S 6 U 163/00

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
SG Mainz (RPF)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 6 U 163/00
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Bescheide der Beklagten vom 30.3.1999 in der geänderten Fassung vom 5.8.1999 und vom 20.7.1999, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2000 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Beitragsverpflichtung zur gesetzlichen Unfallversicherung während der Errichtung eines Eigenheims.

In der Zeit ab dem 10.6.1998 errichtete der Kläger zusammen mit seinem Vater, Herrn K S, als Miteigentümer des Grundstücks W-Str., K, ein Zweifamilienhaus. Der umbaute Raum beträgt nach den Bauunterlagen der Verbandsgemeindeverwaltung K 1.313,80 m3, der Garage 183,64 m3. Am 6.7.1998 führte die Beklagte eine Baustellenüberprüfung durch, bei der zwei Personen bei Rohbauarbeiten angetroffen wurden.

Ein dem Kläger seitens der Beklagten mit Datum vom 28.7.1998 zugesandter Vorermittlungsbogen wurde vom Kläger zunächst nicht ausgefüllt. Daraufhin setzte die Beklagte mit Bescheid vom 5.10.1998 die Beiträge des Klägers zur Gesetzlichen Unfallversicherung auf Grund einer Schätzung gemäß § 165 Abs 3 SGB VII fest. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch, dem auf Grund der Mitteilung, dass neben dem Kläger auch dessen Vater Miteigentümer und Bauherr des Bauvorhabens war, abgeholfen wurde. Der Bescheid vom 5.10.1998 wurde ersatzlos aufgehoben und die Bauherrengemeinschaft des Klägers und dessen Vater unter neuem Aktenzeichen bei der Beklagten geführt. Ein neuer Beitragsbescheid erging an den Kläger und dessen Vater am 30.3.1999. Diesem Bescheid lag eine Massenberechnung nach Aktenlage unter Zugrundelegung der Arbeitszeitrichtwerttabelle der Bauindustrie zu Grunde. Danach seien für die Erstellung des Rohbaus vom Baubeginn am 10.6.1998 bis Dezember 1998 insgesamt 1108 Arbeitsstunden durch Dritte erforderlich gewesen. Somit wurden Beiträge für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten für den Zeitraum vom 10.6.1998 bis 30.6.1998 in Höhe von DM 675,04 und für den Zeitraum vom 1.7.1998 bis 31.12.1998 in Höhe von DM 2.933,84 erhoben.

Hiergegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 21.4.1999 mit der Begründung vom 7.6.1999, er sei Rentner und habe am Tag 8 bis 10 Stunden am Bauvorhaben gearbeitet, samstags 12 Stunden, so dass seine Wochenarbeitszeit bereits 57 Stunden betragen habe. Sein Vater arbeite im Schichtdienst und habe am Tag 6 bis 7 Stunden am Bauvorhaben gearbeitet, samstags 12 Stunden, so dass sich seine Wochenarbeitszeit mit 47 Stunden berechne. Die Ehefrau des Klägers habe 6 bis 7 Stunden am Tag mitgeholfen, pro Woche somit 36 Stunden, so dass insgesamt Eigenleistungen in der Woche von 140 Stunden erbracht worden seien. Bei Zugrundelegung von DM 60,- Facharbeiterstunden errechne sich ein Rohbaupreis bezüglich der Eigenleistungen in Höhe von DM 252.000,-, so dass erkennbar keinerlei Drittleistungen in Anspruch zu nehmen gewesen seien. Der Bescheid sei daher rechtswidrig.

