L 14 RJ 312/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 14 RJ 693/99 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 14 RJ 312/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26. April 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung einer Regelaltersrente.

Der 1926 geborene Kläger lebt in der Republik Bosnien-Herzegowina und bezieht dort seit April 1989 Invalidenrente aus Versicherungszeiten von Juni 1946 bis April 1989 in seiner Heimat.

Am 13.02.1998 stellte er bei der Beklagten Antrag auf Gewährung von Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Im Antrag gab er an, sowohl zum Zeitpunkt des Antrags als auch zum 01.01.1956 Staatsangehöriger Bosnien-Herzegowinas zu sein bzw. gewesen zu sein. Dem Antrag beigegeben war eine Bescheinigung der H. S. AG, L. , vom 17.08.1945, wonach der Kläger vom 17.11.1941 bis 30.04.1945 im Werk beschäftigt war. Ermittlungen der Beklagten bei den Krankenkassen als Einzugsstelle (AOK Leipzig, Mitteldeutsche Betriebskrankenkasse) blieben erfolglos.

Mit Bescheid vom 08.02.1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da das Abkommen zwischen der Regierung des Sozialistischen Föderativen Jugoslawien und der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Sozialversicherung (im folgenden: DDR-JUG-Abkommen) vom 31.10. 1974 anwendbar sei. Denn der Kläger beziehe bereits seit 28.04. 1989, also vor der Wiedervereinigung (03.10.1990), eine Rente aus der bosnischen Versicherung. Gemäß Art.31 des Abkommens sei die Zeit von November 1941 bis April 1945 bei der heimischen Rente zu berücksichtigen.

Der Widerspruch mit der Begründung, von 1941 bis 1945 habe es nur einen deutschen Staat gegeben, zu dem auch damals Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt worden seien, blieb erfolglos (zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 09.04.1999).

Mit der Klage verfolgte der Kläger sein Anliegen weiter, zumal für ihn die frühere Teilung Deutschlands unerheblich sei, da es durch die Wiedervereinigung zu einem einheitlichen Rentenfonds gekommen sei. Im Verlauf des Verfahrens bemerkte er anfangs, er habe damals in Deutschland bleiben wollen, doch die Russen hätten ihn nach T. zurückgeschickt; sodann führte er aus, er fühle sich wie ein deutscher Bürger, und behauptete schließlich, er sei zur damaligen Zeit auch als deutscher Staatsbürger geführt worden und habe als Mitglied der deutschen Jugend ständig an Militärübungen teilgenommen.

Das Sozialgericht fragte beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung nach der Gültigkeit des DDR-JUG-Abkommens. Der Stellungnahme vom 25.01.2002 lagen auch die einschlägigen Abkommenstexte bei.

Mit Schreiben vom 11.02.2002 hörte das Sozialgericht die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid an.

Mit Gerichtsbescheid vom 26.04.2002 wies es die Klage ab. In den Gründen führte es im Wesentlichen aus: Die streitige Zeit vom 17.11.1941 bis 30.04.1945 falle gemäß dem DDR-JUG-Abkommen vom 31.10.1974 (in Kraft getreten am 01.10.1975) gänzlich in die Versicherungslast des jugoslawischen bzw. bosnischen Versicherungsträgers. In Art.31 dieses Abkommens sei geregelt, dass die Versicherungsträger beider Staaten auch die vor dem InKraft-Treten dieses Abkommens auf dem Territorium des anderen Staates erworbenen Versicherungszeiten ab 15. Mai 1945 zu berücksichtigen hätten. Versicherungszeiten, die von dem Versicherten auf dem jetzigen Territorium beider Staaten vor dem 15. Mai 1945 erworben worden seien, würden bei der Rentengewährung vom Versicherungsträger des Staates in vollem Umfang berücksichtigt, in dem der Berechtigte zum Zeitpunkt des In- Kraft-Tretens dieses Abkommens seinen Wohnsitz gehabt habe. Der Kläger habe am 01.10.1975 seinen Wohnsitz in Jugoslawien gehabt, womit die geltend gemachte Zeit vom heimischen Versicherungsträger anzurechnen sei. Dieses Abkommen sei entsprechend der im Verfahren eingeholten Auskunft des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung trotz Wiedervereinigung auch vorliegend anwendbar. Denn Art.32 Abs.3 des Abkommens stelle fest, dass im Falle der Kündigung des Abkommens die nach diesem Abkommen gewährten Renten nach den Bestimmungen dieses Abkommens weiter gewährt würden. Inwieweit der heimische Versicherungsträger diese Zeiten eventuell zu Unrecht nicht berücksichtigt habe, sei hierbei unerheblich. Denn dies betreffe nicht das Verhältnis des Klägers zur Beklagten und dem hier geführten Rechtsstreit.

