L 14 RA 3/03

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 RA 77/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RA 3/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 RA 244/03 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26. November 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Einstufung von Versicherungszeiten des Klägers in die Qualifikationsgruppen der Anlage 13 zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI).

Der 1956 in Rumänien geborene Kläger, der am 29.06.1990 als Aussiedler in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland kam, besuchte in der Zeit von Herbst 1976 bis Juni 1979 die Universität K./Rumänien, Fakultät für Mechanik, Abteilung "Automobile Subingeneri" und erwarb dort den staatlichen Grad "Subinginer" (Diplom vom 25.06. 1979). Gemäß Art.33 des Bayer. Hochschulgesetzes ist er berechtigt, den Titel "Diplom-Ingenieur (FH)" zu führen.

Nach Abschluss des Studiums war der Kläger ab 22.09.1979 als Subingenieur in einem Autofuhrpark beschäftigt, anschließend vom 19.11. 1984 bis 26.01.1985 als Meister in einer Station für landwirtschaftliche Maschinen und schließlich vom 26.01.1985 bis zu seiner Ausreise erneut in dem vorgenannten Autofuhrpark sowie einem anderen Transportbetrieb als Fuhrparkleiter.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 02.09.1999 merkte die Beklagte die in Rumänien verbrachten Beschäftigungszeiten als Tatbestände gleichgestellter Pflichtbeitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vor und ordnete die Beschäftigungen als Subingenieur bzw. Fuhrparkleiter der Qualifikationsgruppe 2 und die Zeit der Tätigkeit als Meister der Qualifikationsgruppe 3 der Anlage 13 zum SGB VI zu.

Der Widerspruch des Klägers, mit dem er an Stelle der Qualifikationsgruppe 2 die Gruppe 1 begehrte und u.a. auf seine Berechtigung, den Titel Dipl.-Ing. (FH) zu führen, verwies, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.02.2000), ebenso die anschließend erhobene Klage vor dem Sozialgericht (SG).

Mit seinem abweisenden Urteil vom 14.11.2002 legte das SG dar, rechtlicher Ausgangspunkt für das Begehren des Klägers sei die über § 22 FRG anzuwendende, auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der ehemaligen DDR abstellende Vorschrift des § 256 b SGB VI nebst Anlage 13 zum SGB VI. Die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der für Hochschulabsolventen vorgesehenen, vom Kläger begehrten Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 ergebe, dass unter der dortigen Ziffer 1 Personen mit Diplom-Studiengängen an Hochschulen der ehemaligen DDR erfasst seien und die Gleichstellung ausländischer Hochschulausbildungen nur nach Maßgabe der Ziff.3 ("Inhaber gleichwertiger Abschlusszeugnisse staatlich anerkannter höherer Schulen und Universitäten)" erfolge. Ob das vom Kläger an der rumänischen Hochschule in K. erworbene Diplom einem an einer Hochschule der DDR erworbenen Diplom gleichgestellt sei, könne nur nach den Verhältnissen der damaligen DDR anhand der dortigen Rechtsbestimmungen beurteilt werden. Nach Art.3 des Abkommens zwischen der DDR und Rumänien vom 10.04.1986 seien rumänische Hochschulabschlüsse den in der DDR erworbenen Hochschulabschlüssen dann gleichgestellt gewesen, wenn sie nach erfolgreichem Abschluss eines mindestens vierjährigen Studiengangs erworben wurden. Daran fehle es bei der nur dreijährigen Hochschulausbildung des Klägers, so dass die Zuordnung zur Qualifikationsgruppe 1 mangels Gleichwertigkeit im Sinne der Ziff.3 nicht in Betracht komme. Angesichts der vom bundesdeutschen Gesetzgeber ausdrücklich gewollten Anknüpfung an DDR-Verhältnisse in der Anlage 13 zum SGB VI könne sich der Kläger nicht auf heutige, ausbildungsbezogene Gleichwertigkeitsbestimmungen des bundesdeutschen Rechts berufen. Dies habe nichts mit einer (unmittelbaren) Anwendung des nicht mehr gültigen DDR-Rechts zu tun. Soweit die Beklagte in einem vom Kläger zitierten ähnlichen Fall die Qualifikationsgruppe 1 rechtswidrig zugesprochen habe, könne er darauf keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten.

Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil und begehrt weiterhin die Vormerkung der Qualifikationsgruppe 1 der Anlage 13 zum SGB VI für die Zeiten vom 15.11.1980 bis 18.11. 1984 und vom 26.01.1985 bis 31.05.1990. Er verweist auf sein an der Universität K. erworbenes Hochschul-Diplom, ferner darauf, dass die Beklagte im Bescheid vom 02.09.1999 die zugrunde liegenden Ausbildungszeiten als Hochschulausbildung und nicht als Fachschulausbildung vorgemerkt habe.

Er vertritt wie schon zuvor die Auffassung, bei der vorgenommenen Einstufung werde rechtswidrig nicht mehr gültiges DDR-Recht angewandt. Es treffe nicht zu, dass nach dem seit 1992 geltenden Recht alle FRG-Berechtigten so zu behandeln seien, als hätten sie ihr Versicherungsleben in den neuen Bundesländern zurückgelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 26. November 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 2. September 1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2000 zu verurteilen, die rumänischen Versicherungzeiten vom 15. November 1980 bis 18. November 1984 und vom 26. Januar 1985 bis Mai 1990 der Qualifikationsstufe 1 zuzuordnen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsaken sowie auf die beigezogenen Versichertenakten des Klägers bei der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 SGG) erweist sich nicht als begründet.

Zu Recht hat das Erstgericht die Klage abgewiesen. Die in Streit stehenden Tätigkeiten des Klägers in Rumänien sind zutreffend mit der Qualifikationsgruppe 2 der Anlage 13 zum SGB VI bewertet worden, entgegen der Auffassung des Klägers sind sie nicht kraft Gesetzes in die Qualifikationsgruppe 1 eingestuft.

Die im Rahmen der Rentenversicherung als versichert geltenden fiktiven Arbeitsverdienste für Tätigkeiten in Vertreibungsgebieten bestimmen sich nach § 22 FRG. Seit dem 1. Januar 1992 gelten insoweit jedoch nicht mehr die in den Anlagen zum FRG aufgeführten Leistungsgruppen und die ihnen für vergleichbare Beschäftigungen im alten Bundesgebiet zugewiesenen Durchschnittsverdienste, vielmehr werden die einzusetzenden Arbeitsverdienste auf der Basis der Einkommensverhältnisse im Beitrittsgebiet ermittelt. Dies bewirkt § 22 Abs.1 Satz 1 FRG durch Verweisung auf § 256 b SGB VI. Danach sind für glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten nach dem 31. Dezember 1949 zur Ermittlung von Entgeltpunkten als Beitragsbemessungsgrundlage für ein Kalenderjahr nach einer Vollbeschäftigung die Durchschnittswerte zu berücksichtigen, die sich nach Einstufung in eine der in der Anlage 13 genannten Qualifikationsgruppen und nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in der Anlage 14 genannten Bereiche ergeben. (Die in dieser Bestimmung ebenfalls enthaltene Beschränkung auf 5/6 der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze wird durch § 22 Abs.1 Satz 2 FRG wieder aufgehoben).

Die hier wesentliche Anlage 13 besteht aus zwei unvollständigen Rechtsnormen, nämlich dem Grundtatbestand (Satz 1) und dem Ergänzungstatbestand (Satz 2) sowie den nachgestellten Qualifikationsgruppen als weitere gemeinsame Tatbestandsmerkmale. Diese spiegeln die Berufswelt der ehemaligen DDR wider. Die zugewiesenen Tabellenwerte wurden auf der Grundlage der dortigen Lohn- und Gehaltsstrukturen errechnet; die Zuordnung in die Qualifikationsgruppen entspricht den "Richtlinien zur Berichterstattung Arbeiter und Angestellte nach Arbeitsbereichen und Tätigkeitsgruppen", Stand April 1984, der Staatlichen Zentralverwaltung für Statistik, Abteilung Berichtswesen, Arbeitskräfte/ Bildung der ehemaligen DDR (vgl. BT-Drucksache 12/405 S.137; Polster in KassKomm, SGB VI § 256 b Anm.14).

