L 16 LW 9/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 LW 123/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 LW 9/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1948 geborene Kläger bewirtschaftete bis zum 16. März 1989 ein landwirtschaftliches Unternehmen und wird bei der Beklagten seit 1. April 1989 als freiwillig Weiterversicherter nach § 27 Abs.1 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL; Bescheid vom 23. Mai 1989, der bei der Beklagten bereits vernichtet wurde und dem Kläger nach eigenen Angaben nicht vorliegt) und seit Inkrafttreten des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) am 1. Januar 1995 als Versicherungspflichtiger nach § 84 Abs.1 ALG geführt. Für die Zeit vom 1. April 1989 bis 31. Dezember 1998 (Aufhebungsbescheid vom 24. März 1999) bezog er aufgrund jährlicher, von ihm eigenhändig unterzeichneter Einkommenserklärungen (für die Jahre 1993 bis 1998 siehe die Erklärungen vom 11. Februar 1993, 29. Juni 1993, 31. Juli 1995, 27. November 1995, 27. Februar 1991 und 30. März 1998) Beitragszuschüsse in wechselnder Höhe.

In den Akten der Beklagten befindet sich ein an den Kläger adressiertes Formblattschreiben vom 9. Januar 1995, mit dem die Beklagte die nach § 27 GAL beitragspflichtigen ehemaligen Landwirte darauf hinwies, dass sie ab 1. Januar 1995 gemäß § 84 Abs.2 Satz 1 Halbsatz 1 ALG versicherungspflichtig werden, wenn sie nicht bis zum 31. Dezember 1995 einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht stellen. Ein Nachweis über die Absendung oder den Zugang des Schreibens beim Kläger befindet sich nicht in den Akten.

Die monatlichen Beiträge zur Beklagten wurden - auch nach der Trennung der Ehegatten im Juni 1997 - bis zum Januar 1998 durch Lastschrifteinzug vom Bankkonto der damaligen Ehefrau des Klägers entrichtet. Im Februar 1998 widerrief die Ehefrau die Einzugsermächtigung. Im Mai 1998 erklärte der Kläger telefonisch, er werde die Beiträge selbst einzahlen und eine neue Bankverbindung mitteilen (Telefonvermerk vom 19. Mai 1998). Eine Beitragszahlung erfolgte in der Folgezeit jedoch trotz wiederholter Zahlungsaufforderungen nicht. Auf eine Anfrage der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 16. August 1999 nach dem Rechtsgrund der Beitragsforderung teilte die Beklagten diesen mit, der Kläger sei als Beitragszahler nach § 27 GAL ab 1. Januar 1995 versicherungspflichtig (Schreiben vom 19. August 1999). Die Ehe des Klägers wurde mit Urteil vom 9. September 1999 geschieden.

Der Kläger beantragte bei der Beklagten Ratenzahlung (Telefonvermerk vom 9. Februar 2000) und teilte mit, er könne sich nicht erinnern, eine Erklärung nach § 27 GAL abgegeben zu haben. Dies sei vermutlich durch seine Ehefrau erfolgt (Telefonvermerk vom 15. Februar 2000).

Nachdem die Beklagte den Antrag auf Ratenzahlung abgelehnt hatte (Schreiben vom 17. Februar 2000), erklärte der Kläger in einem am 24. Februar 2000 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben, er kündige seine "freiwillige Landwirtschaftliche Alterskasse" aus finanziellen Gründen fristlos. Sein Prozessbevollmächtigter beantragte mit Schreiben vom 7. April 2000, den Kläger gemäß § 3 Abs.1 Nr.1 ALG von der Versicherungspflicht zu befreien, da er seit 1. August 1999 abhängig beschäftigt sei. Die Beklagte lehnte die Anträge ab (Bescheid vom 11. April 2000). Der Kläger sei aufgrund einer Erklärung über die Weiterversicherung nach § 27 GAL ab 1. April 1989 beitragspflichtig und gemäß § 84 Abs.2 ALG ab 1. Januar 1995 versicherungspflichtig. Eine Befreiung nach § 84 Abs.2 ALG habe er trotz Aufklärungsschreiben vom Januar 1995 nicht fristgerecht bis zum 31. Dezember 1995 beantragt. Er gehöre auch nicht zum Personenkreis des § 3 Abs.1 Nr.1 ALG.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch bestritt der Kläger, eine Erklärung nach § 27 GAL abgegeben zu haben. Unterlagen hierzu habe er nicht mehr. Vorsorglich beantrage er die Gewährung eines Beitragszuschusses.

