L 9 KR 64/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 89 KR 1246/98-73
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 64/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Krankenkasse dem Kläger die ihm durch bzw. aus Anlass einer privatärztlichen Behandlung entstandenen Kosten in Höhe von 6.696,86 DM erstatten muss.

Der bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet nach einem Attest seiner behandelnden Ärztin vom 12. Februar 1998 (Blatt 11 Verwaltungsakte der Beklagten) an allgemeinen Gelenkbeschwerden und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule. Nach Angaben des Klägers konnten trotz vielfältiger Behandlungsmaßnahmen die seit Jahren bestehenden Paraesthesien der Extremitäten und die Muskelschmerzen nicht gelindert bzw. beseitigt werden.

Unter Beifügung eines Kostenvoranschlages des in Baden-Baden privatärztlich praktizierenden Dr. D vom 12. Dezember 1997 beantragte der Kläger am 7. Januar 1998 die Übernahme der Kosten für eine sogenannte „Kochsalztherapie“. Hiernach beliefen sich die Kosten für die neu-rotopische Diagnostik und Therapie zwecks Dynamisierung der Mikrozirkulation im entzündeten organischen Bereich sowie eine körperinduzierte zeitabhängige Durchblutungsheilung auf 6.636,55 DM. Zudem bat der Kläger um Kostenerstattung für eine bereits durchgeführte privatärztliche Beratung und Untersuchung durch Dr. D am 12. Dezember 1997 in Höhe von 60,31 DM.

Mit Bescheid vom 18. März 1998 - bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 11. November 1998 - lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten bzw. die Kostenerstattung für die Behandlungsmaßnahmen mit der Begründung ab, dass Dr. D zur vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassen sei. Zudem handele es sich um eine nicht anerkannte Behandlungsmaßnahme, die einen Leistungsanspruch ausschließe.

Der Kläger, der zwischenzeitlich die Therapie nach Dr. D durchgeführt hat, hat im anschließenden Klageverfahren geltend gemacht, die neurotopische Therapie habe zu einer deutlichen Verbesserung seines Gesundheitszustandes geführt. Die Wirksamkeit der neuen Behandlungsmethode sei aufgrund wissenschaftlich geführter Statistiken in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachgewiesen.

Mit Urteil vom 12. Mai 1999 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) seien nicht gegeben. Der geltend gemachte Anspruch scheitere daran, dass Dr. D nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Denn gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V könnten die Versicherten (nur) unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen. Darüber hinaus sei hinsichtlich des Betrages von 60,31 DM der Kos-tenerstattungsanspruch nicht gegeben, weil die Untersuchung und Beratung durch Dr. D bereits vor der Antragstellung des Klägers und der Entscheidung der Beklagten über den Anspruch stattgefunden habe. Schließlich handele es sich bei der Therapie nach Dr. D um keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seien so lange von der Abrechnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen, bis der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sie als zweckmäßig anerkannt habe. Eine Methode habe sich in der medizinischen Praxis auch erst dann durchgesetzt, wenn sie in medizinischen Fachdiskussionen eine breite Resonanz gefunden und von einer erheblichen Anzahl von Ärzten angewandt werde. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Mit seiner Berufung vom 21. Juli 1999 wendet sich der Kläger gegen das ihm am 12. Juli 1999 zugestellte Urteil und verfolgt sein Kostenerstattungsbegehren weiter. Entscheidend ist nach seiner Ansicht, dass er zuvor bereits jahrelang erfolglos therapiert worden sei. Insofern unterscheide sich sein Fall von den Fällen, die das Bundessozialgericht bereits entschieden habe. Auch sei es nicht gerechtfertigt, den Versicherten eine Leistung zu versagen, die sich erfolgreich bei vielen Patienten ausgewirkt habe und sich nunmehr bereits in einer Zwischenphase zur Anerkennung befinde.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Mai 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. März 1998 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 6.696,86 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und der Akte der Beklagten Bezug genommen.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 6.636,55 DM für die durchgeführte Behandlung bei Dr. D noch in Höhe von 60,31 DM für die vor Behandlungsbeginn erfolgte Untersuchung und Beratung.

