S 17 KA 239/02

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KA 239/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Ablehnung eines Antrages auf Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraums zur Berechnung des Individualbudgets und/oder der Erhöhung des maximalen Punktzahlvolumens des Klägers.

Mit Schreiben vom 03.05.2001 legt der Kläger Widerspruch gegen den Abrechnungsbescheid der Beklagten für das Quartal IV/2000 ein. Zur Begründung führte er aus, sein Individualbudget sei nicht ausreichend. Er habe die Praxis im Juli 2000 von Herrn S übernommen. Sodann habe er die alten Geräte von Herrn S gegen moderne Geräte ausgetauscht. Dies müsse ihn berechtigen, ein höheres Honorar zu erhalten. Außerdem sei er türkischer Abstammung und der einzige in L niedergelassene Augenarzt mit türkischen Sprachkenntnissen. Die türkischen Einwohner der Stadt L würden die Praxis des Klägers übermäßig frequentieren, so dass die Behandlungsfallzahlen des Klägers mit jedem Quartal drastisch steigen würden.

Die Beklagte wertete das Schreiben des Klägers als Antrag auf Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraums zur Berechnung des Individualbudgets und/oder auf Erhöhung des maximalen Punktzahlvolumens. Mit Bescheid vom 24.10.2001 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, der Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sehe verschiedene Ausnahmetatbestände vor, bei denen eine Erhöhung des maximalen Punktzahlvolumens oder eine Änderung der Festsetzung des Bemessungszeitraums zur Berechnung des Individualbudgets in Betracht komme. Die vom Kläger aufgeführten Begründungen rechtfertigten jedoch eine solche Ausnahme nicht.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den er damit begründete, der Praxisvorgänger des Klägers habe ein Abrechnungsvolumen unterhalb der durchschnittlichen Punktzahl seiner Fachgruppe erbracht. Dem Kläger sei gestattet worden, als "neue Praxis" lediglich bis zum durchschnittlichen Punktzahlengrenzwert der Fachgruppe zu wachsen. Diesen Fachgruppendurchschnitt habe der Kläger allerdings schon nach zwei Abrechnungsquartalen überschritten. Fünfzig Prozent der Patienten des Klägers seien inzwischen türkischsprachig. Da im Stadtgebiet von L etwa 80 - 100.000 türkischstämmige Menschen leben würden, und er der einzig türkisch sprechende Augenarzt für diesen Bereich sei, bestehe - aus Sicherstellungsgründen - die Notwendigkeit, für ihn eine Ausnahmeregelung im Sinne des § 7 a des Honorarverteilungsmaßstabes zu schaffen.

Mit Bescheid vom 06. November 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als sachlich unbegründet zurück.

Hiergegen richtet sich die am 05.Dezember 2002 bei Gericht eingegangene Klage mit der der Kläger im Übrigen vorträgt, in unmittelbarer Umgebung seines Praxissitzes habe die Gemeinschaftspraxis H und L ihren Praxissitz verlegt. Dadurch habe sich die Frequentierung seiner Praxis erhöht. Außerdem sei der Kläger im Gegensatz zu seinem Praxisvorgänger zwischenzeitlich ambulant/operativ tätig. Auch dieser Umstand sei - im Rahmen eines Erhöhungsantrages - durchaus geeignet, Ausnahmeregelungen zu begründen.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 19.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag des Klägers auf Erhöhung des seiner Praxis zugewiesenen maximalen abrechenbaren Punktzahlvolumens unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts neu zu bescheiden.

Die Vertreterin der Beklagten beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.Ihre Inhalte waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene und daher zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, denn die Bescheide erweisen sich als rechtmäßig.

Nach dem Honorarverteilungsmaßstab der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein in der ab dem dritten Quartal 1999 gültigen Fassung erhält jede vertragsärztliche Praxis ein individuelles Leistungsbudget. Als Bemessungszeitraum gelten gemäß § 7 Abs. 6 des Honorarverteilungsmaßstabes die Quartale 3/97 bis 2/1998.

Neu niedergelassene Ärzte können bis zum Erreichen des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwertes für die Dauer von 20 Quartalen unbegrenzt wachsen. Ansonsten ist ein Punktzahlenzuwachs nur möglich bei Praxen, die unterhalb des durchschnittlichen Punktzahlengrenzwertes der jeweiligen Fach-/ Untergruppe abrechnen.