Die Beklagte wies den Wiederspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. September 2000). Da der Kläger seit 16. März 1989 keine Flächen mehr bewirtschafte und daher nicht Landwirt im Sinne des § 1 Abs.2 ALG sei, komme eine Befreiung nach § 3 ALG nicht in Betracht. Auch bestehe weiterhin Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 ALG, da der Befreiungsantrag trotz Aufklärung durch die Beklagte Anfang Januar 1995 nicht bis zum 31. Dezember 1995 gestellt worden sei. Die Erklärung nach § 27 GAL sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unwiderruflich.

Gegen den am 3. September 2000 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 26. September 2000 zum Sozialgericht Landshut (SG) Klage erhoben mit dem Antrag, ihn von der Versicherungspflicht zu befreien. Es liege keine Mitgliedschaft bei der Beklagten vor. Der Kläger habe keine Erklärung über die Weiterentrichtung von Beiträgen nach § 27 GAL abgegeben und sei deshalb nicht versicherungspflichtig nach § 84 Abs.1 Satz 1 ALG. Er sei im Januar 1995 auch nicht über die Möglichkeit informiert worden, die Befreiung von dieser Versicherungspflicht zu beantragen. Im Übrigen sei die Berufung der Beklagten darauf, dass der Kläger keine landwirtschaftliche Tätigkeit mehr ausübe, rechtsmissbräuchlich, da auf ihn § 3 Abs.1 Nr.1 ALG zumindest analog anzuwenden sei. Der Kläger entrichte seit August 1998 fortlaufend monatliche Pflichtversicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung und sei daher zumindest vom Eingang des Befreiungsantrags an von der Versicherungspflicht zu befreien.

Das SG wies die Klage ab (Urteil vom 5. Februar 2002). Der Kläger sei nach § 84 Abs.2 ALG in Verbindung mit § 27 GAL versicherungspflichtig. Der nachträgliche Einwand, keine Weiterentrichtungserklärung nach § 27 GAL abgegeben zuhaben, sei unrichtig und rechtsmissbräuchlich, nachdem der Kläger jahrelang Beitragszuschüsse bezogen habe. Eine Befreiung nach § 84 Abs.2 ALG könne nicht erfolgen, da der Kläger den Antrag nicht bis zum 31. Dezember 1995 gestellt habe und auch nicht ohne sein Verschulden daran gehindert gewesen sei, diese Frist einzuhalten. Die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch lägen nicht vor. Der Kläger habe die Befreiung von der Versicherungspflicht erst beantragt, als die Beklagte ihm Beitragszuschüsse verweigert habe. Auch die Voraussetzungen des § 84 Abs.3 ALG lägen nicht vor. Eine Befreiung nach § 3 Abs.1 Nr.1 ALG komme nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. Oktober 2000 - B 10 LW 20/99 R -) bei Weiterversicherten nicht in Betracht.

