L 9 KR 81/98

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 364/97
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 81/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. September 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse verpflichtet ist, die Kosten für eine privatärztlich durchgeführte Extrakorporale Stoßwellen (ESW)-Therapie an der linken Schulter der Klägerin in Höhe von 1.450,-- DM zu erstatten.

Die 1934 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet nach den Feststellungen ihres behandelnden Arztes - des Arztes für Orthopädie Dr. G. - nach seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 17. Februar 1997 an einer Verkalkung der linken Schulter infolge einer Periarthrosis humeri scapularis links. Dr. G. gab ergänzend an, dass der Klägerin neben der bisher ohne Erfolg durchgeführten orthopädischen Behandlung als Therapiemaßnahme eine Operation (Decompression) angeboten werden könnte; er empfehle der Klägerin als weitere Therapie eine Stoßwellentherapie, die gute Effekte verspreche.

Den im Namen der Klägerin von der M. GmbH, unter Vorlage einer Vollmacht der Klägerin gestellten Antrag, die Kosten der ESW-Therapie zu übernehmen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1997 mit der Begründung ab, dass es sich bei der Stoßwellentherapie grundsätzlich nicht um eine Heilmethode mit medizinisch-wissenschaftlicher Anerkennung handele. Dies bedeute, dass diese Leistung grundsätzlich nicht zu Lasten der Krankenkasse im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durchgeführt oder verordnet werden könne.

Die hiergegen beim Sozialgericht Berlin erhobene Klage blieb ohne Erfolg (Urteil vom 11. September 1998).

Gegen das ihr am 14. Oktober 1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13. November 1998 Berufung eingelegt, mit der sie die Erstattung von Behandlungskosten für drei ESW-Therapien am 1. November und 13. Dezember 1997 und 17. Januar 1998 in Höhe von 1.450,-- DM verlangt. Zur Begründung hat sie vorgetragen: Soweit das Sozialgericht meine, dass eine Kostenerstattung schon deshalb abgelehnt werden müsse, weil die beantragte Behandlung nicht von einem Vertragsarzt unter Verwendung eines Kassenrezeptes angeordnet worden sei, sei die Entscheidung fehlerhaft. Der Vertragsarzt Dr. G. habe die Behandlung angeordnet und damit auch hierfür die Verantwortung übernommen. Ein Kassenrezept auszustellen, sei typischerweise bei außervertraglichen Leistungen nicht möglich. Dem Kostenerstattungsanspruch stehe auch nicht die Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen entgegen, dass die ESW-Therapie nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfe. Dieser Beschluss sei rechtswidrig und verstoße insbesondere gegen Kartellrecht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. September 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die Kosten einer Stoßwellentherapie wegen einer Kalkschulter links in Höhe von 1.450,-- DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die den Leistungsantrag der Klägerin betreffenden Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG- einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil die unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die das Begehren der Klägerin ablehnenden Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen sie nicht in ihren Rechten. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung der Kosten für eine ESW-Therapie ihrer linken Schulter.

Als Rechtsgrundlage für die Erstattung bereits entstandener Kosten kommt allein § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch -SGB V- in Betracht. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- und Dienstleistungen (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es das SGB V vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V). Gemäß § 13 Abs. 3 SGB V sind dem Versicherten die für die selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten, soweit sie notwendig waren, von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt.

Aus § 13 Abs. 3 1. Alternative SGB V kann die Klägerin keinen Anspruch auf die Erstattung der streitigen Kosten herleiten, weil sie keiner Notlage oder einer anderen dringenden Bedarfslage ausgesetzt war, die die sofortige Inanspruchnahme von nichtvertragsärztlicher Hilfe erlaubt hätte (vgl. hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 18. Januar 1996, SozR 3-2500 § 29 SGB V Nr. 3 S. 15 mit weiteren Nachweisen). Auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V sind nicht gegeben, weil der Klägerin ein Sachleistungsanspruch auf eine ESW-Therapie bei der M. GmbH nicht zustand.

§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V begründet keinen unmittelbar durchsetzbaren Anspruch auf Versorgung mit einer bestimmten Behandlungsmaßnahme schlechthin, sondern lediglich ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht. Ein Versicherter kann eine medizinische Leistung erst beanspruchen, wenn sie ihm in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts vom Vertragsarzt als ärztliche Behandlungsmaßnahme verschrieben wird (BSG SozR 3-2500 § 39 Nr. 3; SozR 3-2500 § 13 Nr. 4 und Nr. 13), wenn der Vertragsarzt die Behandlungsmaßnahme - wie hier - nicht selbst durchführt. Das ist in § 73 Abs. 2 Nr. 6 SGB V dadurch klar gestellt, dass alle ärztliche Anordnungen der Hilfeleistung anderer Personen zum Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung erklärt werden; nur in diesem Rahmen sind die gesetzlichen Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen verpflichtet (BSG SozR 3-2500 § 13 SGB V Nr. 13).

