L 5 KR 7/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 KR 113/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 5 KR 7/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 1/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 12.12.2002 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Versorgung mit einer Oberschenkelprothese mit einem elektronisch gesteuerten Kniegelenksystem (C-Leg).

Der bei der Beklagten versicherte 1966 geborene Kläger erlitt 1984 im Rahmen eines Verkehrsunfalls eine traumatische Oberschenkelamputation links. Er war von der Beklagten mit einer Oberschenkelprothese mit hydraulischem Kniegelenk (Endolite ESK Sicherheitskniegelenk mit S Hydraulik-Einheit) versorgt. Während des Verfahrens hat sich der Kläger die C-Leg-Prothese selbst beschafft, wofür ihm Kosten in Höhe von insgesamt 27.918,14 Euro entstanden sind.

Im Februar 1998 beantragte der Kläger mit einer Verordnung des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. G die Versorgung mit einer Oberschenkelprothese mit elektronisch gesteuerter Hydraulik (sogenanntes C-Leg). Nach dem beigefügten Kostenvoranschlag sollten die Kosten rund 44.400,- DM betragen. In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 26.02.1998 führte Arzt für Chirurgie Dr. T aus, es liege eine "grob unwirtschaftliche Verordnungsweise" vor, eine herkömmliche Prothese koste 15.000,- DM, alles was darüber hinausgehe, sei eine "Luxusversorgung". Mit Bescheid vom 04.03.1998 lehnte die Beklagte daraufhin den Antrag des Klägers ab.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, durch eine C-Leg-Prothese werde die Geh- und Standsicherheit erheblich erhöht, es komme zu einer drastischen Reduzierung der ständig vorhandenen Unfallgefahr. Zu Unrecht verweigere ihm die Beklagte eine ihr zumutbare bestmögliche Verbesserung der Prothesenversorgung. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine erneute Begutachtung durch den MDK, die zum einen durch den Orthopädiemechanikermeister C und zum anderen durch den Orthopäden Dr. T1 erfolgte. Orthopädiemechanikermeister C meinte, der Kläger sei mit einer hochwertigen Passteilkonfiguration versorgt, wobei allerdings das Kniegelenk schadhaft sei. Bei der Ganganalyse stellte er fest, dass beim statischen Lotaufbau der Prothese eine starke Abduktionsstellung zu beobachten war. Er schlug daher eine Überprüfung bzw. Korrektur der vorhandenen Prothesenstatik vor, ergänzend solle ggf. ein unter krankengymnastischer Anleitung erstelltes Gangschulungsprogramm durchlaufen werden. Die Versorgung mit einem C-Leg- Kniegelenksystem sei nicht erforderlich, es handele sich um eine Überversorgung. Dr. T1 meinte, das abduzierende Gangbild sei zum Teil idiopathisch entstanden und auch durch eine C-Leg-Prothese nicht zu normalisieren. Auch er empfahl eine Korrektur bzw. Reparatur der vorhandenen Prothese und eine krankengymnastische Behandlung in Gestalt eines Gangschulungsprogramms. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.1998 wies die Beklagte unter Hinweis auf diese Gutachten den Widerspruch zurück.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er habe Anspruch auf eine Ausstattung mit Hilfsmitteln auf dem neuesten Stand der Technik. Mit der C-Leg- Prothese seien erhebliche Vorteile verbunden: Die elektronische Standphasensicherung verhindere ein unbeabsichtigtes Einknicken und reduziere den Aufwand für die Stabilisierung erheblich. Die Schwungphaseneinleitung werde erleichtert, die Schwungphase folge einem dynamischen Modell des gesunden Beines, so dass über den gesamten Bereich der Gehgeschwindigkeit ein harmonisches und symmetrisches Gangbild ermöglicht werde. Rampengehen und Treppabwärtsgehen werde erleichtert, wodurch das erhaltene Bein erheblich geschont werde.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. T2 (Krankenhaus N X) und - auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) - ein weiteres orthopädisches Gutachten von Prof. Dr. E (St. K-Krankenhaus F) eingeholt. Beide Sachverständige haben sich in ihren Gutachten vom 18.02.1999 bzw. vom 28.09.1999 zu den mit dem Einsatz der C-Leg-Prothese verbundenen Vorteilen nur auf die Herstellerangaben bezogen und darauf hingewiesen, es fehlten derzeit Studien auch im Vergleich zu herkömmlichen Prothesensystemen, ob die angestrebten Ziele (Standphasensicherung, Standphasenflexion, Verbesserung der Schwungphaseneinleitung zur Harmonisierung eines symmetrischen Gangbildes, bequemes und sicheres Gehen bei unterschiedlichen Geländeneigungen) realisierbar seien und mit welchen technischen Problemen und eventuellen Reparaturen zu rechnen sei. Gleichzeitig hat Prof. Dr. E gemeint, die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass der sportlich aktive Kläger nach einer Eingewöhnungsphase mit der C-Leg-Prothese ein besseres Ergebnis als mit der jetzigen Oberschenkelprothese erreichen werde. Wegen der Einzelheiten des Ergebnisses der Begutachtung wird auf die vorgenannten Gutachten Bezug genommen.

Nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens hat das Sozialgericht nach Wiederaufnahme des Verfahrens durch den Kläger nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 06.06.2002 (B 3 KR 68/01 R) die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 12.12.2002 antragsgemäß zur Erstattung der Kosten für die selbst beschaffte Prothese verurteilt. Der Kläger könne die Versorgung mit einer C-Leg-Prothese beanspruchen. Das BSG habe in dem genannten Urteil die Gebrauchsvorteile, die das C-Leg biete, überzeugend festgestellt. Diese Prothese sei auch im Falle des Klägers notwendig, denn beide Sachverständige hätten bestätigt, dass die C-Leg-Prothese beim Kläger eine Harmonisierung des Gangbildes, sicheres Gehen mit vermindertem Kraftaufwand, auch bei unterschiedlichen Geländeneigungen und eine Verringerung der Sturzneigung bewirke.

Gegen den ihr am 20.12.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 15.01.2003 Berufung eingelegt. Sie bezweifelt weiterhin den Anspruch des Klägers auf eine Versorgung mit dem C-Leg. Aus den eingeholten Gutachten ergebe sich entgegen der Annahme des Sozialgerichts nicht, dass die angeblich mit der C-Leg- Prothese verbundenen Vorteile nachgewiesen seien. Beide Sachverständige hätten insoweit auf fehlende Studien verwiesen. Soweit Prof. Dr. E gemeint habe, der Kläger profitiere bei seiner beruflichen Tätigkeit (der Kläger ist als Orthopädiemechaniker tätig und liefert auch Hilfsmittel an Kunden aus) von den Vorteilen der Prothese, betreffe dies die berufliche Rehabilitation, für die die gesetzliche Krankenversicherung nicht zuständig sei. Auch im familiären Bereich benötige der Kläger die Prothese nicht, denn er sei an den Werktagen regelmäßig beruflich außer Haus, die Beaufsichtigung der im Haushalt lebenden Kleinkinder werde durch die Ehefrau vorgenommen. Ferner bezieht sie sich auf eine Veröffentlichung in der Zeitschrift "Orthopädietechnik" von August 2003, in der ein ganganalytischer Vergleich des C-Legs mit konventionellen Prothesenkniegelenken vorgenommen worden ist. Sie meint, die Untersuchung habe keinesfalls ergeben, dass die behaupteten Gebrauchsvorteile des C-Legs erwiesen seien. Im Gegenteil könne sich im Einzelfall die Versorgung mit einem C-Leg sogar nachteilig auswirken. Auf jeden Fall lasse sich aus den Ausführungen der Schluss ziehen, dass die Versorgung mit einem C-Leg nicht zu wesentlichen Gebrauchsvorteilen führe, die die hohe Kostendifferenz zu einer herkömmlichen Versorgung rechtfertigen würden.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aachen vom 12.12.2002 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und betont nochmals die mit einer solchen Versorgung verbundenen Vorteile. Für seine berufliche Tätigkeit benötige er die C-Leg-Prothese nicht, da er seine Tätigkeit zu 70 % im Sitzen verrichte. Allerdings sei das C-Leg bei der Auslieferung insoweit von Vorteil, als er nicht dauernd auf Vorsicht bedacht sein müsse. Die C-Leg-Prothese habe ihm im privaten Bereich z.B. ermöglicht, beim Spielen mit seinen jetzt 8 und 11 Jahre alten Kindern erstmals Bälle im Stehen fangen und werfen zu können.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung der für die Selbstbeschaffung der C-Leg- Prothese angefallenen Kosten verurteilt.