Gegen das am 13. Februar 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. März 2002 beim Bayer Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Der am 23. Mai 1989 ergangene Bescheid der Beklagten über die Beitragspflicht des Klägers ab 1. April 1989 sei ergangen, weil die Ehefrau des Klägers erklärt habe, dass sie die Entrichtung von Beiträgen fortsetzen wolle. Bis zur Arbeitsaufnahme im August 1998 sei der Kläger selbst nicht in der Lage gewesen, Beiträge an die Beklagte zu entrichten. Deshalb habe er selbst auch keine Weiterentrichtungserklärung nach § 27 GAL abgegeben. Aufgrund der ab August 1998 bestehenden Beitragspflicht zur Arbeiterrentenversicherung sei der Kläger laienhaft davon ausgegangen, dass die Versicherungspflicht bei der Beklagten nicht mehr bestehe. Nachdem die Beklagte aber auf einer Beitragszahlung bestanden habe, sei mit Schreiben vom 7. April 2000 nochmals förmlich beantragt worden, den Kläger von der Versicherungspflicht zu befreien. Eine Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten habe aber nicht bestanden. Über die befristete Befreiungsmöglichkeit nach 3 84 Abs.2 ALG sei der Kläger im Januar 1995 nicht aufgeklärt worden. Zumindest aber sei er in analoger Anwendung des § 3 Abs.1 Nr.1 ALG im Hinblick auf die seit August 1998 ausgeübte abhängige Beschäftigung von der Versicherungspflicht zu befreien. Sich hier auf eine fehlende landwirtschaftliche Tätigkeit zu berufen, sei rechtsmissbräuchlich.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 5. Februar 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2000 aufzuheben und den Kläger von der Versicherungspflicht bei der Beklagten ab 1. Januar 1995 zu befreien.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger sei mit Bescheid vom 23. April 1989 aufgrund einer Erklärung nach § 27 GAL als freiwillig weiterentrichtender Beitragszahler ins Mitgliederverzeichnis der Beklagten aufgenommen worden und könne diese Erklärung nicht widerrufen oder zurückziehen. Dies gelte auch dann, wenn die Erklärung von der Ehefrau unterschrieben worden sei, denn nach § 73 Abs.2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werde bei Ehegatten die Bevollmächtigung unterstellt. Von der Befreiungsmöglichkeit nach § 84 Abs.2 Satz 2 ALG habe der Kläger trotz des Aufklärungsschreibens vom 9. Januar 1995 keinen Gebrauch gemacht. § 3 ALG finde daneben keine Anwendung.

Der Senat hat die Akten der Beklagten sowie des SG beigezogen und die frühere Ehefrau des Klägers als Zeugin gehört. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten und die Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet.

Das SG hat die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2000 i.d.G.d. Widerspruchsbescheides vom 4. September 2000 mit Urteil vom 5. Feburar 2002 zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der Landwirtschaftlichen Alterskasse.

1. Der Kläger ist seit 1. Januar 1995 gem. § 84 Abs.2 Satz 1 Halbsatz 1 ALG in der Landwirtschaftlichen Alterskasse versicherungspflichtig. Nach dieser Vorschrift bleiben Personen, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt oder mitarbeitender Familienangehöriger beitragspflichtig waren, versicherungspflichtig. Der Kläger war am 31. Dezember 1994 gem. § 27 GAL als weiterversicherter ehemaliger Landwirt beitragspflichtig.

Gem. § 27 Abs. 1 GAL können Personen, die mindestens 60 Kalendermonate beitragspflichtig zur landwirtschaftlichen Alterskasse waren, innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht ... erklären, dass sie die Entrichtung von Beiträgen fortsetzen wollen (Satz 1). Die Erklärung begründet Beitragspflicht vom Beginn des Monats an, der auf das Ende der Beitragspflicht ... folgt, mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Beginn der Zahlung des vorzeitigen Altersgeldes oder der Landabgaberente (Satz 5).

Ob die Beklagte 1989 die Weiterversicherung und/oder die daraus resultierende Beitragspflicht des Klägers durch einen nicht in den Akten befindlichen Bescheid vom 23. Mai 1989 festgestellt hat, kann dahinstehen, da ein Versicherungsverhältnis i.S.d. § 27 GAL nicht durch Verwaltungsakt , sondern allein durch eine entsprechende (einseitige Willens)Erklärung des Versicherten begründet wird (BSG SozR 3-5850 Nr.2).