Mit dem Rechtsmittel der Berufung beharrt der Kläger auf Gewährung einer Regelaltersrente.

Der Senat gab den Hinweis, dass das Urteil des Sozialgerichts im Ergebnis nicht zu beanstanden sei. Gleichsam um dem Eindruck des Klägers entgegen zu wirken, er habe zu Unrecht die Rechtsauswirkungen des früheren DDR-JUG-Abkommens zu tragen, verwies der Senat auf den Versicherungslastvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der damaligen Föderativen Volksrepublik Jugoslawien vom 10.03.1956 mit dem Ergebnis, dass frühere deutsche Versicherungszeiten vom jugoslawischen Rententräger anzurechnen seien. Auf den abschließenden - missverständlichen - Hinweis, dass der Kläger beweisen müsse, zur damaligen Zeit deutscher Staatsangehöriger gewesen zu sein, übermittelte der Kläger ein "Gesuch für die Zustellung der Bescheinigung über die Verrichtung der Militärpflicht" an die WASt, Berlin, vom 13.09.2002.

Die Beklagte führte in ihrer Stellungnahme vom 07.10.2002 aus, der ergänzende Hinweis des Senats auf den Vertrag von 1956 könnte beim Kläger zu Irritationen führen; denn nach diesem Vertrag sei der Übergang von Versicherungszeiten von Wohnsitz und Staatsangehörigkeit am 01.01.1956 abhängig. Nach dem maßgeblichen Abkommen zwischen der DDR und Jugoslawien von 1974- ständigen Wohnsitz des Berechtigten am 01.10.1975 abhängig.

Seither hat sich die Kläger-Seite nicht mehr geäußert.

Der Kläger beantragt (sinngemäß), den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 26.04.2002 und den Bescheid der Beklagten vom 08.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.04.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Regelaltersrente ab Antrag zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Dem Senat lagen zur Entscheidung die Rentenakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vor. Wegen der Einzelheiten, insbesondere hinsichtlich des Vortrags des Klägers, wird hierauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 ff. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht im Ergebnis einen Anspruch des Klägers auf Regelaltersrente verneint.

Zwar leidet das erstinstanzliche Urteil an einem wesentlichen Mangel, weil die gemäß § 105 Abs.1 Satz 2 SGG erfolgte Anhörung der Beteiligten nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Eine entsprechende Anhörung muss erkennen lassen, dass das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung in Betracht zieht (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 22.08.1998 zu § 153 Abs.4 SGG in SozR 3-1500 Nr.7). Diese Anforderung erfüllte die Anhörungsmitteilung des Sozialgerichts vom 11.02.2002 nicht, sodass ein Verstoss gegen das rechtliche Gehör (§ 62 SGG) vorliegt. Da der Kläger allerdings in zweiter Instanz die Möglichkeit hatte, sich ausreichend zu äußern, macht der Senat nicht von der Möglichkeit der Zurückverweisung gemäß § 159 Abs.1 Satz 2 SGG Gebrauch. Er entscheidet als weitere Tatsacheninstanz in der Sache und hält im Übrigen den Mangel für geheilt.

Anspruch auf Altersrente haben gemäß § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Versicherte, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit (von fünf Versicherungsjahren - § 50 Abs.1 Nr.1 SGB VI -) erfüllt haben. Zwar ist der Kläger längst 65-jährig; für ihn sind jedoch keine rentenrechtlich relevanten Versicherungszeiten zur deutschen Rentenversicherung vorhanden. Dies liegt jedoch nicht daran, dass der Kläger nur eine Beschäftigungszeit von November 1941 bis April 1945 nachweisen konnte, und die Beklagte keinen Nachweis über die Abführung von Beiträgen zur Rentenversicherung in Form von Versicherungskarten ermitteln konnte. Vielmehr sind die während des Krieges in Deutschland - möglicherweise - geleisteten Beiträge abkommensrechtlich in die Versicherungslast des jeweils zuständigen jugoslawischen Rentenversicherungsträgers übergegangen.

Zum Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers auf Invalidenrente im April 1989 in Bosnien-Herzegowina hatte das am 01.10.1975 in Kraft getretene DDR-JUG-Abkommen vom 31.10.1974 noch Rechtsgültigkeit. Nach dessen Art.31 war der heimische Rententräger verpflichtet, - etwa vorhandene - auf dem ehemaligen Territorium der DDR vor dem 15.05.1945 erworbene deutsche Versicherungszeiten bei seiner Rentenberechnung anzurechnen, da der Kläger am Stichtag des In-Kraft-Tretens des Abkommens seinen Wohnsitz in Jugoslawien hatte. Durch die Versicherungslastregelung des Abkommens war klargestellt, dass der Kläger keine Rentenansprüche aus der damaligen Zeit gegenüber dem DDR-Rententräger verwirklichen kann, wenn es zum Berentungsfall in der jugoslawischen Heimat kommt, gleichgültig, ob Invalidenrente beantragt und bewilligt wurde oder Altersrente wegen noch nicht erreichtem entsprechenden Lebensalter noch nicht beantragt werden konnte. Denn eindeutig waren diese Versicherungszeiten in die Versicherungslast des zuständigen jugoslawischen Versicherungsträgers übergegangen, da sie vor dem 15. Mai 1945 - möglicherweise - erworben worden sind.