Der Kläger hat gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einen Anspruch auf Erstattung der ihm laut Rechnungen vom 10.09.2002 für die Beschaffung der C-Leg-Prothese (einschließlich notwendigem Zubehör) entstandenen Kosten in Höhe von 27.918,14 Euro gegen die Beklagte, denn diese hat zu Unrecht seinen Antrag auf Versorgung mit einer C-Leg-Prothese abgelehnt.

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V (in der seit 01.07.2001 geltenden Fassung) haben Versicherte Anspruch u.a. auf Hilfsmittel, die im Einzelfall erforderlich sind, den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Die letztgenannten Ausschlussgründe liegen nicht vor. In der nach § 34 Abs. 2 SGB V erlassenen Verordnung vom 13.12.1989 (in der Fassung der Verordnung vom 17.01.1995) werden elektronisch gesteuerte Prothesen nicht erfasst. Das C-Leg ist auch - was keiner näheren Begründung bedarf - speziell für die Bedürfnisse behinderter Personen konstruiert und wird auch nur von diesem Personenkreis benutzt, so dass es sich nicht um einen Gebrauchsgegestand des täglichen Lebens handelt (vgl. BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 33). Für den Versorgungsanspruch ist es auch unerheblich, ob in dem nach § 128 SGB V erlassenen Hilfsmittelverzeichnis Prothesen mit elektronisch gesteuerter Hydraulik aufgenommen worden sind (vgl. insoweit BSG SozR 3-2500 § 33 Nrn. 25, 28).

Die C-Leg-Prothese ist erforderlich, um die Behinderung des Klägers auszugleichen. Aufgrund der traumatischen Oberschenkelamputation ist er auf eine Versorgung mit einer Oberschenkelprothese angewiesen. Soweit - wie im vorliegenden Fall - ein Hilfsmittel die ausgefallene oder beeinträchtigte Organfunktion nur mittelbar ersetzt, erstreckt sich die Leistungspflicht der Krankenkasse nur auf solche Mittel, deren Einsatz zur Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse benötigt wird (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr. 32 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Der Einsatz der Beine zum Gehen, Stehen und Laufen betrifft ein Grundbedürfnis, das von der C-Leg- Prothese abgedeckt wird.

