L 14 RA 61/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 107/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 61/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10. Februar 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die im Jahre 1952 geborene Klägerin verfügt in der Zeit zwischen September 1967 und November 1981 über Pflichtbeiträge wegen Beschäftigung als Haushaltgehilfin, Lageristin und Verkäuferin sowie wegen Kindererziehung. Im Versicherungsverlauf ist dann noch eine Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung (August 1972 bis November 1990) vorgemerkt. Im Anschluss hieran folgen keine rentenrelevanten Zeiten. Von März 1997 bis Dezember 2000 sind bei der Beklagten wieder Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit (Betreuung der Mutter) festgehalten.

Am 02.05.2000 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit und begründete dies damit, dass sie sich seit November 1999 wegen Depressionen, Angstzuständen, Rücken-, Bandscheibenleiden, Hüftbeschwer- den, Augenbeschwerden und Blasenbeschwerden für berufs- oder erwerbsunfähig halte. Die Beklagte veranlasste eine nervenärztliche Begutachtung durch Dr.B. , ohne irgendwelche ärztliche Unterlagen beizuziehen und dem Sachverständigen mit Akte zu übersenden. Dr.B. kam in seinem Gutachten vom 02.08.2000 zu der Feststellung einer abhängigen Persönlichkeitsstörung bei chronisch affektiver Dauerbelastung; das psychosoziale Restfunktionsniveau sei nur geringgradig beeinträchtigt. Die Prognose sei bei guter Behandlung in einer psychosomatischen Fachklinik noch ausreichend gut. Die Klägerin könne in der letzten beruflichen Tätigkeit als Verkäuferin und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Zeitruck, ohne körperliche Belastung, nicht unter Zwangshaltung und nicht unter Akkordbedingungen vollschichtig seit Antragstellung verrichten. Unter Übernahme dieser Beurteilung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.09.2000 die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit ab, weil die Voraussetzungen hierfür nicht vorlägen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und übersandte zwei gleichlautende psychiatrische Stellungnahmen der behandelnden Psychiaterin Dr.B. vom 18.10. und 07.12.2000. Hiernach be- steht bei der Klägerin eine schubförmig verlaufende psychotische Erkrankung mindestens seit 1977, die intermittierend mit Lithium behandelt werde; im Sommer 1999 sei zunehmend eine Exa- cerbation mit akustischen Halluzinationen und einem systema- tisierten Beziehungswahn eingetreten, in der Folge seien drei stationäre Behandlungen im Bezirkskrankenhaus R. von November 1999 bis April 2000 notwendig gewesen, wobei die Klägerin unter herkömmlichen Neuroleptika wie Lyogen und Taxilan nicht remittierte, zuletzt im Frühjahr 2000 dann auch noch depressiv dekompensierte mit Suizidgedanken. Es bestehe noch eine psychopathologische Restsymptomatik, auf lange Sicht sei eine hochdosierte neuroleptische Behandlung erforderlich; mit einer wesentlichen Stabilisierung mit Einsetzbarkeit der Patientin in einer wie auch immer gearteten beruflichen Tätigkeit sei in absehbarer Zeit aus psychiatrischer Sicht nicht zu rechnen. Beigelegen hat der Stellungnahme ein Gutachten des Arbeits- und Sozialmediziners Dr.M. für das Familiengericht V. vom 24.02.2000, nach dessen Ergebnis die Klägerin seit dem Jahre 1994 arbeitsunfähig erkrankt sei, keineswegs psychisch leis- tungsfähig sei und "ein Antrag auf Erwerbsunfähigkeit" Aussicht auf Erfolg habe. In diesem Gutachten sind mehrere Arztbriefe des Nervenarztes Dr.S. aus den Jahren 1991 bis 1993, das Gutachten des Dr.B. , technische Untersuchungen des Bezirksklinikums R. vom 22.11. und 03.12.1999 (unauffälliges Schädel-Computertomogramm; latente Hyperthyreose), sowie eine nervenärztliche Bescheinigung der Klinik und Polilinik für Psychiatrie in R. vom 01.03.2000 wörtlich wiedergegeben und ausgeführt, nach den ärztlichen Unterlagen und der jetzt erfolgten Untersuchung zeige sich die Klägerin in einem äußerst reduzierten Allgemeinzustand, wobei im Vordergrund eine paranoide Schizophrenie bei floridem und stabilem Beziehungswahn vorliege.

