L 8 B 14/03 RJ

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 7 RJ 36/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 B 14/03 RJ
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 08.08.2003 geändert. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Beklagte die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für die Erhebung einer Untätigkeitsklage zu erstatten hat.

Mit Bescheid vom 01.10.2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin anlässlich eines im Juni 2002 gestellten Antrags unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls aus Januar 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.08.2002, befristet bis zum 31.01.2004. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 10.10.2002 Widerspruch ein, soweit ihr die Rente lediglich befristet gewährt worden war. Eine Begründung enthielt der Widerspruch nicht.

Unter dem 16.10.2002 leitete die Beklagte den Widerspruch ihrem ärztlichen Beratungsdienst zur Stellungnahme zu. Nachdem dieser unter dem 28.10.2002 die Einholung eines Gutachtens für notwendig erachtet hatte, beauftragte die Beklagte unter dem 05.11.2002 den Neurologen und Psychiater Dr. C mit der Erstellung eines Gutachtens. Mit Schreiben vom 06.11.2002 unterrichtete sie die Klägerin darüber, dass zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein Gutachten angefordert wurde und teilte mit, die Klägerin werde nach Vorliegen des Ergebnisses unaufgefordert weitere Mitteilung erhalten. Unter dem 16.12.2002 mahnte die Beklagte den Gutachtenauftrag bei Dr. C an. Daraufhin ging das Gutachten am 10.01.2003 (Untersuchung am 17.12.2002) bei der Beklagten ein. Anschließend legte die Beklagte das Gutachten unter dem 13.01.2003 ihrem ärztlichen Beratungsdienst vor, der mit Stellungnahme vom 24.01.2003 nicht von einem dauerhaft erloschen Leistungsvermögen ausging.

Die Klägerin hat am 14.02.2003 Untätigkeitsklage erhoben. Nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2003 hat die Klägerin den Rechtsstreit für erledigt erklärt und zugleich beantragt, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.

Die Beklagte hat sich nicht bereit erklärt, die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Sie hat die Auffassung vertreten, keinen Anlass zur Erhebung der Untätigkeitsklage gegeben zu haben. Da die Klägerin aufgrund der Mitteilung vom 06.11.2002 gewusst habe, dass ein Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben worden war, sei es ihr zuzumuten gewesen, vor Klageerhebung eine Sachstandsanfrage an die Beklagte zu richten.

Mit Beschluss vom 08.08.2003 hat das Sozialgericht der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. In den Gründen ist ausgeführt, es liege kein sachlicher Grund für die Nichtbescheidung des Widerspruchs binnen der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vor. Die Beklagte müsse sich die Verzögerung der Gutachtenerstattung zurechnen lassen, weil sie nicht die zur Beschleunigung des Verfahrens notwendigen Maßnahmen getroffen habe. So habe sie erst ca. einen Monat nach Eingang des Widerspruchs ein ärztliches Gutachten in Auftrag gegeben, das Gutachten nur einmal angemahnt und nach Eingang des Gutachtens am 10.01.2003 einen weiteren Monat verstreichen lassen, bevor der Widerspruch beschieden worden sei. Die Zwischenmitteilung der Beklagten vom 06.12.2002 habe eine Sachstandsanfrage der Klägerin vor Klageerhebung nicht notwendig gemacht, da ihr anschließend noch ca. zwei Monate geblieben seien, um fristgerecht zu entscheiden.

Gegen den am 26.08.2003 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 08.09.2003 Beschwerde erhoben.

Sie weist ergänzend darauf hin, dass ihre Möglichkeiten, den Zeitpunkt der Begutachtung und Gutachtenerstellung zu beeinflussen, begrenzt gewesen seien, weil es sich bei dem beauftragten Dr. C um einen freien Gutachter gehandelt habe.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Beschluss vom 08.08.2003).

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts ist zu ändern. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten.