Auch die technische Verbesserung eines funktionsfähigen Hilfsmittels muss sich im Bereich eines Grundbedürfnisses auswirken und darf auch nicht in erster Linie Bequemlichkeit und Komfort bei der Nutzung des Hilfsmittels betreffen, damit ein Anspruch nach § 33 Abs. 1 SGB V in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 06.06.2002, a.a.O.). Auch diese Voraussetzungen sind erfüllt. Mit dem Einsatz des C-Leg sind Gebrauchsvorteile verbunden, die allgemein das genannte Grundbedürfnis betreffen. Zum einen ist infolge der Standphasensicherung die Sturzgefahr deutlich gemindert, zum anderen kann durch die Verbesserung der Schwungphaseneinleitung und die Steuerung der Schwungphase ein symmetrisches Gangbild erreicht werden. Dies ermöglicht insbesondere ein sicheres Gehen auch beim alternierenden Treppengang und auf abschüssigem oder unebenem Gelände. Die Beklagte meint zu Unrecht, diese Gebrauchsvorteile seien "hypothetisch" und nicht belegt. Zwar trifft es zu, dass hier beide Sachverständige offenbar sich zu den Gebrauchsvorteilen aus eigener Sachkunde nicht äußern konnten und auch darauf hingewiesen haben, es fehlten bislang Studien zur Realisierung dieser Vorteile. Prof. Dr. E hat aber gleichzeitig auch eingeräumt, offensichtlich stelle die C-Leg-Prothese vor dem Hintergrund der von ihm dargestellten Probleme bei der Prothesenversorgung eines Oberschenkelamputierten eine verbesserte Möglichkeit des Gehens mit der Prothese dar, als dies mit herkömmlichen Prothesen derzeit möglich sei. Vor allem hat das BSG in seinem Urteil vom 06.06.2002 (a.a.O.) auf der Grundlage des dort eingeholten Gutachtens diese konstruktionsbedingten Gebrauchsvorteile festgestellt. Diese sich aus den konstruktiven Merkmalen des C-Leg - vollständige elektronische Steuerung des Kniegelenksystems - ergebenden Gebrauchsvorteile sind genereller Natur und beziehen sich nicht auf einen spezifischen Sachverhalt, so dass es sich um generelle (allgemeine) Tatsachen handelt, die in jedem Fall zutreffen. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob und inwieweit ein Versicherter im konkreten Fall diese konstruktionsbedingten Gebrauchsvorteile nutzen kann. Im Übrigen wird in dem von der Beklagten übersandten Aufsatz von Nimmervoll/Kastner/Kristen (Orthopädie-Technik 8/03, Seite 562 ff) bestätigt, dass das C-Leg zu einer verbesserten Bewegungsharmonie zwischen Prothese und erhaltenem Bein, und somit zu einer reduzierten Beanspruchung durch Kompensationsbewegung beim Gehen führt. Es war nach diesen Ausführungen eine bessere Symmetrie in Dauer und Höhe der Belastung zu beobachten und die Symmetrie der Bewegung zwischen der Prothese und dem erhaltenen Bein war bei der Kinematikanalyse deutlich besser. Die Kniewinkel wurden mit dem C-Leg wesentlich besser gesteuert und lagen stets in einem physiologischen Bereich. Die hohe Auftrittsicherheit, die von dem Probanten immer wieder betont wurde, konnte zwar bei den Tests, die auf ebenem Boden durchgeführt wurden, nicht überprüft werden. Ausdrücklich wird aber darauf hingewiesen, dass Beobachtungen während der Gangschulung in der Eingewöhnungsphase diese Aussagen zu bestätigen schienen, da das Gehen im Gelände klinisch beurteilt unbeschwerter und vor allem das Bergabgehen erleichtert war. Bezeichnenderweise kann die Beklagte, obwohl das C-Leg-System nunmehr schon länger auf dem Markt ist, offensichtlich auch keine Stellungnahme benennen, in der die geschilderten Gebrauchsvorteile fundiert bezweifelt werden. Dass - was die Beklagte hervorhebt - nach der genannten Studie in Einzelfällen die Versorgung mit einem C-Leg kontraindiziert sein kann, weil die hohe Standphasensicherheit auch grobe Gangfehler toleriere und es dadurch zu Überlastungsschäden kommen könne, ist kein Argument gegen die genannten Vorteile des C-Leg, sondern weist nur darauf hin, dass im Einzelfall die Voraussetzungen für eine Nutzung der Vorteile geprüft werden müssen.

Dass der Kläger nach seinen körperlichen und intellektuellen Fähigkeiten die Gebrauchsvorteile des C-Leg nutzen kann, steht insbesondere aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. E fest. Dieser hat hervorgehoben, dass der Kläger durch seine Disziplin trotz des schadhaften Kniegelenkes ein nur leicht hinkendes Gangbild zeige, er hat auch die Versorgung mit einer C-Leg-Prothese empfohlen, da die Wahrscheinlichkeit groß sei, dass der Kläger nach einer Eingewöhnungsphase ein besseres Ergebnis als mit der jetzigen Oberschenkelprothese erreiche.

