L 2 U 504/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 703/96 BB
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 504/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 31.10.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der am 1949 geborene Kläger wurde am 21.04.1980, als er an einer Ampel hielt, von einem anderen Pkw-Fahrer von hinten angefahren.

Er fuhr anschließend mit dem Taxi nach Hause und suchte später wegen Druck- und Bewegungsschmerz im Nackenbereich den Chirurgen Priv.Doz.Dr.G. auf. Die Röntgenaufnahmen des Schädels und der Halswirbelsäule waren ohne Befund. Priv.Doz.Dr.G. diagnostizierte ein HWS-Schleudertrauma und verordnete eine Schanz sche Halskrawatte. Am 19.05.1980 und 10.06.1980 wurde der Kläger von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.F. untersucht, der angab, der Kläger berichte über Nackenschmerzen. Für ein Schädelhirntrauma bestehe kein Anhalt. Der neurologische Status sei unauffällig, es bestünden keine Zeichen für eine intracerebrale Affektion bzw. Komplikation.

Im Gutachten vom 21.01.1981 führte der Chirurg Dr.H. aus, bereits am 29.01.1979 sei wegen Arthritis der linken Schulter und HWS-Blockierung eine chirotherapeutische Behandlung erfolgt. Jetzt handle es sich um einen Zustand nach HWS-Schleudertrauma bei rezidivierenden Blockierungen im HWS-Bereich und hypermobiler HWS. Die MdE sei bis zum 10.07. 1980 mit 50 v.H., ab 11.07. 1980 bis 22.09.1980 mit 30 v.H., ab 23.09.1980 bis 21.04.1981 mit 20 v.H., danach vermutlich mit unter 20 v.H. zu bemessen.

Dr.F. führte nach Untersuchung des Klägers am 10.12.1980 aus, die früher geklagten Kopfschmerzen hätten sich zurückgebildet. Der Kläger klage aber immer noch über Nackenschmerzen mit Ausstrahlung in die Ellenbogen, Parästhesien in beiden Armen sowie über geschwollene Hände. Auf neurologischem Gebiet bestünden keine Ausfälle. Ein Anhalt für eine umschriebene Wurzelreizung sei nicht gegeben, ebenfalls nicht für eine Läsion eines peripheren Nervens. Es bestehe eine Diskrepanz zwischen den subjektiv angegeben Beschwerden und den zu objektivierenden Befunden, so dass eine psychogene Überlagerung nicht auszuschließen sei.

Im Gutachten vom 13.07.1981 erklärte Dr.H. , der Kläger gebe weiterhin Schmerzen selbst bei Ruhigstellung an und trage deshalb sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit zeitweise eine Schanz sche Halskrawatte. Parästhesien im Bereich des linken Armes bestünden nicht mehr, dieser schwelle auch nicht mehr an. Die MdE sei nun mit 20 v.H. zu bewerten.

Mit Bescheid vom 19.08.1981 gewährte die Beklagte eine vorläufige Rente ab 26.05.1980 in Höhe von 50 v.H., ab 11.07.1980 30 v.H. und ab 23.09.1980 20 v.H ... Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Halswirbelschleudertrauma mit noch erheblich schmerzhafter Bewegungseinschränkung im Bereich der HWS und begleitend der oberen BWS, schmerzhafte Verspannungen der gesamten paravertebralen Muskulatur der HWS und der oberen BWS.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und beantragte außerdem die Gewährung einer höheren Rente, da sich die Beschwerden verschlimmert hätten. Der praktische Arzt Dr.S. berichtete am 10.04.1981 und 11.07.1981, es komme bei jeder Belastung zu Schwindel und Erbrechen, eine MdE von 20 v.H. oder mehr sei weiterhin gegeben. Es handle sich um verschiedenste Befunde muskulärer Verspannungen mit teils stärkster Schmerzhaftigkeit. Der Neurologe Prof.Dr.S. führte nach Untersuchung des Klägers am 02.06.1981 aus, es bestehe ein Zustand nach HWS-Schleudertrauma mit Restbeschwerden, die auch nach so langer Zeit glaubwürdig erschienen.

