L 3 U 403/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 13 U 5003/98 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 403/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.08.2000 und die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, den Unfall des Klägers vom 08.10.1996 als Arbeitsunfall zu entschädigen.
III. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klagepartei.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Entschädigung des Unfalls des Klägers vom 08.10.1996 als landwirtschaftlicher Arbeitsunfall streitig.

Der am 1979 geborene Kläger hat am 08.10.1996 auf dem Feld seines Nachbarn, des Landwirts K. , einen Unfall erlitten, als er eine Verstopfung an einem Maishäcksler beseitigen wollte. Der Kläger war am Unfalltag mit dem Fahrer des Maishäckslers M. P. (P.), der im Auftrag und für Rechnung für den Eigentümer des Maishhäckslers H. F. (F.)- Lohnunternehmen, Landtechnik - arbeitete, unterwegs. P. hat angegeben, dass sich der Kläger zu ihm in die Kabine des Maishäckslers gesetzt habe, um bei der Ernte zuzusehen. Als eine Verstopfung am Einzug eingetreten sei, habe er angehalten und den Antrieb des Maisgebisses ausgeschaltet. Als der Kläger vor den Einzugsketten kniete, war der Antrieb zunächst abgeschaltet gewesen, durch eine Unachtsamkeit des Fahrers habe jedoch das Maisgebiss zu laufen angefangen und den Kläger verletzt. Nach dem von Prof.Dr.F. am 22.11.1996 erstatteten Durchgangsarztbericht hat sich der Kläger dabei eine Schnittwunde am rechten Kniegelenk mit Bursa-Beteiligung und eine Schultereckgelenksverletzung links zugezogen.

Die Beklagte hat zur Aufklärung des Sachverhalts Ermittlungen durchgeführt, u.a. durch Beiziehung der medizinischen Unterlagen und Befragung des Betriebsunternehmers F., des Maishäckslerfahrers P. und des Klägers. Der Betriebsunternehmer F. hat angegeben, dass der Kläger bei ihm nicht beschäftigt und ihm auch nicht bekannt sei. Der Kläger hat zum Ablauf angegeben, dass er, weil er sehr viel Interesse an landwirtschaftlichen Arbeiten habe, sich im Sommer jede freie Minute auf landwirtschaftlichen Feldern aufhalte, um dort bei den Erntetätigkeiten zuzusehen und gelegentlich auch kleine Handlangerdienste zu machen. Er sei mit dem Fahrer P. bekannt und daher auch mitgefahren, die Arbeiten würden freiwillig erledigt, ohne Aufforderung und unentgeltlich, sie dauerten ca. fünf Minuten. Auf den Feldern des Bauern K. sei am Unfalltag der Fahrer der Firma F. beschäftigt gewesen. Auf seine Frage, ob er mitfahren könne, sei ihm dies vom Fahrer erlaubt worden. Nachdem sich die Maschine mit geschnittenem Mais verstopft habe, sei er auf Bitte des Fahrers vom Traktor gestiegen, um die Verstopfung zu lösen. Dabei habe dieser den Traktor weiterlaufen lassen, die Schneidemaschine habe er abgestellt. Durch Zufall sei der Fahrer jedoch zu früh an den Bedienungsknopf gekommen, die Maschine sei sofort angelaufen und habe ihn am rechten Knie verletzt. Beim Zurückspringen habe er sich die linke Schulter verletzt.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 28.10.1997 Entschädigungsansprüche des Klägers abgelehnt, weil es sich bei der unfallbringenden Tätigkeit nicht um eine versicherte Tätigkeit im Sinne des § 539 Abs.2 RVO gehandelt habe. Bei der Tätigkeit, die zum Unfall geführt habe - der Kläger sei aus Gefälligkeit abgestiegen, um die Verstopfung zu beseitigen -, habe es sich um eine Verrichtung gehandelt, die ohne nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung für das Unternehmen F. gewesen sei. Das Beheben der Verstopfung könne allenfalls als Gefälligkeitsleistung bezeichnet werden.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er entgegen der Auffassung der Beklagten wie ein Versicherter im Sinne des § 539 Abs.2 RVO tätig geworden sei. Auf die Beweggründe für die erbrachten Dienste komme es nicht an. Bei der unfallbringenden Tätigkeit habe es sich vielmehr um eine ernstliche, dem betreffenden Unternehmen dienende Tätigkeit gehandelt, die dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Unternehmens entsprochen habe. Es könne kein Zweifel daran bestehen, dass seine Tätigkeit für das Lohnunternehmen F. von Vorteil gewesen sei, da dieser Arbeitszeit und damit wegen seiner Lohnunternehmertätigkeit auch Geld gespart habe.

