L 9 KR 29/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 302/96
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 29/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1996 wird aufgehoben. Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. haben der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen.

Die Klägerin, die zuvor als D.Verwaltungsgesellschaft mbH firmierte, ist Rechtsnachfolgerin u.a. der M. Handelsgesellschaft mbH (M.mbH). Die M.mbH ist durch die Privatisierung des früheren Volkseigenen Handels der DDR entstanden.

Nachdem die Beklagte als Einzugsstelle 1991 bei der M.mbH eine Betriebsprüfung durchgeführt hatte, forderte sie mit Summenbescheid vom 22. Januar 1992 für den Prüfzeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1990 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 127.815,08 DM (Krankenversicherungsbeiträge: 66.369,35 DM, Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter: 83.700,79 DM und Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit: 21.767,37 DM, abzüglich überzahlter Beiträge für 1990 in Höhe von insgesamt 44.022,43 DM [Krankenversicherungsbeiträge: 27.832,67 DM, Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter: 16.059,16 DM und Beiträge zur Bundesanstalt für Arbeit: 130,60 DM]) nach. Als Begründung gab sie an, dass für den Prüfzeitraum prüffähige Unterlagen, aus denen eine Plausibilität (sozialversicherungspflichtiges Entgelt zu den gezahlten Beiträgen) abgeleitet werden könne, nicht vorgelegt worden seien. Von dem von der Rechtsvorgängerin der Klägerin eingeschalteten Rechenzentrum seien nur monatliche Zusammenstellungen, getrennt nach Personalarten und Einzelabrechnungen (Ordnungsmerkmal, Personalnummer und Kostenstellen, jedoch ohne Angabe zur Personalart) zur Verfügung gestellt worden. Die monatlichen Zusammenstellungen des Rechenzentrums wiesen Sozialversicherungsentgelte aus. Die aus diesen Summen ermittelten Sozialversicherungsbeiträge stimmten in keinem Fall mit den ausgewiesenen Beitragssummen überein. Eine Klärung dieser Differenz könne nur unter unverhältnismäßig großem Zeitaufwand durchgeführt werden; dies rechtfertige den Erlass eines Summenbescheides. Zudem habe die Rechtsvorgängerin der Klägerin im Juli 1990 Prämienlöhne in Höhe von 230.172,17 DM gezahlt und diese nicht verbeitragt.

Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 1996 zurück. Rechtsgrundlage des Summenbescheides sei § 28 f Abs. 2 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Die vorgelegten Lohnunterlagen seien nicht ausreichend, um feststellen zu können, welche Lohnbestandteile verbeitragt und welche beitragsfrei gewesen seien. Zudem sei eine Zuordnung der geflossenen Entgelte auf die einzelnen Arbeitnehmer im Prüfzeitpunkt nicht mehr möglich gewesen, da sich einzelne Betriebsteile der Rechtsvorgängerin der Klägerin bereits in Abwicklung befunden hätten und das Abrechnungsprogramm des eingeschalteten Rechenzentrums programmtechnisch den Anforderungen an das Prüfrecht für das zweite Halbjahr 1990 nicht genügt habe. Die streitgegenständlichen Prämienlöhne unterlägen schon deshalb der Beitragspflicht für den Monat Juli 1990, weil die Klägerin diese Löhne in diesem Monat in DM ausgezahlt habe.

Hiergegen hat die Klägerin am 15. Mai 1996 Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, dass die Beklagte zum Beitragseinzug für das zweite Halbjahr 1990 nicht berechtigt gewesen sei. Bis zum 31. Dezember 1990 seien die Sozialversicherungsbeiträge an das zuständige Finanzamt zu Gunsten der Versicherungsträger abzuführen gewesen. Der Summenbescheid sei ferner schon deshalb rechtswidrig, weil die Beitragsüberwachungsverordnung (BÜVO) im zweiten Halbjahr 1990 im Beitrittsgebiet nicht geltendes Recht gewesen sei. Eine Verletzung der in dieser Verordnung normierten Arbeitgeberpflichten könne daher nicht Grundlage eines Summenbescheides sein. Den noch über den Tag der Wiedervereinigung Deutschlands hinaus geltenden einschlägigen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts der DDR sei sie nachgekommen. Die anlässlich der Betriebsprüfung vorgelegten Lohn- und Gehaltsunterlagen würden den dort normierten Anforderungen jedenfalls gerecht. Der Erlass des Summenbescheides sei auch deshalb rechtswidrig, weil ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand eine Zuordnung der einzelnen Arbeitsentgelte zu einem bestimmten Beschäftigten möglich sei. Schließlich sei auch die Berücksichtigung der Prämienlöhne bei der Berechnung der Beiträge unzulässig, weil diese bereits im Juni 1990 entstanden seien und diese daher nach dem in diesem Zeitpunkt geltenden Recht beitragsfrei gewesen seien. Unerheblich sei, dass diese Prämienlöhne erst im Juli 1990 zur Auszahlung gelangt seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1996 aufzuheben.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 2. beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen zu 1. und 3. haben keine Anträge gestellt.