Die Beklagte legte den Widerspruch dem SG als Klage vor.

Sie übersandte Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.S. sowie des Chirurgen Prof.Dr.P. vom 31.03. 1982. Dr.S. führte aus, auf seinem Fachgebiet ergebe sich kein von der Norm abweichender Befund. Hinweise für eine Halsmarkschädigung seien nicht gegeben, Nervenwurzelstörungen hätten nicht objektiviert werden können. Insbesondere bei der Sensibilitätsprüfung im Nacken-Schulter-Armgebiet und bei der Schilderung der Beschwerden sei eine deutliche Überbetonung nicht zu übersehen.

Prof.Dr.P. kam zu dem Ergebnis, röntgenologisch sei im Vergleich zu den Voraufnahmen keine wesentliche Befundänderung eingetreten. Die Veränderungen im Bereich der kleinen Wirbelgelenke zwischen dem zweiten und dritten Halswirbelkörper seien schon auf den ersten Aufnahmen nachweisbar. Die MdE betrage weiterhin 20 v.H ...

Daraufhin nahm der Kläger die Klage zurück.

Am 17.11.1983 beantragte der Kläger Rente wegen einer MdE von nun 40 v.H., da eine Verschlechterung eingetreten sei. Dr.S. führte im Attest vom 06.10.1983 aus, der Kläger sei gezwungen, ständig eine Halskrawatte zu tragen, da eine Gefügelockerung im Bereich der Kopfwirbel bestehe. Außerdem liege ein peripherer Horner vor.

Vom 10.01. bis 21.02.1984 wurde der Kläger in der Argental-Klinik stationär behandelt. Im Entlassungsbericht diagnostizierte der Orthopäde Dr.B. einen Zustand nach HWS-Schleudertrauma Grad II im April 1980 mit Gefügelockerung in der oberen Halswirbelsäule und fraglicher spinaler Irritation. Im Gutachten vom 15.03.1984 und der ergänzenden Stellungnahme vom 08.05. 1984 führte Dr.B. aus, Verletzungsfolgen seien eine Steilstellung der Halswirbelsäule mit mäßiger Abknickung, deutliche degenerative Veränderungen mit Zeichen der Hypermobilität, deutliche reflektorische muskuläre Verspannungen der gesamten Nacken- und Schultermuskulatur beiderseits, ausgeprägte schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule. Die Beschwerden würden sehr deutlich demonstriert, die völlige Unmöglichkeit des Vorbeugens und Rückneigens der Halswirbelsäule erscheine röntgenologisch nicht nachgewiesen. Die schmerzhafte Fixierung beider Schulterblätter sowie die Druckschmerzhaftigkeit und Bewegungsempfindlichkeit im Bereich der latissimus-dorsi-Muskulatur sei eher auf den vorbestehenden Morbus Scheuermann mit BWS-Seitausbiegung zurückzuführen, ebenso wie die Verschlechterung der Beweglichkeit im Halswirbelsäulenbereich, wo es röntgenologisch im Vergleich mit früheren Aufnahmen zu keinen weiteren degenerativen Veränderungen gekommen sei. In den Unfallfolgen sei keine wesentliche Änderung eingetreten, die MdE sei weiterhin mit 20 v.H. zu bewerten.

Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr.G. kam im Gutachten vom 26.07.1984 zu dem Ergebnis, es bestehe ein uneingeschränktes Hörvermögen. Otogene Schwindelerscheinungen hätten ausgeschlossen werden können. Der übrige HNO-Fachbefund habe der Norm entsprochen. Unfallfolgen seien unwahrscheinlich.

Der Orthopäde Prof.Dr.H. führte nach Untersuchung des Klägers am 03.04.1984 aus, die kräftige Muskulatur des Schultergürtels und der Arme bei völligem Fehlen von nervalen Störungen lasse eine weitreichende Schädigung der Halswirbelsäule sehr unwahrscheinlich erscheinen.

Mit Bescheid vom 12.09.1984 lehnte die Beklagte den Antrag auf Anerkennung einer Verschlimmerung ab.

