L 2 U 342/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 51/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 342/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25.07.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Feststellung und Entschädigung der Lendenwirbelsäulenerkrankung des Klägers als Berufskrankheit.

Der Kläger war in dem Unternehmen, das seinem Vater zunächst teilweise,dann ganz gehörte, von 1972 an als Maurerlehrling, Maurergeselle und später Maurerpolier mit einer wehrdienstbedingten Unterbrechung bis 1978 beschäftigt. Von 1978 bis 1980 absolvierte er eine zweijährige Ausbildung zum Maurermeister und zum Bautechniker. Anschließend war er im väterlichen Unternehmen wieder als Maurermeister tätig und übernahm das Unternehmen zum 01.04.1994. Von da ab war er als Unternehmer bei der Beklagten versichert. Daneben war er wegen eigener unternehmerischer Tätigkeiten vom 25.04. bis 30.11.1983 bei der Beklagten als Unternehmer versichert und ließ sich ab 01.12.1983 von der Versicherungspflicht befreien. Dieses Unternehmen führte der Kläger nach seinen Angaben bis 1992.

Am 30.07.1991 erlitt der Kläger auf der Fahrt vom Büro zur Baustelle einen Verkehrsunfall. In der Unfallanzeige des Unternehmens ist ausgeführt, der Versicherte sei regelmäßig in der Bauüberwachung eingesetzt. Im Unternehmen sei er regelmäßig im Büro und auf verschiedenen Baustellen tätig. In dem am 23.03.1993 erstatteten Gutachten des Orthopäden Dr.L. bezüglich der Unfallfolgen ist ausgeführt, der Versicherte sei erst ab 15.03. 1993 wieder voll arbeitsfähig gewesen. Er sei seit ca. 20 Jahren als Maurer tätig, zuletzt allerdings überwiegend im theoretischen Bereich zum Anlernen von Mitarbeitern bei Vermessungsarbeiten, bei Gerätevorführung und Schulung. Die Wirbelsäulensymptomatik des Klägers hielt der Sachverständige nicht für eine Unfallfolge sondern für ein anlagebedingtes Leiden. Nachdem die Innungskrankenkasse von der Beklagten die Prüfung einer Berufskrankheit gefordert hatte, führte der Sachverständige auf Befragen der Beklagten aus, seines Erachtens liege kein begründeter Verdacht einer beruflich verursachten LWS-Erkrankung vor. Nicht aufgrund einer beruflichen Überlastung sondern aufgrund einer verminderten Belastbarkeit der Wirbelsäule durch Morbus Scheuermann sei es zum vorzeitigen Verschleiß der Bandscheiben gekommen. Bei der Untersuchung am 18.03.1993 habe der Kläger angegeben, dass er in letzter Zeit nur noch Aufsichtstätigkeit ausgeübt habe.