Die Beklagte trägt vor, dass § 28 f Abs. 2 SGB IV im Beitrittsgebiet unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens des Beitragsanspruchs auf alle Summenbescheide Anwendung finde, die nach dem 31. Dezember 1999 erlassen worden seien. Aber auch wenn die Voraussetzungen dieser Norm nicht vorliegen sollten, sei der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Rechtsgrundlage des Bescheides seien dann die einschlägigen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts der DDR. Aus dem Zusammenspiel der dort normierten Aufzeichnungspflichten ergebe sich, dass die erzielten Entgelte und Beiträge in sich schlüssig zu sein hätten und den einzelnen Beschäftigten zugeordnet werden müssten. Daraus folge, dass die von ihr vorgenommene Plausibilitätsprüfung auch nach diesen Normen rechtmäßig gewesen sei. Ihre sachliche Zuständigkeit für den Erlass des angefochtenen Bescheides folge aus § 8 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von Vermögensfragen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet vom 20. Dezember 1991 (SVVermG, BGBl. S. 2313). Danach sei für den Einzug der Sozialversicherungsbeiträge aus der Zeit vor dem 1. Januar 1991 die Einzugsstelle zuständig, die erstmals im Jahre 1991 gemäß § 28 i SGB IV zuständig geworden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere den Beschluss des Senats vom 7. Oktober 1998 und auf die die M.mbH betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Das Landessozialgericht Berlin ist zur Entscheidung berufen. Das Sozialgericht Berlin hat sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landessozialgericht Berlin verwiesen. Mit Beschluss des Senats vom 7. Oktober 1998 hat sich das Landessozialgericht Berlin ebenfalls für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin zurückverwiesen; gleichzeitig hat es die Sache dem Bundessozialgericht zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Das Bundessozialgericht hat mit Beschluss vom 25. Februar 1999 das Landessozialgericht Berlin zum zuständigen Gericht bestimmt.

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid vom 22. Januar 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1996 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Nach § 28 f Abs. 2 Satz 1 SGB IV in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2330, im Folgenden: a.F.), in den alten Bundesländern am 1. Januar 1989 in Kraft getreten, konnte die Einzugsstelle (ab 1. Januar 1996 der prüfende Träger der Rentenversicherung und übergangsweise bis zum 31. Dezember 1998 auch noch die Einzugsstelle [Art. 2 § 15 c des Dritten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches - 3. SGBÄndG - vom 30. Juni 1995 - BGBl. I S. 890]) den Beitrag in der Kranken- und Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, falls ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hatte und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden konnte. Der Arbeitgeber musste Aufzeichnungen unterlassen haben, zu denen er nach § 28 f Abs. 1 SGB IV verpflichtet war. Nach § 28 f Abs. 1 Satz 1 SGB IV hatte der Arbeitgeber für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren, Lohnunterlagen in deutscher Sprache zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung (§ 28 p SGB IV) folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren. Welchen Anforderungen diese Lohnunterlagen im Einzelnen zu genügen hatten, hatte der Gesetzgeber nicht bestimmt. Er hat den Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ermächtigt, Näheres hierzu durch Rechtsverordnung zu bestimmen (§§ 28 n Nrn. 6 und 7, 28 p Abs. 8 SGB IV a.F.). Der Verordnungsgeber hat von dieser Ermächtigungsgrundlage Gebrauch gemacht und die BÜVO in der für den vorliegenden streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung vom 22. Mai 1989 (BGBl. I, S. 992, im Folgenden: a.F.) erlassen, die die Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers konkretisiert. Voraussetzung für den Erlass eines Summenbescheides nach § 28 f Abs. 2 SGB IV war also eine Verletzung einer Aufzeichnungspflicht nach § 28 f Abs. 1 SGB IV in Verbindung mit der BÜVO a.F. (Bayer in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, Kommentar, § 28 f SGB IV Rdnr. 10; Sehnert in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 28 f RdNr. 7).