Zwar ist die begründende Überlegung des Sozialgerichts entsprechend den Ausführungen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung irreführend, dieses Abkommen sei auch jetzt noch anwendbar. Vielmehr ist nach der zutreffenden höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG dieses Abkommen mit der Wiedervereinigung (2. Oktober 1990) erloschen. Denn die Bundesrepublik ist mit Wirksamwerden der Beitrittserklärung gemäß Art.23 Satz 2 Grundgesetz (a.F.) nicht Rechtsnachfolgerin der als Gebietskörperschaft und Völkerrechtssubjekt - und damit als Partei völkerrechtlicher Verträge - untergegangenen DDR (vgl. BSG vom 25.07.2001 - B 5 RJ 6/00 R - mit vielen Nachweisen von Entscheidungen des BSG und des Bundesverfassungsgerichts). Die in diesem Zusammenhang ergangenen Urteile des BSG befassen sich ausgehend von dieser Rechtslage lediglich mit der Frage der möglichen Fortgeltung bestehender Rechte und Ansprüche (z.B. BSG a.a.O., insbesondere mit der Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten in der UdSSR nach dem Sozialrechtsabkommen zwischen der ehemaligen DDR und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken). Da nach der dargestellten Versicherungslastregelung des DDR-JUG-Abkommens der Kläger jedoch keine Rechte und Ansprüche erworben hat, ist die insoweit ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung nicht zu beachten. Die Überlegung des Klägers durch die Wiedervereinigung sei nunmehr ein einheitlicher Rentenfonds entstanden, ist laienhaft nachvollziehbar, jedoch rechtlich nicht haltbar.

Der durch den Senat im Berufungsverfahren angesprochene "Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Föderativen Volksrepublik Jugoslawien über die Regelung gewisser Forderungen aus der Sozialversicherung" vom 10.03.1956 (BGBl. II 1958) war für den Kläger nie anwendbar. Denn mit diesen Vertragsbestimmungen, die dem innerstaatlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland vorgehen, konnte die Bundesrepublik Deutschland nur Anwartschaften und Ansprüche regeln, die in der bundesdeutschen Sozialversicherung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder im Land Berlin zurückgelegt wurden. Mit diesem - vom Kläger missverstandenen - Hinweis wollte der Senat lediglich zum Ausdruck bringen, dass ihm auch dann, wenn er die - möglichen - Versicherungszeiten in München oder Hamburg, und nicht zufälligerweise in L. zurückgelegt hätte, wegen des - im Ergebnis gleichbleibenden - Versicherungslastvertrages keinerlei Rechte und Ansprüche verblieben wären. Denn auch im Rahmen dieses Vertrages ist auf einen Stichtag abzuheben, nämlich den 1. Januar 1956 bezüglich Wohnsitz und - anders als im DDR-JUG-Abkommen - darüber hinaus zusätzlich auf die Staatsangehörigkeit. Da der Kläger aber nach seinen Angaben zum 01.01. 1956 sowohl Wohnsitz in Bosnien-Herzegowina als auch diese Staatsangehörigkeit hatte, kann er keinerlei Rechte und Ansprüche auch nach diesem Vertrag erworben haben. Zu dieser Klarstellung sieht sich der Senat gehalten, weil der Kläger im Klage-Verfahren den Eindruck zu vermitteln versuchte, er sei während seiner Beschäftigung in L. deutscher Staatsangehöriger gewesen. Doch hierauf kann es nicht ankommen, zumal wiederholend betont werden muss, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht zu Vertragsregelungen über Versicherungsverhältnisse auf dem Boden der damaligen DDR berechtigt war.

Hat aber der Kläger nach keiner Betrachtungsweise irgendwelche Rechte, Ansprüche und Anwartschaften aus seiner Beschäftigung vor Kriegsende erworben, kann folgerichtig auch für eine Beitragserstattung keinerlei rechtliche Handhabe bestehen.

Es bleibt bei dieser Sach- und Rechtslage dem Kläger vorbehalten, die Zeit der Beschäftigung in den Jahren 1941 bis 1945 bei seinem zuständigen Rententräger in Bosnien-Herzegowina geltend zu machen.

Nach alldem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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