Im Rahmen der Ermittlungen bezüglich einer Berufskrankheit an der Wirbelsäule des Klägers befragte die Beklagte den Kläger zu seinen Arbeitsbelastungen. Hierbei führte der Kläger aus, er habe vom 01.01.1978 bis 31.12.1980 als Vorarbeiter im Tiefbau gearbeitet und sei bei der Rohrverlegung mit dem Heben und Tragen schwerer Lasten belastet gewesen. Den Arbeitgeber befragte die Beklagte mehrmals ausdrücklich danach, seit wann der Kläger nur noch aufsichtsführend tätig gewesen sei. In der Unternehmeranzeige vom 18.01.1996 über eine Berufskrankheit führte der Arbeitgeber sodann aus, als ursächlich für die Entstehung der Berufskrankheit würden Unfälle und die Maurertätigkeit vom 01.09.1972 bis 1981 angesehen. Arbeitsunfälle mit Wirbelsäulenbeteiligung hatte der Kläger bezüglich des 01.09.1976 und des 30.07.1991 geltend gemacht. In einem eigenen Schreiben vom 02.02.1996 führte der Prokurist E. für den Arbeitgeber aus, dass der Kläger seit 01.01.1981 nur noch aufsichtsführend in der Firma tätig sei. Auf einem weiteren Fragebogen der Beklagten, ebenfalls unterzeichnet von dem Prokuristen E. , wurde ausgeführt, Tätigkeiten mit dem Heben oder Tragen schwerer Lasten habe der Kläger als Maurer vom 01.09.1975 bis 31.12. 1980 ausgeübt. Ebenfalls mit dem Prokuristen E. führte der technische Aufsichtsdienst der Beklagte zur Ermittlung der beruflichen Belastung am 20.11.1996 ein Telefongespräch. Danach war der Kläger vom 01.09.1972 bis 31.08.1975 als Maurerlehrling und bis 31.12.1980 als Maurer tätig. Vom 01.01. 1981 bis 31.12. 1984 sei der Kläger als Maurer und Vorarbeiter in der Firma beschäftigt gewesen und vom 01.01.1985 bis 31.12.1989 habe er als Polier gearbeitet, wobei er nur noch zu 50 % praktisch tätig gewesen sei. Seit 01.01.1990 habe der Kläger Bauleiterfunktion und nehme nur noch organisatorische Aufgaben wahr. Im Einzelen ermittelte der technische Aufsichtsdienst bei der Befragung die für den Kläger belastenden Arbeitsvorgänge und ihre Zeitanteile in der beruflichen Tätigkeit. Er kam zu dem Ergebnis, bis 31.12.1984 sei der Kläger in einer Expositionszeit von 12 Jahren und 4 Monaten zu ca. 45 % seiner durchschnittlichen Arbeitszeit belastend nach BK Nr.2108 tätig gewesen, bis 31.12. 1993 mit einer weiteren Expositionszeit von 5 Jahren zu 23 %. Die haftungsbegründende Kausalität für eine BK nach Nr.2108 sei damit nicht gegeben.

Die Beklagte holte ein Gutachten von dem Orthopäden Dr.G. , berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau, vom 17.02.1997 ein, der bezüglich der belastenden Tätigkeit die letzten Ermittlungen des technischen Aufsichtsdienstes zugrunde legte. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, für die Lendenwirbelsäulenerkrankung seien ausschließlich anlagebedingte Faktoren verantwortlich zu machen.

Mit Bescheid vom 20.08.1997 verweigerte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen einer Berufskrankheit an der Lendenwirbelsäule und einer eben solchen an der Halswirbelsäule, die gleichfalls geltend gemacht worden war.

Im anschließenden Widerspruchsverfahren nahmen die Klägerbevollmächtigten Akteneinsicht. Der ohne weitere Begründung eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.11. 1997 als unbegründet zurückgewiesen.

