L 3 U 97/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 333/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 97/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.02.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide der Beklagten für die Jahre 1992 bis 1995 streitig. Dabei geht es um die sachliche Zuständigkeit für das Unternehmen des Klägers (Elektronik-Schießen-Spielautomaten) und dessen Zuordnung unter den Begriff Schaustellungsunternehmen aller Art.

Der Kläger war mit seinem Unternehmen, welches er im Jahr 2000 aufgegeben hat, bei der Beklagten nach Teil I des ab 01.01.1988 gültigen Gefahrtarifs für Gefahrklasse 25 (Gefahrtarifstelle 25) und nach Teil I des ab 01.01.1993 geltenden Gefahrtarifs zur Gefahrklasse 22 (Gefahrtarifstelle 34) veranlagt. Unter die genannten Gefahrtarifstellen fallen "Schaustellungsunternehmen aller Art, insbesondere Schau-, Fahr-, Ausspielgeschäfte, Zirkusunternehmen, Hochseilschauen und Raubtierschauen". Mit den streitgegenständlichen Bescheiden machte die Beklagte für die Jahre 1992 bis 1995 dementsprechende Beiträge beim Kläger geltend.

Mit seinen hiergegen erhobenen Widersprüchen wandte der Kläger im Wesentlichen ein, dass er mit seinem Unternehmen nicht unter die Zuständigkeit der Beklagten bzw. unter die vorgenannte Tarifstelle falle. Er betreibe nämlich Automaten-Spielhallen, wofür die Zuständigkeit der Beigeladenen gegeben sei. Bei dieser habe die Veranlagung zur Gefahrtarifstelle 5 und 9 zu erfolgen.

Nach Auffassung der Beklagten sei jedoch ihre Zuständigkeit gegeben: Mit dem Betrieb "Elektronik-Schießen" habe der Kläger nach Schaustellerart Messen und Volksfeste bereist. Typisch für den Begriff "Schausteller" sei das "zur-Verfügung-stellen von Belustigungen an wechselnden Plätzen", die bei volksfestartigen Veranstaltungen auf verschiedene Weise dargeboten würden. Für diesen Sachverhalt ohne Bedeutung sei die Tatsache, dass der Kläger mit dem Schaustellerbetrieb Elektronik-Schießen gereist sei und nicht einen herkömmlichen Schießwagen besessen habe. Dies sei nur eine Variante der möglichen Darbietungen. Die Widersprüche des Klägers gegen die Beitragsbescheide für die Jahre 1992 bis 1995 blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 07.04.1997).

Hiergegen hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, dass er Automatenaufsteller sei. Im Rahmen dieses Hauptbetriebes betreibe er als Nebengewerbe eine elektronische Schießbude auf verschiedenen Standorten. Dabei handele es sich um eine Bude mit Figuren und Einrichtungen ähnlich wie in einem Westernsalon. Treffe man mit der elektromagnetischen Schießvorrichtung ein vorgegebenes Ziel, etwa den Klavierspieler, dann fange dieser zu spielen an oder ähnliches. Der Behauptung der Beklagten, dass er aufgrund dieser Tätigkeit Schausteller sei, könne nicht gefolgt werden. Selbst wenn man das Aufstellen der sog. Elektronikschießbude als Schaustellergewerbe im Sinne der Zuständigkeitsvorschriften der Berufsgenossenschaften ansehen würde, sei er der Verwaltungsberufsgenossenschaft zuzuweisen, da er im Hauptbetrieb unter deren Zuständigkeit falle (§ 131 SGB VII). Er habe seit Jahren die Mitgliedschaft bei der Verwaltungs-BG beantragt, das Verwaltungsverfahren sei nicht abgeschlossen. Er sei daher an die Beigeladene zu überweisen.