Dies gilt auch für den an die Stelle des Sachleistungsanspruchs tretenden Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V. Auch im Rahmen des § 13 Abs. 3 SGB V ist die ärztliche Verordnung erforderlich, da sich der Versicherte ohne ärztliche Bestätigung der Notwendigkeit durch Dritte nicht zu Lasten der Krankenkasse versorgen darf. Auch - wenn wie im vorliegenden Fall - bei Behauptung eines angeblichen Systemversagens auf der Verwendung eines Kassenrezeptes nicht bestanden werden kann, muss gleichwohl eine unzweifelhafte ärztliche Verordnung vorliegen (BSG SozR 3-2500 § 13 SGB V Nr. 13).

Daran fehlt es hier. Denn der Orthopäde Dr. G. hat in seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 17. Februar 1997 die erforderlichen Feststellungen über die Notwendigkeit der streitigen Behandlungsmaßnahmen nicht getroffen. Er hat vielmehr darauf hingewiesen, dass zur Behandlung der Klägerin operative Maßnahmen zur Verfügung stünden; die streitige Stoßwellentherapie hatte er der Klägerin lediglich „empfohlen“, da sie „gute Effekte verspreche“. Dieser Erklärung lässt sich gerade nicht entnehmen, dass der Orthopäde die streitigen Leistungen als notwendig im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V angesehen hat und für sie die ärztliche Verantwortung übernehmen wollte, was das Gesetz in §§ 15 Abs. 1 Satz 2, 28 Abs. 1 Satz 2 SGB V bei der Durchführung von Behandlungsmaßnahmen durch Dritte aber verlangt. Denn die anordnende Tätigkeit des Arztes darf sich nicht auf eine bloße Empfehlung einer Drittleistung beschränken, sondern muss nach Lage des Falles eine mehr oder weniger persönliche Anleitung bzw. Beaufsichtigung der Hilfsperson einschließen, jedenfalls aber regelmäßig durch eine nachträgliche Erfolgskontrolle abgeschlossen werden (Urteile des LSG Berlin, 15. Senat, vom 13. September 1995 - L 15 Kr 36/94 - mit weiteren Nachweisen sowie vom 5. März 1997 - L 15 Kr 9/95 -). Die danach zu treffenden ärztlichen Entscheidungen und Prüfungen hat der Orthopäde Dr. G. jedoch nicht selbst vorgenommen, sondern sie der M. GmbH überlassen, die eigenverantwortlich über die Geeignetheit und den Umfang der erforderlichen Behandlungsmaßnahmen entschieden hat. Eine solche selbständige Behandlung durch nichtvertragsärztliche Therapeuten löst keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung aus (BSG USK 81 236 sowie LSG Berlin, Urteil vom 13. September 1995 - L 15 Kr 36/94 -).

Bei dieser Beurteilung der Rechtslage bedurfte es keiner weiteren Auseinandersetzung mit den weiteren von den Beteiligten aufgeworfenen Rechtsfragen. Es entspricht jedoch der ständigen Rechtsprechung des 9. und des 15. Senats des Landessozialgerichts Berlin, dass es sich bei der Behandlung der Schulter der Klägerin mittels ESW-Therapie um eine Therapiemaßnahme handelte, die nicht im Rahmen der vertragsärztlichen Leistung erbracht werden darf bzw. erbracht werden durfte (LSG Berlin, 9. Senat, Urteil vom 3. November 1999 - L 9 KR 85/98 - sowie LSG Berlin, 15. Senat, Urteil vom 31. Mai 2000 - L 15 KR 6/99 -).

Denn nach § 135 Abs. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur dann erbracht werden, wenn die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen u.a. über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der Methode abgegeben haben (vgl. BSG SozR 3-2500 § 135 Nrn. 4 und 5).

Eine solche positive Feststellung liegt bislang für die ESW-Therapie bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen nicht vor. Vielmehr ist die ESW-Therapie bei diesen Indikationen durch Beschluss des Bundesausschusses vom 24. April 1998 zu den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und über die Überprüfung erbrachter vertragsärztlicher Leistungen in die Anlage B („nicht anerkannt“) Nr. 2 als Methode aufgenommen worden, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Durch Beschluss des Bundesausschusses vom 10. Dezember 1999 - veröffentlich im Bundesanzeiger Nr. 56 vom 21. März 2000 - sind die geltenden Beschlüsse in die Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V und ihren Anlagen A („anerkannt“) und B („nicht anerkannt“) übergeleitet worden und die streitbefangene ESW-Therapie nunmehr in der Anlage B Nr. 23 aufgeführt. Insofern bestand zu keinem Zeitpunkt ein Anspruch auf Kostenübernahme bzw. Kostenerstattung für die ESW-Therapie.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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