Zur Begründung des Widerspruchs übersandte der Kläger Schreiben des Dr.S. vom 16.10.1984 und 11.11.1984. Der Kläger habe bei dem Auffahrunfall in schräger Haltung nach rechts gebeugt und etwas verdreht gesessen. Es dürfte sich um eine Läsion im cerviko-thorakalen Übergang handeln.

Der Neurologe Prof.Dr.L. erklärte nach stationärer Behandlung des Klägers vom 14.01. bis 18.01.1985, es finde sich kein Anhalt für eine radikuläre Schädigung im Bereich der unteren Halswirbelsäule. Im CT sei kein Bandscheibenvorfall nachweisbar. Der Liquorbefund sei unauffällig. Im Bericht vom 08.07. 1985 führte Prof.Dr.L. aus, es finde sich radiologisch eine leichte Steiffehlhaltung der Halswirbelsäule mit eingeschränkter Beweglichkeit sowie eine minimale Einengung der oberen Foramina intervertebralia. Klinisch sei ein intermittierendes Horner-Syndrom links aufgefallen. Nach stationärer Behandlung vom 22.04. bis 21.05. 1985 erklärte Prof.Dr.L. , nach Ansicht von Prof.Dr.C. von der neurochirurgischen Klinik bestehe derzeit keine operative therapeutische Möglichkeit, es werde ambulante krankengymnastische Weiterbehandlung empfohlen.

Nach Stellungnahme des Beratungsarztes Dr.S. wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.10. 1985 zurück. Eine wesentliche Änderung im Befund der Unfallfolgen sei nicht nachgewiesen.

Im Gutachten für die HUK-Coburg Versicherungsgruppe führte der Neurologe Prof.Dr.F. am 01.08.1985 aus, es lasse sich mit großer Sicherheit sagen, dass der Unfall zu einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule geführt habe, das keine neurologischen Ausfälle bedingt habe. Das Horner-Syndrom links habe keinen zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfall, eine ursächliche Beziehung sei zumindest nicht wahrscheinlich zu machen. Es sei vor allem aber nicht krankheitswertig und bedinge keine Erwerbsminderung. Im Gutachten für HUK-Coburg Versicherungsgruppe vom 15.06.1983 erklärten die Orthopäden Prof.Dr.K. und Prof. Dr.H. , die MdE sei mit 20 v.H. einzuschätzen.

Im Klageverfahren gegen den Bescheid vom 12.09.1984 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.10.1985 übersandte Dr.S. Stellungnahmen vom 12.11.1985 und 06.01.1986. Darin wies er auf die progredienten spinalen Symptome hin sowie auf den atypischen Horner.

Der Kläger übersandte ein Gutachten des Nervenarztes Dr.M. vom 02.06.1986 der ausführte, die Röntgenaufnahmen zeigten eine primäre Blockierung der Wirbelgelenke zwischen HWK 3 und 4, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Augenblick der unmittelbaren Gewalteinwirkung in Form eines Schleudertrauma der HWS am 21.04.1980 entstanden sei.

Ein Kernspintomogramm vom 21.02.1985 zeigte keine morphologisch fassbare extra- oder intramedulläre Raumforderung. Es handle sich am ehesten um eine spondylogene Myelopathie. Im Kernspintomogramm vom 02.05.1986 zeigte sich in Höhe C3/4 eine kleine Protrusion, Knickbildung in Höhe C3/4 mit Steilstellung, leichte Gefügeverschiebungen C4/5.

Nach stationärer Behandlung vom 03.11.1986 bis 22.12.1986 führte Prof.Dr.N. aus, die Klinik und die objektiv erhebbaren Befunde seien widersprüchlich.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.07.1987 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in dem sich die Beklagte verpflichtete, über den Verschlimmerungsantrag des Klägers erneut nach Vorlage fundierter medizinischer Unterlagen zu entscheiden.

Am 12.06.1993 beantragte der Kläger die Anerkennung einer Verschlimmerung seiner Beschwerden.

Der Chirurg Dr.A. führte im Bericht vom 23.06.1993 aus, der Kläger habe unverändert starke Beschwerden mit zunehmend häufigen Schluck- und Atembeschwerden.