Die Beklagte verwies bezüglich ihrer Zuständigkeit für den Schaustellerbetrieb "elektronische Schießbude" auf ihre bisherigen Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid. Im Übrigen sei das Vorbringen des Klägers, er sei im Hauptberuf Automatenaufsteller, neu.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 07.12.1999 die Verwaltungs-BG zum Verfahren beigeladen. Diese trug vor, sie habe sich bisher für das Unternehmen des Klägers nicht für zuständig erklärt, weil ihr lediglich bekannt gewesen sei, dass der Kläger einen Schaustellerbetrieb unterhalte. Dass der Kläger auch Automatenaufsteller sei, sei bisher unbekannt gewesen. In ihre Zuständigkeit würden "Spielstätten" fallen, insbesondere Automatenspielhallen sowie Automatensäle, für deren Betreiben eine Spielhallenerlaubnis nach § 33e Gewerbeordnung erforderlich sei. Vor Übernahme des Klägers in ihre Zuständigkeit seien genaue Angaben des Klägers zur Art und Gegenstand des Unternehmens erforderlich. Der Kläger übersandte im folgenden eine Reisegewerbekarte nach § 55 Gewerbeordnung (worin es in Nr. 4 heißt "Ausübung unterhaltender Tätigkeit als Schausteller oder nach Schaustellerart - Schießwagen und Spielwagen"). Des weiteren verwies der Kläger auf die Reisegewerbekarte seiner Ehefrau, worin ebenfalls Ausübung unterhaltender Tätigkeiten als Schausteller oder nach Schaustellerart - Elektronikschießen - angeführt wird. Hierzu führte die Beigeladene aus, dass der vorgelegten Reisegewerbekarte nicht zu entnehmen sei, dass der Kläger eine Spielhalle betrieben habe. Für das Schaustellergewerbe sei die Beklagte der sachlich zuständige Versicherungsträger.

Der Kläger machte weiterhin geltend, dass er seiner Auffassung nach unter die in der Anlage "fremdartige Nebenbetriebe" genannte Rubrik der Automatenaufstellbetriebe unter der laufenden Nummer 2 mit einer Gefahrenklasse von 1,1 falle. Dass sein Betrieb zur 2. Gruppe gehört habe, sollte außer Zweifel sein. Die Beigeladene entgegnete hierzu, dass die Bezeichnung "fremdartiges Neben-Unternehmen" nur solche Nebenunternehmen beträfe, die nicht in den originären Zuständigkeitsbereich einer BG fielen. Sei dagegen die Beklagte für das Unternehmen des Klägers zuständig, so könne dieses Unternehmen nicht fremdartig im Sinne des Gefahrtarifs sein. Außerdem dürfte es sich hier um ein Haupt- und nicht um ein Nebenunternehmen handeln.

Dieser Auffassung stimmte auch die Beklagte zu, weil das vom Kläger geführte Schaustellergeschäft "Elektronik-Schießen" nicht unter die Bezeichnung "fremdartiges Neben-Unternehmen" einzustufen sei, sondern in ihre direkte Zuständigkeit (Gefahrtarifstelle 30, Gewerbegruppe 83 ambulante Schaustellungsunternehmen) falle.

Im Übrigen wiederholten die Beteiligten im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen.