Der Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 10.12.1997). Die Beklagte verblieb bei ihrer Auffassung, dass die Behebung einer Verstopfung am Einzug des Maishäckslers allenfalls als Gefälligkeitsleistung - als Äquivalent für das Fahren auf dem Häcksler aus persönlichem Interesse - gewertet werden könne; derartige kurzfristige Gefälligkeitshandlungen stünden nicht unter dem Schutz der geetzlichen Unfallversicherung.

Mit seiner hiergegen beim Sozialgericht Landshut erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein bisheriges Begehren weiter: Auch ein Handeln aus Gefälligkeit oder Hilfsbereitschaft in Erwartung von Gegenseitigkeit sei als versichert anzusehen. Die vorgenommene Tätigkeit habe dem versicherten Unternehmen gedient, auch eine nur geringfügige oder kurze Hilfestellung genüge. Es handele sich nach den Gesamtumständen durchaus um eine Tätigkeit, die von Erntehelfern im Bereich der Landwirtschaft wahrgenommen werden könne, seine Tätigkeit sei konkret unter arbeitnehmerähnlichen Umständen vorgenommen worden.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 29.08. 2000 den Kläger gehört. Wegen seiner Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Der Kläger hat zuletzt vor dem Sozialgericht beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.1997 zu verurteilen, das Ereignis vom 08.10.1996 als Arbeitsunfall anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 29.08.2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Kläger habe bei dem Unfall am 08.10.1996 keine versicherte Tätigkeit ausgeübt (§§ 548, 539 Abs.2 RVO). Denn dem Kläger habe es an einer entsprechenden Handlungstendenz - im Sinne einer ernstlichen, einem fremden Unternehmen dienenden Tätigkeit - gefehlt. Seine Motivation sei vielmehr ausschließlich darauf gerichtet gewesen, dem Fahrer einen Gefallen zu erweisen, jedoch nicht dem Unternehmen F. zu dienen. Die Hilfe des Klägers sei aus dessen subjektiver Sicht nicht als Arbeit von wirtschaftlichem Wert für das Unternehmen F. anzusehen. Zwar schließe geringfügige oder nur kurzfristige Hilfstätigkeit die Annahme einer versicherten Tätigkeit nach § 539 Abs.2 RVO nicht aus. Allerdings handele derjenige nicht wie ein nach § 539 Abs.1 Nr.1 RVO Versicherter, der eine Tätigkeit verrichtet, die allein der Bequemlichkeit oder Unterstützung dient, aber für das Unternehmen selbst ohne wirtschaftliche Bedeutung sei. Im gegebenen Fall stehe zwar dem Versicherungsschutz nicht entgegen, dass es sich nur um eine kurz andauernde Hilfeleistung handeln sollte. Entscheidend sei vielmehr, dass auch aus der Sicht des Klägers ein für das Unternehmen wirtschaftlicher Wert mit seiner Hilfe nicht verbunden war. Ein Zeitgewinn, der allein als wirtschaftlicher Wert in Frage käme, sei deshalb mit der Tätigkeit des Klägers - Behebung der Verstopfung an den Einzugsorganen des Maishäckslers - nicht erzielt worden. Dies habe auch der Kläger gewusst, zumindest hätte er bei verständiger Würdigung aller Umstände zu diesem Ergebnis kommen müssen. Somit lägen nach allem die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs.2 RVO nicht vor.

Mit seiner hiergegen eingelegten Berufung hält der Kläger sein Begehren auf Entschädigung seines Unfalls vom 08.10.1996 als landwirtschaftlicher Arbeitsunfall aufrecht: In seinem Fall sei, auch wenn es sich nur um eine geringfügge und kurze Hilfeleistung gehandelt habe, davon auszugehen, dass Versicherungsschutz hierfür nach § 539 Abs.2 RVO gegeben sei. Denn es sei auf das Gesamtbild des ausgeführten und beabsichtigten Vorhabens abzustellen. Er verwies auf einschlägige höchstrichterliche Entscheidungen, worin Versicherungsschutz bejaht worden sei; nach seiner Auffassung sei sein Fall durchaus mit den entschiedenen Fällen vergleichbar.