Die Kernspintomographie des Schädels und des cervikalen Spinalkanals vom 25.03.1993 ergab unauffällige Befunde für den Schädel, eine Protrusion bei HWK 3/4, eine mäßige Protrusion der HWK 4/5, keinen weiteren auffälligen Befund in den sonstigen Segmenten.

Im Gutachten vom 03.09.1993 führte Dr. A. aus, gegenüber dem Vergleichsgutachten vom 13.07.1981 habe sich eine deutliche Verschlechterung nicht nur der subjektiven Beschwerdesymptomatik, sondern auch objektiv insofern ergeben, als die Beweglichkeit in der Halswirbelsäule völlig aufgehoben sei und in der Kernspintomographie Veränderungen im Sinne einer Discusprotrusion bei HWK 3/4 und 4/5 zu sehen seien. Die MdE betrage nun 30 v.H ...

Beigezogen wurden Unterlagen der Bundesbahnbetriebskrankenkasse aus den Jahren 1972 bis 1992. Daraus ergibt sich eine Arbeitsunfähigkeitszeit vom 09.06.1976 bis 23.06.1976 wegen schwerem HWS-Syndrom und Drehschwindel sowie vom 29.01.1979 bis 18.02. 1979 wegen Arthritis linke Schulter.

Der Chirurg Dr.S. führte im Gutachten vom 27.05.1994 zusammenfassend aus, bereits bei Fingerdruck würden heftigste Schmerzen angegeben, die nicht nachvollziehbar seien.

Der Psychiater Prof.Dr.G. erklärte im Gutachten vom 29.11.1994 unter Berücksichtigung des Gutachtens des Dipl. Psychologen Dr.G. , der Kläger gebe zum Unfallhergang an, an einer Ampel haltend, im Radio nach einem Sender suchend, habe er plötzlich ein lautes Geräusch vernommen. Er sei ausgestiegen. Während der folgenden Wartezeit habe er sich übergeben müssen. Daraufhin sei er von einem Kollegen nach Hause gefahren worden. Nach einer Ruhepause habe er überall am Körper heftige Schmerzen empfunden. Deshalb sei er in ein Krankenhaus gebracht worden. Jetzt ertrage er keinerlei Vibrationen, er könne eine elektrische Zahnbürste nicht benutzen. Bei leichter Körperdrehung, wie z.B. beim Einparken, trete links ein zentraler Horner auf und gleichzeitig öfter eine bedrohliche Ateminsuffizienz. Den letzten Urlaub habe er am Neusiedlersee verbracht, er habe das Auto dorthin gefahren.

Es sei unstreitig, dass das vom Kläger beklagte Krankheitsbild weder klinisch noch durch den Einsatz technischer Untersuchungsverfahren habe objektiviert werden können. Bei der Untersuchung fielen zunächst der gute Allgemeinzustand des Klägers auf, der in einem offensichtlichen Missverhältnis stehe zu dem erheblichen und dauerhaften Leidensdruck. Der Wunsch nach finanzieller Entschädigung sei seit Jahren zurückgetreten hinter die Verwirklichung einer Krankenrolle, die nicht nur das eigene Leben des Klägers präge, sondern auch das der Angehörigen. Hier sei von einer hypochondrischen Fehlhaltung zu sprechen. Das Unfallereignis habe auf eine persönlichkeitsgebundene Disposition für die Manifestation einer solchen Fehlentwicklung getroffen. Unfallgeschehen, vorgegebene Disposition sowie die die Fehlentwicklung begünstigenden Determinanten, wie die Vielzahl von Untersuchungen und insbesondere die Bemühungen des Hausarztes, seien als nebeneinander stehende Mitursachen zu verstehen. Bezüglich ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des jetzt gegebenen Leidenszustandes seien sie als annähernd gleichwertig einzuschätzen. Die MdE betrage gegenwärtig 100 v.H ...