Die Beklagte forderte daraufhin einen Befundbericht der Psychi- aterin Dr.B. vom 12.01.2000 an; aus diesem sowie den beigelegten Krankheitsberichten der Klinik und Polyklinik für Psychiatrie der Universität R. zu den stationären Aufenthalten der Klägerin vom 31.01. bis 26.02.2000 und 18.03. bis 28.04.2000 (vorausgegangen war ein Aufenthalt vom 14.11. bis 23.12.1999) ging hervor, dass sie an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leidet, wobei sich in den letzten Jahren ein systematisierter Beziehungswahn ausgebildet hat. Seit ca. 20 Jahren sei eine rezidivierende depressive Störung mit Panikattacken und zwanghaften Ideen vorbekannt.

Die die Beklagte beratende Ärztin N. vertrat hierauf die Ansicht, die Klägerin sei seit 14.11.1999 erwerbsunfähig, hierbei handele es sich um einen Dauerzustand. Die Widerspruchsstelle wies den erhobenen Rechtsbehelf mit Widerspruchsbescheid vom 28.03.2001 zurück, weil zwar der Leistungsfall der Erwerbsunfähigkeit am 14.11.1999 eingetreten sei, für eine Rentengewährung es jedoch an den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen fehle. Die Zeit von Januar 1984 bis zum Eintritt des Leistungsfalls sei nicht lückenlos mit Beitragszeiten und sonstigen rentenerheblichen Zeiten belegt; ebenso fehle in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalls (14.11.1994 bis 13.11.1999) es an dem Vorhandensein von mindestens 36 Pflichtbeiträgen. In diesem Zeitraum seien lediglich für 33 Monate Beiträge vorhanden.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Landshut verfolgte die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter und brachte vor, erst im März/April 2000 mit der dritten stationären Behandlung sei der Versicherungsfall eingetreten, zu dieser Zeit seien neben schweren depressiven Episoden mit psychiotischen Symptomen und rezidivierender depressiver Störung auch weitere Krankheiten (Über- bzw. Unterfunktion der Schilddrüse und Lithiummangel) festgestellt worden. Sie sei nicht bereits seit 1999 erwerbsunfähig, weil sie als Pflegekraft rentenversiche- rungspflichtige Pflegezeiten zurückgelegt habe.

Das Sozialgericht zog ärztliche Unterlagen bei (Befundbericht der Psychiaterin Dr.B. , Befundbericht des Allgemeinarztes Dr.W. mit zahlreichen Arztbriefen, darunter auch der Bericht der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie der Universität R. zum stationären Aufenthalt der Klägerin vom 14.11. bis 23.12.1999). Anschließend wurde die Psychiaterin Dr.M. mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage (Gutachten vom 11.03.2002) beauftragt. Die Sachverständige schilderte eingehend die gesamte Krankengeschichte der Klägerin und kam zu dem Ergebnis, dass seit 1999 eine paranoide Schizophrenie mit chronischem Verlauf bestehe und seit diesem Jahr keine Remission mehr eingetreten sei. Unter entsprechender psychiatrischer Behandlung - einschließlich der Medikation mit Neuroleptika - habe allenfalls seit 1999 eine zeitweise Besserung der Wahnsymptomatik und der Depressionen erreicht werden können. Eine richtungsweisende Besserung der schizophrenen Grunderkrankung und somit eine Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit seien nicht eingetreten. Man müsse davon ausgehen, dass die Grundsymptome der Schizophrenie bereits seit Jahren persistierten und zur Erwerbsunfähigkeit seit November 1999 geführt hätten. Als Verkäuferin und Lageristin habe die Klägerin nicht mehr tätig sein können, Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hätte sie ab diesem Zeitpunkt unter Beachtung zusätzlicher qualitativer Leistungseinschränkungen nur mehr zwei bis drei Stunden verrichten können. Aufgrund des chronifizierten Krankheitsverlaufs und der Therapieresistenz sowie der Natur der bestehenden Erkrankung mit eher ungünstiger Prognose sei es unwahrscheinlich, dass sich das Leistungs- und Umstellungsvermögen der Klä- gerin innerhalb der nächsten drei Jahre wesentlich bessere. Reha-Maßnahmen seien nicht erfolgversprechend und nicht erforderlich.

Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hörte das Gericht den von ihr benannten Arbeits- und So- zialmediziner Dr.M. an. Dieser kam in seinem dreieinhalbsei- tigen Gutachten vom 01.07.2002 zu der Auffassung, arbeiten kön- ne die Klägerin nur bedingt, wie zum Beispiel bei Einzelpflege der Mutter, täglich vier Stunden; auf dem allgemeinen Arbeits- markt unter Leistungsdruck sei dies nicht mehr möglich. Laut Dr.A. vom Bezirkskrankenhaus R. sei Beginn der Schizophrenie mit erheblichen Krankheitseinschränkungen 1998 gewesen. Die Schwächeanfälle, nämlich Antriebsarmut, ließen sich schon auf das Jahr 1994 zurückdatieren. Das Vollbild der Krankheit mit Suizidgedanken und innerer Unruhe lasse sich auf März 2000 manifestieren. Nachdem die Beklagte rügte, Dr.M. habe sich nicht eindeutig zum Zeitpunkt der zeitlichen Leistungsminderung geäußert, gab der Sachverständige auf Rückfrage des Gerichts in seiner Stel- lungnahme vom 23.10.2002 zur Antwort, bei der Patientin sei mindestens seit 1977 eine schubförmig verlaufende psychotische Erkrankung bekannt und im Sommer 1999 eine zunehmende Exacerba- tion mit Hallunizationen und Beziehungswahn. Die Krankheit ver- laufe schubförmig, einmal schwieriger, ein andermal weniger schwierig. Mit einer wesentlichen Stabilisierung sei in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.

In einer weiteren ergänzenden Stellungnahme der Psychiaterin Dr.M. vom 01.12.2002 wies diese darauf hin, dass sich Dr.M. nicht deutlich festgelegt habe, zu welchem Zeitpunkt eine zeitliche Leistungsminderung eingetreten sei. Dies sei bereits im Jahre 1999 auf Dauer geschehen, insgesamt ergäben sich keine neuen medizinischen Aspekte und keine Änderung ihrer Leistungsbeurteilung gegenüber dem Gutachten des Dr.M ...

Hierzu vertrat die Klägerin die Ansicht, sie habe Dr.M. mehrmals darauf hingewiesen, dass sie erst ab März 2000 akut erkrankt sei. Sie reichte noch einen Krankenbericht des Bezirksklinikums M. , Psychiatrische Klinik, für die vierte stationäre Behandlung vom 18.01. bis 01.02.2002 mit der Diagnose schizodepressive Störung ein.

