L 17 U 68/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 63/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 68/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.02.1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu er statten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Gesundheitsstörungen des Klägers als Folgen des Arbeitsunfalls seiner Mutter G. K. während der Schwangerschaft am 19.06.1985 anzuerkennen und zu entschädigen sind.

Die Mutter des am 1985 geborenen Klägers stolperte am 19.06.1985 um 8.10 Uhr - in der 31. Schwangerschaftswoche - auf ihrer Arbeitsstätte, fiel auf beide Knie und zog sich einen knöchernen Ausriss des linken Kniegelenkes zu (Durchgangsarztbericht des Dr.U.S. vom 21.06.1985). Sie wurde im S.-Hospital M. - zunächst auf der chirurgischen Abteilung - stationär behandelt und am 21.06.1985 wegen schmerzhafter Wehentätigkeit, die mit Spätdezelerationen verbunden war, auf die gynäkologische Abteilung verlegt. Dort erfolgte eine hochdosierte intravenöse, danach orale bzw intravasale Tokolyse. Wegen Veränderungen der kindlichen Herztöne wurde sie zu Beginn der 34. Schwangerschaftswoche am 10.07.1985 durch einen Kaiserschnitt entbunden. Bei dem Säugling bestanden eine Nabelschnurumschlingung um den Hals, eine Gaumenspalte (Berichte Dr.S. , S.-Hospital, vom 30.07.1985 und 02.10.1986) und er zeigte Symptome der Frühgeburtlichkeit wie Atemnotsyndrom, Pneumothorax, Verdacht auf perinatale Infektion. Vom 10.07.1985 bis 26.09.1985 befand er sich im S.-Hospital M. , vom 26.09. bis 07.10.1985 in der Kinderklinik und Kinderpoliklinik der Universität W. in stationärer Behandlung.

Zur Aufklärung des Sachverhalts zog die Beklagte die Krankenblattunterlagen der gynäkologischen und der Kinderabteilung des S.-Hospitals M. sowie die ärztlichen Unterlagen des Versorgungsamtes Bayreuth bei. Außerdem holte sie einen Befundbericht des Kinderarztes Dr.J.K. (B.) vom 03.09.1986 sowie eine ärztliche Stellungnahme der geburtshilflich-gynäkologischen Abteilung des S.-Hospitals vom 02.10.1986 ein und veranlasste ein Gutachten des Prof. Dr.K.S. (Kinderklinik und Poliklinik der Universität E.) vom 11.02.1987/03.10.1988. Dieser führte aus, dass das vorliegende Pierre-Robin-Syndrom sowie gehäufte Otitiden des Klägers unabhängig von der Frühgeburt aufgetreten, durch diese Erschwernis aber zum Tragen gekommen seien, während der ebenfalls diagnostizierte Strabismus im Zusammenhang mit der Frühgeburt gesehen werden könne.

Mit Bescheid vom 10.03.1989 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung aus Anlass des Arbeitsunfalles vom 19.06.1985 für den Kläger ab, da eine Schädigung der Leibesfrucht iSd § 555 a Reichsversicherungsordnung (RVO) nicht vorliege. Hiergegen legte die Mutter des Klägers am 07.04.1989 Widerspruch ein und führte aus, es werde nicht bestritten, dass ein Ursachenzusammenhang zwischen der Gaumenspalte des Klägers und ihrem Arbeitsunfall nicht bestehe. Allerdings sei es durch den Sturz zu vorzeitiger Wehentätigkeit gekommen, vorher habe sie keine Komplikationen gehabt.

