L 15 B 9/00 KR ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 75 KR 743/99 ER I
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 9/00 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. Januar 2000 geändert. Die Antragsgegnerinnen werden im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage S 75 KR 743/99 bei der Versorgung ihrer Versicherten mit häuslicher Krankenpflege die Antragstellerin so zu behandeln wie die Leistungserbringer, mit denen sie am 31. August 1999 Verträge nach § 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V geschlossen haben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Beteiligten tragen die ihnen entstandenen Kosten des Verfahrens selbst.

Gründe:

Die Antragstellerin, eine Trägerin der Freien Wohlfahrtspflege, erbringt Leistungen der häuslichen Krankenpflege für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Sie verlangt im einstweiligen Rechtsschutzverfahren von den Antragsgegnerinnen, bei denen es sich um Betriebskrankenkassen (BKK´en) handelt, deren Versicherten zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege zur Auswahl gestellt zu werden. Darüber hinaus begehrt sie die Unterlassung verschiedener Behauptungen.

Die Antragstellerin erbrachte auf Grund einer Rahmenvereinbarung vom 24. Oktober 1994, die zum 31. Dezember 1996 gekündigt wurde, Leistungen der häuslichen Krankenpflege über die ihr jeweils angeschlossenen Sozialstationen und Einsatzstellen mit Betriebssitz im 0stteil und Westteil der Stadt. Nach Auslaufen dieser Vereinbarung entstand zwischen den Leistungserbringern, u. a. den Trägern der Freien Wohlfahrtspflege, einerseits und den Krankenkassen und ihren Verbänden andererseits Streit über den abzuschließenden Rahmenvertrag, der zu einigen Übergangsregelungen führte. Die Mehrzahl der Krankenkassen schlossen mit den Leistungserbringern, u.a. der Antragstellerin, den Rahmenvertrag vom 5. Juli 1999, der am 1. September 1999 in Kraft trat (im folgenden Krankenkassen-Vertrag genannt). Der BKK-Landesverband Ost wurde von seinen Mitgliedern nicht bevollmächtigt, diesen Vertrag mit den Leistungserbringern abzuschließen. Die Betriebskrankenkassen erarbeiteten in der Folge das Vertragsangebot vom 23. August 1999 (im folgenden BKK-Vertrag genannt), das sich im Vergleich zum Krankenkassen-Vertrag insbesondere durch eine um etwa 20 % abgesenkte Vergütung und abweichende qualitätssichernde Regelungen und Verfahrensweisen auszeichnet.

Die Antragsgegnerinnen boten der Antragstellerin sowie anderen Anbietern häuslicher Krankenpflege den Abschluss des BKK-Vertrages vom 23. August 1999 ab 1. September 1999 an, der nach Auffassung der Antragsgegnerinnen strengere Regelungen zur Qualitätssicherung vorsieht als der Krankenkassen-Vertrag. Einige Leistungserbringer schlossen den BKK-Vertrag am 31. August 1999 ab. Die Antragstellerin erklärte sich hierzu nicht bereit. Sie und die Antragsgegnerinnen zu 1) bis 3), 5) bis 7), 11), 12) und 14) schlossen allerdings am 6. Dezember 1999 einen Interimsvertrag mit dem Inhalt des vor dem Sozialgericht Berlin im Verfahren S 75 KR 737/99 ER geschlossenen Vergleichs. Diese Vereinbarung endete zum 31. März 1999.

Nachdem mehrere Träger der Freien Wohlfahrtspflege, u. a. die Antragsstellerin, sich geweigert hatten, zu den Konditionen des BKK-Vertrages Pflegeleistungen zu erbringen, informierte das von den Antragsgegnerinnen getragene BKK-Servicecenter u. a. die Krankenhäuser in einem Schreiben vom 5. Oktober 1999 darüber, dass Leistungen der Antragstellerin nicht zu Lasten der Antragsgegnerinnen in Anspruch genommen werden könnten und verwiesen auf Anbieter, die den BKK-Vertrag abgeschlossen hätten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben Bezug genommen (Bl. 121, 122 GA).

