S 3 KA 378/01

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 3 KA 378/01
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Abweisung

Tatbestand:

Strittig ist die Beendigung der Zulassung des Klägers zur vertragpsychotherapeutischen Versorgung in H ...

Der am XX.X.1928 geborene Kläger ist Diplompsychologe und approbierter Psychologischer Psychotherapeut. Nachdem er seit Juli 1973 im Delegationsverfahren an der vertragsärztlichen Versorgung in H. teilgenommen hatte, wurde er mit Beschluss des Beklagten vom 5.7.2000 zur vertragpsychotherapeutischen Versorgung in H. zugelassen.

Nach einem entsprechenden Hinweisschreiben vom 4.4.2001 und einer Anhörung des Klägers in seiner Sitzung am 27.6.2001 (insoweit wird auf die Niederschrift Bezug genommen) stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte H. mit Beschluss vom 27.6.2001 fest, dass die Zulassung des Klägers von Amts wegen mit Ablauf des 31.12.2001 ende.

Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.6.2001 erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch, welcher mit Schriftsatz vom 25.9.2001, auf den Bezug genommen wird, begründet wurde.

Der Beklagte änderte den Beschluss des Zulassungsausschusses mit Beschluss vom 14.11.2001 dahingehend ab, dass dem Kläger die Zulassung wegen Überschreitens der Altersgrenze von achtundsechzig Lebensjahren entzogen werde und diese mit Ablauf des 31.12.2001 ende, und wies den Widerspruch im übrigen zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass zu den Zulassungsvoraussetzungen im Sinne des § 95 Abs. 6 SGB V auch ein Lebensalter von weniger als 68 Jahren gehöre. Nach Auffassung des Beklagten erfasse die Regelung des § 28 Abs. 1 Ärzte-ZV i.V.m. § 95 Abs. 7 SGB V als lex specialis nicht die Fälle, in denen die rechtzeitige Feststellung des gesetzlich definierten Zulassungsendes (vor seinem Eintritt) durch den Zulassungsausschuss versäumt worden sei; hier bleibe nur eine Zulassungsentziehung nach § 27 Satz 1 Ärzte-ZV i.V.m. § 95 Abs. 6 SGB V. Die Voraussetzungen hierfür lägen vor, da der Kläger die Zulassungsvoraussetzung eines Lebensalters von weniger als 68 Jahren unstreitig nicht (mehr) erfülle und bereits mehr als 20 Jahre an der ambulanten Versorgung der Versicherten mitgewirkt habe. Die Bestandskraft einer Zulassung und das Vertrauen des Zugelassenen auf einen Fortbestand seiner Zulassung könnten nicht die Verpflichtung der Zulassungsinstanzen hindern, eine Zulassung zu entziehen, deren Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorlägen. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck der Regelung des § 95 Abs. 6 SGB V, das System der vertragsärztlichen Versorgung funktionsfähig zu erhalten. Schließlich sei die Zulassungsentziehung wegen Überschreitung der Beendigungsaltersgrenze genauso wenig unverhältnismäßig wie ihr sonst kraft Gesetzes und vom Zulassungsausschuss nur festzustellendes Ende. Ergänzend wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den am 21.11.2001 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 18.12.2001 durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben und diese mit Schriftsätzen vom 26.3.2002 und 1.10.2002, auf die – nebst Anlagen - ergänzend Bezug genommen wird, begründet. § 95 Abs. 6 SGB V regele abschließend die Voraussetzungen für eine Zulassungsentziehung; weitere Gründe seien nicht akzeptabel. Zu den in dieser Vorschrift angesprochenen Zulassungsvoraussetzungen gehörten nur die gemäß § 18 Ärzte-ZV nachzuweisenden Tatsachen sowie der Eintritt von Umständen, aus denen sich eine Nichteignung (§ 20 Ärzte-ZV) oder eine Ungeeignetheit (§ 21 Ärzte-ZV) ergebe. Es solle nicht in Abrede gestellt werden, dass § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V im Regelfall eine erstmalige Zulassung als Vertragsarzt oder –therapeut