Auf Antrag kann der Vorstand der Beklagten - aus Sicherstellungsgründen - Zuschläge auf den individuellen Punktzahlengrenzwert des Arztes/der Praxis bewilligen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Dazu zählen insbesondere dauerhafte Veränderungen in der vertragsärztlichen Versorgung im unmittelbaren Umfeld der Arztpraxis (z. B. durch Praxisaufgaben, löschen von Ermächtigungen von Krankenhausärzten) oder in der Verteilung der Leistungserbringung innerhalb einer Arzt-/Untergruppe (Konzentration von Leistungen auf eine gegenüber dem Bemessungszeitraum geringere Erbringerzahl), die dazu führen, dass der Punktzahlengrenzwert im Bemessungszeitraum der nachweislich veränderten Leistungsmenge nicht angemessen ist.

Nach Maßgabe dieser Vorgaben hat der Kläger keinen Anspruch auf Erhöhung des maximalen Punktzahlvolumens.

Soweit der Kläger vorträgt, er habe die Praxis von Herrn S mit veralterten Geräten übernommen und diese durch moderne ausgetauscht, was ihn zu Erzielung eines höheren Honorars berechtigen müsste, ist diese Argumentation nicht geeignet, dass Individualbudget des Klägers zu beeinflussen. Die gesamten Regelungen zur Budgetierung berücksichtigen nämlich ausdrücklich nicht ein Verhältnis von Investitionen zu den Erträgen, die die entsprechende Praxis abwirft. Der Kläger hat sich auch im Laufe des Verfahrens von dieser Argumentation gelöst.

Unterstellt man die Behauptung des Klägers, er sei der einzige in L zugelassene Augenarzt mit türkischen Sprachkenntnissen und seine Praxis würde daher von besonders vielen Türken frequentiert als richtig, so führt dies gleichwohl nicht zu einem Anspruch auf Erhöhung des maximalen Punktzahlvolumens des Klägers. Zwar ist es für das Gericht nachvollziehbar, dass türkische oder türkischstämmige Einwohner der Stadt L dazu neigen, in erster Linie türkisch - sprachige Ärzte aufzusuchen. Mit seinen türkischen Sprachkenntnissen verfügt der Kläger damit über eine - außerhalb der ärztlichen Qualifikation liegende - besondere Eigenschaft, die ihm Patienten einer bestimmten Gruppe zutreibt. Solche Eigenschaften, die auch in gleicher Weise in einem besonders freundlichen Auftreten oder in einer Zuwendung des Arztes zu bestimmten Gruppen bestehen könnten, rechtfertigen jedoch keine Anhebung des Individualbudgets aus Sicherstellungsgründen. Sicherstellungsgründe liegen nur vor, wenn, würde der Arzt die entsprechende Leistung nicht erbringen, die Versorgung der Patienten gefährdet oder wesentlich beeinträchtigt wäre. Derartiges ist aber hier weder vorgetragen noch ersichtlich. Die medizinische Versorgung der (türkisch - sprachigen) Bevölkerung im Raum L durch Augenärzte ist gewährleistet. Es besteht kein medizinischen Erfordernis dafür die türkisch sprachigen Bewohner von L mit türkisch sprachigen Ärzten zu versorgen. Dies gilt insbesondere für den Bereich Augenheilkunde, bei dem detaillierte Kenntnisse der Sprache der Patienten in der Regel nicht erforderlich sind.

Soweit der Kläger vorträgt, er sei - im Gegensatz zu seinem Praxisvorgänger - auch ambulant - operativ tätig, fehlt es schon an einem nachvollziehbaren Vortrag, in welchem Umfang eine solche ambulant-operative Tätigkeit vorgenommen wird und welchen Einfluss dies auf das Budget des Klägers hat.

Schließlich geht der weitere Vortrag des Klägers, die Praxis H und L haben ihren Praxissitz verlegt fehl, denn diese Verlegung fand bereits zu einem Zeitpunkt vor der Übernahme der Praxis durch den Kläger statt. Außerdem haben die oben genannten Ärzte ihre Praxis an einen Ort verlegt, der nicht weiter von der Praxis des Klägers entfernt liegt als der bisherige Praxissitz der Gemeinschaftspraxis.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG neuer Fassung in Verbindung mit § 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
Rechtskraft
Aus
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