sechs Wochen, weil Dr.G. dies bestätigt habe. Das Gericht glaube, die gesetzlich in § 37 Abs. 1 Satz 4 SGB V geforderte Zustimmung des MdK durch die Angaben des behandelnden Arztes ersetzen zu können. Das Sozialgericht verletze mit seiner Vorgehensweise § 37 SGB V. Dem unparteiischen Gutachten des MdK sei der Vorzug zu geben gegenüber den Angaben des beteiligten Arztes Dr.G ...

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14.03.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung gem § 144 SGG bedarf, ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat nicht gem § 13 Abs. 3 SGB V, der als einzige Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte.

Nach § 13 Abs. 3 SGB V sind Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war und die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Kosten entstanden sind. Die Beklagte hat nicht zu Unrecht abgelehnt, der Klägerin über den 19.06.1998 hinaus Haushaltshilfe zu gewähren. Es gibt nämlich keine gesetzliche Grundlage für den vom Sozialgericht festgestellten Anspruch auf Haushaltshilfe. Dem Sozialgericht ist zu folgen, wenn es § 38 SGB V als Anspruchsgrundlage ausschließt. Da streitgegenständlich nicht die Zeit des Krankenhausaufenthaltes ist, ist § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht erfüllt, wonach Versicherte Haushaltshilfe erhalten, wenn ihnen wegen Krankenhausbehandlung oder wegen einer Leistung nach § 23 Abs. 2 oder 4, §§ 24, 37, 40 oder 41 die Weiterführung des Haushalts nicht möglich ist. Die Beklagte hat von der Möglichkeit, eine Regelung gem § 38 Abs. 2 SGB V in ihrer Satzung zu treffen, nicht Gebrauch gemacht. Deshalb kommt lediglich § 37 SGB V als Anspruchsgrundlage in Betracht. Auch dessen Voraussetzungen sind nicht gegeben. Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. Die häusliche Krankenpflege umfasst die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Bei der Klägerin waren während der streitgegenständlichen Zeit, wie sich aus den vorgelegten Rechnungen ergibt, keine Krankenpflegemaßnahmen geleistet worden. Durchgeführt wurde lediglich hauswirtschaftliche Versorgung. Die Überlegung des Sozialgerichts, durch die hauswirtschaftliche Versorgung werde Krankenhausbehandlung vermieden, ist nicht nachvollziehbar. Voraussetzung wäre hierfür nämlich, dass sie überhaupt geboten war. Gemäß § 39 Abs. 1 S. 3 SGB V umfasst die Krankenhausbehandlung alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung, Krankenpflege, Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung. Als Einzelkriterien müssen erforderlich sein: geschultes Pflegepersonal, apparative Mindestausstattung, intensive Behandlung durch rufbereite Ärzte (Höfler, Kass.Komm. Rdnr. 16 zu § 39 m.w.N.). Die vom Gutachter ausgeführte postoperative Schonung und Entlastung von der Haushaltsführung ist unbestritten nötig, aber kein Grund zur Fortsetzung stationärer Krankenhausbehandlung.

Nachdem also weder rechtlich noch tatsächlich nachvollziehbar ist, weshalb wegen einer komplikationslos verlaufenen Bruchoperation stationäre Krankenhausbehandlung für sechs Wochen erforderlich sein sollte, ist das Urteil des Sozialgerichts Augsburg aufzuheben.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Obsiegen der Berufungsklägerin.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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