ausschließe und gegebenenfalls ein versehentliches Übersehen der Altersgrenze eine Entziehung der Zulassung rechtfertigen könne. Im Falle des Klägers sei diesem die Zulassung jedoch (bestandskräftig) bewusst aufgrund einer Auslegung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V zur Nichtanrechnung einer Tätigkeit als Delegationspsychotherapeut erteilt worden, die bundesweit von allen Zulassungs- und Berufungsausschüssen (ausgenommen Nordrhein) geteilt worden sei und auch im Einklang mit der einhelligen Kommentarliteratur, der Auffassung des Bundesministeriums für Gesundheit und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung gestanden habe. Dem Kläger sei somit seinerzeit zu Recht eine Zulassung erteilt worden; die Zulassungsvoraussetzungen hätten bestanden und seien auch nicht nachträglich weggefallen. Die hiervon abweichende spätere Auslegung der Vorschrift durch das Bundessozialgericht könne nicht als Fehlen oder nachträglicher Wegfall der Zulassungsvoraussetzungen angesehen werden; § 95 Abs. 6 SGB V regele diesen Fall gerade nicht. Eine Entziehung der Zulassung könne somit allein auf allgemeine Vorschriften des Verwaltungsverfahrensrechts gestützt werden, doch lägen die Voraussetzungen des § 48 SGB X nicht vor; insbesondere fehle es an einer ständigen Rechtsprechung des BSG. Zumindest müsse der Rechtsgedanke des § 48 Abs. 2 SGB X aus Gründen des Vertrauensschutzes berücksichtigt werden, da der Kläger vor der überraschenden Entscheidung des BSG keinesfalls damit habe rechnen müssen, dass die bislang unstreitige Rechtsauffassung verworfen werden würde, zumal auch Instanzgerichte diese Auffassung bestätigt hätten. Schließlich wäre eine Entziehung auch unverhältnismäßig, da der Kläger nach Erteilung der Zulassung Patienten in Behandlung genommen habe, deren Behandlung in tiefenpsychologisch fundierter und analytischer Psychotherapie sich gegebenenfalls über Jahre erstrecke. Mit weiterem Schriftsatz vom 1.1.2002 hat der Kläger bekräftigt, dass es einen Unterschied mache, ob die Zulassung bereits bestandskräftig sei und nunmehr aufgrund einer geänderten Rechtsprechung entzogen werden solle oder ob eine noch nicht bestandskräftige Zulassung im Streit sei; hierzu werde auf Ausführungen des zuständigen Senatsvorsitzenden des BSG sowie auf den Beschluss des LSG Baden-Württemberg 5.6.2002 verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Beklagten vom 14.11.2001 sowie den Beschluss des Zulassungsausschusses vom 27.6.2001 aufzuheben und die Sprungrevision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat er zunächst mit Schriftsatz vom 28.1.2002 auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen und mit Schriftsätzen vom 30.4.2002 und 3.1.2003 ergänzend ausgeführt, dass sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus der Literatur ergebe, dass ein Lebensalter von weniger als achtundsechzig Jahren nicht zu den Zulassungsvorausetzungen im Sinne des § 95 Abs. 6 SGB V gehöre. Die Zulassungsentziehung hänge auch nicht davon ab, ob die Voraussetzungen schon vor der Zulassung gefehlt hätten oder dieser Umstand erst nachträglich eingetreten sei. Andernfalls wäre die Bestimmung, die der Erhaltung der Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Versorgungssystems diene, bei Fehleinschätzung durch die Zulassungsgremien wirkungslos. § 48 SGB X sei weder unmittelbar noch als Rechtsgedanke anwendbar. Sollte die Bestandskraft der Zulassung ihrer Entziehung entgegenstehen, wäre die Vorschrift überflüssig. Der vom Kläger zitierte Beschluss des LSG Baden-Württemberg betreffe einen anderen Sachverhalt. Im übrigen habe der Kläger seit nunmehr bald dreißig Jahren ausreichende Möglichkeit zur Schaffung einer Altersversorgung gehabt. Ergänzend wird auf die Schriftsätze vom 30.4.2002 und 3.1.2003 Bezug genommen.