Nach Überzeugung des Senats hat der Kläger 1989 eine die Beitragspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse begründende Erklärung über die freiwillige Entrichtung von Beiträgen nach § 27 GAL abgegeben. Der Kläger hat dies zunächst bestritten, in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat jedoch eingeräumt, möglicherweise eine solche Erklärung unterschrieben zu haben. Auch die vorliegenden Unterlagen und die Aussage der Zeugin lassen auf die Abgabe einer solchen Erklärung schließen. Die damalige Ehefrau hat als Zeugin glaubhaft ausgesagt, der Kläger habe sich nach der Zwangsversteigerung des Landwirtschaftlichen Anwesens der Familie entschieden, zur Sicherung einer Altersrente weiterhin Beiträge zur Beklagten zu entrichten. Dem Kläger war somit bekannt, dass mit der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens die gesetzliche Beitragspflicht zur Beklagten endete. Die von ihm beabsichtigte Fortsetzung der Beitragszahlung war nach dem GAL aber nur über eine Erklärung nach § 27 Abs.1 Satz 1 GAL möglich. Dass die Beitragszahlung als (vermeintlicher) landwirtschaftlicher Unternehmer fortgesetzt wurde, ist nicht ersichtlich. Es spricht nichts dafür, dass die Beklagte den Kläger trotz Zwangsversteigerung der landwirtschaftlichen Flächen nur irrtümlich (z.B. aufgrund eines Katasterfehlers) weiterhin als landwirtschaftlichen Unternehmer zu Beiträgen herangezogen oder Beiträge versehentlich (z.B. aufgrund einer über den März 1989 hinaus erfolgenden monatlichen Überweisung oder Lastschrift) als Unternehmer-Beiträge entgegengenommen hat. Die Beiträge für die Zeit ab 1. April 1989 wurden nicht fortlaufend, sondern erst 1993 rückwirkend entrichtet, nachdem die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 8. Februar 1993 ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass seine Beitragspflicht als landwirtschaftlicher Unternehmer seit 31. März 1989 beendet sei, er anschließend die Weiterentrichtung der Beiträge nach § 27 GAL beantragt habe und mit der Beitragszahlung im Rückstand sei. Dieses Schreiben ist dem Kläger auch zugegangen, denn er hat den dort beigefügten Einkommensfragebogen für 1993 am 11. Februar unterzeichnet und an die Beklagte zurückgesandt. Der Beitragsrückstand wurde 1993 ausgeglichen (der Bescheid über den Beitragszuschuss vom 18. Januar 1994 weist ein ausgeglichenes Beitragskonto aus), die Beiträge bis zum Januar 1998 (Widerruf der Einzugsermächtigung durch die inzwischen getrennt lebende Ehefrau des Klägers) wurden monatlich entrichtet. Dass er, wie von der Beklagten mitgeteilt, einen Antrag auf Weiterentrichtung gestellt hat, hat der Kläger bis zu seinem Kündigungsschreiben vom 22. Februar 2000 auch zu keinem Zeitpunkt bestritten. Vielmehr hat er zur Minderung der Beitragslast weiterhin jährlich die Gewährung von Beitragszuschüssen beantragt. Er hat die hierzu erforderlichen Einkommenserklärungen jedenfalls für die Zeit ab 1993 (frühere Erklärungen liegen nicht mehr vor) selbst unterschrieben. Eine Weiterversicherung stand auch im wohlverstandenen Interesse des Klägers. Aus dem Beschluss des Amtsgerichts S. vom 30. März 2000 zum Versorgungsausgleich der Eheleute und der dortigen Beschwerdebegründung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. Juli 2000 geht hervor, dass nach Aufgabe der Landwirtschaft 1989 bis zur Trennung der Eheleute 1997 nur die Ehefrau ganztägig berufstätig war, der Kläger lediglich geringfügige Beschäftigungen ausgeübt hat und zwischen den Eheleuten vereinbart war, der Kläger solle überwiegend als "Hausmann" (es waren drei minderjährige Kinder zu betreuen) tätig sein. Unter diesen Umständen war es zum Aufbau einer eigenständigen Alterssicherung des Klägers im Hinblick auf die bereits seit Juli 1978 erfolgte Beitragszahlung zur Beklagten naheliegend, von der Weiterversicherungsmöglichkeit nach § 27 GAL Gebrauch zu machen. Für die Behauptung des Klägers, die Erklärung nach § 27 GAL sei ohne sein Wissen von der Zeugin selbst unterschrieben worden, liegen keine Anhaltspunkte vor. Deshalb bedarf weder die Unanwendbarkeit des § 73 Abs.2 SGG auf Erklärungen im Verwaltungsverfahren noch die Frage, ob eine Erklärung der Ehefrau durch das weitere Verhalten des Klägers genehmigt wäre oder sich die jetzige Berufung des Klägers auf eine fehlende eigenhändige Erklärung als rechtswidrig erweisen würde, einer näheren Erörterung.