Am 5.7.1999 erfolgte eine Baubesichtigung durch einen Außendienstmitarbeiter der Beklagten, der feststellte, dass es sich bei dem Bauvorhaben um ein 1 1/2 geschossiges, voll unterkellertes Zweifamilienhaus mit Satteldach und zwei großen Gauben sowie einer Doppelgarage handelt. Das Haus sei massiv gebaut und das Dachgeschoss sei dem Wohnbereich zuzurechnen. Daraufhin erging am 20.7.1999 ein Beitragsbescheid, der die Feststellungen am Bau berücksichtigte und für den Zeitraum vom 1.1.1999 bis 5.7.1999 ein Beitrags für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten in Höhe von DM 1.578,- festsetzte. Diesem Bescheid lagen gemäß § 165 Abs 3 SGB VII geschätzte 500 Helferstunden zu Grunde. Den Bescheid vom 30.3.1999 änderte die Beklagte am 5.8.1999 dahin gehend ab, dass für den Zeitraum vom 10.6.1998 bis 30.6.1998statt der ursprünglich berechneten 208 Stunden lediglich 100 Stunden und für den Zeitraum vom 1.7.1998 bis 31.12.1998 496 (statt ursprünglich 900) Stunden der Beitragsberechnung zu Grunde gelegt wurden.

Der Beitragsbescheid vom 30.3.1999 in der geänderten Fassung vom 5.8.1999 sowie der Beitragsbescheid vom 20.7.1999 wurde gemäß § 86 Abs 1 SGG Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens, das mit Widerspruchsbescheid vom 11.7.2000 beendet wurde. Die Beklagte wies darin die Widersprüche zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass, soweit Bauherren Bautätigkeit in eigener Regie ausführten, dh nicht durch gewerbliche Unternehmer ausführen ließen, die hierbei eingesetzten Personen, einschließlich Aushilfen, Freunde, Bekannte, Nachbarn, Arbeitskollegen und Familienangehörige, mit Ausnahme des Ehegatten, gesetzlich unfallversichert seien. Der Bauherr habe daher gegenüber der Bau-Berufsgenossenschaft Rheinland und Westfalen alle Verpflichtungen eines Unternehmers.

Mit seiner Klage vom 7.8.2000 begehrt der Kläger weiterhin die Aufhebung der Beitragsbescheide.

Er trägt vor,

Bereits die Schätzungsvoraussetzungen nach § 165 Abs 3 SGB VII hätten nicht vorgelegen. Der Kontrolleur der Beklagten habe bereits während der Kontrolle am 6.7.1998 erfahren, dass es sich bei den am Bau arbeitenden Personen um den Kläger und seinen Vater gehandelt habe. Daher habe die Beklagte den Vorermittlungsbogen auch beiden Bauherren zusenden müssen. Mit Schreiben vom 5.11.1998 sei der Beklagten auf Anfrage mitgeteilt worden, dass keine mithelfenden Personen vorhanden gewesen seien. Die Bescheide seien daher in Kenntnis der Tatsache ergangen, dass eine Versicherungspflicht auf Grund der angegebenen Umstände nicht vorliege. Die Berechnungen der Beklagten seien daher unrichtig.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 30.3.1999 in der geänderten Fassung vom 5.8.1999 sowie vom 20.7.1999, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.7.2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie stützt sich auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid vom 11.7.2000 und führt ergänzend aus, dass, selbst wenn die Bauleistungen, die nicht von den beiden Bauherren selbst ausgeführt worden seien, durch Frau E S, die Ehefrau des K S, durchgeführt worden seien, der Kläger zu Beitragszahlungen zur gesetzlichen Unfallversicherung heranzuziehen sei. Die Ehefrau sei nach § 2 Abs 2 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII wie eine Arbeitnehmerin tätig geworden.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die angefochtenen Beitragsbescheide der Beklagten sind rechtswidrig. Nach § 150 Abs 1 SGB VII ist der Unternehmer beitragspflichtig, für dessen Unternehmen Versicherte tätig sind. Die Voraussetzungen der Beitragsverpflichtung des Bauherren für nicht gewerbsmäßige Bauarbeiten ergibt sich aus § 165 Abs 2 iVm § 165 Abs 3 SGB VII. Die Voraussetzungen der Schätzung nach § 165 Abs 3 SGB VII lagen zunächst vor, nachdem der Kläger den seitens der Beklagten übersandten Vorermittlungsbogen nicht ordnungsgemäß ausgefüllt zurückgesandt hatte. Nach Nachholung der Mitwirkungspflicht durch den Kläger lagen diese Voraussetzungen hingegen nicht mehr vor. Ein Nachweis, dass neben dem Kläger und seinem Vater (Bauherren) weitere versicherungspflichtige Personen am Bau mitgearbeitet haben ist nicht erbracht. Anlässlich der Baustellenbesichtigungen durch die Beklagte sind nur zwei Personen angetroffen worden, bei denen es sich nach Angaben des Klägers um ihn selbst und seinen Vater, also die beiden Bauherren, gehandelt habe. An diesen Angaben sind seitens der Beklagten im Rahmen des Gerichtsverfahrens keine Zweifel mehr angemeldet worden.