Mit Urteil vom 10.02.2003 wies das Sozialgericht die Klage ab, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Ren- tengewährung nicht vorlägen. Aus dem Gutachten der Dr.M. und den beigezogenen ärztlichen Unterlagen folge schlüssig, dass der Leistungsfall bereits im November 1999 eingetreten sei. Aus der entgegenstehenden Beurteilung des Dr.B. ergebe sich nichts anderes. Auch wenn dieser aufgrund seiner Untersuchung am 29.06.2000 keine manifeste paranoide Symptomatik beschrieben habe, könne von einem Fortbestehen der schweren psychischen Grunderkrankung ausgegangen werden. Denn die durchaus schwankende Ausprägung der paranoiden Symptome sei kennzeichnend für diese Erkrankung. Auch fehle im Gutachten des Dr.B. eine Auseinandersetzung mit den stationären Entlassungsberichten. So sei anzunehmen, dass Dr.B. die Krankheitsvorgeschichte nur unvollständig gekannt habe. Insgesamt gesehen seien die Ausführungen der Dr.M. absolut überzeugend.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung bringt die Klägerin vor, am 17.03.2000 sei es ihr besonders schlecht gegangen, und wie sich aus dem Gutachten des Dr.M. ergebe, habe sich das Vollbild ihrer Erkrankung erst im März 2000 manifestiert. Bis dahin könne sie 36 Pflichtbeiträge vorweisen. Zur Begründung legt sie ein Attest des Internisten Dr.P. vom 06.02.2003 über einen Notarztbesuch am 17.03.2000, die Stellungnahme der Dr.B. vom 02.05.2003 (inhaltlich im Wesentlichen identisch mit den früheren Stellungnahmen), eine Bestätigung des Bayer. Roten Kreuzes vom 08.05.2003 (zweimonatliche Besuche durch den Sozialpsychiatrischen Dienst; drohende psychische Dekompensation wegen des als ungerecht empfundenen Sozialgerichtsurteils) und eine Bescheinigung der Krankenkasse vom 05.05.2003 vor, dass vom 01.03.1997 bis 31.12.2002 sowie auch ab 01.01.2003 Rentenversicherungsbeiträge entrichtet seien und weiterhin werden.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß), das Urteil des Sozialgerichts vom 10.02.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 11.09.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.03.2001 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Prozessakten beider Rechtszüge vor. Zur Ergänzung des Tatbestands, insbesondere hinsichtlich des Vortrags der Klägerin und des Inhalts der ärztlichen Unterlagen, wird hierauf sowie auf die beigezogene Versichertenakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, ff., 151 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), in der Hauptsache jedoch nicht begründet.

Auch der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Klägerin ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht zusteht. Sie hat zwar die Wartezeit und die medizinischen Voraussetzungen für eine Berentung erfüllt, nicht aber die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, die vom Zeitpunkt des Leistungsfalls abhängig sind.

Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjeni- gen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zuge- mutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann (§ 43 Abs.2 Sätze 1, 2 und 4 des Sozialgesetzbuches Teil VI - SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung).

Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Er- werbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Ar- beitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße bzw. monatlich 630,00 DM übersteigt; erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 44 Abs.2 SGB VI in den vom 01.01.1992 bis 31.12.2000 geltenden Fassungen).

Teilweise erwerbsgemindert ist der Versicherte, der wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein, und voll erwerbsgemindert der Versicherte, der unter den gleichen Voraussetzungen außer Stande ist, mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs.1 Satz 2 und Abs.2 Satz 2 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung). Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsfähigkeit erhält auch der Versicherte, der vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist (Übergangsvorschrift des § 240 Abs.1 SGB VI n.F.).

Der Zeitpunkt des Eintritts der Erwerbsunfähigkeit (und Berufsunfähigkeit) ist mit dem 14.11.1999 festzulegen. Bei der Klägerin liegt eine paranoide Schizophrenie vor, die mit diesem Zeitpunkt ein rentenerhebliches Ausmaß erreicht hat, so dass ihr auf Dauer nur mehr unter halbschichtig Erwerbstätigkeiten zumutbar gewesen sind. Insoweit musste der Senat nicht mehr in eine Beweisaufnahme eintreten, weil das Ergebnis erster Instanz überzeugend und schlüssig erscheint und sowohl der Vortrag der Klägerin als auch die beigebrachten Unterlagen in keiner Weise hiergegen sprechen.