Derartige Aufzeichnungspflichten konnte die Rechtsvorgängerin der Klägerin aber schon deshalb nicht verletzen, weil die genannten Normen im zweiten Halbjahr 1990 im Beitrittsgebiet nicht geltendes Recht waren. Die §§ 28 a bis 28 r SGB IV und die BÜVO a.F. sind im Beitrittsgebiet, also in dem Gebiet, in dem die Betriebe der Rechtsvorgängerin der Klägerin, deren Unterlagen von der Beklagten geprüft worden sind, ihren Sitz hatten, erst mit der Übernahme des Beitragseinzugs durch die Krankenkassen in Kraft getreten (Kapitel III Art. 8 in Verbindung mit Anl. I Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 1 Buchst. e und Nr. 4 des Einigungsvertrages vom 31. August 1990 [BGBl. II 889, 1046, 1047]). Bis zu dieser Übernahme galten nach Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 2 Buchst. e und Nr. 3 und 9 a.a.O. die Vorschriften der ehemaligen DDR mit bestimmten Maßgaben weiter. Die Übernahme des Beitragseinzugs durch die Krankenkassen erfolgte erst ab dem 1. Januar 1991 (vgl. § 312 SGB V, aufgehoben mit Wirkung zum 1. Januar 2001 durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22. Dezember 1999 [BGBl. I S. 2657]). War die Klägerin daher bis zur Übernahme des Beitragseinzugs durch die Krankenkassen, also bis zum 31. Dezember 1990 und damit auch während des hier streitbefangenen Zeitraums nicht verpflichtet, Lohnunterlagen entsprechend den in der BÜVO normierten Anforderungen zu führen, kann ein mögliches, diesen Anforderungen nicht entsprechendes Aufzeichnungsverhalten der Klägerin nicht dazu führen, diese Verfahrensweise mit dem Erlass eines Summenbescheides zu sanktionieren.

Gegenteiliges vermag der Senat der von der Beklagten für die Richtigkeit ihrer Auffassung angeführten Kommentarstelle von Seewald (in Kasseler Kommentar, § 28 f SGB IV RdNr. 13) nicht zu entnehmen. Soweit die Beklagte der dortigen Anmerkung entnimmt, dass § 28 f Abs. 2 SGB IV für die alten Bundesländer unabhängig vom Zeitpunkt des Entstehens des Beitragsanspruchs auf alle Summenbescheide Anwendung finde, die nach dem 31. Dezember 1988 erlassen worden seien und Gleiches im Beitrittsgebiet für alle Summenbescheide gelten müsse, die nach dem 31. Dezember 1990 erlassen worden seien, unabhängig davon, ob die Beitragsansprüche bereits im Jahre 1990 entstanden seien, folgt der Senat dem nicht. Die Beklagte verkennt, dass in den alten Bundesländern auch vor dem 1. Januar 1989, also dem Tag des In-Kraft-Tretens der §§ 28 a bis 28 r SGB IV, und vor dem 1. Juli 1989, also dem Tag vor In-Kraft-Treten der BÜVO a.F., die BÜVO vom 28. Juni 1963 (BGBl. I S. 445, ber.S. 768) in Kraft war, in der bereits Auskunfts-, Aufzeichnungs- und Aufbewahrungsfristen für Lohnunterlagen normiert waren. Verletzte der Arbeitgeber diese ihm im Rahmen des Beitragseinzugs obliegenden Pflichten oder manipulierte er die Aufzeichnungen in den Lohnkonten und war deswegen der Einzugsstelle trotz Ausschöpfung aller erreichbaren Erkenntnismittel eine personenbezogene Beitragserhebung nicht möglich, so durfte diese eine pauschale (personen-unabhängige) Beitragserhebung aufgrund der festgestellten Lohnsummen vornehmen (Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. März 1986 - 12 RK 26/85 -, USK 8616). Die Regelung des § 28 f SGB IV entspricht dieser Rechtsprechung. Der Gesetzgeber hat diese Rechtsprechung lediglich in Gesetzesform gefasst.

Im Beitrittsgebiet stellt sich die Situation hingegen anders dar. Mindestens bis zum 31. Dezember 1990 waren die §§ 28 a bis 28 r SGB IV für die dortigen Arbeitgeber kein geltendes Recht (s.o.). Die Anwendung dieser Normen auf abgeschlossene Sachverhalte im zweiten Halbjahr 1990 würde den Arbeitgebern des Beitrittsgebiets einen Pflichtenkatalog (§ 2 BÜVO a.F.: Aufzeichnung der Beschäftigungsart [Nr. 5], der für die Versicherungsfreiheit oder die Befreiung von der Versicherungspflicht maßgebenden Angaben [Nr. 6], das Arbeitsentgelt nach § 14 SGB IV, seine Zusammensetzung und zeitliche Zuordnung [Nr. 7], das beitragspflichtige Arbeitsentgelt bis zur Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung, seine Zusammensetzung und zeitliche Zuordnung [Nr. 8], den Beitragsgruppenschlüssel [Nr. 9], die Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag [Nr. 10], den vom Beschäftigten zu tragenden Anteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag, nach Beitragsgruppen getrennt [Nr. 11], u.a.) auferlegen, den sie rückwirkend tatsächlich (häufig) nicht mehr erfüllen könnten. Die Sanktionierung dieser Unmöglichkeit mittels eines Summenbescheides würde gegen das Rechtsstaatsprinzip und hierbei insbesondere gegen das Rückwirkungsverbot (dazu Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 3. Auflage 1995, Art. 20 RdNr. 47 ff.) verstoßen.