Die gestellten Anträge - wegen der Fassung wird auf Seite 7 und 8 des Beschlusses Bezug genommen - hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 6. Januar 2000 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Erfolgsaussicht in der Hauptsache mit der gebotenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit bei summarischer Prüfung der vorliegenden Erkenntnisquellen nicht gegeben sei. Eine Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Abschluss eines bestimmten Vertrages sei nicht ersichtlich. Die Bestimmung des § 132 a Abs. 2 Satz 3 SGB V könne jedenfalls nicht dazu führen, dass ein Anspruch der Träger der Freien Wohlfahrtspflege auf Abschluss von Verträgen zu ganz bestimmten Konditionen zu bejahen sei. Einen generellen Vertragsabschluss hätten die Antragsgegnerinnen jedoch nicht verweigert.

Auch die geltend gemachten Unterlassungsansprüche könnten keinen Erfolg haben, da die Antragstellerin nicht ausreichend substantiiert dargetan habe, wann und wo die Antragsgegnerinnen unzutreffende Behauptungen in Bezug auf die Antragstellerin aufgestellt hätten.

Gegen den ihr am 19. Januar 2000 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 18. Februar 2000 Beschwerde eingelegt. Sie macht geltend, dass sie einen Anspruch auf Abschluss des Vertrages habe, den sie u.a. auch mit der AOK Berlin geschlossen habe. Im Übrigen hätten die Antragsgegnerinnen auch mit privaten Anbietern Verträge geschlossen, die günstiger seien als der BKK-Vertrag. Zumindest auf solche Konditionen bestünde ein Anspruch.

Die Antragstellerin beantragt,

1) den Antragsgegnerinnen aufzugeben, ihren Versicherten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Antragstellerin als Leistungserbringerin für häusliche Krankenpflege auf Kosten der Antragsgegnerinnen nach den Konditionen des Rahmenvertrages gemäß § 132 a Abs. 2 SGB V zur Auswahl zu stellen, der für den Zeitraum vom 1. September 1999 bis 31. Dezember 2000 u. a. zwischen der Antragstellerin und der AOK Berlin (Krankenkassen-Vertrag) geschlossen worden ist, und hilfsweise, zu den Konditionen des Rahmenvertrages, der zwischen den Parteien bis zum 31. August 1999 unstreitig gegolten hat sowie höchst hilfsweise zu den Konditionen des Vertragsangebotes der Antragsgegnerinnen vom 23. August 1999,

2) hilfsweise die Antragsgegnerinnen im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von der Antragstellerin für Versicherte der Antragsgegnerinnen über den 1. April 2000 hinaus erbrachten Pflegeleistungen in Höhe der bis zum 31. Dezember 1998 und 31. August 1999 geltenden Vergütungssätze abzurechnen,

3) hilfsweise die Antragsgegnerinnen zu verpflichten, die am 6. Dezember 1999 auf der Grundlage des Sozialgerichtsvergleichs vom 1. Oktober 1999 (S 75 KR 737/99 ER) abgeschlossene Übergangsvereinbarung im Verhältnis zu der Antragstellerin bis zum 31. Mai 2000 weiter anzuwenden,