Bezüglich der Erkrankung an der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule hat der Kläger Klage erhoben und letztere später zurückgenommen. In der im Oktober 1998 vorgelegten Klagebegründung ist ausgeführt, es sei nicht richtig, dass der Kläger nur bis 31.12.1984 wirbelsäulenbelastend tätig gewesen sei. Nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung sei der Kläger zunächst bis zum Ende des Jahres 1980 als Maurer tätig gewesen. Im Zeitraum von Anfang 1981 bis Ende 1989 sei eine Tätigkeit als Maurer, Vorarbeiter und Polier gefolgt. Seit dem 01.01.1990 habe der Kläger weitestgehend Bauleiterfunktionen wahrgenommen, wobei insoweit jedoch ebenfalls körperliche Belastungen zu bewältigen gewesen seien. Eine körperliche Entlastung sei durch die zusätzlich wahrgenommene Situation als Vorarbeiter und Polier nicht anzunehmen. In einer weiteren Stellungnahme vom Juli 2000 ist ausgeführt, dass der Kläger in weit stärkerem Maße wirbelsäulenbelastend bis zum Jahre 1991 tätig gewesen sei, als sich dies aus der lediglich summarischen Prüfung des technischen Aufsichtsdienstes ergebe. Der Kläger sei jedenfalls bis zum Unfallereignis im Juli 1991 vollschichtig als Maurer und Vorarbeiter sowie als Polier tätig gewesen. Ihm habe in dieser Zeit die Führung einer Gruppe von ca. 15 bis 20 Mitarbeitern oblegen, wobei selbstverständlich vorausgesetzt werde, dass er hierbei vollschichtig tätig und allen für das Maurerhandwerk typischen Belastungen ausgesetzt gewesen sei. Der Kläger habe nicht lediglich einen Achtstundentag gehabt. Als Inhaber des Betriebes bzw. in verantwortlicher Position hätten seine Arbeitstage teilweise bis zu 16 Stunden gedauert.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht hat der Kläger erklärt, der zeitlich erforderliche Umfang seiner körperlichen Arbeit auf dem Bau habe sich seit Beginn seiner Tätigkeit 1975 auch durch die Übernahme von Funktionen als Bauleiter/Bauführer/Polier nicht geändert. Die an einer Baustelle anfallenden organisatorischen Aufgaben verrichte er nach Abschluss der körperlichen Arbeit abends. Die Firma habe 1996 aus ca. 160 Mitarbeitern bestanden, davon zehn in der Verwaltung. Er lege Wert auf die Feststellung, dass er auch als Maurermeister und Polier in unveränderten Umfang, gegebenenfalls verteilt auf mehrere Baustellen, wirbelsäulenbelastend tätig gewesen sei.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 25.07.2000 als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ab 1985 keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten mehr ausgeübt, ein möglicher Versicherungsfall liege damit nicht mehr nach dem 31.03.1988. Den Darstellungen des Klägers über seine beruflichen Tätigkeiten ab 1985 ist das Sozialgericht nicht gefolgt. Die Schilderung der beruflichen Tätigkeit entspreche nicht der Tätigkeitsbeschreibung eines Poliers in dem berufskundlichen Werk "Berufsprofile für die arbeits- und sozialmedizinische Praxis". Dem entsprächen auch die früheren Angaben des Arbeitgebers und die Feststellungen der Beklagten.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er übersendet gleichlautende Bestätigungen früherer Beschäftigter (das Unternehmen ist zwischenzeitlich insolvent) über mehr als vier Stunden körperlicher Tätigkeit auf Baustellen zwischen 1987 und 2000. In der Berufungsbegründung macht er geltend, er sei von 1980 bis 1993 als Maurermeister tätig gewesen und der wesentliche Teil der täglichen Beschäftigung sei praktisch und auf den Baustellen gewesen. Auch seien die täglichen Arbeitszeiten überdurchschnittlich lang gewesen. Der Kläger beruft sich ferner auf die späteren Angaben des Prokuristen E ... Bis 1989 sei seine berufliche Tätigkeit ausschließlich wirbelsäulenbelastend gewesen, danach sei die wirbelsäulenbelastende Tätigkeit ein wesentlicher Bestandteil gewesen.

