L 9 KR 86/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 247/98
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 86/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 1999 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin für die Zeit vom 2. Februar bis 28. März 1997.

Die am 17. September 1969 geborene Klägerin ist mit dem Beigeladenen zu 4. verheiratet. Dieser besitzt einen türkischen Imbiss in Berlin-Neukölln. Nach einem Anstellungsvertrag vom 1. März 1993 war die Klägerin als Angestellte bei dem Beigeladenen zu 4. beschäftigt und zwar als Imbiss-Hilfe (u.a. Reinigung und Vorbereitung der Speisen) für 15 Stunden wöchentlich bei einem monatlichen Gehalt von 600,00 DM brutto. Nach der Geburt des ersten Kindes im Februar 1995 arbeitete die Klägerin nicht mehr, sondern bezog bis Anfang Februar 1997 Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz. Im Anschluss hieran nahm sie nach ihren Angaben die Arbeit bei dem Beigeladenen zu 4. wieder auf.

Mit Schreiben vom 7. März 1997 übersandte die Beklagte dem Beigeladenen zu 4. eine Mitgliedsbescheinigung nach § 175 Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch (SGB V), wonach die Klägerin ab 2. Februar 1997 bei ihr Mitglied geworden sei. Am 7. Mai 1997 wurde das zweite Kind der Klägerin und des Beigeladenen zu 4. geboren.

Am 21. Mai 1997 ging bei der Beklagten eine von dem Beigeladenen zu 4. ausgestellte Verdienstbescheinigung zur Berechnung von Mutterschaftsgeld/Sonderunterstützung für die Klägerin ein. Hierin wird für die Zeit vom 3. bis 28. Februar und 1. bis 27. März 1997 jeweils ein monatliches Nettogehalt von 344,87 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden an 5 Tagen in der Woche bescheinigt. Letzter Arbeitstag vor der Entbindung sei der 27. März 1997 gewesen.

Mit Bescheid vom 3. Juli 1997 stellte die Beklagte fest, dass für die Klägerin ab Februar 1997 keine Versicherungspflicht im Sinne der Sozialversicherung bestehe. Die im März 1993 erfolgte Anmeldung werde zum 1. Februar 1997 beendet. Die Ernsthaftigkeit eines Arbeitsverhältnisses sei nicht nachgewiesen.

In ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, es habe ein ordnungsgemäßes Beschäftigungsverhältnis vorgelegen. Das Entgelt habe ihr zur Verfügung gestanden und sei in ihren Vermögensbereich gelangt.

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin mit Schreiben vom 9. März 1998 mit, ihre Schwiegermutter, Frau H. A., habe nach Beginn der Schutzfrist am 28. März 1997 ihre Arbeiten mit erledigt. Die Schwiegermutter sei bereits geringfügig beschäftigt gewesen und habe die zusätzlich anfallenden Arbeiten in „ihre Position“ eingebracht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 1998 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat die Klägerin geltend gemacht, es sei nicht ungewöhnlich ein Beschäftigungsverhältnis wieder aufzunehmen, selbst wenn man schwanger sei.

Zur näheren Ausgestaltung des Beschäftigungsverhältnisses hat der Beigeladene zu 4. in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Berlin am 23. Juli 1999 ausgeführt, dass die Klägerin in der Regel von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr gearbeitet habe. Sie habe den Imbiss gereinigt, Speisen vorbereitet und auch verkauft. Im Imbiss habe noch seine Mutter und sein Schwager gearbeitet. Das Entgelt habe die Klägerin Ende des Monats bar erhalten und hierfür Sachen für die Kinder gekauft oder das Geld in die Türkei geschickt. Da sie bis Anfang Februar 1997 Erziehungsgeld erhalten habe, sei eine Arbeitsaufnahme vor diesem Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Während des Erziehungsurlaubes hätten er und sein Schwager die Arbeiten der Klägerin mit übernommen. Das Sozialgericht Berlin hat in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juli 1999 zudem Beweis über die Arbeitsausgestaltung und den Umfang der seit Februar 1997 von der Klägerin verrichteten Arbeit erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen D. und S.

Mit Urteil vom 23. Juli 1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Nach der gebotenen Wertung der Gesamtumstände des vorliegenden Einzelfalles habe mehr gegen als für eine Einstufung der Klägerin als abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin gesprochen. Die Kammer gehe zwar durchaus davon aus, dass die Klägerin im gewissen Umfang in dem Imbiss des Beigeladenen zu 4. tätig gewesen sei. Es habe aber nicht festgestellt werden können, dass die Tätigkeit die im Rahmen sogenannter familienhafter Mithilfe ohnehin geschuldete Hilfe überstiegen habe und dass ausgerechnet im streitbefangenen Zeitraum vom 2. Februar bis 28. März 1997 die Geringfügigkeitsgrenze überschritten worden sei. Nicht befriedigend habe geklärt werden können, warum die Klägerin ausgerechnet im hochschwangeren Zustand am 2. Februar 1997 ihre Tätigkeit wieder aufgenommen haben will. Auch während des Bezuges von Erziehungsgeld sei es möglich - allerdings unter prozentualer Anrechnung des Einkommens - einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Weiterhin sei nicht zur Zufriedenheit geklärt, weshalb die Arbeitsleistung der Klägerin im Imbiss tatsächlich erforderlich gewesen und welche fremde Arbeitskraft ersetzt worden sei. Auch auf Nachfrage sei nicht nachvollziehbar erklärt worden, wie die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 9. März 1998 zu verstehen sein, wonach ihre Schwiegermutter die Vertretung nicht zusätzlich zu deren geringfügiger Beschäftigung übernommen habe, sondern „ihre Position eingebracht“ habe. Die Zeugin D. habe zwar eine Tätigkeit der Klägerin bestätigt. Da die Zeugin das Geschäft aber nicht täglich aufgesucht habe, habe sie zum tatsächlichen Arbeitsumfang keine Angaben aus eigener Anschauung machen können. Darüber hinaus sei der tatsächliche Zahlungsfluss des Gehaltes nicht nachgewiesen worden. Die Zeugin S. bestätigte zwar, dass die Klägerin „auch“ im Februar/März 1997 Geld erhalten habe. Die hierfür gegebene Begründung läge jedoch eher nahe, dass die Klägerin dieses Geld ohnehin im Rahmen familiärer Unterhaltsleistungen regelmäßig erhalten habe.