Rechtsgrundlage des Summenbescheides ist auch nicht § 8 Abs. 2 SVVermG. Nach Satz 1 dieser Norm ist für den Einzug der Sozialversicherungsbeiträge (im Beitrittsgebiet) aus der Zeit vor dem 1. Januar 1991 die Einzugsstelle zuständig, die erstmals im Jahr 1991 gemäß § 28 i SGB IV zuständig geworden ist. Soweit es sich um Beiträge aus der Zeit vor dem 1.Juli 1990 handelt, stehen der nach Satz 1 zuständigen Krankenkasse zwei Fünftel und dem zuständigen Rentenversicherungsträger drei Fünftel des Beitrags zu (Satz 2).

Diese Norm regelt in Satz 1 die Zuständigkeit für den nachträglichen Einzug von Sozialversicherungsbeiträgen aus der Zeit vor dem 1. Januar 1991, also im hier streitbefangenen Zeitraum vom 1. Juli 1990 bis zum 31. Dezember 1990 die Einnahme von nach dem Gesetz über die Sozialversicherung (SVG) vom 28. Juni 1990 (GBl. S. 486) in Verbindung mit der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 17. November 1977 (GBl. I S. 373) geschuldeten Beiträgen. Damit handelt es sich bei Satz 1 um eine Zuständigkeitsnorm und nicht um eine Rechtsgrundlage für einen Summenbescheid. Diese ist ausschließlich § 28 f Abs. 2 SGB IV. Dies gilt entsprechend für § 8 Abs. 2 Satz 2 SVVermG, der ausschließlich eine Zuordnung der eingezogenen Beiträge zu der zuständigen Krankenkasse und dem Rentenversicherungsträger vornimmt. Beide Sätze des § 8 Abs. 2 SVVermG normieren weder Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers noch ermächtigen sie die zuständige Einzugsstelle zum Erlass eines Summenbescheides.

Der Senat kann unentschieden lassen, ob und in welcher Höhe die Klägerin noch Sozialversicherungsbeiträge nach dem SVG und der SVO schuldet und ob sie gegen Aufzeichnungs- und/oder Auskunftspflichten verstoßen hat, die bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet galten. Die §§ 93 und 96 der SVO der DDR sahen derartige Pflichten vor. Diese Pflichten waren indes auf das Sozialversicherungsrecht der DDR zugeschnitten. So waren u.a. „die Betriebe verpflichtet, in den Lohnabrechnungsunterlagen für die jeweilige Lohnabrechnungsperiode und für das Kalenderjahr für die Zwecke der Sozialversicherung die Höhe des beitragspflichtigen Verdienstes und die Höhe des Arbeitsverdienstes, von dem Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung entrichtet wurden“, einzutragen (§ 93 Abs. 1 Buchst. a und b SVO). Die Aufzeichnungspflichten nach der BÜVO (s.o.) orientieren sich demgegenüber an dem bundesdeutschen Sozialversicherungsrecht. Die dort normierten Anforderungen an die zu führenden Lohnunterlagen unterscheiden sich also inhaltlich schon der Natur der Sache nach von dem Pflichtenkatalog des DDR-Verordnungsgebers.

Jedenfalls kann aber eine mögliche Verletzung von Aufzeichnungspflichten nach dem SVG oder der SVO nicht zum Erlass eines Summenbescheides nach § 28 f Abs. 2 SGB IV führen. Denn § 28 f Abs. 2 SGB IV setzt voraus, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflicht nach § 28 f Abs. 1 SGB IV verletzt hat, also einer Pflicht, die der bundesdeutsche Gesetzgeber normiert hat. Eine analoge Anwendung der Rechtsfolge des § 28 f Abs. 2 SGB IV aufgrund der Verletzung einer Aufzeichnungspflicht des Verordnungsgebers der DDR würde auch hier - zumal es sich bei § 28 f Abs. 2 SGB IV um eine Norm der Eingriffsverwaltung handelt - gegen das Rechtsstaatsprinzip (s.o.) verstoßen.

Schließlich enthielten auch die noch bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Normen des Sozialversicherungsrechts des Beitrittsgebietes keine Rechtsgrundlage für den Erlass eines Summenbescheides, so dass eine mögliche Beitragsforderung nicht mittels eines derartigen Bescheides geltend gemacht werden kann. Durch die Verletzung von in dem SVG und in der SVO der DDR normierten Aufzeichnungs- und Auskunftspflichten machten sich die Betriebe des Beitrittsgebiets gegenüber der Sozialversicherung der DDR und später des Beitrittsgebiets (bis zum 31. Dezember 1990) schadensersatzpflichtig (§§ 99 und 100 SVO). Ein derartiger Anspruch ist jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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