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie und Dipl.Psychologe Dr.F. erklärte in der Stellungnahme vom 30.01.1995, es sei eindeutig so, dass das Unfallereignis lediglich einen Anknüpfungspunkt bei vorbestehender Neigung zu einer hypochondrischen Fehlreaktion dargestellt habe. Zwar sei der Feststellung, dass es sich um eine schwere hypochondrische depressive Fehlentwicklung handle, uneingeschränkt zuzustimmen, eine Entschädigungspflicht durch die Beklagte sei jedoch nicht gegeben.

Der Orthopäde Dr.T. kam im Gutachten vom 31.10.1995 zusammenfassend zu dem Ergebnis, das gezeigte Ausmaß der Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sei nicht plausibel. Weder die ausgesprochen guten muskulären Verhältnisse, noch der Röntgenbefund gäben hierfür eine objektive Erklärung. Zu keinem Zeitpunkt hätte sich ein Hinweis auf eine strukturelle Verletzung der Halswirbelsäule ergeben. Bei den kernspintomographisch festgestellten Bandscheibenvorwölbungen handele es sich um Zeichen beginnender degenerativer Bandscheibenveränderungen, die nicht als krankheitswertig anzusehen seien. Gegenüber den Vorbefunden sei keine Änderung des Gesundheitszustandes eingetreten. Mangels primär belegter struktureller Verletzungen hätten auf Dauer keine Unfallfolgen verbleiben können.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.B. führte im Gutachten vom 12.03.1996 zusammenfassend aus, die vom Kläger vorgetragenen Beschwerden seien nicht derart, wie sie bei einer posttraumatischen Belastungsstörung zu erwarten wären. Es bestünden weder unmittelbare noch mittelbare Unfallfolgen auf neurologischem Fachgebiet. Es könne nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die kurzdauernde seelische Belastung eine wesentliche Teilursache für die inzwischen bestehende seelische Fehlentwicklung darstelle. Für die möglicherweise bestehende Unfallneurose oder Entschädigungsneurose komme dem Unfall einschließlich des unfallbedingten Körperschadens nicht die Bedeutung der wesentlichen Teilursache zu. Die MdE auf nervenärztlichem Fachgebiet betrage 0 v.H ...

Mit Bescheid vom 03.04.1996 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rentenerhöhung ab.

Zur Begründung des Widerspruchs übersandte der Kläger Stellungnahmen des Dr.S ... Ursache der Beschwerden sei ein posttraumatischer Schaden im Bereich des unteren Hirnstammes, eine funktionelle Myelopathie, dabei vielleicht auch der Wurzelabbruch C4 und eine Enge bei C3/4.

Dr.T. führte hierzu in der Stellungnahme vom 09.07.1996 aus, eine strukturelle Verletzung sei niemals gefunden worden. Es seien auch niemals reparative Veränderungen festgestellt worden, die auf eine vorausgegangene Verletzung hätten rückschließen lassen. Die klinische Symptomatik, die Dr.S. in den Vordergrund rücke, bestehe ausschließlich aus Subjektivismen des Klägers.

Dr.B. erklärte in der Stellungnahme vom 18.07.1996, die Gesamtheit der Beschwerden sei nicht mit den Diagnosen, die Dr.S. annehme, vereinbar. Neurologische Ausfälle, die diese Diagnosen beweisen würden, seien nicht nachgewiesen. Alle bisher beschriebenen Normabweichungen seien nicht pathognostisch, sondern ätiologisch unspezifisch und/oder nicht sicher krankheitswertig. Es sei nicht vertretbar, vom Kläger vorgetragene subjektive Missempfindungen objektiven Befunden gleichzusetzen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 03.09.1996 zurück.

Hiergegen hat sich die Klage vom 09.10.1996 gerichtet.

Das SG hat Befundberichte von Dr.A. und Dr.S. beigezogen sowie einen von Dr.S. übersandten Bericht vom M. für Psychiatrie mit der Diagnose: Unklares Schmerzsyndrom bei Verdacht auf Hirnstammanfälle, Zustand nach HWS-Schleudertrauma mit Spinalstenose HWK 3/4. Eine Kernspintomographie des Schädels vom 09.04.1997 ergab eine weitgehend unauffällige Darstellung cerebraler Strukturen, keine Hinweise auf Hirnstammläsion, den Nachweis der Bandscheibenprotrusion HWK 3/4 sowie Einengung des Spinalkanals. Es waren keine sicheren myelomalazischen Veränderungen erkennbar.