Die durch eine unwiderrufliche Erklärung nach § 27 GAL begründete Beitragspflicht (vgl. BSG SozR 5850 § 27 Nr.2; zur Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz vgl. den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts SozR 5850 § 27 Nr.5) besteht kraft Gesetzes über den 31. Dezember 1995 als Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 ALG fort.

2. Eine Befreiung des Klägers von dieser Versicherungspflicht kommt weder nach § 3 Abs.1 Nr.1 ALG noch nach § 84 Abs.2 Satz 1 ALG in Betracht.

Gemäß § 3 Abs.1 Nr.1 werden Landwirte und mitarbeitende Familienangehörige auf Antrag von der Versicherungspflicht befreit, solange sie regelmäßig Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, vergleichbares Einkommen oder Erwerbsersatzeinkommen beziehen, das ohne Berücksichtigung des Arbeitseinkommens aus Land- und Forstwirtschaft jährlich 4.800,00 EUR (bis 30. März 2003 ein Siebtel der Bezugsgröße) überschreitet. Diese Vorschrift findet nur auf die nach § 1 ALG versicherten Personen, nicht jedoch auf Versicherte nach § 84 Abs.2 ALG Anwendung (BSG SozR 3-5868 § 84 Nr.2; zum entsprechenden § 14 Abs.2 GAL BSG SozR 5850 § 27 Nr.6).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 Satz 1 ALG. Danach werden Personen, die am 31. Dezember 1994 unabhängig von einer Tätigkeit als Landwirt oder mitarbeitende Familienangehörige beitragspflichtig waren, auf Antrag mit Wirkung vom 1. Januar 1995 oder, soweit zu diesem Zeitpunkt die Wartezeit für eine Altersrente noch nicht erfüllt ist, mit Wirkung vom Ablauf des Monats an, für den die Wartezeit für eine Altersrente erfüllt ist, von der Versicherungspflicht befreit.

Der Kläger hat in der Zeit vom 1. Juli 1978 bis 31. Dezember 1994 198 Monate anrechnungsfähige Beitragszeiten zurückgelegt (vgl. die Auskunft der Beklagten zum Versorgungsausgleich der Eheleute vom 16. Oktober 1998) und damit vor dem 01.01.1995 die Wartezeit für eine Altersrente (§ 11 Abs.1 Nr.2 ALG) erfüllt. Er hat jedoch die Antragsfrist nach § 84 Abs.2 Satz 2 ALG versäumt. Sein als Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht auszulegendes "Kündigungs"-Schreiben vom 22. Februar 2000 ist erst am 24. Februar 2000 und somit nach dem 31. Dezember 1995 bei der Beklagten eingegangen.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 Abs.1 SGB X) kommt nicht in Betracht. Zwar gilt diese Vorschrift nicht nur für Verfahrensfristen, sondern auch für materiell-rechtliche (Ausschluss)Fristen (vgl. Krasney in Kasseler Kommentar § 27 SGB X Rdnr.3 mit weiteren Nachweisen) und ihre Anwendung ist in § 84 Abs.2 ALG, im Gegensatz zu anderen Vorschriften dieses Gesetzes (vgl. § 85 Abs.3 Satz 3 und Abs.4 Satz 2 ALG) nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Der Kläger war aber im Sinne der Rechtsprechung des BSG nicht ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten. Die bloße Unkenntnis begründet keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da nach dem Grundsatz der formellen Publizität von Gesetzen für die Bekanntmachung von Gesetzen, die sich an einen unbestimmten Kreis von Personen richtet, die Verkündung im Bundesgesetzblatt genügt (vgl. BSG SozR 3-1300 § 27 Nr.3). Mit der Verkündung gelten die Gesetze grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt, ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben.