Die Beklagte wiederholte ihre Auffassung, dass Versicherungsschutz zu verneinen sei und verwies zur Begründung ihrer Auffassung auf Ausführungen von Prof.Dr.K ... Ihrer Auffassung nach sei entscheidend, dass die unfallverursachende Tätigkeit nicht deswegen durchgeführt worden sei, weil der Kläger dem Umternehmen (Lohnunternehmen F.) einen wirtschaftlichen Wert verschaffen wollte, sondern weil der Kläger als Gegenleistung für die Erlaubnis des Mitfahrens auf dem Maishäcksler sich erkenntlich zeigen wollte. Die Tätigkeit sei demnach zumindest wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass private Interessen bei der Motivation im Vordergrund gestanden hätten. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wirklichen Willens bezogen auf das Lohnunternehmen F. seien dagegen nicht ersichtlich, weil dieses an Hilfsleistungen von Dritten deshalb nicht interessiert gewesen sei, weil der Fahrer des Maishäckslers P. jederzeit in der Lage war, problemlos und ohne weitere Mühen entsprechende Störungen an der Maschine selbst zu beseitigen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 11.10.2001 M. P. Zeugen gehört. Wegen des Inhalts seiner Aussage wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialge- richts Landshut vom 29.08.2000 und des Bescheides vom 28.10.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.12.1997 zu verurteilen, seinen Unfall vom 08.10. 1996 nach den gesetzlichen Vorschriften zu entschädigen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs.2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig und nach Ansicht des Senats aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme - Erkenntnisse aufgrund der durchgeführten Zeugeneinvernahme - auch begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des Senats hat der Kläger bei seinem Unfall am 08.10.1996 unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden (§§ 548 Abs.1 Satz 1 RVO, 539 Abs.2 RVO).

Nach dem - im vorliegenden Fall noch anzuwendenden - § 548 Abs.1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet.

Ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs.1 Nr.1 RVO scheidet hier unstreitig aus, weil der Kläger nicht aufgrund eines Arbeitsverhältnisses bei F. tätig geworden ist. Nach Ansicht des Senats ist aber Versicherungsschutz nach § 539 Abs.2 RVO anzunehmen. Nach dieser Vorschrift sind gegen Arbeitsunfall auch Personen versichert, die wie ein nach § 539 Abs.1 Nr.1 RVO Versicherter - wenn auch nur vorübergehend - tätig werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist für die Anwendung dieser Vorschrift entscheidend, dass es sich um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht (BSGE 5, 168, 171 und Zusammenstellung bei Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Auflage, S.475 Buchst.n). Es braucht dabei weder eine persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit zu bestehen, noch sind die Beweggründe des Handelnden für das Tätigwerden maßgeblich. Gefälligkeitsdienste schließen daher allein den Versicherungsschutz nicht von vornherein aus (BSGE 5, 168, 172; 18, 143, 47; 29, 159, 160; Urteil vom 27.03.1990 - 2 RU 32/89 - HV-Info 1990, 1176). Es muss sich aber um eine Tätigkeit handeln, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen (BSG SozR 2200 § 539 Nr.43). Nicht jede unter diesen Voraussetzungen geleistete Tätigkeit unterliegt dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Vielmehr muss die Verrichtung nach ihrer Art und nach den Umständen unter denen sie geleistet worden ist, einer Tätigkeit aufgrund eines (abhängigen) Beschäftigungsverhältnisses der in § 539 Abs.1 Nr.1 RVO bezeichneten Art ähneln (BSG SozR 2200 § 539 Nr.119 m.w.N.). Ob das der Fall ist, kann nicht losgelöst von den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen beurteilt werden, unter denen sich die Tätigkeit vollzieht. Die isolierte Betrachtung der einzelnen Verrichtungen reicht allein nicht aus, um die Tätigkeit als arbeitnehmerähnlich zu kennzeichnen. Insbesondere bei Gefälligkeitshandlungen aufgrund enger familiärer Bindungen besteht nach dieser Vorschrift in der Regel ebensowenig Unfallversicherungsschutz wie etwa bei Verrichtungen aufgrund mitgliedschaftlicher, gesellschaftlicher oder körperschaftlicher Verpflichtungen. Verrichtungen aufgrund freundschaflicher und nachbarschaftlicher Beziehungen - wie im vorliegenden Fall - schließen eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit des Verletzten nicht von vornherein aus. Handelt es sich jedoch um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst (BSG Urteil vom 26.04.1990 - 2 RU 39/89 - HV-Info 1990, 1349) oder ist die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Freunden oder Nachbarn typisch, üblich und deshalb zu erwarten sind, besteht kein Versicherungsschutz nach der vorgenannten Vorschrift. Auch auf die Zeitdauer der Verrichtung kommt es allein nicht an. Das BSG hat der Zeitdauer lediglich innerhalb des Gesamtbildes vor allem bei Hilfeleistungen unter Verwandten und bei Tätigkeiten im Rahmen von mitgliedschaftlichen, gesellschaftlichen oder körperschaftlichen Verpflichtungen die ihr zukommende, nicht aber eine selbständige entscheidende Bedeutung beigemessen (BSG SozR 2200 § 539 Nr.134). Es sind - wie bei allen Zurechnungsentscheidungen - die gesamten Umstände des Einzelfalls zu beachten (BSG-Urteil vom 27.03.1990 - 2 RU 32/89). Aus der einschlägigen Rechtsprechung ergibt sich, dass dort auch nur kurze Hilfstätigkeiten - z.B. Anschieben eines Pkw oder Herausziehen eines im Sand stecken gebliebenen Wagens - als versichert gewertet worden sind. Sie muss allerdings über wenige Augenblicke hinausgehen (nicht ausreichend z.B. Halten eines Motortestgerätes beim Startvorgang eines Pkw durch den Unterstützten). Die Tätigkeit dient einem Unternehmen, wenn sie wirtschaftlich als Arbeit anzusehen ist und dadurch für das unterstützte Unternehmen von wirtschaftlichem Wert ist (z.B. Erledigung im Unternehmen anfallender Arbeiten; Pannenhilfe). Schon geringfügige und kurze Hilfe genügt, ein erheblicher Nutzen ist nicht erforderlich (z.B. Hilfe beim Manövrieren eines Kfz). Erleichterung oder Beschleunigung von Arbeiten genügt, sofern sie nicht allein der Bequemlichkeit des Unterstützten dient. Im Übrigen genügt es, dass der Nutzen nur nach den vertretbaren subjektiven Vorstellungen des Handelnden eintreten soll, objektiv aber ausbleibt oder sogar Schaden eintritt. Der wirkliche Wille des Unternehmers oder eines Vertreters - hier des damaligen Maishäckslerfahrers P. - ist der ausdrücklich erklärte oder sich aus den Umständen ergebende Wille (z.B. stillschweigende Annahme von Hilfe, wiederholte Duldung). Ist der wirkliche Wille nicht feststellbar, kommt es auf den mutmaßlichen an, wie ihn der Handelnde nach den Umständen des Falles unter Berücksichtigung objektiver Kriterien wie Unternehmenszweck und -interesse annehmen konnte.

