L 3 U 335/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 265/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 335/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

I.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus Anlaß seines Unfalls vom 03.08.1997 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Der am 1935 geborene Kläger erlitt am 03.08.1997 einen Verkehrsunfall. Er war mit seinem PKW unterwegs, um einen Geschäftspartner abzuholen. Auf der Autobahnausfahrt Nabburg stieß er mit einem von links - vermutlich mit überhöhter Geschwindigkeit - kommenden Motorradfahrer zusammen. Letzterer wurde dabei schwer verletzt. Der Kläger erlitt nach dem Bericht von Dr.G. , Kreiskrankenhaus B. , eine Gehirnerschütterung ohne äußere Verletzungszeichen. Die Röntgenuntersuchung erbrachte keinen Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung. Im Nachschaubericht vom 11.08.1997 gab Dr.H. an, es bestünden anhaltende Schmerzen im Bereich des Schädels links bei angedeuteter Prellmarke. Eine neurologische Untersuchung durch C. L. am 21.08.1997 deckte einen noch vorhandenen posttraumatischen Lagerungsschwindel bei angedeutetem Nystagmus auf. Die Beklagte veranlaßte eine neurologische Begutachtung durch Dr.K. , Chefarzt der Neurologischen Abteilung des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder in R. am 24.09.1998 und eine chirurgische Begutachtung durch Dr.H. am 02.11.1998. Auf das Ergebnis dieser Untersuchungen gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18.11.1998 Verletztenrente ab. Die Unfallfolgen, ein verheiltes Schädel-Hirn-Trauma I. Grades mit Gehirnerschütterung habe keine Minderung der Erwerbsfähigkeit - MdE - in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus zurückgelassen. Es bestünden jedoch unfallfremde Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule, ein seelischer Erschöpfungszustand, eine Versteifung des unteren rechten Sprunggelenks nach Fersenbeinfraktur sowie Kopfschmerzen. Die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe für die Dauer von 8 Wochen nach dem Unfall bis 27.09.1997 fortbestanden. Dem Widerspruch half die Beklagte nicht ab (Widerspruchsbescheid vom 08.07.1999).

Dagegen hat der Kläger beim Sozialgericht Regensburg Klage erhoben und vorgetragen, nach dem im Auftrag der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Amberg ersatteten unfallanalytischen Gutachten der DEKRA vom 26.01.1998 sei das Kraftrad des Unfallgegners mit einer Geschwindigkeit von 82 beziehungsweise 100 km/h auf seinen PKW geprallt. An seinem Fahrzeug sei Totalschaden entstanden. Die Schwere des Verkehrsunfalls sei nicht hinreichend gewürdigt worden. Er leide seither an den Folgen einer HWS-Distorsion mit Lagerungsschwindel, Kopf-, Nacken-, Schulterschmerzen und depressivem Syndrom. Computertomogramm- und Magnetresonanzuntersuchungen hätten Marklagerläsionen beidseits und andere Veränderungen im Gehirn bestätigt, welche posttraumatischer Genese seien. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. September 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die in seinem Auftrag erstatteten Gutachten des Neurologen Dr.K. vom 17.11.2000 und des Orthopäden Dr.H. vom 17.01.2001 gestützt. Die von den behandelnden Neurologen Drs.V. u.a. gestellte Diagnose eines Schleudertraumas sei im Hinblick auf die anfänglich gesicherten Befunde nicht zu erklären. Zudem lasse die Ausweitung des Symptomenbildes bis hin zum Lendenwirbelsäulensyndrom, begleitet von Bandscheibeveränderungen, keine Kausalität zum Unfall zu. Was die Gehirnerschütterung anlange, so sei darauf hinzuweisen, dass diese folgenlos ausgeheilt sei. Das jetzige Beschwerdebild werde durch das depressive Syndrom gekennzeichnet. Ein Bezug zum Unfall bestehe insoweit nicht. Eine unfallbedingte MdE beziehungsweise die Bewilligung von Verletztengeld ab der 27. Woche lasse sich nicht begründen. Dem auf Antrag des Klägers - gem. § 109 SGG - erstatteten Gutachten des Dr.C. vom 04.06.2001, welcher eine Schädigung des Gleichgewichtsorgans, eine Schleuderverletzung der Halswirbelsäule und Brustwirbelsäule, einen Kopfschmerz bei Verletzung der Schädelbasis und eine reaktive Depression als Unfallfolgen bei einer MdE um 50 vH bezeichnete, hat es sich nicht angeschlossen. Der Gutachter folgere dies aus der Schwere des Aufpralls und der Kollisionsgeschwindigkeit und der Annahme, es sei bei dem Unfall zu einer Peitschenbewegung der Halswirbelsäule nach rechts gekommen. Gegen diese Auffassung sprächen jedoch der tatsächliche Unfallhergang, die Primärbefunde und der Erkrankungsverlauf mit ständig zunehmenden Beschwerden.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, zu Unrecht sei das Sozialgericht dem Gutachten von Dr.C. nicht gefolgt. In der Zusammenschau mit dem Gutachten der DEKRA sei zwangsläufig davon auszugehen, dass das Fahrzeug des Klägers durch den Aufprall mit dem Motorrad eine Geschwindigkeitsänderung von mindestens 20 km/h erfahren habe. Eine solche Geschwindigkeitsänderung sei geeignet, ein Halswirbelsäulenschleudertrauma hervorzurufen. Die Schwere des Unfalls sei von den gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr.H. und Dr.K. nicht ausreichend gewürdigt worden. Dass die Beschwerden bezüglich der Halswirbelsäule und der Schädigung des Gleichgewichtsorgans erst Tage nach dem Unfall aufgetreten seien, sei nichts Ungewöhnliches, wie der Sachverständige Dr.C. überzeugend dargelegt habe. Auch die beim Kläger bestehende Depression sei zutreffend als Folge des Unfalls zu werten. Denn, wie Dr.C. zutreffend ausführe, habe der Kläger bis zu dem Unfall keine psychischen Probleme gehabt und sei ohne weiteres in der Lage gewesen, die enormen Belastungen seines Berufsalltags zu bewältigen. Jetzt sei er jedoch gezwungen, seine Funktion als Seniorchef seines Gaststättenbetriebes aufzugeben. Sofern das Gericht nicht dem Gutachten des Dr.C. folgen wolle, sei ein Obergutachten einzuholen.