4) sowie den Antragsgegnerinnen zu 1) bis 14) durch einstweilige Anordnung aufzugeben, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an den Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen Antragsgegnerin, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfalle Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu vollstrecken an den Vorstandsvorsitzenden der jeweiligen Antragsgegnerin, zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß gegenüber den Krankenhäusern in Berlin und den Anrufern des Servicerufs des BKK-Servicecenters zu behaupten, die Versicherten der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 14) könnten von der Antragstellerin Leistungen der häuslichen Krankenpflege auf Kosten der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 14) nicht erhalten, die Antragstellerin habe sich keiner besonderen Qualität verpflichtet, es sei deshalb im Interesse der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 14), dass ausschließlich die Leistungserbringer der häuslichen Krankenpflege mit der häuslichen Krankenpflege betraut würden, die das Vertragsangebot der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 14) vom 23. August 1999 angenommen hätten, und die Antragstellerin stelle niedrigere Mindestanforderungen an ihr Personal als die Leistungserbringer, die das Vertragsangebot der Antragsgegnerinnen zu 1) bis 14) vom 23. August 1999 angenommen hätten und eine 24-stündige Erreichbarkeit für die Versicherten, die häusliche Krankenpflege in Anspruch nähmen, sei im Falle der Antragstellerin nicht gegeben.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie beziehen sich zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses und vertreten weiter die Auffassung, dass im Rahmen des § 132 a Abs. 2 SGB V eine weitgehende Vertragsfreiheit bestünde, die es ihnen erlaube, bestimmte Angebote zu machen, die von jeweiligen Leistungserbringern dann angenommen werden könnten oder auch nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Rechtsausführungen und der Sachdarstellung wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die zulässige Beschwerde (§ 172 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen musste sie zurückgewiesen werden.

Die Voraussetzungen, unter denen entsprechend § 123 Abs. 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) eine einstweilige Anordnung ergehen kann, liegen nur im Hinblick auf den zweiten Hilfsantrag zu 1) vor.

Soweit die Antragstellerin ihre Anträge im Beschwerdeverfahren präziser gefasst hat als vor dem Sozialgericht, liegt hierin nicht etwa eine unzulässige Antragsänderung im Sinne des § 99 SGG, sondern eine jederzeit zulässige Klarstellung (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. neubearbeitete Auflage, § 99 Rdnr. 2a) vor. Die Fassung des Beschlusstenors stellt sich in der Sache nicht als Abweichung vom zweiten Hilfsantrag zu 1), sondern als eine dem Senat unter dem Gesichtspunkt der Vollstreckbarkeit der Entscheidung geeignetere Formulierung dar.

Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist neben dem Eilbedürfnis (Anordnungsgrund), dass der Klage in der Hauptsache eine gewisse Aussicht auf Erfolg beigemessen werden kann (Anordnungsanspruch). Auch die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerinnen, ihren Versicherten die Antragstellerin zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege zur Verfügung zu stellen, stellt eine Vorwegnahme in der Hauptsache dar, die nur gerechtfertigt ist, wenn eine Interessenabwägung ergibt, dass die Interessen der Antragstellerin offensichtlich höher zu bewerten sind als die der Antragsgegnerinnen.

Dies lässt sich bei der hier gebotenen summarischen Prüfung nur im Hinblick auf den Anspruch der Antragstellerin, zu den von den Antragsgegnerinnen im sogenannten BKK-Vertrag angebotenen Bedingungen vorläufig Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu erbringen, feststellen.

Nach § 132 a Abs. 2 SGB V schließen die Krankenkassen mit den Leistungserbringern über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie über die Preise und deren Abrechnung Verträge. Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen preisgünstig erbracht werden. Sie sind aber auch verpflichtet, der Vielfalt der Leistungserbringer, insbesondere der Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege, Rechnung zu tragen (vgl. auch § 2 Abs. 3 Satz 1 SGB V). Der Senat geht mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu vergleichbaren Fallgestaltungen (vgl. BSG SozR 3 - 2500 § 133 Nr. 1, Seite 4) davon aus, dass die Antragsgegnerinnen nach den genannten Vorschriften verpflichtet sind, zumindest mit solchen Anbietern Versorgungs- und Entgeltvereinbarungen zu treffen, die über eine entsprechende Eignung zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege verfügen und diese zu Preisen zu erbringen bereit sind, die nicht über den Sätzen der bereits mit anderen Anbietern bestehenden Verträge liegen. Der Senat hat keine Zweifel, dass eine grundsätzliche Eignung zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege bei einem bereits über einen langen Zeitraum in der Pflege tätigen großen Anbieter der Freien Wohlfahrtspflege zu bejahen ist. Vor diesem Hintergrund spricht bei summarischer Prüfung alles dafür, dass die Antragstellerin in der Hauptsache einen Anspruch auf Abschluss des BKK-Vertrages mit den Antragsgegnerinnen hat, so dass sie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren verlangen kann, zu diesen Bedingungen den Versicherten der Antragsgegnerinnen als Leistungserbringerin zur Auswahl gestellt zu werden.