Nach Beiziehung eines Befundberichtes des Facharztes für Frauenkrankheiten und Geburtshilfe Dr.H.W. (C.) vom 19.11.1989, einer Krankheitsauskunft der Barmer Ersatzkasse M. vom 12.01.1990 sowie des Mutterpasses erstellte Dr.T.C.S. (Frauenklinik und Poliklinik des Universitätskrankenhauses E. , H.) am 28.10.1992 ein weiteres Gutachten. Er kam zu dem Ergebnis, dass die Frühgeburt vom 10.07.1985 durch Herztonverschlechterung infolge der Nabelschnurumschlingung bedingt war. Dass sich die Nabelschnur infolge des Sturzes der Mutter auf die Knie verändert bzw zugezogen habe, sei eher unwahrscheinlich. Mit Bescheid vom 18.03.1994 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch zurück. Gegen den Bescheid vom 10.03.1989 idF des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1994 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, bei ihm als Folgen des Arbeitsunfalls seiner Mutter Gesundheitsstörungen anzuerkennen und Rentenleistungen zu erbringen. Seine Mutter hat vorgetragen, es seien sofort nach der Einlieferung ins Krankenhaus um 10.20 Uhr Wehen aufgetreten. Die Wehen hätten trotz Gabe wehenhemmender Mittel und Valium bis zum Kaiserschnitt angehalten.

Das SG hat Befundberichte des Augenarztes Dr.U.R. (B.) vom 27.10.1994, des Dr.J.K. (B.) vom 28.10.1994, des Allgemeinarztes Dr.R.G. (H.) vom 31.12.1994, die ärztlichen Unterlagen der Allgemeinärztin D.O. (B.) vom 26.01.1995 sowie die Krankenblattunterlagen des S.-Hospitals GmbH (M.) beigezogen. Der Kläger hat Stellungnahmen der Dr.S.G. (B.) und des Dr.J.K. vom 14.12.1995 vorgelegt.

Sodann hat Prof. Dr.A.T. (Frauenklinik des Klinikums B. ein Gutachten am 10.10.1995 erstattet. Er hat ausgeführt, Ursache der Frühgeburt seien die Herztonveränderungen, ausgelöst durch die Nabelschnurumschlingung um den Hals des Embryos sowie die Kompression der Nabelschnur durch ein Füßchen gewesen. Die Wehen hätten zu keinem Zeitpunkt eine wesentliche geburtsmechanische Veränderung bedingt und seien nicht auslösend für die Frühgeburt gewesen. Die Nabelschnurumschlingung sei nicht als Folge des Unfalls entstanden und habe sich auch nicht durch die aufgetretenen Wehen zum Nachteil des Kindes zugezogen. Auch eine latente Plazentainsuffizienz sei nicht ausgeschlossen.

Daraufhin hat das SG mit Urteil vom 06.02.1996 die Klage abgewiesen und sich zur Begründung insbesondere auf das Gutachten des Prof. Dr.A.T. gestützt.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und - unter Vorlage weiterer Unterlagen - vorgetragen, seine Gesundheitsstörungen wie Mitralklappenprolaps, Strabismus mit Sehschwäche links, Infektanfälligkeit mit Neigung zu Bronchitis, verzögerte körperliche und geistige Entwicklung sowie psychische Auffälligkeiten stünden in Zusammenhang mit dem Unfallereignis vom 19.06.1985. Die hochdosierte Tokolyse zur Wehen- unterdrückung nach dem Arbeitsunfall seiner Mutter mit Sturz auf die Knie und auf den Bauch habe zu einer Verschlechterung der kindlichen Herztätigkeit geführt. Zudem sei seiner Mutter im Krankenhaus vier Wochen vor der Geburt eine Anzahl von Medikamenten verabreicht worden, insbesondere Valium, Cortison, Magnesium, Kalium und Eisen. Aufgrund der zuletzt hochdosierten Therapie sei es zu einer Schädigung des kindlichen Gehirns gekommen. Lungenfunktions- und Gehirnstörungen sowie psychomotorische Entwicklungsstörungen seien hierdurch bedingt.