Am 12.12.01 hat der Senat den Kläger davon in Kenntnis gesetzt, dass keine weitere Beweiserhebung beabsichtigt sei. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2001 und Abänderung des Bescheids vom 18.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.07.1999 zu verurteilen, als weitere Folgen seines Unfalls vom 03.08.1997 eine HWS-Distorsion mit Kopf-, Nacken- und Schulterschmerzen sowie Schwindelerscheinungen anzuerkennen und ihm Verletztenrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2001 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands gem. § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 27.09.1997 hinaus. Denn über diesen Zeitpunkt hinaus bestand wegen der Unfallfolgen bei ihm weder Behandlungsbedürftigkeit noch Arbeitsunfähigkeit und seine Erwerbsfähigkeit war über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus nicht in rentenberechtigendem Grad gemindert. Ansprüche aus den §§ 26, 45 und 56 des 7. Sozialgesetzbuches - SGG VII - kann der Kläger nicht mit Erfolg geltend machen. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger bei dem streitgegenständlichen Unfall vom 03.08.1997 eine Prellung des Schädels erlitt. Dies wird durch die Primärbefunde im erstbehandelnden Krankenhaus dokumentiert. Ob es darüber hinaus auch zu einer Gehirnerschütterung schwereren Ausmaßes gekommen war, kann hingegen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Allenfalls ist davon auszugehen, dass der Kläger eine leichtere Gehirnerschütterung erlitten hat. Derartige Gesundheitsstörungen sind vorübergehender Natur und waren bereits acht Wochen nach dem Unfall folgenlos ausgeheilt. Insoweit stützt sich der Senat auf die völlig übereinstimmenden Beurteilungen der im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten von Dr.K. und Dr.H. , welche er im Urkundenbeweis verwerten kann, und von Dr.H. und Dr.K ... Die vorgenannten Sachverständigen haben ihrer Erkenntnis insbesondere die Erstbefunde zugrunde gelegt. Danach steht fest, dass es bei dem Unfall zu keiner knöchernen Verletzung des Schädels gekommen und allenfalls eine angedeutete Prellmarke links an der Stirn zu erkennen war. Wesentliche Verletzungen im Bereich des Schädels konnten durch die computertomographische Untersuchung am 06.11.1997 in der Gemeinschaftspraxis Dr.H. u.a. und durch eine magnetresonanztomographische Untersuchung am 11.12.1997 in der Praxis Dr.K. u.a. ausgeschlossen werden. Die demgegenüber anders lautende Deutung des Dr.C. in seinem Gutachten vom 04.05.2001, wonach eine Verletzung der Schädelbasis mit Beteiligung des Felsenbeins und der damit verbundenen Gleichgewichtsorgane stattgefunden haben soll, entbehrt jeder Grundlage. Völlig übereinstimmend haben die zuvor genannten Sachverständigen die vorliegenden Bilder ausgewertet und dabei gerade eine schwerere Verletzung im Bereich des Schädels ausschließen können. Bereits das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass aus der Wucht des Aufpralls keinerlei Schlüsse gezogen werden können, zu welchen Verletzungen es beim Kläger gekommen war. Vielmehr sind hierfür die zeitnah zum Unfall erhobenen Befunde maßgeblich. Insbesondere ist von Bedeutung, dass der Kläger bei seiner Einlieferung im Kreiskrankenhaus B. von den aufnehmenden Ärzten als wach, voll orientiert und ohne Bewusstseinstrübung beschrieben wird. Er klagte lediglich über eine leichte Übelkeit. Woher Dr.C. seine Kenntnis bezieht, es sei nach dem Unfall zu einer mehrminütigen Bewusstlosigkeit gekommen, ist nicht nachzuvollziehen. Jedenfalls sind diesbezügliche Angaben von den erstbehandelnden Ärzten nicht dokumentiert worden. Eine Schädigung des Gleichgewichtsorganes an der rechten Schädelbasis mit spezifischer Gleichgewichtsstörung ist nach Auffassung des Senats daher nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Unfallverletzung zurückzuführen. Gleiches gilt für die von Dr.C. angenommene Schleuderverletzung der Hals- und oberen Brustwirbelsäule infolge einer