Einem solchen Anspruch können die Antragsgegnerinnen nicht entgegenhalten, dass sie den Bedarf ihrer Versicherten an Leistungen der häuslichen Krankenpflege bereits mit privaten und anderen Anbietern der Freien Wohlfahrtspflege gedeckt hätten. Anhaltspunkte dafür, dass der Abschluss eines Vertrages nach § 132 a Abs. 2 SGB V von einer Bedarfsprüfung abhängt, lassen sich dem Gesetz nicht entnehmen. So ist den Krankenkassen in § 132 a Abs. 2 SGB V lediglich die Befugnis übertragen, Einzelheiten der Versorgung zu regeln. Nicht einmal in § 132 a Abs. 1 SGB V, der die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen von Pflegediensten maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene verpflichtet, Rahmenempfehlungen für die häusliche Krankenpflege abzugeben, ist die Rede von einer am Bedarf ausgerichteten Planung. In § 132 a Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 bis 6 SGB V ist eine Bedarfsplanung nicht aufgeführt. Wortlaut und Regelungszusammenhang der Vorschriften schließen es bei der gebotenen summarischen Prüfung nahezu aus, dass eine Krankenkasse im Rahmen eines Vertrages nach § 132 a Abs. 2 SGB V berechtigt ist, eine ?Zulassung? von Leistungserbringern nur nach Bedarf vorzunehmen. Vielmehr spricht die in Satz 3 der Vorschrift genannte Pflicht, der Bedeutung der Freien Wohlfahrtspflege Rechnung zu tragen, dafür, dass die Antragsgegnerinnen, so sie denn überhaupt Versorgungsverträge schließen und nicht von der Möglichkeit des § 132 a Abs. 2 Satz 4 SGB V Gebrauch machen, verpflichtet sind, die Träger der Freien Wohlfahrtspflege zu denselben Vertragsbedingungen "zuzulassen", die sie auch anderen Anbietern gewähren. Die Antragsgegnerinnen verkennen die die Vertragsfreiheit einschränkenden Regelungen in §§ 2 Abs. 3, 132 a Abs. 2 SGB V, wenn sie meinen, im Bereich der häuslichen Krankenpflege bestünde eine Vertragsfreiheit wie im "freien Wirtschaftsleben".

Soweit die Antragsgegnerinnen geltend gemacht haben, die Antragstellerin könne sich nicht im einstweiligen Rechtsschutzverfahren eine Position ertrotzen, die sie faktisch in die Position eines Vertragspartners der Antragsgegnerinnen setze, obwohl sie sich in der Hauptsache weigere, den entsprechenden Vertrag abzuschließen, übersehen sie, dass zumindest ein Anspruch der Antragstellerin auf Gleichbehandlung mit den bisherigen Anbietern im Hinblick auf die Konditionen des BKK-Vertrages besteht. Die Antragsgegnerinnen verkennen die Rechtslage, wenn sie meinen, sie könnten ihr Vertragsangebot den Antragsgegnerinnen aufzwingen, ohne dass diese im Hinblick auf den Zugang zur Leistungserbringung in einem öffentlich-rechtlichen System entsprechenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen könnte.

Da an einem Anspruch der Antragstellerin auf Abschluss des BKK-Vertrages kein ernsthafter Zweifel besteht, sind an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Es ist daher ausreichend, dass die Antragstellerin glaubhaft geltend gemacht hat, dass ihr durch das Verhalten der Antragsgegnerinnen Pflegemöglichkeiten entgehen, obwohl sie - wie die entsprechende Antragstellung zeigt - auch bereit ist, vorläufig zu den Bedingungen des BKK-Vertrages zu pflegen.