Der Senat hat Befundberichte des Dr.J.K. vom 20.04.1998, der Ärztin D.Obelt vom 22.04.1998, des HNO-Arztes Dr.H.S. (B.) vom 31.07.1998, des Augenarztes Dr.G.F. (B.) vom 25.08.1998, der Kinderärztin S.L. (B. ) vom 05.11.1998, die ärztlichen Unterlagen des Klinikums B. - Kinderklinik -, des Kopfklinikums W. - Augen- und HNO-Klinik -, die Arztberichte der Gemeinschaftspraxis Dres. B. u.a. (B.), die Krankenblattunterlagen des S.-Hospitals M. , die Akte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Bayreuth sowie der Universitätsklinik W. beigezogen. Sodann hat der Gynäkologe Prof. Dr.D.K. (Missionsärztliche Klinik W.) auf Veranlassung des Senats ein Gutachten erstellt. Im Gutachten vom 26.03.1999 hat er die Auffassung vertreten, dass der Arbeitsunfall zwar mit Wahrscheinlichkeit die vorzeitige Wehentätigkeit ausgelöst habe, die Frühgeburt jedoch nicht durch wehenhemmende Medikamente, sondern durch andere Faktoren, zB eine Plazentainsuffizienz - die nicht bewiesen werden könne mangels feingeweblicher Untersuchung - oder die Nabelschnurumschlingung verursacht worden sei.

Der Kläger hat noch Stellungnahmen des Gynäkologen Dr.S.G. vom 11.05.1999 und des Nervenarztes Dr.L.K. vom 20.02.1995 vorgelegt. Der Senat hat weitere Unterlagen beigezogen: Befundberichtee des Kinderarztes Dr.S.S. (B.) vom 28.09.1999, der Augenärztin Dr.S. (B.) vom 06.10.1999, des Prof.Dr.K.H.D. (Kinderklinik B.) vom 03.10.1999, des Augenarztes Dr.G.F. (B.) vom 04.10.1999, des Zahnarztes Dr.J.M. (B.) vom 12.10.1999, der Nervenärztin Dr.U.G. (B.) vom 29.10.1999, des Orthopäden Dr.T.H. (B.) vom 16.11.1999. Sodann hat er Dr.U.H. (Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Klinikums G.) mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 17.08.2000/23.02.2001 hat Dr.H. einen Zusammenhang des Arbeitsunfalles der Mutter des Klägers mit den Gesundheitsstörungen des Klägers nicht für wahrscheinlich gehalten. Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.02.1996 sowie des Bescheides vom 10.03.1989 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.1994 zu verurteilen, bei ihm als Folge des Arbeitsunfalles seiner Mutter vom 19.06.1985 folgende Gesundheitsstörungen, und zwar Mitralklappenprolaps, Herzrhythmusstörungen, Strabismus mit Sehschwäche links, Infektanfälligkeit und Neigung zu Bronchitiden, psychische Auffälligkeiten anzuerkennen und Rentenleistungen zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.02.1996 zurückzuweisen.

Zur Begründung führt sie an, Ursache der Frühgeburt sei der wegen wiederholter pathologischer kindlicher Herztonveränderungen durchgeführte Kaiserschnitt gewesen. Die Herztonveränderungen seien auf die Nabelschnurumschlingung zurückzuführen. Andere Ursachen seien rein spekulativ.

Wegen weiterer Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten, der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, der Schwerbehindertenakte des Amtes für Versorgung und Familienförderung Bayreuth sowie der Krankenakten des S.-Hospitals M. Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG), aber nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, soweit mit ihr die Anerkennung und Entschädigung von Gesundheitsstörungen des Klägers als Folge des Arbeitsunfalles seiner Mutter vom 19.06.1985 begehrt werden. Anzuwenden sind im vorliegenden Fall noch die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO), da sich das zu beurteilende Ereignis vor dem 01.01.1997 ereignet hat (Art 36 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes, § 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -).