Als Rechtsgrundlage für die Erstattung bereits entstandener Kosten kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Danach hat die Krankenkasse, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, dem Versicherten die für die Beschaffung der Leistung aufgewendeten Kosten zu erstatten. Der Kostenerstattungsanspruch tritt an die Stelle eines an sich gegebenen Sachleistungsanspruchs, den die Kasse infolge eines Versagens des Beschaffungssystems nicht erfüllt hat. Er kann deshalb nur bestehen, soweit die selbst beschaffte Leistung ihrer Art nach zu den Leistungen gehört, welche die gesetzlichen Krankenkassen als Sach- und Dienstleistung zu erbringen haben (BSG SozR 3-2500 § 31 Nr. 5 S. 15; BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 9, S. 27). Letzteres ist hier nicht der Fall (so bereits Urteile des erkennenden Senats vom 10. August 1998 - L 9 Kr 125/97 - und 23. Juni 1999 - L 9 KR 9/98 -).

§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 und 3 SGB V begründen keinen unmittelbaren durchsetzbaren Anspruch auf Versorgung mit einer Behandlung durch einen Arzt schlechthin, sondern lediglich ein - im System der gesetzlichen Krankenversicherung - ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht. Deshalb ist eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 SGB V grundsätzlich ausgeschlossen, wenn sich ein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung nicht zugelassenen Arzt hat behandeln lassen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG SozR 3-2500 § 13 Nrn. 4 und 7). Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V dürfen andere Ärzte nur in einem Notfall in Anspruch genommen werden, für den hier keine Anhaltspunkte bestehen. Des Weiteren nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen im sozialgerichtlichen Urteil, Seite 6, Bezug, die er sich nach eigener Prüfung zu eigen macht (§ 153 Abs. 2 SGG).

Darüber hinaus ist die begehrte Kostenerstattung hier auch deswegen ausgeschlossen, weil es sich bei der sogenannten „Kochsalztherapie“ um eine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode bzw. ein neues Heilmittel handelt, für das der Bundesausschuss der Ärzte und Kran-kenkassen weder in Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB-Richtlinien) noch in den Heilmittel- und Hilfsmittelrichtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V eine Empfehlung über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens dieser Methode, die notwendige Qualifikation der Ärzte sowie die apparativen Anforderungen und die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung abgegeben (§ 135 Abs. 1 Nrn.1 bis 3 SGB V) noch in Richtlinien (§ 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V) den therapeutischen Nutzen als Heilmittel anerkannt und Empfehlungen für die Qualitätssicherung bei der Leistungserbringung gemäß § 138 SGB V ausgesprochen hat. Damit fehlt es an der Anerkennung der Verordnungsfähigkeit der bei dem Kläger angewandten sogenannten „Kochsalztherapie“. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang im Berufungsverfahren sein Kostenerstattungsbegehren erneut maßgeblich auf den bei ihm eingetretenen Behandlungserfolg stützt, ist dies ohne Belang. Auf einen Erfolg von nicht allgemein anerkannten Methoden im Einzelfall kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht an. Der Behandlungserfolg muss vielmehr anhand einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen nachgewiesen werden und die Wirksamkeit der neuen Methode sich aus wissenschaftlich einwandfrei geführten Statistiken über die Zahl der behandelten Fälle ablesen lassen (so BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5, S. 12). Daran fehlt es hier. Sofern sich aus den vom Kläger eingereichten und von Dr. D zur Verfügung gestellten Unterlagen entnehmen lässt, dass bereits mehrere Krankenkassen die Behandlungskosten übernähmen, ist dies gleichfalls ohne Belang. Denn aus der (fehlerhaften) Verwaltungspraxis gesetzlicher Krankenkassen lässt sich kein sicherer Schluss auf die medizinische Wirksamkeit einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode ziehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist dafür nicht auf die Durchsetzung einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode in der Verwaltungspraxis der gesetzlichen Krankenkassen abzustellen, sondern auf die statistisch belegte medizinische Wirksamkeit oder gegebenenfalls darauf, ob sich die Methode in der medizinischen Praxis durchgesetzt hat (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4). Davon kann nur ausgegangen werden, wenn die umstrittene Methode in der medizinischen Fachdiskussion eine breite Resonanz gefunden hat und von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt wird. Hierfür bestehen im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte, worauf das Sozialgericht bereits zutreffend hingewiesen hat.

Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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