Endet, wie im vorliegenden Fall, ein Gerichtsverfahren nicht durch Urteil, ist durch Beschluss darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang Kosten zu erstatten sind (§ 193 Abs. 1, 2. Halbsatz SGG). Die nach dieser Vorschrift zu treffende Kostenentscheidung ergeht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes (BSG SozR 1500 § 193 SGG Nr. 3; LSG NRW, Beschluss vom 09.04.1992 - L 18 J 24/91 -). Dabei ist auf der einen Seite der vermutliche Verfahrensausgang zu beachten, wobei von dem im Zeitpunkt der Erledigung vorliegenden Sach- und Streitstand auszugehen ist. Andererseits sind auch andere, sich aus der Prozessgeschichte ergebende Umstände zu berücksichtigen, die für eine gerechte Verteilung der Kosten von Bedeutung sein können (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.06.1999 - L 3 B 44/99 -; Beschluss vom 16.04.1998 - L 3 Sb 84/97; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.03.1996 - L 18 SJ 1/96 -). Bei einer Untätigkeitsklage fallen die Kosten nach herrschender Meinung in der Regel der Beklagten zur Last, wenn bei Klageerhebung die in § 88 SGG gesetzte Frist ohne zureichenden Grund abgelaufen war und der Kläger nach den ihm bekannten Umständen mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, § 193, 7. Aufl., Rdnr. 13 c; LSG Bremen, Beschluss vom 15.11.1985 - L 5 BR 13/85 -, Breithaupt 1987, 523; LSG Hessen, Beschluss vom 21.12.1992 - L 5 B 42/92 -, Breithaupt 1993, S. 606; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 06.01.1993 - L 6 Sb 82/92 -, Breithaupt 1993, 439).

Vorliegend war aber bei Klageerhebung weder die in § 88 SGG gesetzte Frist ohne zureichenden Grund abgelaufen (dazu unter (1.)) noch durfte die Klägerin mit einer Bescheidung vor Klageerhebung rechnen (dazu unter (2.)).

(1.) Zwar hat die Beklagte erst am 06.03.2003 und damit nicht binnen der in § 88 Abs.2 SGG vorgesehenen Frist von drei Monaten über den am 10.10.2002 erhobenen Widerspruch der Klägerin entschieden. Es lag jedoch ein zureichender Grund im Sinne des § 88 Abs.1 S.2 SGG dafür vor, dass der Widerspruchsbescheid nicht früher erlassen wurde. Denn die Beklagte ist während des gesamten Zeitraums nicht untätig gewesen, sondern hat mit der gebotenen Zügigkeit Ermittlungen angestrengt und die ihr dabei zur Beschleunigung des Verfahrens obliegenden Maßnahmen getroffen. So hat sie den Widerspruch, ohne dessen Begründung abzuwarten, - im Interesse der Klägerin - bereits sechs Tage nach Eingang ihrem ärztlichen Beratungsdienst zur Stellungnahme vorgelegt und den Gutachtenauftrag schon eine Woche nach Eingang der ärztlichen Stellungnahme vom 28.10.2002 erteilt. Ein Zeitraum von ca. zwei Monaten für die Erstellung eines medizinischen Gutachtens ist nach den Erfahrungen des Senats, der sich zur Sachverhaltsaufklärung häufig medizinischer Sachverständiger bedient, auch nicht ungewöhnlich lang. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gutachter zunächst einen Untersuchungstermin mit dem Versicherten vereinbaren, die bereits vorliegenden medizinischen Unterlagen durchsehen und auswerten und das Gutachten nach der Untersuchung abfassen muss. Die ca. sechs Wochen nach Erteilung des Gutachtenauftrags erfolgte Abmahnung war vor diesem Hintergrund auf jeden Fall ausreichend. Auch nach Eingang des Gutachtens hat die Beklagte das Widerspruchsverfahren mit der gebotenen Zügigkeit vorangetrieben, indem die bereits drei Tage nach Vorlage des Gutachtens erbetene Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes schon zwei Wochen später erstellt wurde. Der Widerspruchsbescheid wurde zwar erst ca. sechs Wochen später erteilt. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Widerspruch der Klägerin keiner bevorzugten Behandlung bedurfte. Denn die Klägerin war bereits ab August 2002 durch die ihr zugesprochene Rente wegen voller Erwerbsminderung finanziell abgesichert. Das Widerspruchsverfahren wird für die Klägerin erst mit Ablauf der Befristung im Januar 2004 existentielle Bedeutung gewinnen.

(2.) Abgesehen davon, dass die Beklagte mit zureichendem Grund nicht binnen drei Monaten über den Widerspruch der Klägerin entschieden hat, durfte diese auch nicht vor Klageerhebung mit einer Bescheiderteilung rechnen. Denn die Beklagte hatte sie unter dem 06.11.2002 über das in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten informiert und nach Vorliegen des Ergebnisses weitere Mitteilung angekündigt. Da die Klägerin am 17.12.2002 von Dr. C begutachtet wurde, musste ihr bzw. ihrem Prozessbevollmächtigten auch klar sein, dass die Fertigstellung des Gutachtens noch gewisse Zeit in Anspruch nehmen würde. Vor diesem Hintergrund aber hätte sie, als die von der Beklagten angekündigte weitere Mitteilung im Januar 2003 nicht erfolgte, vor Erhebung einer Untätigkeitsklage zunächst eine Sachstandsanfrage an die Beklagte richten müssen.

Gegen diese Entscheidung findet eine Beschwerde nicht statt (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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