Nach § 555 a RVO steht einem Versicherten in der gesetzlichen Unfallversicherung gleich, wer als Leibesfrucht durch einen Arbeitsunfall iSd § 548 Abs 1 Satz 1 RVO der Mutter während der Schwangerschaft geschädigt worden ist. Die Schädigung muss nicht unmittelbar durch den Arbeitsunfall der Mutter erfolgen. Es genügt, wenn sie eine Folge des Arbeitsunfalles ist, der allerdings während der Schwangerschaft eingetreten sein muss (Kasseler Kommentar - Ricke - § 12 VII Anm 4). Dies bedeutet, dass auch mittelbare Folgeschäden zu entschädigen sind, insbesondere weitergehende Schäden der Leibesfrucht, die im Zuge einer anschließenden ärztlichen Behandlung der Mutter auftreten, wenn eine wesentliche sachliche Verbindung zwischen dem Arbeitsunfall und dem gesundheitsstörenden weiteren Verlauf, insbesondere ärztlichen Eingriff besteht (Bereiter-Hahn/Schieke/ Mehrtens, Gesetzl. Unfallversicherung, § 8 VII Anm 9.7.2). Zur Bejahung des Ursachenzusammenhangs reicht dabei eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG vom 30.04.1985 - SozR 2200 § 585 a RVO Nr 1). Diese ist gegeben, wenn beim vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf die berufliche Verursachung deutenden Faktoren so stark überwiegen, dass darauf die Entscheidung gestützt werden kann. Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernstliche Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden. (BSGE 45, 285, 286, BSG 31.7, 62, Breithaupt 1963, 60 61). Die Frühgeburt des Klägers am 10.07.1985 sowie die geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Folge der Frühgeburt stehen nicht mit Wahrscheinlichkeit in Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall der Mutter vom 19.06.1985. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Gutachten der Sachverständigen Prof. Dr.S. vom 11.02.1987/03.10.1988 und Dr.S. vom 28.10.1992 - deren im Auftrag der Beklagten erstattete Gutachten im anhängigen Rechtsstreit verwendet werden können (BSG vom 31.05.1963, SozR § 128 SGG Nr 66) - sowie Prof. Dr.T. vom 10.10.1995, Prof. Dr.K. vom 26.03.1999 und Dr.H. vom 17.08.2000/23.02.2001.

Der Arbeitsunfall der Mutter des Klägers am 19.06.1985, bei dem sie auf beide Knie gestürzt ist (lt Durchgangsarztbericht des Dr.S. vom 21.06.1985), hat nicht unmittelbar die Schädigung der Leibesfrucht verursacht, sondern lediglich einen knöchernen Anriss des linken Kniegelenks. Einen Sturz auf den Bauch erwähnte Dr.K. erstmals im Bericht vom 29.03.1993 sowie Dr.G. in der Stellungnahme vom 11.05.1999. Nachdem die Mutter des Klägers bei dem sofort nach dem Unfall aufgesuchten Hausarzt Dr.G. (H.) aber nur angegeben hat, dass sie mit dem Knie aufgeschlagen sei (Befundbericht vom 31.12.1994), die Krankenakte des S.-Hospitals in M. keine anderweitigen Angaben enthält und den Erstangaben eines Versicherten grundsätzlich höherer Beweiswert zukommt als späteren Ausführungen, geht der Senat von einem Sturz auf die Knie und nicht auf den Bauch aus. Durch den Arbeitsunfall wurde die Leibesfrucht im Mutterleib auch nicht mit Wahrscheinlichkeit mittelbar geschädigt. Zwar kam es bei der Schwangeren alsbald nach dem Unfall zu vorzeitigen Wehen, die nach übereinstimmender Meinung der Gutachter Dr.T. , Dr.K. und Dr.H. insbesondere wegen Fehlens von Hinweisen auf andere Ursachen (zB Infektion, Wehentätigkeit vor dem Unfall, nicht geschlossener Muttermund) mit Wahrscheinlichkeit durch den Unfall bedingt waren. Durch die Wehentätigkeit wurden aber nicht mit Wahrscheinlichkeit die Frühgeburt des Klägers und die damit zusammenhängenden Gesundheitsstörungen verursacht.

Zweifellos war durch die einsetzende Wehentätigkeit eine Verabfolgung von Medikamenten veranlasst. Die vier verschiedenen wehenhemmenden Medikamente (MG-5 Langoral, Isoptin, Partusisten i.V. und Oral) haben aber ebensowenig wie die weiteren verordneten Medikamente (Celestan, Valium, Vomex supp., Plastulan) nach den überzeugenden Ausführungen des Dr.H. eine embryotisch-toxische oder teratogene (Mitralklappenprolaps, Hirnschädigung) Wirkung gehabt. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Dr.H. an. Damit ist es nicht wahrscheinlich, dass Medikamente Frühgeburt oder Fehlbildungen verursacht haben.