Einen weitergehenden Anspruch hat die Antragstellerin allerdings nicht glaubhaft gemacht. Die Prüfung der Frage, ob sie darüber hinaus einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages zu den von ihr beanspruchten Konditionen hat, sei es in der Form des ebenfalls ab 1. September 1999 gültigen Krankenkassen-Vertrages oder der bis zum 31. August 1999 angeblich unstreitigen Regelungen, wirft schwierige Rechtsprobleme auf, die zudem erst nach umfangreichen Ermittlungen, für die im auf summarische Prüfung angelegten einstweiligen Rechtsschutzverfahren kein Raum ist, beantwortet werden können.

Da nach § 132 a Abs. 2 SGB V jeweils die Krankenkasse und nicht die Landesverbände der Krankenkassen oder Spitzenverbände auf Bundesebene Vertragspartner der Leistungserbringer sind, folgt aus der gesetzlichen Regelung die grundsätzliche Berechtigung der einzelnen Kasse, die Preise und Einzelheiten der Versorgung - aber auch nicht mehr - ihrer Mitglieder mit häuslicher Krankenpflege selbst mit den Leistungserbringern auszuhandeln. Daraus ergibt sich (im Regelfall), dass unterschiedliche Vertragsabschlüsse zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen unter Wettbewerbsgesichtspunkten im Gesetz angelegt sind und sich daher nicht ohne weiteres als Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes (GG) darstellen.

Ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages zu den von der Antragstellerin beanspruchten Konditionen könnte vor dem Hintergrund des Artikel 3 GG z. B. dann in Betracht kommen, wenn sich ergeben würde, dass die Antragsgegnerinnen einen den Vorstellungen der Antragstellerin im Wesentlichen entsprechenden Vertrag mit anderen Anbietern tatsächlich geschlossen hätten und der Antragstellerin äquivalente Vertragsbedingungen ohne sachlichen Grund vorenthalten würden. Die Bejahung eines solchen Anspruches setzt aber umfangreiche Ermittlungen zu den tatsächlich mit den privaten und anderen Anbietern der Freien Wohlfahrtspflege geschlossenen Verträgen, auch im Hinblick auf Abschlusszeitpunkt, Inhalt, Zusatzvereinbarungen und Geltungsdauer, voraus.

Daneben wäre die Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs auch denkbar, wenn sich nach Ermittlungen ergäbe, dass die Antragsgegnerinnen zu den von ihnen angestrebten Bedingungen nicht genügend Anbieter zur Erfüllung ihres Sicherstellungsauftrages gefunden hätten und daher konkrete Versorgungslücken festgestellt werden könnten. Die Behauptung der Antragsgegnerinnen, dass die Sicherstellung der häuslichen Krankenpflege im gesamten Land Berlin durch Partner des BKK-Vertrages gewährleistet werden könne, obwohl auch weiterhin Versicherte von der Antragstellerin gepflegt würden, was seinen Grund allein in dem behutsamen Vorgehen der Antragsgegnerinnen in den jeweiligen Pflegefällen habe, eignet sich nicht zur Überprüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Genau so gut kommt in Betracht, dass die Antragsgegnerinnen mit den bisherigen Vertragspartnern des BKK-Vertrages tatsächlich nicht in der Lage sind, die häusliche Pflege in dem erforderlichen Umfang sicherzustellen, wie dies die Antragsgegnerinnen und auch Träger Freier Wohlfahrtsverbände in Parallelverfahren behauptet haben.

Letztlich bleibt ein Anspruch auf Abschluss eines Vertrages zu günstigeren als den bisher angebotenen Konditionen auch aus der Verpflichtung, die Vielfalt der Leistungserbringer zu berücksichtigen, denkbar. Diesem an die Krankenkassen gerichteten Gebot (§§ 2 Abs. 3, 132a Abs. 2 Satz 3 SGB V; dort ist von " ... ist ... zu beachten" bzw. "Rechnung zu tragen" die Rede) steht ein Anspruch des Versicherten im Rahmen des § 33 Satz 2 Sozialgesetzbuch / Erstes Buch -SGB I- gegenüber, so dass es zumindest nicht unproblematisch ist, einen vom Versicherten gewünschten Leistungserbringer, der bei anderen Kassen problemlos in Anspruch genommen werden kann, aus rein finanziellen Gründen auszuschließen.