In der mündlichen Verhandlung vom 29.1.2003 hat der Beklagte zu Protokoll sein Einverständnis mit der Zulassung wie auch der Einlegung der Sprungrevision erklärt.

Das Gericht hat die aus dem Rubrum ersichtlichen Beiladungen vorgenommen.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Klage zurückzuweisen, und hat zur Begründung mit Schriftsatz vom 18.4.2002 auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses des Beklagten Bezug genommen sowie auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Beschluss des Beklagten, der allein Streitgegenstand des Verfahrens ist (BSG SozR 3-2500 § 96 Nr. 1; BSG, Urteil vom 18.3.1998, Az. B 6 KA 37/96 R m.w.N.), ist rechtmäßig.

Zutreffende Rechtsgrundlage der Beendigung der Zulassung des Kläger ist § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Satz 1 Ärzte-ZV.

Die Auffassung des Beklagten, dass § 95 Abs. 7 SGB V in Fällen wie dem Vorliegenden keine Anwendung findet, ist rechtlich nicht zu beanstanden. § 95 Abs. 7 Satz 1 SGB V regelt, dass die Zulassung mit dem Tod, mit dem Wirksamwerden eines Verzichts oder mit dem Wegzug des Berechtigten endet. Nach § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V endet die Zulassung im übrigen ab 1.1.1999 am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein achtundsechzigstes Lebensjahr vollendet. Auch wenn § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V auf den ersten Blick einschlägig erscheint, ist die Vorschrift jedoch einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur nach Erteilung der Zulassung eintretende Umstände von ihr erfasst werden. Hierfür spricht zunächst der Zusammenhang mit den in Satz 1 genannten Tatbeständen (Tod, Verzicht, Wegzug); dies sind alles Umstände, die im Regelfall erst nach erteilter Zulassung relevant werden. Dafür spricht weiter der Wortlaut der Vorschrift. Wenn § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V bestimmt, dass die Zulassung (bei Vollendung des 68. Lebensjahres) ´endet`, dann setzt dies eine bereits bestehende Zulassung voraus. Zu berücksichtigen ist schließlich, dass die Vorschrift für den ´Regelfall` gedacht ist, in dem Zulassungen nach Vollendung des 68. Lebensjahres schon deswegen ausgeschlossen sind, weil die Bestimmung des § 25 Satz 1 Ärzte-ZV bereits Zulassungen nach Vollendung des 55. Lebensjahres verhindert. Somit ist § 95 Abs. 6 SGB V in Fällen wie dem Vorliegenden, in denen die Zulassungsvoraussetzungen von Anfang an nicht vorlagen, als lex specialis zu § 95 Abs. 7 SGB V zu sehen.

Die Voraussetzungen des § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Satz 1 Ärzte-ZV sind erfüllt. Danach ist die Zulassung von Amts wegen zu entziehen, wenn ihre Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen, der Vertragsarzt die vertragsärztliche Tätigkeit nicht aufnimmt oder nicht mehr ausübt oder seine vertragsärztlichen Pflichten gröblich verletzt. Bereits zum Zeitpunkt der Zulassung des Klägers lag aber die Zulassungsvoraussetzung ´Nichtüberschreitung der Altersgrenze von 68 Jahren` nicht vor.

Entgegen der Auffassung des Klägers und der von ihm zitierten Kommentarliteratur erfasst § 95 Abs. 6 SGB V nicht nur die in §§ 18 – 21 Ärzte-ZV genannten Zulassungsvoraussetzungen, zumal dabei schon übersehen wird, dass auch § 25 Ärzte-ZV eine eindeutige Zulassungsvoraussetzung enthält (´ ... Zulassung ...ist ausgeschlossen ...`). Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ( ...Zulassung zu entziehen ..., wenn ihre Voraussetzungen ...) ergibt sich kein Anhaltspunkt für eine derartige Einschränkung. Vielmehr werden jegliche Zulassungsvoraussetzungen unabhängig davon erfasst, ob sie sich nun aus der Ärzte-ZV oder unmittelbar aus dem Gesetz (§ 95 SGB V) ergeben. So gilt z.B. § 95 Abs. 2 SGB V (Arztregister-Eintragung) unmittelbar, ohne dass – über § 98 Abs. 2 SGB V – eine Regelung in der Ärzte-ZV erforderlich ist.