Die einsetzende Wehentätigkeit hat auch nicht mit Wahrscheinlichkeit zur Nabelschnurumschlingung geführt. Wissenschaftliche Erkenntnisse dafür, dass vorzeitige Wehentätigkeit zu einer Nabelschnurumschlingung führt, sind nicht vorhanden, umgekehrt aber ist die Nabelschnurumschlingung bei ca 30 % aller Normalgeburten festzustellen und führt auch bei stärksten Wehen selten zur Beeinträchtigung des vitalen Zustandes - wie Dr.H. darlegt. Der Senat schließt sich auch hier den Ausführungen dieses Sachverständigen an. Die vorzeitige Wehentätigkeit ist somit nicht ursächlich für die Nabelschnurumschlingung. Dafür, dass es durch den Unfall unmittelbar zur Nabelschnurumschlingung gekommen ist, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

Die vorzeitigen Wehen haben auch nicht mit Wahrscheinlichkeit zu den Herztonveränderungen des Embryos geführt, die letztlich Veranlassung für den Kaiserschnitt in der 34. Woche waren (Bericht Dr.S. vom 30.07.1985). Ursache der Herztonveränderungen, die auf ein reduziertes Sauerstoffangebot während der Wehentätigkeit hinweisen, können - wie Dr.K. darlegt - verschiedener Art sein. In Frage kommen zB eine Plazentainsuffizienz, eine beginnende gestörte Intrauterinentwicklung des Kindes oder die Nabelschnurumschlingung. Bei allen Faktoren besteht nach seiner Meinung kein Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall. Nach Auffassung des Dr.H. hat allerdings die vorzeitige Wehentätigkeit die Kreislaufbelastung des Feten in einem nur noch grenzwertig kompensierten Bereich gehoben. Nicht zu beantworten vermag er jedoch die Frage, ob mit der zunehmenden Dekompensation die vorzeitige Entbindung zusammenhängt, da Angaben über den Nabelschnurarterien-Ph des Kindes bei Geburt und das Gewicht der Plazenta fehlen. Wegen der Untergewichtigkeit des Kindes geht er von der Störung der plazentofetalen Einheit aus. Andererseits könnte die Nabelschnurumschlingung sowie die Kompression der Nabelschnur durch das eine Füßchen des Kindes für das Auftreten der Dezelerationen ursächlich sein. Auch kann eine latente Plazentainsuffizienz nicht ausgeschlossen werden, die zu einer Mangelversorgung des Kindes geführt haben kann. Da bei intrauterinen Kreislaufverhältnissen die Fähigkeit des Feten zu adaptieren und kompensieren in außerordentlichem Maße vorhanden ist, kann erst, wenn sämtliche Kompensationsmechanismen ausgeschöpft sind, ein einzelner Faktor wie zB eine vorzeitige Wehentätigkeit die Kompensationsfähigkeit überschreiten und es dann auch zu Herztonveränderungen des Embryos kommen. Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass es letztlich spekulativ bleiben muss, welche Faktoren für die Herztonveränderungen ursächlich waren, die zum Kaiserschnitt geführt haben und damit eine Frühgeburt mit entsprechenden Fehlbildungen ausgelöst haben. Die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall der Mutter des Klägers und den bei ihm aufgrund der Frühgeburt entstandenen Gesundheitsstörungen ist damit im Sinne der im Unfallrecht geltenden Kausallehre nicht gegeben. Da der Kläger die anspruchsbegründenden Tatsachen zu beweisen hat und die Beweislosigkeit zu seinen Lasten geht (BSGE 13, 52, 54; 58, 76, 79; SozR 3-2200 § 548 Nrn 11, 14), hat der Kläger keinen Anspruch auf Entschädigung.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 06.02.1996 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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