Die Beklagte vertritt jedoch die Auffassung, dass zumindest die Ehefrau des Vaters des Klägers, Frau E S, der Versicherungspflicht nach § 2 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 SGB VII der Versicherungspflicht unterlegen habe, da sie wie eine Arbeitnehmerin tätig geworden sei. Den Umfang der Arbeitsleistungen der Frau E S habe der Kläger im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit 36 Stunden wöchentlich angegeben.

Frau E S unterlag hingegen nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung. Voraussetzung für eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 SGB VII ist, dass eine Person wie ein abhängig Beschäftigter tätig geworden ist. Der Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift setzt eine ernsthafte, mehr oder weniger vorübergehende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert, die dem Unternehmen zu dienen bestimmt ist, voraus. Ausschlaggebend ist hierbei die mit dem Tun - selbst wenn es objektiv arbeitnehmerähnlich ist - verbundene Handlungstendenz des Betroffenen, soweit sie in den gesamten Umständen ihre Bestätigung findet (fremdwirtschaftliche Zweckbestimmung). Die von den Beweggründen für den Entschluss, tätig zu werden zu unterscheidende Handlungstendenz zeigt an, welches Unternehmen in erster Linie und wesentlich unterstützt wird. Die Handlungstendenz des Betroffenen muss fremdwirtschaftlich auf die Belange des Unternehmens gerichtet sein; dies ist nicht gegeben, wenn wesentlich eigene Angelegenheiten verfolgt werden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 2 SBB VII, Anm 34.8, mwN zur Rechtsprechung). Dient die Tätigkeit sowohl eigenen Belangen als auch fremden Zwecken, sind objektiv erbrachte Leistungen und subjektive Handlungstendenz ihrer Intensität nach jeweils gegeneinander abzuwägen (aaO).

Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Frau E S hat beim Bau des Zweifamilienhauses durch ihren Ehemann und dessen Sohn, den Kläger, mitgeholfen. Hilft eine Ehefrau beim Bau eines Zweifamilienhauses mit, in das sie selbst später einziehen will, wovon auf Grund der Ehe mit einem Bauherrn auszugehen ist, so erfolgt diese Mithilfe nicht fremdwirtschaftlich, sondern dient wesentlich eigenen Interessen. Sie dient der Errichtung bzw Sicherstellung des eigenen Wohnraumes und damit der Grundlage der eigenen Lebensführung. Von einem fremdwirtschaftlichen Dienen eines anderen Unternehmens kann daher nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden. Hierfür sind im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Auf die Grundsätze der Gefälligkeitsleistungen unter Verwandten kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an, da die mitarbeitende Frau E S ihren Verwandten keine Gefälligkeit erwiesen hat, sondern im eigenen Interesse an der Errichtung des gemeinsam zu bewohnenden Wohnhauses mitgewirkt hat.

Erweisen sich die angefochtenen Bescheide der Beklagten mithin als rechtswidrig, so waren sie aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.
Rechtskraft
Aus
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