Allerdings sind die gesetzlichen Vorschriften insoweit lückenhaft, als es an einer ausdrücklichen Bestimmung der Art fehlt, dass eine Zulassung nach Vollendung des 68. Lebensjahres ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hat in § 98 Abs. 2 Nr. 12 SGB V als Inhalt der Ärzte-ZV zwar den Ausschluss der Zulassung ab dem 55. Lebensjahr, nicht aber ab dem 68. Lebensjahr vorgeschrieben; entsprechend enthält die Ärzte-ZV keine dem § 25 Ärzte-ZV entsprechende Vorschrift. Insoweit liegt jedoch ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers vor. Normalerweise wird die 68-Jahre-Grenze nicht zulassungsrelevant, da schon die 55-Jahre-Grenze (§ 25 Satz 1 Ärzte-ZV) eine Zulassung älterer Ärzte verhindert; es ist auch nahezu undenkbar, dass Härtefallentscheidungen nach § 25 Satz 2 Ärzte-ZV zur Zulassung von Ärzten führen, die bereits das 68. Lebensjahr vollendet haben. Die Regelung des § 25 Ärzte-ZV hat der Gesetzgeber allerdings für Psychotherapeuten-Zulassungen nach Übergangsrecht außer Kraft gesetzt, da § 25 Ärzte-ZV gemäß § 47 Abs. 2 Ärzte-ZV erst für Anträge von Psychotherapeuten gilt, die nach dem 31.12.1998 gestellt werden. Dabei hat er offenbar übersehen, dass diese Sonderregelung dazu führen kann, dass auch Psychotherapeuten, die bereits das 68. Lebensjahr vollendet haben, eine Zulassung beantragen.

Die Lücke ist im Wege der Auslegung zu schließen. Wenn § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V bestimmt, dass die Zulassung bei Erreichen des 68. Lebensjahres endet, liegt darin zugleich eine Zulassungsvoraussetzung. Dies folgt aus einem Erst-Recht-Schluss: wenn ein bestimmter Umstand ein Rechtsverhältnis zwingend beendet, steht dieser (erst recht) schon der Entstehung dieses Rechtsverhältnisses entgegen. Andernfalls ergebe sich das absurde Ergebnis, dass jeder Psychotherapeut ungeachtet seines Alters (und seiner Vortätigkeit) zunächst hätte zugelassen werden müssen, und die Zulassung nachfolgend – nach einer logischen Sekunde – in den Fällen, in denen § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V eingriffe, wieder hätte entzogen werden müssen. Die Auffassung, dass § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V zugleich auch eine Zulassungsvoraussetzung darstellt, wird auch vom BSG geteilt. So hat es im Urteil vom 8.11.2000 (B 6 KA 55/00 S. 6) ausgeführt: ´ Die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V erfasst auch die Fälle, in denen eine Zulassung nach Vollendung des 68. Lebensjahres begehrt wird. Nach ihrem Sinngehalt ergibt sich aus ihr nicht nur das Ende bestehender Zulassungen, sondern sie verwehrt ebenso Neuzulassungen, wenn die Altersgenze schon erreicht bzw. überschritten ist.`

Nur ergänzend merkt die Kammer an, dass dann, wenn man der vorstehenden Argumentation nicht folgte, eine Beendigung der Zulassung nach § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V in Frage käme, weil dann § 95 Abs. 6 SGB V insoweit nicht mehr lex specialis, sondern unanwendbar wäre.