Weiter hat Dr.S. einen Bericht von Dr.V. vom 06.06.1997 übersandt, der nach MRT der oberen Halswirbelsäule ausgeführt hat, es bestehe ein Zustand nach HWS-Distorsion mit Zeichen einer Traumatisierung der Kopfgelenksbänder im Rahmen eines Beschleunigungstraumas. Daraus resultiere eine Instabilität des Sockelgelenkes HWK 2.

Der vom SG zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr.K. hat im Gutachten vom 28.11.1997 ausgeführt, das Krankheitsbild werde in nicht unerheblichem Maß durch psychogene Faktoren unterhalten. Die jetzt Gegenteil spreche die ausgezeichnete Bemuskelung im Bereich der Schultern und der oberen Extremitäten für eine erhebliche mechanische Beanspruchung. Unter Berücksichtung des Initialbefundes sei es bei dem Unfall zu einer Halswirbelsäulendistorsionsverletzung Grad I bis Grad II gekommen. Der Befund des Dr.V. sei, wie auch Prof.Dr.E. , Direktorin der radiologischen Abteilung des Klinikums r. , bestätigt habe, nicht nachvollziehbar, das von ihm initiierte radiologische Verfahren umstritten. Bedenken bestünden sowohl hinsichtlich der Untersuchungsmethode als auch hinsichtlich der Auswertung der Befunde. Wäre es wirklich zu einer Verletzung der Ligamenta alaria gekommen, hätte man ein sofortiges schweres klinisches Initialsyndrom fordern müssen. Die Tatsache des symptomfreien Intervalles sei mit einer solchen Verletzung nicht in Übereinstimmung zu bringen. Die MdE sei nach wie vor wie im Bescheid vom 19.08.1981 einzuschätzen. Diese Einschätzung sei großzügig und eigentlich mit den unfallversicherungsrechtlichen Richtlinien nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Der auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG als ärztlicher Sachverständiger gehörte Nervenarzt Dr.M. hat im Gutachten vom 01.10.1998 ausgeführt, es bestehe ein chronisches posttraumatisches Kopfgelenkssyndrom, Arthrose mit Kopf- und Nacken-Hinterkopfschmerzen und reflektorischer Verspannung mit fast völliger Versteifung der Kopfbeweglichkeit. Weiter liege ein chronisches Vertebralissyndrom links mit Hirnstammkrämpfen in Form eines funktionellen Wallenberg-Syndroms links vor, außerdem ein chronisches posttraumatisches Cervikalsyndrom bei Gelenks- und Muskeldysfunktion nach HWS-Distorsion mit latenter Wurzelreizsymptomatik C2 bis C5 rechts bei Verletzung des zweiten HWK rechts und verletzungsbedingt sich entwickelnden harten Hernien in Höhe HWK 3/4 und HWK 4/5 sowie ein Verdacht auf posttraumatische passagere Myelopathie mit Atemstörungen. Der psychische Befund sei dagegen unauffällig, es bestehe kein Anhalt für eine hypochondrische Entwicklung.

Die Beklagte hat eine Stellungnahme des Orthopäden Dr.T. vom 08.04.1999 übersandt, in der er darauf hinweist, eine Verletzung der Halswirbelsäule bzw. hieraus resultierende Folgeerscheinungen hätten von Dr.M. nicht belegt werden können. Dieser stütze sich nur auf Vermutungen und unzulässige Interpretationen von Bildbefunden und nicht valide diagnostische Methoden. Die von Dr.M. vorgetragenen Hypothesen würden überwiegend als widerlegt gelten.