Mit Schreiben vom 16.10.2000 an die Beklagte hat der spätere Zeuge E. ausgeführt, er habe der Beklagten fälschlicher Weise mitgeteilt, dass der Kläger ab dem 01.01.1981 nur noch aufsichtsführend in der Firma tätig gewesen sei. In einem Telefonat vom 20.11.1996 sei dies gegenüber der Beklagten berichtigt worden, wie sich aus beiliegender Aktennotiz ergebe. Darin sei eine körperliche Mithilfe auf der Baustelle zu 100 % bis Ende 1984 und zu 50 % bis Ende 1990 an bestätigt worden. Ab 01.01.1991 habe der Kläger aufsichtsführende Tätigkeiten bis zur Übernahme des Betriebes am 01.04.1994 ausgeführt, während dieser Tätigkeit sei körperliche Mithilfe von ca. 50 % erforderlich gewesen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung des Klägers und Einvernahme der Zeugen S. , E. und R ... Der Kläger führt aus, er könne nicht mehr genau sagen, wann die Meisterprüfung abgelegt worden sei, es treffe aber zu, dass er ab Januar 1981 als Meister gearbeitet habe. Zuvor habe er in München einen zweijährigen Lehrgang absolviert, der der Ausbildung sowohl zum Meister als auch zum Bautechniker gedient habe. In dieser Zeit habe er nicht in der Firma gearbeitet. Bei der selbständigen Tätigkeit von 1983 bis 1992 habe es sich um eine nebenher betriebene Baumaschinenvermietung gehandelt. Gleichzeitig habe es sich dabei um eine Baufirma unter seinem Namen gehandelt, in der auch drei bis vier Beschäftigte gearbeitet hätten. Die Firma sei 1992 aufgelöst worden. Von der Art der Tätigkeit her habe sie im Wesentlichen die gleichen Aufträge ausgeführt wie die väterliche Firma. Seine Arbeitsbeanspruchung sei so gewesen, dass er zunächst in der elterlichen Firma bis zum Arbeitsschluss um 17.00 Uhr bzw. am Freitag etwa um die Mittagszeit, bei Bedarf auch länger, gearbeitet habe und so- dann in der eigenen Firma noch ca. vier bis fünf Stunden bzw. in den restlichen Stunden der Freitage und am Samstag. In der eigenen Firma sei die Beanspruchung so verteilt gewesen, dass die eigene körperliche Mitarbeit bei der Ausführung der Baumaßnahmen etwa 90 % der Zeit in Anspruch genommen habe und die übrigen, körperlich nicht beanspruchende Tätigkeiten, höchstens 10 %. Die eigene Firma habe alle im Hoch- und Tiefbau anfallenden Arbeiten gemacht, beispielsweise Garagenbau, Pflasterbau, Kanalanschlüsse, Erdbewegungen etc. Im elterlichen Betrieb seien für die Abwicklung der Bauvorhaben drei bis vier Ingenieure beschäftigt gewesen. Im Übrigen hätten auch die Meister in vollem Umfang auch so wie die übrigen gewerblichen Arbeitnehmer körperlich arbeiten müssen. Dies habe auch auf ihn zugetroffen. Er legt darüber hinaus Wert auf die Feststellung, dass die Belastung durch körperliche Tätigkeiten als Bauarbeiter jeder Art bis zur Betriebsübernahme 1994 zeitlich und der Beanspruchung nach gleichbleibend hoch gewesen sei, wie bei den anderen gewerblichen Arbeitnehmern auch. Die bisher gemachten Angaben, wonach 1984 oder 1990 aufsichtsführende Tätigkeiten zu etwa 50 % der Arbeitszeit übernommen worden seien, seien nicht richtig. Die selben belastenden Bauarbeitertätigkeiten habe er im selben zeitlichen Umfang nach Übernahme des Unternehmens weiter ausgeübt. Die früher beim Kläger als Schachtmeister beschäftigten Zeugen S. und R. haben die Angaben des Klägers über seine Bauarbeitertätigkeiten im elterlichen und später vom Kläger übernommenen Unternehmen bestätigt. Der Zeuge E. hat ausgeführt, dass der Kläger als Geselle, dann als Vorarbeiter und später als Polier keinerlei Arbeiten im Innendienst ausgeführt habe. An der Tatsache, dass der Kläger nur auf den Baustellen tätig gewesen sei, habe sich erst ab etwa 1995 etwas geändert, der Kläger habe dann an Freitagnachmittagen, manchmal kurz an anderen Arbeitstagen, Innendiensttätigkeiten verrichtet. Die Techniker seien im Innen- wie im Außendienst tätig gewesen. Diese Techniker hätten Bauleiterfunktionen ausgeübt. Zu seinen bisherigen Angaben erklärt der Zeuge, dass irgendwann zu 100 % keine körperliche Mithilfe mehr erfolgt wäre, sei nicht richtig. Erst ab 1995/96 nehme er an, dass der Anteil der reinen aufsichtsführenden Tätigkeiten mehr geworden sei als vorher. Vorher seien es bestimmt 60 bis 70 % körperlicher Arbeiten gewesen, ab 1995/96 etwa halbehalbe. Der Vater als Leiter und Inhaber habe etwa 50 % seiner Arbeitszeit im Innendienst verbracht, etwa 50 % auf den Baustellen. Nach der Betriebsübergabe habe der Vater seine bisherige Rolle weiter gespielt und der Sohn sei weiter draußen auf den Baustellen gewesen. Die Arbeitszeit auf auswärtigen Baustellen, das sei die Mehrzahl gewesen, sei üblicherweise zehn bis zwölf Stunden gewesen. Im Winter sei im Durchschnitt nahezu durchgearbeitet worden, mit allenfalls vier Wochen Ausfallzeit. In dieser Zeit sei der Kläger im Büro oder in der Werkstatt tätig gewesen. Die zehn bis zwölf Stunden Durchschnittsarbeitszeit gälten normalerweise für fünf Tage in der Woche. Im Extremfall sei in den Jahren 1990 bis 1994 auf drei Baustellen in Sachsen sieben Tage pro Woche gewesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 25.07.2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 20.08.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.11.1997 zu verpflichten, bei ihm eine Berufskrankheit der Nr.2108 der BKV festzustellen und daraus die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Augsburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung seiner Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit.