Gegen dieses ihr am 18. August 1999 zugestellte Urteil richtet sich die am 24. August 1999 eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren auf Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht weiter verfolgt. Sie macht geltend, sie habe das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Beschäftigungsverhältnisses nachgewiesen. Von einem Gefälligkeitsarbeitsverhältnis könne keine Rede sein. Die Zeugin D. habe zum tatsächlichen Arbeitsumfang insofern eine Aussage gemacht, als sie einen Arbeitsumfang von ca. 3 Stunden am Tag zu schätzen vermochte. Es habe zudem ein schriftlicher Arbeitsvertrag vorgelegen und es sei eine ordnungsgemäße Abrechnung der Bezüge erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Juli 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. März 1998 aufzuheben und festzustellen, dass sie auf Grund ihrer Beschäftigung bei dem Beigeladenen zu 4. für die Zeit vom 2. Februar bis 28. März 1997 versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit beschäftigt gewesen ist.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 3. beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladenen zu 1., 2. und 4. haben keine Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 1999 sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Der Senat hat die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einstimmig durch Beschluss zurückgewiesen, weil sie unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zutreffend hat die Beklagte festgestellt, dass die Klägerin nicht versicherungspflichtig in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch / Elftes Buch (SGB XI) und § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch /Sechstes Buch (SGB VI) sowie nicht beitragspflichtig zur Bundesanstalt für Arbeit nach § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) beschäftigt gewesen ist, da ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis mit dem Beigeladenen zu 4. in dem streitbefangenen Zeitraum vom 2. Februar bis 28. März 1997 nicht vorgelegen hat. Im Übrigen hätte auch Beitragsfreiheit zur Bundesanstalt für Arbeit auf Grund der von der Klägerin vorgetragenen wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden nach § 169a Abs. 1 AFG i.V.m. § 102 Abs. 1 AFG in den bis zum 31. März 1997 geltenden Fassungen bestanden, weil es sich um eine kurzzeitige Beschäftigung gehandelt hätte (weniger als 18 Stunden wöchentlich).

Der Begriff der Beschäftigung ist für alle sozialen Versicherungsverhältnisse in § 7 SGB IV bestimmt. Danach ist die Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Das Vorliegen eines solchen Arbeitsverhältnisses hat das Sozialgericht nach der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Falles zu Recht mit der Begründung verneint, dass die von der Klägerin verrichteten Tätigkeiten für den Betrieb des Beigeladenen zu 4. in keinem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, sondern auf Grund familienhafter Mithilfe erbracht wurden. Dieser rechtlichen Einschätzung ist zu folgen. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Urteil Bezug, denen der Senat nach eigener Prüfung in vollem Umfang folgt (vgl. § 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist anzuführen, dass entgegen der Ansicht der Klägerin auch aus den Bekundungen der Zeugin D. nicht auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis geschlossen werden kann, welches zudem die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschritten hat. Denn die Zeugin hat ausdrücklich in ihrer Vernehmung am 23. Juli 1999 vor dem Sozialgericht Berlin erklärt, nicht sagen zu können, ob die Klägerin jeden Tag gearbeitet habe, da sie sie nicht ständig beobachtet habe. Insofern konnte die Zeugin gerade nicht bestätigen, dass die Klägerin mindestens 15 Stunden gearbeitet hat. Ebenso konnte sie über den zeitlichen Umfang der Arbeit keine konkreten Angaben machen und musste diesbezüglich einräumen, nicht genau zu wissen, wie viele Stunden die Klägerin gearbeitet habe. Letztlich war sie nur in der Lage sich dahingehend zu äußern, die Klägerin Ende der Wintermonate Februar/März 1997 oft gesehen zu haben.

Auch die Übersendung der Mitgliedsbescheinigung vom 7. März 1997 nach § 175 SGB V an den Beigeladenen zu 4. (Bl. 50 Gerichtsakte) reicht für das Bestehen eines Versicherungsverhältnisses nicht aus. Hierin liegt keine Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes, mit dem die Versicherungspflicht festgestellt wurde (vgl. BSG SozR 3-2200 § 306 Nr. 2 m.w.N.).

Die Berufung musste deshalb in vollem Umfang erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorlagen.
Rechtskraft
Aus
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