Peitschenschlagbewegung, woraus er die jetzt beim Kläger bestehenden Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule ableitet. Auch hier kommt er zu Rückschlüssen aufgrund einer von ihm anhand der Schilderungen des Klägers vorgenommenen Rekonstruktion des vermutlichen Unfallablaufs. Nachweise durch bildgebende Verfahren bleibt er schuldig. Demgegenüber bezieht sich der Senat auf die Feststellungen von Dr.H ... Dieser weist darauf hin, dass sich anfänglich kein Hinweis für eine Beteiligung der Halswirbelsäule zeigte. Vielmehr wurde deren Beweglichkeit im Durchgangsarztbericht als frei bezeichnet. Ein bildtechnischer Nachweis einer irgendwie gearteten Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule konnte zu keinem Zeitpunkt gefunden werden. Darüber hinaus waren die anfangs bestehenden Kopfschmerzen in den ersten Tagen nach dem Unfall rückläufig, wie dem Nachschaubericht des Dr.G. vom 09.08.1997 zu entnehmen ist. Dr.C. gibt auch keine Erklärung dafür, dass die Kopf- und Nackenschmerzen, welche von den erstbehandelnden Ärzten als rückläufig bezeichnet wurden, dann in den nächsten Monaten und Jahren deutlich zunehmen konnten. Vielmehr zeigt die nachfolgende Behandlung des Klägers mit antidepressiven Mitteln, dass hier ein anderes Krankheitsbild in den Vordergrund gerückt war. Die Diagnose eines schweren depressiven Syndroms wird einheitlich in den Gutachten von Dr.K. vom 24.09.1998 und Dr.K. vom 07.11.2000 genannt. Damit findet sich eine einleuchtende Erklärung, dass die vom Kläger geschilderten Beschwerden geraume Zeit nach dem Unfall eine deutliche Zunahme verzeichneten. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall ist hingegen nicht herzustellen. Dass darüber hinaus degenerative Veränderungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule ablaufen, ist den Diagnosen der behandelnden Ärzte und den Gutachten im Verwaltungs- und Sozialgerichtsverfahren zu entnehmen. Die Ausführungen von Dr.C. , der Kopfschmerz sei einer Verletzung der Schädelbasis mit Reizung der Hirnhaut und Dehnung der Band-, Muskel- und Gelenkeinheit der Halswirbelsäule zuzuordnen, entbehrt objektiver Feststellungen. Dr.C. schließt diese Gesundheitsstörungen aus dem Unfallablauf ohne Grundlagen hierfür zu nennen. Ebensowenig erklärt er, weshalb die Depression, die seiner Meinung nach reaktiv sei, ausschließlich dem Unfall zuzuordnen sein soll. Er nennt hierzu lediglich, der Kläger sei vor dem Unfall nicht traurig und nicht antriebsschwach gewesen, wohl aber danach, so dass allein der zeitliche Zusammenhang den ursächlichen Zusammenhang belege. Er führt zwar an, die Probleme und Belastungen im privaten Umfeld des Klägers seien erheblich, wie die pflegebedürftige Ehefrau, die Geschäftsübergabe an den Sohn und die eigene coronare Herzerkrankung. Jedoch - so meint er - sei der Kläger vor dem Unfall außergewöhnlich belastbar gewesen, so dass er auf Warnsignale seines Körpers nicht geachtet habe. Dies belegt seiner Meinung nach die Ursächlichkeit des Unfallgeschehens mit sämtlichen später aufgetretenen Beschwerden. Demgegenüber führen die neurologischen Gutachter detailiert aus, dass das depressive Syndrom beim Kläger eine deutliche Zunahme zeigt und ohne Einflüsse des Unfalls fortschreitet. Wäre der Unfall Auslöser oder sogar echte Ursache der Depression gewesen, so hätte zu irgendeinem Zeitpunkt eine Verarbeitung stattfinden müssen mit der Folge, dass die depressiven Beschwerden abgenommen hätten. Dies war gerade nicht der Fall, sondern vielmehr das Gegenteil. Damit kommt der Senat zum Ergebnis, dass das Gutachten von Dr.C. nicht als Grundlage für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche dienen kann. Er kommt zum Ergebnis, dass die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 26.09.2001 zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keine der in § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegt.
Rechtskraft
Aus
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