Im vorliegenden Fall kann dahingestellt bleiben, ob für die Entscheidung maßgebliches Recht die bis 31.12.1996 geltende RVO oder das seither geltende SGB VII sind. Sowohl § 551 RVO als auch § 9 SGB VII regeln als hier in Betracht kommende Berufskrankheit die Nr.2108 der Anlage zur BKVO. Danach sind Berufskrankheiten bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Der für den Eintritt des Versicherungsfalles maßgebliche Zeitpunkt der Aufgabe einer potentiell gefährdenden Tätigkeit ist im vorliegenden Fall unklar. Dies ist jedoch nicht entscheidungserheblich, denn es fehlt an dem notwendigen Nachweis der für die Annahme der Berufskrankheit geforderten arbeitstechnischen Belastung.

Bei der Feststellung eines Versicherungsfalles bedürfen alle rechtlich erheblichen Tatsachen des vollen Beweises der Gestalt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Die Beweiserleichterung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit gilt nur insoweit, als es den ursächlichen Zusammenhang im Sinne der wesentlichen Bedingung zwischen der der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden und zur schädigenden Einwirkung führenden Verrichtung und der schädigenden Einwirkung selbst sowie den Zusammenhang betrifft, der im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen der schädigenden Einwirkung und der maßgebenden Erkrankung bestehen muss (Krasney, Vierteljahresschrift für Sozialrecht 1993, 81, 114). Die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten müssen danach nach Art und Umfang jedenfall soweit bewiesen werden, wie sie von der Berufskrankheitenverordnung als Anspruchsvoraussetzung genannt werden. Hierbei sind nur solche wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten heranzuziehen, in denen der Versicherte in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist. Versicherungsfreie Tätigkeiten, die ebenfalls wirbelsäulenbelastend sind, haben bei dieser Beurteilung ebenso wie andere nichtberufliche Einwirkungen außer Betracht zu bleiben. Sie sind im Gegenteil eventuell wie andere, z.B. anlagebedingte Vorschäden als konkurrierende und nicht mitwirkende Ursachen in Betracht zu ziehen.

Bezüglich der versicherten Tätigkeit des Klägers hat die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats nicht zu einem Ergebnis geführt, wonach eine ausreichende Schädigung nach Nr.2108 Anlage zur BKVO mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als bewiesen angesehen werden könnte. Insoweit haben nur die Aussagen des Klägers und der Zeugen zur Verfügung gestanden. Auf diese Aussagen und Angaben kann der Senat jedoch, ebenso wie bereits das Sozialgericht, keine Überzeugung gründen. Die Angaben sind von Anbeginn unstimmig. So hat der Kläger seine zweijährige Ausbildung von 1978 bis 1980, bei der er nicht in der väterlichen Firma tätig war, bei seiner ersten ausführlichen schriftlichen Befragung nicht angegeben und stattdessen eine Tätigkeit als Vorarbeiter im Tiefbau mit körperlich belastenden Arbeiten bei der Rohrverlegung genannt. Seine Tätigkeit im eigenen Unternehmen neben der Beschäftigung im elterlichen Unternehmen hat der Kläger bis zur Zeugeneinvernahme vor dem Senat verschwiegen. Zwischen seinen Erstangaben gegenüber der Beklagten und den letzten Angaben gegenüber dem Senat ist auffallend, dass im Widerspruchsverfahren die bis dahin von der Beklagten gesammelten Angaben, u.a. die Angaben des Unternehmens, nicht berichtigt worden sind. Noch im Klageverfahren ist die körperliche Belastung des Klägers zwar als erheblich weitergehend als von der Beklagten im Verwaltungsverfahren angenommen geschildert worden, jedoch noch keineswegs in dem Umfang, in dem sie dem Senat dann in der Anhörung dargestellt worden ist. Der Senat teilt auch die Beurteilung des Sozialgerichts bezüglich der mangelnden Stimmigkeit zwischen den betrieblichen Positionen des Klägers und seinen körperlichen Tätigkeiten.