Insoweit hat der Kläger (vgl. bereits Angaben in der Unfallschilderung gegenüber der Beklagten) angegeben, dass er auf Bitte des Fahrers P. vom Traktor gestiegen sei, um die Verstopfung des Maishäckslers zu lösen. Zwar hat der vom Senat einvernommene Zeuge P. eine solche ausdrückliche Bitte oder Anweisung an den Kläger nicht bestätigt; aus dem geschilderten Ablauf - wonach er zusammen mit dem Kläger abgestiegen ist und nach der Verstopfung gesehen hat, er (Zeuge P.) dann wieder aufgestiegen ist und offensichtlich auch damit einverstanden war, dass der Kläger weiterhin versucht, den Häcksler frei zu bekommen, ist zumindest aus der Sicht des Klägers von einer stillschweigenden Annahme von Hilfe und entsprechender Duldung auszugehen. Aus der Schilderung des Zeugen P. ist auch zu entnehmen, dass er - wäre der Kläger nicht mit dabei gewesen - zwar zunächst hätte versuchen müssen, durch Ein- und Ausschalten und vorwärts und rückwärts laufen den Häcksler wieder frei zu bekommen. Wenn ihm dies aber nicht gelungen wäre, hätte er vermutlich Hilfe geholt, z.B. im Wege der Einschaltung des auf dem Feld anwesenden Landwirts, der mit Traktor und Anhänger neben dem Häcksler fuhr. Daraus ergibt sich nach Ansicht des Senats, dass der Kläger durchaus eine betriebsdienliche Tätigkeit verrichtet hat, die auch unter Berücksichtigung des zeitlichen Umfangs nicht völlig zu vernachlässigen ist.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem Versicherungsschutz im vorliegenden Fall auch nicht entgegen, dass die unfallbringende Tätigkeit des Klägers von dessen Motivation her von eigennützigen Interessen geprägt war, gewissermaßen als Gegenleistung für das Mitfahrendürfen. Denn nach der Rechtsprechung würden solche - auch eigennützige - Handlungsmotive den Versicherungsschutz noch nicht ausschließen. Versichert ist dabei z.B. auch Handeln aus Gefälligkeit, Hilfsbereitschaft in Erwartung von Gegenseitigkeit, aufgrund von persönlichen Beziehungen, aufgrund von Mitverfolgung eigener Zwecke.

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, insbesondere des Ergebnisses der Beweisaufnahme durch den Senat, ist dieser daher zu der Auffassung gelangt, dass der Kläger im Unfallzeitpunkt unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat.

Auf die begründete Berufung des Klägers waren daher die angefochtenen Bescheide der Beklagten und das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.08.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Unfall des Klägers vom 08.10.1996 als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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