Dr.M. hat eingehend die Krankengeschichte der Klägerin studiert und ist übereinstimmend mit den Ärzten des Bezirksklinikums R. zu dem Ergebnis gekommen, dass seit November 1999 das Leistungsvermögen der Klägerin wesentlich, und zwar auch in zeitlicher Hinsicht, gemindert ist. Vorliegend könnte allenfalls noch diskutiert werden, ob der Leistungsfall der Erwerbsfähigkeit auf Sommer 1999 vorzuverlegen wäre. Das Gutachten des Dr.B. steht der Annahme der Erwerbsunfähigkeit im Jahre 1999 nicht entgegen. Das Sozialgericht hat mit vorsichtiger Formulierung bereits darauf hingewiesen, dass dieser Sachverständige nicht hinreichend über die Krankengeschichte informiert gewesen ist. Tatsächlich ergibt sich auch aus der Rentenakte der Beklagten, dass jene keinerlei ärztliche Unterlagen beigezogen und dem Dr.B. zur Verfügung gestellt hat. So musste dieser aus dem Rentenantrag selbst entnehmen, dass vor zwei Jahren eine Rehabilitationsmaßnahme in B. stattgefunden hat, insoweit hatte sich die Klägerin höchst zurückhaltend geäußert. Laut Blatt 10 des Gutachtens gab sie hierüber keine Auskunft, inwiefern diese Maßnahme erfolgreich gewesen ist oder nicht. Auch die Anamnese ist recht dürftig ausgefallen, sei es, dass die Klägerin hierzu keine näheren Angaben gemacht hat, sei es, dass der Sachverständige selbst nicht hinreichend nachgefragt hat. So ist außer den gegenwärtigen Befunden im Wesentlichen im Gutachten nur zu lesen, dass die Klägerin immer wieder unter starken Depressionen gelitten und auch Suizidgedanken gehabt habe, dreimal sei sie im Krankenhaus gewesen. Unter Berücksichtigung dieser Mängel sowie des Umstands, dass die bei der Klägerin vorliegende Erkrankung schubweise verläuft und offensichtlich bei der Untersuchung durch Dr.B. keine akute Phase vorgelegen hat, kann dem im Rentenverfahren zuerst erstellten Gutachten keine maßgebende Aussagekraft zugemessen werden.

Das Gutachten des Arbeits- und Sozialmediziners Dr.M. ist für Rentenversicherungszwecke höchst ungeeignet, sieht man davon ab, dass dieser Arzt nicht auf seinem Fachgebiet tätig gewesen ist und keine fachkompetente Meinung in allen Punkten äußern hat können. Weitgehend hat sich dieser Sachverständige auf die Stellungnahmen der behandelnden Ärztin Dr.B. und die Ärzte des Psychiatrischen Krankenhauses R. berufen bzw. deren Redewendungen übernommen; ansonsten hat er sich nur äußerst vage zum Zeitpunkt des Eintritts der Herabsetzung des Erwerbsvermögens auf unter acht Stunden geäußert und sich nicht genau in seinem Gutachten festgelegt; in seiner ergänzenden Stellungnahme ergibt sich andeutungsweise, dass der Sachverständige zu dem Jahre 1999 tendiert. Irgendwelche maßgebenden Gesichtspunkte, die im vorliegenden Falle von Bedeutung wären und noch nicht - und zwar eingehender von der fachkundigeren Psychiaterin Dr.M. - besprochen worden sind, sind aus seinem Gutachten nicht ersichtlich. Im Übrigen hat Dr.M. in seinem Brief vom 03.02.2003 an die Klägerin - zum ersten Mal sehr deutlich - zum Ausdruck gebracht, dass deren Leistungsvermögen seit 1999 erheblich eingeschränkt sei, und es unabhängig davon auch im Frühjahr 2000 zu einer depressiv kompensierten Situation mit Suizidgedanken gekommen sei.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass ein Vollbild ihrer Erkrankung erst im Frühjahr 2000 vorgelegen habe, ist das so nicht zutreffend. Bereits im Sommer 1999 bestand eine zunehmende Verschlimmerung mit akustischen Halluzinationen und einem sytematisierten Beziehungswahn, und dieses schwere Bild einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis hat seitdem im Wesentlichen unverändert bestanden und bereits das Leistungsvermögen der Klägerin in zeitlicher und qualitativer Hinsicht wesentlich eingeschränkt. Unerheblich sind die darauffolgenden schubweisen Phasen, in denen floride Erscheinungen auftreten und Krankenhausbehandlungen erforderlich werden, auch wenn sich dann das Krankheitsbild wieder zeitweise und vorübergehend gebessert hat. Vorliegend sind nicht maßgebend die einzelnen Höhepunkte der Erkrankung, das heißt die Zeitpunkte, in denen besonders gravierende Symptome auftreten, sondern die Tatsache, dass auch ohne diese Symptome ein "Restzustand" bzw. eine Grunderkrankung besteht mit erhöhtem Ruhebedürfnis, Konzentrationsstörungen und depressiven Symptomen. Auch aus den Stellungnahmen der Dr.B. geht eindeutig hervor, dass die Klägerin bereits seit 1999 nicht mehr in einer wie auch immer gearteten beruflichen Tätigkeit in absehbarer Zeit eingesetzt werden konnte.