Es ergibt sich nicht nur aus dem vom Sozialgericht beigezogenen Standardwerk, sondern aus der Erfahrung des täglichen Lebens, dass körperlich belastende Tätigkeiten mit der Zunahme der Qualifikation jedenfalls im Baugewerbe abnehmen. Dies entspricht zudem allgemein gerichtlicher Erfahrung. Es widerspräche auch jeder ökonomischen Vernunft, die hohe Qualifikation eines Beschäftigten zum weitaus überwiegenden Teil nur mit solchen Handreichungen zu verwerten, wie sie auch von Ungelernten erbracht werden können. Es liegt darüber hinaus auf der Hand, dass bei einer im Wesentlichen vollschichtigen Verrichtung von ungelernten Tätigkeiten die mit der Position und Qualifikation als Maurermeister und Bautechniker verbundenen Funktionen nicht zeitgleich ausgeübt werden können.

Mit den zunehmend ausgeweiteten Angaben über den Arbeitseinsatz des Klägers sind die Verhältnisse auch zeitlich unstimmig geworden. Der Kläger gibt auf der einen Seite einen zeitlich begrenzten Einsatz bis zu einem üblichen Arbeitsende im elterlichen Betrieb an und daran anschließend einen weiteren Arbeitseinsatz von vier bis fünf Stunden täglich, von denen allenfalls 10 % nicht körperlich beanspruchend gewesen sein sollen. Muss bereits ein solcher Arbeitstag als nicht mehr glaubhaft angesehen werden, so werden die Angaben vollends unstimmig, wenn nachhaltig geltend gemacht wird, dass sich die Arbeit im väterlichen Unternehmen, hier wiederum unterschiedlich, regelmäßig auf 12, 14 und 16 Stunden täglich erstreckt habe. Die Aussagen der Zeugen R. und S. sind ganz offensichtlich dem letzten klägerischen Vorbringen nachgebildet. Besonders unschlüssig ist hierbei jedoch das Aussageverhalten des Zeugen E ... Er hat für seine unterschiedlichen Angaben keinerlei schlüssige Begründung vorbringen können. Bei seiner ersten schriftlichen Auskunft vom 02.02.1996, wonach der Kläger ab 01.01.1981 nur noch aufsichtsführend in der Firma tätig gewesen sei, haben ihm entsprechende unmissverständliche Fragen der Beklagten vorgelegen. Diese Angabe hat am ehesten den Anschein der Stimmigkeit für sich, denn zu dem genannten Zeitpunkt hatte der Kläger seine Ausbildung zum Maurermeister und Bautechniker abgeschlossen. Von diesem Zeitpunkt an war auch nach der Lebenserfahrung anzunehmen, dass sich seine Funktion im Betrieb und damit seine körperliche Belastung signifikant ändern würde. Seine Angabe hat der Zeuge gegenüber der Beklagten im Jahr 2000 unter Vorlage einer entsprechenden Telefonnotiz zu Gunsten einer ausgeweiteten körperlichen Belastung des Klägers abgeändert. Von dieser zweiten schriftlichen Äußerung weicht nun wiederum seine Zeugenaussage zu Gunsten einer noch einmal ausgeweiteten körperlichen Belastung ab. Sofern auf die Angaben des Zeugen überhaupt ein Beweis gestützt werden könnte, würde der Senat seine erste Angabe für am stimmigsten halten. Sie würden am ehesten jenen in den Akten befindlichen anderen Angaben entsprechen, die ohne Blick auf eine berufsbedingte Wirbelsäulenerkrankung gemacht worden sind. Dies waren die anamnestischen Angaben des Klägers bei dem Sachverständigen Dr.L. , wonach er in letzter Zeit nur noch aufsichtsführende Tätigkeiten ausgeübt hatte und die Unfallanzeige des Unternehmens bezüglich des Unfalls am 30.07.1991, wonach der Verletzte regelmäßig zur Bauüberwachung eingesetzt worden sei und seine Tätigkeit im Büro und auf verschiedenen Baustellen ausgeübt habe.

Nachdem die notwendigen arbeitstechnischen Belastungen nach Nr.2108 der Anlage zur BKVO in der Person des Klägers nicht festgestellt werden konnten, kann auch nicht das Vorliegen einer entsprechenden Berufskrankheit angenommen werden. Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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