L 1 AL 127/01

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 3 Ar 250/97
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 1 AL 127/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.04.2001 – S 3 Ar 250/97 – wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer zwölfwöchigen Sperrzeit.

Der 1971 geborene Kläger meldete sich am 02.05.1994 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg). Zuletzt war der Kläger seit dem 28.04.1993 als Werkschutzmitarbeiter bei der Firma H GmbH beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete aufgrund einer vom Arbeitgeber am 18.04.1994 zum 19.04.1994 ausgesprochenen Kündigung. Der Arbeitgeber begründete die Kündigung in einem Kündigungsschreiben vom 18.04.1994 mit "Dienstverfehlungen" des Klägers sowie dem von ihm begangenen Diebstahl bei der Firma R in N. Der Kläger führte hierzu am 05.05.1994 aus, dem Grund "Dienstverfehlung" könne er noch zustimmen; den angeschuldigten Diebstahl habe er aber nicht begangen.

Mit Bescheid vom 01.08.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.1994 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen für den Zeitraum vom 20.04.1994 bis 12.07.1994 fest. Zur Begründung gab sie an, der Kläger habe durch seine "Dienstverfehlungen" und die darin liegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten seine Arbeit verloren. Der Kläger habe voraussehen müssen, dass er infolge seines Verhaltens arbeitslos werde. Zudem habe der Kläger nachweislich mehrere Gegenstände (Computermonitor, Computerlaufwerk, Computertastatur, Computermaus, vier Modellsattelschlepper, einen Taschenrechner und ein Uhrenradio) bei der Firma R in N gestohlen. Bei Anstellen einfachster Überlegungen habe er davon ausgehen können, dass die Folge dieses Verhaltens die Arbeitslosigkeit sein werde. Ein wichtiger Grund für das Verhalten des Klägers liege nicht vor. Auch seien keine Gründe ersichtlich, die eine Herabsetzung der Sperrzeit rechtfertigen würden.

Mit Bescheid vom 04.08.1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger Alg ab dem 13.07.1994.

Auf die am 07.10.1994 erhobene Klage hat das Sozialgericht Mainz die Zeugen D K , M B , A K und H E vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 04.12.2000 und 30.04.2001 verwiesen (Bl 83 ff und 124 GA).

Außerdem hat das Sozialgericht die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte (Az.: 302 JS 07795/94) beigezogen.

Durch Urteil vom 30.04.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden. Zu Recht habe die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit vom 20.04.1994 bis 12.07.1994 festgestellt. Der für diesen Zeitraum geltend gemachte Anspruch auf Alg stehe dem Kläger wegen des sperrzeitbedingten Ruhens des Anspruchs nicht zu.

Nach § 119 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) i.V.m. § 119 a Nr 1 AFG trete eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die zwölfwöchige Sperrzeit bedeute für den Kläger auch keine besondere Härte.

Ein arbeitsvertragswidriges Verhalten liege bei einem Verstoß gegen Arbeitnehmerpflichten vor, die dem Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag, gesetzlichen Bestimmungen oder tarifvertraglichen Regelungen oblägen. Es müsse ein schwerwiegend vertragswidriges Verhalten vorliegen, das – ggfs. zusammen mit anderen Umständen – geeignet sei, die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zu dem Zeitpunkt zu rechtfertigen, in dem die Arbeitslosigkeit tatsächlich eingetreten sei. Im Falle einer – wie hier ausgesprochenen – fristlosen Kündigung müssten die Voraussetzungen des § 626 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfüllt sein. Danach müssten Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden könne.

Aufgrund der gegen den Kläger durchgeführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, namentlich seiner eigenen Einlassung sowie der Aussagen der Zeugen K , E und S in dem oben genannten Verfahren sowie dem Wachbericht des letztgenannten Zeugen vom 17.04.1994 stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger während seines Wachdienstes in der Nacht vom 16.04.1994 auf den 17.04.1994 ohne Erlaubnis des Kunden auf dem Gelände des R in alkoholisiertem Zustand ein Fahrzeug geführt habe, ohne für das Führen des Kfz eine Erlaubnis zu besitzen. Bereits dieser Verstoß gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen sei als schwerwiegendes vertragswidriges Verhalten anzusehen, zumal gerade bei Werkschutzmitarbeitern, denen die Bewachung fremder Rechtsgüter anvertraut sei, ein besonderes Vertrauensverhältnis eine unabdingbare Vertragsgrundlage bilde. Dieses Verhalten rechtfertige eine fristlose Kündigung.

Die Frage, ob der Kläger einen Diebstahl begangen habe, sei letztendlich nicht mehr entscheidungserheblich. Zumindest sei der Kläger jedoch in den begründeten Verdacht geraten, eine solche Tat begangen zu haben, weil die bei der Firma R in N gestohlenen Gegenstände im Spind des Klägers gefunden worden seien. Der Tatverdacht sei weder im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen noch im Rahmen der vor der erkennenden Kammer durchgeführten Beweisaufnahme widerlegt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne jedoch nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung gegenüber dem verdächtigen Arbeitnehmer darstellen. Die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung hänge dabei nicht von der strafrechtlichen Würdigung eines den Sachverhalt begründenden Verhaltens ab, sondern von der Beeinträchtigung des für das Arbeitsverhältnis erforderlichen Vertrauens durch den Verdacht. Dabei sei es unerheblich, ob das Strafverfahren die vom Arbeitgeber erwartete Klärung des Sachverhalts erbracht habe und z.B. ohne Urteilsspruch eine Einstellung gegen Zahlung eines Geldbetrages erfolgt sei.