Neben der Sache liegt der Vortrag, dass erst im März 2000 zusätzliche Erkrankungen festgestellt worden seien. Wegen Lithiummangels ist die Klägerin, wie die Arztbriefe des Dr.S. und der Dr.B. erwähnen, bereits 1992, 1993 und 1998 behandelt worden; allein aus einem solchen medikamentös behebbaren Mangel folgt nicht die Erwerbsunfähigkeit. Hinsichtlich der Hyperthyreose ist anzufügen, dass die Überfunktion der Schilddrüse,wie im Bezirksklinikum R. festgestellt worden ist, nur latent war und vorliegend belanglos ist. Zum anderen könnten, selbst wenn in der Hyperthreose und in dem Lithiummangel gravierende Gesundheitsstörungen gesehen werden, diese keinesfalls widerlegen, dass allein durch die psychotische Erkrankung die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in zeitlicher Hinsicht bereits mindestens seit November 1999 wesentlich und auf Dauer gemindert war.

Bei Eintritt der Erwerbsunfähigkeit am 14.11.1999 erfüllt die Klägerin nicht die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. In den vorausgehenden fünf Jahren sind lediglich 33 Pflichtbeiträge vorhanden, nicht die vom Gesetz geforderten mindestens 36 Pflichtbeiträge (§ 43 Abs.1 Nr.2, § 44 Abs.1 Nr.2 SGB VI in den bis zum 31.12.2000 geltenden Fassungen)."Schiebe- zeiten", die den Fünfjahreszeitraum vorverlegen könnten (§ 43 Abs.1, § 44 Abs.3 SGB VI a.F.), liegen nicht vor. Weiterhin ist auch nicht der Zeitraum ab 01.01.1984 lückenlos mit Pflichtbeiträgen, freiwilligen Beiträgen oder sonstigen rentenrelevanten Zeiten (Anwartschaftserhaltungszeiten) belegt, wie es § 240 Abs.2, § 241 Abs.2 SGB VI a.F. voraussetzen; vielmehr besteht vom Dezember 1990 bis einschließlich Februar 1997 eine große Lücke im Versicherungsverlauf.

Das ab 01.01.2001 teilweise geänderte Rentenrecht hat hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keine für die Klägerin günstigere Regelung eingeführt (vgl. §§ 43, 240 SGB VI n.F.), so dass auch danach nicht die Gewährung einer Rente möglich ist.

Daher war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich. -
Rechtskraft
Aus
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