Auf derart umfangreiche und schwierige Sachverhaltsaufklärung ist das einstweilige Rechtsschutzverfahren nicht zugeschnitten. Selbst bei summarischer Prüfung kann der Senat bei dem vorliegenden widerstreitenden Tatsachenvortrag nicht feststellen, welche Pflegesituation rein tatsächlich seit dem Auslaufen der Verträge zum 31. August 1999 nun besteht.

In derartigen Fällen, in denen die aufgeworfenen Rechtsfragen außerordentlich kompliziert und ihr Ergebnis und damit der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist, nimmt der Senat in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) eine Folgenabwägung vor, bei der die Erwägung, wie die Entscheidung in der Hauptsache ausfallen wird, regelmäßig außer Betracht zu bleiben hat. Abzuwägen sind stattdessen die Folgen, die eintreten würden, wenn die Anordnung nicht erginge, sich ein Anspruch im Hauptsacheverfahren aber würde nachweisen lassen, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte Anordnung erlassen würde, ohne dass die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen würde. Unter Beachtung dieser Maßstäbe musste den weitergehenden Anträgen der Erfolg versagt bleiben.

Von der Antragstellerin selbst ist nicht vorgetragen, dass sie in ihrer Existenz bedroht wäre, wenn sie nicht mehr zu den Vertragspartnern der Betriebskrankenkassen gehören würde. Mit Schriftsatz vom 13. April 2000 ist insofern geltend gemacht worden, dass die Antragstellerin zum 1. April 2000 16 von 67 Patienten an Partner des BKK-Vertrages verloren hat. Erst recht ist nicht zu erkennen, dass eine Existenzgefährdung der Antragstellerin besteht, wenn sie in Zukunft zumindest vorläufig auch zu den Konditionen pflegen muss, die offenbar von privaten Anbietern erfüllt werden können. Es ist ihr insoweit auch im Hinblick auf ein mögliches Unterliegen in der Hauptsache zuzumuten, sich auf die neue wirtschaftliche Situation einzustellen. Außerdem unterliegt es keinem ernsthaften Zweifel, dass die Antragsgegnerinnen, sollten sie im Rechtsstreit in der Hauptsache unterliegen, die nachzuzahlende Vergütung auch tatsächlich nachzahlen würden.

Demgegenüber würde der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerinnen erheblich treffen, da die Ausnutzung von Wirtschaftlichkeitsreserven durch Wettbewerb auch im Rahmen der Erbringung der Leistung der häuslichen Krankenpflege im Rahmen des § 132 a SGB V vorgesehen ist. Die Eröffnung von Wirtschaftlichkeitsreserven zur Gewährleistung der finanziellen Stabilität der GKV stellt jedoch eine besondere Gemeinwohlaufgabe dar, welche der Gesetzgeber nicht nur verfolgen darf, sondern der er sich nicht einmal entziehen dürfte (BVerfGE 68, 193, 218; im Ergebnis ebenso: Beschlüsse des 9. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 7. Dezember 1999, Az: L 9 B 105/99 KR ER, und 17. Dezember 1999, AZ: L 9 B 127/99 KR ER jeweils ergangen zur Festsetzung von Festbeträgen nach §§ 35 und 36 SGB V).

Für die gestellten Unterlassungsanträge besteht derzeit kein Rechtsschutzinteresse, so dass sie noch unzulässig sind; im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann die Beurteilung eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens als rechtswidrig nicht verlangt werden. Dafür, dass die Antragsgegnerinnen ihren Verpflichtungen, u.a. auch aus dem vorliegenden Beschluss, in Zukunft nicht nachkommen, bestehen keine Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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