Die sich somit aus § 95 Abs. 7 Satz 2 SGB V ergebende Zulassungsvoraussetzung, die auch auf Psychologische Psychotherapeuten Anwendung findet (vgl. BSG, Urteil vom 8.11.2000, B 6 KA 55/00 R S. 7) und deren verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit geklärt ist (siehe hierzu BVerfG NJW 1998, 1776 und BSGE 83, 135, 140 ff.), lag bereits zum Zeitpunkt der Zulassung des Klägers (Beschluss vom 5.7.2000) nicht vor, da dieser damals bereits im 72. Lebensjahr gestanden hat und wegen seiner mehr als 20 Jahre dauernden Tätigkeit im Delegationsverfahren (Juli 1973 bis Ende 1998) auch die Ausnahmevorschrift des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V keine Anwendung findet (zur Anrechnung einer Tätigkeit im Delegationsverfahren siehe BSG, Urteil vom 8.11.2000, B 6 KA 55/00 R S. 9 ff.).

Einer Zulassungsentziehung stehen auch die weiteren vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte nicht entgegen.

Insbesondere ist es für eine Entziehung der Zulassung wegen Fehlens der Zulassungsvoraussetzungen rechtlich unerheblich, ob die Zulassung des Klägers seinerzeit irrtümlich oder bewusst in unzutreffender Rechtsauslegung erfolgte. Maßgeblich ist allein, ob die Zulassungsvoraussetzungen objektiv vorliegen oder nicht; dies ist gegebenenfalls ex post festzustellen.

Hierfür spricht schon der Wortlaut des § 95 Abs. 6 SGB V. Zum einen kann dem Gesetzeswortlaut kein Anhaltspunkt für eine Beschränkung auf irrtümliche Zulassungen entnommen werden. Zum anderen unterscheidet die Norm hinsichtlich des Fehlens der Zulassungsvoraussetzungen zwischen zwei Tatbeständen, nämlich dem ´Nicht-Vorliegen` und dem ´Nicht-mehr-Vorliegen`. Wäre eine Zulassungsentziehung bei nachträglicher Änderung der Rechtsauslegung ausgeschlossen, wäre die erste Tatbestandsalternative weitgehend überflüssig, da ein Irrtum über Zulassungsvoraussetzungen kaum vorkommen dürfte.

Bei der Beurteilung der Zulassungsvoraussetzungen kann es daher nicht darauf ankommen, ob die Zulassungsgremien eine bestimmte, dem Kläger günstige Auffassung vertreten und deshalb die Zulassung erteilen oder sie diese ablehnen und so eine höchstrichterliche Klärung ermöglichen. Nicht die herrschende Meinung bestimmt die Rechtsauslegung, sondern letztlich das hierzu berufene Bundesozialgericht. Zweck und Bedeutung einer Revisionsinstanz bestehen (neben individuellen Interessen der unterlegenen Partei) in erster Linie in der Wahrung der Rechtseinheit und der Fortentwicklung des Rechts (Meyer-Ladewig, Sozialgerichts-Kommentar, Vor § 160 SGG RdNr. 2 m.w.N.), wie sich auch aus den Revisionsgründen nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG (Grundsatz- und Divergenzrevision) ergibt. Die Bildung einer höchstrichterlichen Rechtsprechung entgegen der bisherigen Rechtspraxis der Verwaltungsbehörden und Untergerichte stellt keine Änderung der Rechtslage, sondern nur eine nachträgliche Erkenntnis des richtigen Rechts dar (Freischmidt in Hauck/Noftz SGB X/1,2, § 48 SGB X RdNr. 22 m.w.N.); damit wird nachträglich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes von Anfang festgestellt (Freischmidt a.a.O.).

Der Zulassungsentziehung steht weiter nicht die Bestandskraft des Zulassungsbescheides entgegen. Soweit Zulassungsvoraussetzungen nicht (unzweifelhafte) Tatsachen betreffen, sondern auslegungsbedürftige Rechtsvorschriften (oder unbestimmte Rechtsbegriffe), folgt aus dem Umstand, dass § 95 Abs. 6 SGB V bei (jedwedem) Fehlen der Zulassungsvoraussetzungen eine Zulassungsentziehung anordnet, dass sich unabhängig von der Bestandskraft des Verwaltungsaktes bis zur höchstrichterlichen Klärung ein rechtlicher Schwebezustand ergibt, aus dem sich bei einer von der bisherigen Verwaltungspraxis abweichenden Entscheidung des BSG Konsequenzen ergeben. Für das vertragsarztliche Zulassungsrecht bestimmen sich die Konsequenzen nach § 95 Abs. 6 SGB V.