Die Beklagte hat weiter eine Stellungnahme des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr.B. vom 24.03.1999 übersandt. Dr.B. hat ausgeführt, unabhängig von der Frage, ob die von Dr.M. angenommenen Gesundheitsstörungen nachgewiesen seien, sei ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall nicht zu begründen, da der Kläger keinen HWS-Schaden erlitten habe, der geeignet sei, zu derartigen Beeinträchtigungen zu führen. Hinsichtlich des Nachweises der Veränderungen der Arteria vertebralis beiderseits berufe sich Dr.M. auf eine Vertebralisangiographie vom 15.12.1986. In dem dazugehörigen Befundbericht seien Wandunregelmäßigkeiten und Neigung zu Gefäßspasmen nicht mitgeteilt. Wenn solche Befunde tatsächlich bestünden, sei mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass es sich dabei um unfallunabhängige arteriosklerotische Veränderungen handle im Rahmen einer allgemeinen Arteriosklerose.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31.10.2000 abgewiesen.

Mit der Berufung vom 04.12.2000 begehrt der Kläger weiterhin eine höhere Rente als 20 v.H ...

In einer Stellungnahme vom 12.02.2001 führt Dr.M. aus, der Kläger habe bei dem scheinbaren Bagatellunfall infolge der besonders vulnerablen Kopfhaltung eine Schädigung der Flügelbänder mit nachfolgender Rotationsinstabilität erlitten. Dadurch komme es zu einem fluktuierenden neurologischen Befund, insbesondere dem funktionellen Wallenberg-Syndrom. Als Neuropathologe und Neuroradiologe könne er die Befunde zutreffend bewerten.

Dr.S. führt in der Stellungnahme vom 21.01.2001 aus, dem Kläger sei nach dem Unfall sofort übel gewesen, er habe Nackenbeschwerden gehabt, habe den Kopf nicht bewegen können und habe ihn mit beiden Händen halten müssen. Damit sei die Behauptung eines beschwerdefreien Intervalls widerlegt.

In der ergänzenden Stellungnahme vom 17.10.2001 erklärt Dr.K. , die von Dr.V. erhobenen Befunde seien schon aus klinischer Sicht kaum nachzuvollziehen. Keinesfalls sei die Interpretation von Dr.V. richtig, dass Narben im Bereich der Ligamenta alaria unbedingt ein Indiz für eine Verletzung seien. Das von Dr.S. diagnostizierte Horner-Syndrom sei am ehesten Folge der wiederholt durchgeführten Blockaden. Ein fluktuierendes Wallenberg-Syndrom, wie Dr.S. es diagnostiziere, gebe es nicht. Ein Wallenberg-Syndrom sei ein klar definiertes Krankheitsbild, bei dem es zu einer akuten Durchblutungsstörung im Versorgungsgebiet einer Arterie komme. Die von S. vermutete direkte traumatische Einwirkung auf den Hirnstamm werde in den seltesten Fällen überlebt und führe in keinem Fall zu einem intermittierenden Wallenberg-Syndrom. Wenn Dr.S. die hervorragende Bemuskelung durch den Ausfall hemmender Steuerungsmechanismen motorischer Einheiten infolge Daueraktivitität erkläre und weiterhin ausführe, dass ein ähnliches Enthemmungsphänomen auch anzunehmen sei für den Würgereiz, so handle es sich um völlig irrationale Behauptungen.

Der Kläger stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 23.03. 2001. Hilfsweise beantragt er unter Bezugnahme auf die Schreiben vom 23.01.2002 und 06.02.2002 (Prof.Dr.R.) und vom 19.03.2002, die Verhandlung zu vertagen und ihm Gelegenheit zu geben, weitere Beweismittel in dem in den Schreiben genannten Sinne vorzulegen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Die Entscheidung richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da die streitige Leidensverschlimmerung vor dem 01.01.1997 eingetreten sein soll und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs.2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der ärztliche Sachverständige Dr.K. in der Stellungnahme vom 17.10.2001 nochmals überzeugend ausgeführt hat, dass die Einwendungen von Dr.S. und Dr.M. aus ärztlicher Sicht nicht zutreffend sind.