Die mit der C-Leg-Prothese verbundenen Funktionsvorteile wirken sich allgemein auch im Alltag des Klägers aus. Die Beklagte meint allerdings. Soweit der Kläger beruflich von den Vorteilen profitiere, betreffe dies die berufliche Rehabilitation, für die sie nicht zuständig sei; im familiären Bereich wirkten sich die Vorteile nicht wesentlich aus, weil die Ehefrau die gemeinsamen Kinder betreue und der Kläger nur in seiner Freizeit mit den Kindern zusammen sei. Offensichtlich geht die Beklagte dabei davon aus, die Entscheidung des BSG vom 06.06.2002 (a.a.O.) betreffe nur die besonderen Verhältnisse einer kindererziehenden Hausfrau, die im Umgang mit Kleinkindern auf die mit der Versorgung der C-Leg-Prothese verbundenen Gebrauchsvorteile angewiesen sei. Dem kann der Senat nicht folgen. Er versteht die Formulierung im Urteil des BSG, die mit dem C-Leg-Kniegelenk verbundenen Funktionsvorteile wirkten sich nicht nur am Rande des Alltagslebens, sondern im Lebensmittelpunkt der (dortigen) Klägerin, nämlich im Familienleben, aus, nicht dahingehend, dass das BSG auf die besonderen Verhältnisse der Kinderbetreuung abstellen wollte. Es liegt auf der Hand, dass die geschilderten Gebrauchsvorteile der C-Leg- Prothese, insbesondere die verminderte Sturzgefahr, sich bei allen mobilen Versicherten im "Alltag" auswirken, nämlich bei allen Aktivitäten, die ein Gehen und Laufen erfordern. Es ist kein Grund ersichtlich, warum diese Vorteile nur für das Familienleben bei der Erziehung kleiner Kinder bedeutsam sein sollen, während bei Berufstätigen, die naturgemäß von den Vorteilen auch bei ihrer Berufsausübung profitieren, ein Leistungsanspruch zu verneinen sein soll. Etwas anderes könnte insoweit nur gelten, wenn die C-Leg-Prothese notwendige Voraussetzung der Berufsausübung wäre (z.B. für einen Bergführer). Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch nicht vor, denn der Kläger verrichtet eine "normale" Tätigkeit ohne spezifische Anforderungen an die Funktion der Beine; auch mit der früheren prothetischen Versorgung konnte er seinen Beruf ausüben. Im Übrigen übersieht die Beklagte, dass der Kläger einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Zeit, nämlich nach Feierabend, am Wochenende und in den Urlauben, mit seiner Familie verbringen kann, also die Gebrauchsvorteile des C-Leg sich auch insoweit keineswegs "am Rande des Alltagslebens" auswirken.

Die Versorgung mit einer C-Leg-Prothese verstößt trotz der erheblichen Mehrkosten gegenüber einem herkömmlichen System nicht gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs. 1 SGB V). Insoweit hat das BSG im Urteil vom 06.06.2002 (a.a.O.) klargestellt, dass keine Kosten-Nutzen-Erwägung anzustellen ist und Mehrkosten nur dann beachtlich sind, wenn die zusätzlichen Gebrauchsvorteile im Alltagsleben im Vergleich zu seinem bisher als ausreichend angesehenen Versorgungsstandard als unverhältnismäßig hoch einzuschätzen sind. Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor, denn die mit dem Einsatz des C-Leg verbundenen Funktionsvorteile wirken sich allgemein im Alltag des Klägers aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Im Hinblick auf die Interpretation der BSG-Entscheidung vom 06.06.2002 (a.a.O.) durch die Beklagte und andere Kassen hält der Senat eine Klarstellung in der Rechtslage für erforderlich und hat daher die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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