Der Kläger hat vor dem Sozialgericht zuletzt beantragt, die Beitragsbescheide der Beklagten von 1992 bis 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihn an die Verwaltungs-BG zu überweisen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene hat ebenfalls beantragt, die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 13.02.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Beitragsbescheide der Beklagten 1992 bis 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.1997 entsprechen der Sach- und Rechtslage. Zu Recht sei die Beklagte von ihrer sachlichen Zuständigkeit für das Unternehmen des Klägers ausgegangen und habe dementsprechend zu Recht Beiträge erhoben. Die Entscheidung richte sich nach den Vorschriften der RVO, weil die Beitragsbescheide der Beklagten den Zeitraum von 1992 bis 1995 betreffen. Gemäß § 730 RVO habe die Vertreterversammlung zur Abstufung der Beiträge nach dem Grad der Unfallgefahr durch einen Gefahrtarif Gefahrklassen zu bilden. Zu Recht sei der Kläger bei der Beklagten und nicht bei der Beigeladenen mit seinem Unternehmen, welches er zwischenzeitlich aufgegeben habe, gegen Unfall versichert (vgl. Erlass des Reichsarbeitsministers vom 16.03.1942, mit Wirkung ab 01.01.1942 wurden die Schaustellungsunternehmen und Zirkusbetriebe den Berufsgenossenschaften für Nahrungsmittel und Gaststätten zugewiesen). Nachdem der BMA bisher von einer Zuständigkeitsregelung nach § 646 Abs. 2 RVO in der Form einer Rechtsverordnung keinen Gebrauch gemacht habe, bleibe jeder Träger der Unfallversicherung für die Unternehmen zuständig, für die er bisher zuständig war (Art. 4, § 11 Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz). Mit dem Betrieb "Elektronik-Schießen" bereiste der Kläger nach Schaustellerart Messen und Volksfeste. Das Vorbringen, dass er eine Gewerbekarte für Spielhallen besitze, sei nicht zutreffend. Dass der Kläger keine Automatenhalle betreibe, sei unstreitig. Nach Auffassung der Kammer sei auch ein tatsächlicher Unterschied im Risiko- bzw. Gefahrenbereich zu sehen zwischen dem Betreiben einer Spielstätte und einer reisenden Tätigkeit mit einem Schieß- und Spielwagen bzw. einer "Elektronik-Schieß-Anlage". Auch der Hinweis des Klägers, er falle unter die im Gefahrtarif in der Anlage genannten fremdartigen Nebenbetriebe - Automatenaufstellbetrieb unter laufender Nummer 2 - sei nicht richtig. Wie die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen habe, betreffe die Bezeichnung "fremdartiges Neben-Unternehmen" nur solche Neben-Unternehmen, die nicht in den originären Zuständigkeitsbereich einer BG fallen. Sei dagegen - wie im vorliegenden Fall - die Beklagte zuständig, so könne dieses Unternehmen auch nicht fremdartig im Sinne des Gefahrtarifs sein.

Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt: Für die Zuordnung zu einer bestimmten BG fehle es an verfassungskonformen Rechtsgrundlagen. Der Bundesrat des Jahres 1885 sei kein demokratisches Organ, das nach Art. 80 Grundgesetz Verordnungen erlassen könne, schon gar nicht nach dem SGB VII. Außerdem habe es weder damals noch zu Lebzeiten des RVA Laserschießbuden der streitgegenständlichen Art oder vergleichbare Vorrichtungen gegeben, so dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber aufgerufen wäre, eine Zuordnung solcher Veranstaltungen oder Spielmöglichkeiten zu regeln.

Demgegenüber vertritt die Beklagte die Auffassung, dass das Sozialgericht zu Recht in dem angefochtenen Urteil davon ausgegangen sei, dass die Zuständigkeit der Beklagten für den ehemaligen Schaustellerbetrieb des Klägers gegeben war.

Auch die Beigeladene ist der Auffassung, dass die Beklagte der zuständige Versicherungsträger sei. Nachdem eine Rechtsverordnung nach § 122 Abs. 1 SGB VII bisher nicht ergangen sei, bleibe es daher gemäß § 122 Abs. 2 bei der Zuständigkeit jeder BG für die Unternehmensarten, für die sie bisher zuständig war. Der die Zuständigkeiten regelnde Bundesratsbeschluss vom 1885 sei nach wie vor geltendes Recht. Der Erlass vom 16.03.1942 begründe die Zuständigkeit der Beklagten für das ambulante Gewerbe nach Schaustellerart, wozu der frühere Betrieb des Klägers zu rechnen sei.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vor dem Senat erklärt, dass in der Zeitspanne der Geltung des umstrittenen Gefahrtarifs der Kläger keine Halle mit Automaten oder ähnlichem mehr betrieben habe. Der ursprünglich gestellte Antrag, ihn an die Verwaltungsberufsgenossenschaft zu überweisen, werde nicht mehr aufrecht erhalten.

Der Kläger beantragt zuletzt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.02.2001 und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen, weil das angefochtene Urteil zutreffend sei.