Der Kläger ist auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe er die Antragsfrist eingehalten. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass - der Anspruchsteller ein bestimmtes soziales Recht (oder ein bundesgesetzlich ausgestaltetes Verfahrensrecht) innehat (oder innegehabt hat), das sich gerade gegen den Leistungsträger richtet, von dem er Herstellung begehrt,

- er in diesem sozialen Recht dadurch beeinträchtigt worden ist, dass der verpflichtete Leistungsträger durch ein ihm sozialrechtlich zuzurechnendes rechtswidriges Verhalten (Eingriff, Behinderung oder Unterlassen einer gebotenen Förderung) eine Haupt- oder Nebenpflicht aus dem jeweiligen Sozialrechtsverhältnis verletzt hat, die ihm gerade gegenüber dem Anspruchsteller zum Schutz des Rechts oblag, und

- die Pflichtverletzung die wesentliche, d.h. zumindest gleichwertige Bedingung dafür gewesen ist, dass das beeinträchtigte Recht (ggf. für den jeweiligen Zeitraum) dem Rechtsinhaber nicht, nicht mehr oder nicht in dem vom Primärrecht bezweckten Umfang zusteht.

Im vorliegenden Fall könnte die Beklagte eine ihr auch gegenüber dem Kläger obliegende Pflicht zur gleichmäßigen Beratung der bei ihr Weiterversicherten über das befristete Antragsrecht auf Befreiung von der ab 01. Januar 1995 für Weiterversicherte eintretenden Versicherungspflicht nach § 84 Abs.2 ALG verletzt haben. Zwar hat die Beklagte ihrer Pflicht zur Aufklärung der Versicherten über die zum 1. Januar 1995 eintretenden Rechtsänderungen auch bezüglich der nach § 27 GAL Weiterversicherten bereits durch Veröffentlichungen in ihrem Mitteilungsblatt "Sicherheit für Haus und Hof" Rechnung getragen (vgl. Urteil des Senats vom 22. November 2000 - L 16 LW 55/99 -), so dass es einer individuellen Information der einzelnen Versicherten im Rahmen der Aufklärungspflicht nach §§ 14, 15 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht bedurft hätte (vgl. Urteil des Senats vom 18. Oktober 2000 - L 16 LW 39/99 -). Nimmt die Beklagte jedoch eine weitergehende, auf den betroffenen Versichertenkreis beschränkte individualisierte Aufklärung vor, so ist sie nach dem in Art.3 Abs.1 Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Gleichheitssatz verpflichtet, diese Aufklärung gegenüber allen von ihr als betroffen ermittelten Versicherten gleichmäßig vorzunehmen. Dies ist vorliegend nicht der Fall, wenn dem Kläger das von der Beklagten offenbar als Formschreiben an die nach § 27 GAL Weiterversicherten gerichtete Aufklärungsschreiben vom 9. Januar 1995 nicht zugegangen ist. Die Akte enthält keinen Hinweis auf eine Aufgabe des Schreibens zur Post und keine direkte oder indirekte Bestätigung des Zugangs beim Kläger. Im gesamten nachfolgenden Schriftverkehr wird seitens des Klägers auf dieses Schreiben nicht Bezug genommen. Auch die Zeugin konnte zum Erhalt des Schreibens keine Angaben machen, so dass dessen Zugang beim Kläger jedenfalls nicht nachgewiesen ist.

Allein aus der Verletzung einer Nebenpflicht (hier: Hinweispflicht auf ein nur befristetes Antragsrecht) kann aber nicht bereits auf die Entstehung eines Herstellungsrechts geschlossen werden. Es muss im Einzelfall im Sinne des Vollbeweises feststehen, dass sie wesentliche, d.h. zumindest gleichwertige Bedingung für die Beeinträchtigung des sozialen Rechts (oder Verfahrensrechts) gewesen ist. Dies ist hier nicht der Fall.