Ob eine Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X eingetreten ist, kommt es schon nach den vorstehenden Ausführungen nicht an. Zum einen erfasst § 95 Abs. 6 SGB V bereits nach seinem Wortlaut ( ...nicht oder nicht mehr vorliegen ...) auch die Fälle, in denen die Zulassung (mangels Vorliegens ihrer Voraussetzungen) von Anfang an rechtswidrig war, und zwar – wie vorstehend ausgeführt – auch dann, wenn sich die Rechtswidrigkeit erst aufgrund einer nachträglichen höchstrichterlichen Klärung ergibt. Zum anderen findet § 48 SGB X vorliegend ohnehin keine Anwendung, sondern wird durch § 95 Abs. 6 SGB V verdrängt (so ausdrücklich BSG, Beschluss vom 10.5.2000, B 6 KA 56/99 B). Dies schließt auch eine Anwendung der in dieser Vorschrift niedergelegten Rechtsgedanken aus, da sie dem Zweck des § 95 Abs. 6 SGB X, das System der vertragsärztlichen Versorgung vor Störungen zu bewahren und damit funtkionsfähig zu erhalten (BSGE 60, 76), zuwiderlaufen würde.

Da § 48 Abs. 2 SGB X keine Anwendung findet, kommt es auch nicht darauf an, dass es sich bei der Entscheidung des BSG vom 8.11.2000 (B 6 KA 55/00 R) noch um keine ´ständige Rechtsprechung` handelt. Entscheidend ist allein, dass es sich um eine (erstmalige) höchstrichterliche Klärung einer Rechtsfrage handelt; die Bedeutung der Entscheidung wird nicht dadurch eingeschränkt, dass gegebenenfalls - etwa wegen fehlenden weiteren Klärungsbedarfs – keine weiteren, die Rechtsauffassung bekräftigenden Entscheidungen folgen.

Auch soweit der Kläger auf Vertrauensschutzgesichtspunkte verweist, vermag ihm die Kammer nicht zu folgen. Die Psychotherapeuten mussten, wie das BSG in seinem Urteil vom 8.11.2000 (B 6 KA 55/00 R S. 13) zutreffend ausgeführt hat, seit dem Gesetzentwurf vom Juni 1997 damit rechnen, dass die 68-Jahre-Regelung auch für sie gelten würde und konnten angesichts des vorgeschlagenen Wortlauts nicht darauf vertrauen, ungeachtet ihres Alters und ihrer Vortätigkeit (weiter) an der Versorgung der GKV-Versicherten mitwirken zu können. Der Kläger konnte auch nicht auf die bestandskräftig gewordene Zulassung vertrauen, da diese nicht auf der Grundlage einer unzweifelhaften Norm, sondern auf einer umstrittenen (wenn auch überwiegend in seinem Sinne vertretenen) Auslegung einer Norm erteilt wurde. Im übrigen ist zu berücksichtigen, dass dem Kläger die Zulassung zur Führung einer bereits seit langem bestehenden Praxis erteilt wurde, welche er aufgrund der Zulassung also lediglich weitergeführt und nicht erst im Vertrauen auf die Zulassung aufgebaut hat.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Der Bestimmung einer Übergangsfrist (siehe hierzu BSG, Urteil vom 11.9.2002, B 6 KA 41/01 R) bedurfte es vorliegend nicht, da aufgrund des Rechts, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel einzulegen und die damit verbundene aufschiebende Wirkung (§ 154 Abs. 1 i.V.m. § 86a, § 165 Satz 1 SGG) die Möglichkeit einer Weiterbehandlung der Patienten zunächst fortbesteht.

Die Sprungrevision war zuzulassen, da ihre Voraussetzungen vorliegen (§ 161 Abs. 1, § 161 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG); insbesondere hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, da es um Rechtsfragen geht, die bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden worden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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