Die Beigeladene beantragt ebenfalls, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akten der Beklagten bzw. Beigeladenen sowie der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Das Sozialgericht hat mit Recht die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten streiten über die sachliche Zuständigkeit des früheren Unternehmens des Klägers "Elektronik-Schießen-Spielautomaten". Das Sozialgericht hat - mit eingehender Begründung und zutreffend - ausgeführt, dass die Beklagte für das vorgenannte Unternehmen des Klägers zuständig ist und dementsprechend zu Recht Beiträge erhoben hat (§§ 734 Abs. 1, 646 Abs. 2 RVO). Dieser Auffassung schließt sich auch der Senat an. Die Zuständigkeit ergibt sich hier aus dem Erlass des Reichsarbeitsministers vom 16.03.1942 (AN 1942 Nr. 9 II 201) mit der dazu ergangenen Durchführungsbestimmung des RVA vom 22.04.1942 (AN 1942 Nr. 1302 287, 288), die beide ebenfalls weitergeltendes Recht sind. Der Erlass vom 16.03.1942 begründet gleichzeitig die Zuständigkeit der Beklagten für das ambulante Gewerbe nach Schaustellerart.

Demgegenüber kann das Berufungsvorbringen des Klägers, insbesondere die aufgeführte Problematik, dass es bei dem die sachliche Zuständigkeit der BG regelnden Bundesratsbeschluss vom 22.05.1885 noch keine Laserschießbuden der streitgegenständlichen Art oder vergleichbare Verrichtungen gab, unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen. Denn selbst wenn es an einer expliziten Zuweisung in den Zuständigkeitsbereich eines Versicherungsträgers fehlen würde, wäre nach der Entscheidung des BSG vom 04.08.1992 - 2 RU 5/91 - Breithaupt 1993, 43 davon auszugehen, dass bei einer fehlenden Zuordnung eines Gewerbezweiges im o.g. Bundesratsbeschluss von 1885 bzw. in späteren Beschlüssen des Reichsarbeitsministers oder des RVA nicht sofort die Zuständigkeit einer anderen BG, der im Verwaltungs- und Klageverfahren vom Kläger herangezogenen Verwaltungs-BG, als Auffangversicherungsträger folgen würde. Denn nachdem eine Rechtsverordnung nach § 122 Abs. 1 SGB VII bisher nicht ergangen ist, bleibt es gemäß § 122 Abs. 2 bei der Zuständigkeit jeder BG für die Unternehmensarten, für die sie bisher zuständig war. Der die Zuständigkeiten regelnde Bundesratsbeschluss von 1885 ist nach wie vor geltendes Recht, da bei Einführung des SGB VII der Gesetzgeber ausdrücklich die bestehenden Zuständigkeitsregelungen hat fortgelten lassen. Ist ein Gewerbezweig in dem Bundesratsbeschluss und im alphabetischen Verzeichnis der Gewerbezweige des RVA nicht aufgeführt und liegen keine späteren Zuweisungen des RVA vor, so ist in entsprechender Anwendung der bezeichneten Bestimmungen die Unternehmenart derjenigen BG zuzuweisen, der es nach Art und Gegenstand und unter Berücksichtigung der Unfallverhütung und Leistungsfähigkeit am nächsten steht.

Dass der vom Kläger früher betriebene ambulante Spielautomatenbetrieb einem ambulanten Schaustellungsunternehmen im Sinne des Gefahrtarifs der Beklagten zuzuordnen ist, hat der Senat bereits aus der wörtlichen Interpretation heraus wie auch unter Berücksichtigung in anderen Rechtsgebieten vorgenommener Definition bejaht.

Über die Frage, ob der frühere Betrieb des Klägers "Elektronik-Schießen" - nicht als fremdartiges Nebenunternehmen - etwa zum Hauptbetrieb als Automatenaufsteller - einzustufen sei, brauchte der Senat im Hinblick auf den zuletzt eingeschränkten Berufungsantrag und die Angaben, dass im streitgegenständlichen Zeitraum eine Automatenaufstellung nicht mehr erfolgte, nicht mehr zu entscheiden.

Nach allem konnte daher die Berufung des Klägers auch in dem vorgenannten eingeschränkten Umfang keinen Erfolg haben, sie ist unbegründet und daher zurückzuweisen gewesen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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