Eine solche Kausalität scheidet allerdings nicht schon deshalb aus, weil der Kläger die Antragstellung vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassen hätte. Es ist nicht ersichtlich, ob und wann der Kläger Kenntnis von der Befreiungsmöglichkeit erlangt hat. Das Schreiben vom 22. Februar 2000 gibt hierfür keinen Anhaltspunkt. Die darin erklärte fristlose Kündigung einer freiwilligen Versicherung bringt auch bei laienhafter Ausdrucksweise keine rückwirkende Ausübung des Gestaltungsrechts aus § 84 Abs.2 ALG zum Ausdruck. Auch ist nicht ersichtlich, dass der Kläger Möglichkeiten zur Aufklärung und Information über die Beendigung der Weiterversicherung grob fahrlässig nicht genutzt hätte. Das Informationsblatt der Beklagten "Sicherheit für Haus und Hof" Ausgabe Nr.3/94, ist - wie im Senatsurteil vom 18. Oktober 2000 (L 6 LW 39/99) ausgeführt - nicht geeignet, eine solche fahrlässige Pflichtverletzung auf Seiten des Versicherten zu begründen.

Es ist aber unabhängig davon, ob der Kläger auf anderem Wege Kenntnis von dieser Gestaltungsmöglichkeit erlangt hat, nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen, dass eine - nur unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung - unzureichende Unterrichtung des Klägers über die Betroffenheit durch die Rechtsänderung und die Befristung der Befreiungsmöglichkeit nach § 84 Abs.2 ALG kausal für die unterbliebene Antragstellung bis zum 31. Dezember 1995 war, denn der Kläger hatte ein der Ausübung dieses Gestaltungsrechts widersprechendes Interesse an der Fortsetzung der Beitragszahlung.

Der Kläger lebte im Antragszeitraum mit seiner Familie zusammen, betreute nach eigenen Angaben drei minderjährige Kinder der Eheleute, ging keiner rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nach und verfügte mit Ausnahme der (Weiter)Versicherung in der Landwirtschaftlichen Alterskasse weder über eine gesetzliche noch über eine private Alterssicherung (etwa in Form von Versicherungsverträgen oder Vermögen). Zum damaligen Zeitpunkt war auch nicht abzusehen, dass die Ehe geschieden würde (die Trennung erfolgte erst im Juni 1997) und der Kläger durch Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erwerben würde. Er selbst hat im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, wesentliche Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Versicherung bei der Beklagten sei gewesen, dass die Beiträge von seiner allein berufstätigen - und somit nach der Entscheidung der Ehegatten für den finanziellen Familienunterhalt zuständigen - damaligen Ehefrau gezahlt würden. Nachdem diese Beitragszahlung jedenfalls ab 1994 regelmäßig erfolgte und eine Änderung der finanziellen und familiären Verhältnisse nicht absehbar war, bestand für den damals 47-jährigen Kläger im Jahr 1995 keine Veranlassung, die Beitragszahlung für seine im Hinblick auf die bewilligten höchstmöglichen Beitragszuschüsse finanziell günstige Alterssicherung bei der Beklagten anlässlich der Rechtsänderung zum 1. Januar 1995 zu beenden. Er ist auch erstmals nach Beendigung der Beitragszahlung seitens der Ehefrau im Jahr 1998 und Aufnahme einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung an die Beklagte mit dem erkennbaren Wunsch herangetreten, sich von der (Versicherungs-) und Beitragszahlungspflicht zu befreien. Bei dieser Sachlage ist nicht erkennbar, dass die vom Kläger jetzt begehrte Befreiung von der Versicherungspflicht ab 1. Januar.1995 für ihn im maßgebenden Antragszeitraum (bis zum 31. Dezember 1995) überhaupt eine (im Gegensatz zu der für die Beratungspflicht maßgebenden abstrakten Betrachtung) individuell naheliegende Gestaltungsmöglichkeit dargestellt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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