Die von Dr.M. und Dr.V. beschriebene Narbe im linken Ligamentum alaria und der Verdacht auf eine Ruptur des rechten Ligamentum alaria sind, so Dr.K. , als Diagnosen kaum nachvollziehbar, weil ein traumatisches Ereignis, das zu einer Läsion der Ligamenta alaria führen würde, von einer sofortigen klinischen Intialsymptomatik gefolgt sein müsste. Es ist, wie Dr.K. betont, undenkbar, dass nach einem Trauma, das von einer derartigen Dramatik gewesen wäre, ein symptomfreies Intervall, wie es die Erstbefunde belegen, bestehen könnte.

Bei der Untersuchung durch Dr.G. am Unfalltag gab der Kläger Druck- und Bewegungsschmerz im hinteren Nackenbereich an. Gegenüber Dr.F. erklärte er am 19.05. 1980 und 10.06.1980, es habe keine Bewusstlosigkeit und keine Amnesie bestanden, er habe seit dem Unfall Kopfschmerzen. Arbeitunfähigkeit wurde von Dr.G. auf Wunsch des Klägers nicht attestiert. Während des Heilverfahrens in der A.-Klinik vom 10.01. bis 21.02.1984 erwähnte der Kläger, erst einige Tage nach dem Unfall sei es zu vermehrten Beschwerden gekommen. Die später geklagten Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen und die Unfähigkeit, den Kopf zu halten, wurden in den ersten Jahren nach dem Unfall noch nicht geschildert.

In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass es, wie Dr.K. erläutert, nicht möglich ist, aus einer kernspintomographisch unregelmäßigen Struktur der Flügelbänder auf vorangegangene Verletzungen zu schließen. Es handelt sich hier um Zufallsbefunde ohne pathologische Bedeutung. Daher ist der Senat der Überzeugung, dass die von Dr.M. angenommene Verletzung der Ligamenta alaria nicht nachgewiesen ist.

Was das von Dr.S. diagnostizierte fluktuierende Wallenber-Syndrom betrifft, so ist zu berücksichtigen, dass es sich beim Wallenberg-Syndrom um ein klar definiertes Krankheitsbild handelt, bei dem es zu einer akuten Durchblutungsstörung im Versorgungsgebiet der Arteria cerebelli posterior inferior kommt. Die Annahme von Dr.S. , es sei zu einer akuten Elongierung des Halsmarkes bzw. einer Irritation der Medulla oblongata gekommen, kann nicht überzeugen, denn, wie Dr.K. erläutert, wird eine direkte traumatische Einwirkung auf den Hirnstamm in den seltesten Fällen überlebt und würde in keinem Fall zu einem Wallenberg-Syndrom führen. Ein fluktuierendes Wallenberg-Syndrom, wie es Dr.S. vermutet, gibt es, so Dr.K. , nicht.

Die von Dr.S. angegebene Erklärung für die hervorragende Bemuskelung des Oberkörpers des Klägers, dass durch den Ausfall hemmender Störungsmechanismen motorische Einheiten infolge Daueraktivität ein Muskeltraining veranstalteten, ist, so Dr.K. , vom medizinischen Standpunkt, insbesondere im Hinblick auf den langen Zeitabstand zum Unfallereignis, nicht nachzuvollziehen. Das gleiche gilt für den vom Kläger angegebenen Würgereiz.

Der Sachverhalt ist zur Überzeugung des Senats hinreichend aufgeklärt. Deshalb und im Hinblick auf die umfangreichen ärztlichen Unterlagen in den Akten und die mittlerweile im Verwaltungs-, Klage- und Berufungsverfahren eingeholten 15 Gutachten und Stellungnahmen sowie die übrigen ärztlichen Atteste und Befunde erscheint eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich. Die vom Kläger angekündigte Untersuchung zur Klärung, ob ein fluktuierendes Wallenberg-Syndrom vorliege, ist, wie die überzeugenden Ausführungen von Dr.K. belegen, zur Entscheidung des Rechtsstreits nicht erforderlich. Eine erneute Untersuchung bei Dr.V. kann ebenfalls nicht zur weiteren Klärung des Sachverhalts beitragen, da, wie Dr.K. ausgeführt hat, sich die Befunde von Dr.V. nicht nachvollziehen lassen und von der Mehrheit der Gutachter angezweifelt werden.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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