Die Tatbestandsmerkmale der Qualifikationsgruppen sind auf die Beschäftigungen in den verschiedenen Vertreibungsgebieten sinngemäß anzuwenden. (BSG vom 14.05.2003-B 4 RA 26/02 R; vom 24.07.2003 - B 4 RA 61/02 R). Es kommt darauf an, welche beruflichen Ausbildungsgänge und -abschlüsse in den in Frage stehenden Berufsfeldern dort vorhanden waren und welcher Qualifikationsgruppe der Anlage 13 die Abschlüsse nach ihrem qualitativen Wert typischerweise entsprachen; danach dann ist festzustellen, welche Qualifikation der Vertriebene im Beitrittsgebiet aufgrund seines Ausbildungsgangs erlangt hat (vgl. inzwischen ergangenes Urteil des BSG vom 23.09.2003 - B 4 RA 48/02 R -).

Der Kläger, der diese Zusammenhänge nicht wahrhaben will, erfüllt mit dem an der Universität K. , Fakultät für Mechanik, "Sectia: Automobile Subingineri" durchlaufenen dreijährigen Studium und anschließend erworbenem Diplom nicht die Mindestvoraussetzungen einer in der ehemaligen DDR üblichen (mindestens vierjährigen) Hochschulausbildung, wie sie von der Qualifikationsgruppe 1 erfasst wird. Sein Diplom und der zugrunde liegende Studiengang an einer eigens dafür eingerichteten Abteilung der Fakultät für Mechanik an der Universität K. beruhen auf einer Besonderheit des rumänischen Bildungswesens, das anders als das Bildungswesen der DDR und der meisten Ostblockstaaten ein zwischen Hochschulbildung und mittlerer Bildung eigenständiges Berufsniveau der verkürzten, stärker berufsortientierten Hochschulausbildung kannte, nämlich die Ebene des Studiums für "Subingenieure", bauleitende Architekten und Dentisten sowie für Lehramtsstudiengänge mit einer Ausbildung von nur drei Jahren gegenüber dem regulären Studium mit einer Dauer von vier bis sechs Jahren (vgl. Veröffentlichungen des Bundesinstituts für berufliche Bildung - BIBB -, zitiert von Müller, DAngVers 1995, 358). Dementsprechend war im sogenannten Äquivalenzabkommen zwischen der DDR und Rumänien vom 10.04.1986 - wie vom Erstgericht ausführlich abgehandelt - der in einem solchen dreijährigen Studium erworbene Abschluss zum Subingenieur (wörtlich übersetzt: Unteringenieur) "nur" einem Ingenieur- bzw. Fachschulabschluss in der DDR gleichgestellt, während eine Vergleichbarkeit von rumänischen Hochschulabschlüssen mit denen der DDR nur bei den nicht verkürzten mindestens vierjährigen Ausbildungsgängen gegeben war. Damit wird deutlich, dass wegen des hier anzuwendenden Maßstabs der Verhältnisse der ehemaligen DDR, in der eine dem heutigen deutschen Fachhochschulbereich entsprechende Qualifikationsebene nicht existierte, für Fälle wie dem vorliegenden nach Hoch- oder Fachschulabschluss unterschieden werden muss mit der Folge, dass der Kläger trotz seines Studiums an einer Hochschule aufgrund des dortigen eingeschränkten Studienganges im Rahmen der Qualifikationsgruppen der Anlage 13 in die den Fachschulbereich erfassende Qualifikationsgruppe 2 eingestuft ist. Dieses Ergebnis beruht entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf fehlerhafter Anwendung des nicht mehr gültigem DDR-Rechts. Unstreitig ist das erwähnte Aquivalenz-Abkommen zwischen der DDR und Rumänien heute nicht mehr gültig, es ist aber für die vom bundesdeutschen Gesetzgeber angeordnete Beurteilung von damaligen Bildungsabschlüssen entsprechend den Verhältnissen in der ehemaligen DDR zur Auslegung mitheranzuziehen. Auf die Gleichwertigkeitsbestimmungen bundesdeutschen Rechts und die darauf beruhende Genehmigung der Führung des rumänischen Grades "Subinginer" in der Form "Dipl.-Ing. (FH)" kommt es nach alledem für die vorliegende Rechtsfrage nicht an.

Bei dieser Sach- und Rechtslage konnte die Berufung keinen Erfolg haben. Sie war mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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