Die Einlassung des Klägers, er habe den Diebstahl nicht begehen können, weil für ihn wegen der Alarmanlage keine Möglichkeit bestanden habe, unbemerkt in die Geschäftsräume einzudringen, sei nicht überzeugend. Denn dieses Argument gelte letztlich für alle Werkschutzmitarbeiter, die allein den Diebstahl begangen haben könnten. Zudem sei es auch nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger die in seinem Spind gefundenen gestohlenen Gegenstände entgegen seinen eigenen Angaben nicht direkt zur Polizei verbracht, sondern in seiner Wohnung gelagert habe, wo die Polizei die Gegenstände aufgefunden habe. Hinzu komme, dass der Kläger die gestohlenen Gegenstände trotz Verbotes, das Gelände wieder zu betreten, abgeholt und nach Hause verbracht habe.

Nach dem oben Gesagten sei zumindest das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört, so dass eine Verdachtskündigung nach § 626 Abs. 1 BGB gerechtfertigt wäre. Dabei sei es unerheblich, ob der Arbeitgeber vor der Kündigung bereits einmal eine Abmahnung ausgesprochen habe. Denn bei besonders schwerwiegenden Verstößen, bei denen es offensichtlich ausgeschlossen sei, dass sie der Arbeitgeber hinnehme, sei eine Abmahnung nicht erforderlich.

Seine Arbeitslosigkeit habe der Kläger auch zumindest grob fahrlässig herbeigeführt, da er hätte erkennen können, dass sein Verhalten zu einer fristlosen Kündigung führen könnte. Auch ein Anschlussarbeitsverhältnis sei bei dem Kläger nicht vorhanden gewesen.

Die Sperrzeit von zwölf Wochen stelle für den Kläger auch keine besondere Härte dar. Diese liege nur vor, wenn nach den Umständen des Einzelfalles die Regeldauer im Hinblick auf die für den Eintritt der Sperrzeit maßgeblichen Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen sei. Hierfür seien vorliegend keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Gegen das dem Kläger am 19.06.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.07.2001 Berufung eingelegt.

Der Kläger trägt vor, er bestreite weiterhin, die in seinem Spind gefundenen Sachen gestohlen zu haben. Zudem sei das von ihm nicht bestrittene Fahren unter Alkoholeinfluss auf einem reinen Privatgelände nicht strafbar. Zu berücksichtigen sei auch, dass das Strafverfahren gegen ihn wegen Diebstahls eingestellt worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.04.2001 – S 3 Ar 250/97 – sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.08.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.1994 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld bereits ab dem 02.05.1994 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, der Kläger habe im Berufungsverfahren keine neuen rechtserheblichen Tatsachen oder Gesichtspunkte vorgetragen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde deshalb auf das angefochtene sozialgerichtliche Urteil Bezug genommen. Dieses werde zum Gegenstand des eigenen Sachvortrags gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte, der den Kläger betreffenden Leistungsakte der Beklagten (Stamm-Nr.: ) sowie die staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakte (Az.: 302 JS 07795/94) Bezug genommen. Er war Gegenstand der Beratung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.08.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.1994 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Recht den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit in der Zeit vom 20.04.1994 bis 12.07.1994 festgestellt. In diesem Zeitraum ruht der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alg. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird nach § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe des sozialgerichtlichen Urteils verwiesen.

Der Kläger hat im Berufungsverfahren keine neuen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Gesichtspunkte vorgetragen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Der Kläger räumt selbst sein, dass er unter Alkoholeinfluss auf Privatgelände widerrechtlich ein Kfz geführt hat. Der Kläger hat damit während seines Wachdienstes ein schwerwiegend vertragswidriges Verhalten gezeigt, das allein die fristlose Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses rechtfertigt. Hierauf hat das Sozialgericht bereits zutreffend hingewiesen.

Zudem besteht weiterhin der schwerwiegende Verdacht, dass der Kläger die in seinem Spind gefundenen Gegenstände gestohlen hat. Zumindest hat der Kläger die gestohlenen Gegenstände widerrechtlich aus seinem Spind entfernt und in seine Wohnung verbracht. Der Kläger hat trotz des Verbotes, die Firma zu betreten, die gestohlenen Gegenstände aus seinem Spind geräumt und diese entgegen seinen eigenen Angaben nach Hause transportiert, wo sie von der Polizei sichergestellt wurden. Er hat die gestohlenen Gegenstände - entgegen seiner ursprünglich geäußerten Absicht - nicht bei der Polizei vorbeigebracht und keine Anzeige erstattet. Dass der Kläger die gestohlenen Gegenstände bei der Polizei abgeben und Anzeige erstatten wollte, haben zwei Arbeitskollegen bestätigt. Auch dieser Vorgang rechtfertigt eine fristlose Kündigung, da dem Arbeitgeber aufgrund dieses Sachverhalts unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles als auch unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

Schließlich wird darauf hingewiesen, dass das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger wegen Diebstahls nach § 242 Strafgesetzbuch (StGB) allein deshalb nach § 154 Abs 2 Strafprozessordnung (StPO) vorläufig eingestellt wurde, weil der Kläger in einem anderen Strafverfahren (Az.: 302 JS 23131/94) zu 180 Tagessätzen zu je 20,00 DM verurteilt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

Der Senat konnte nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er die zulässige Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.
Rechtskraft
Aus
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